Meeresspiegelanstieg in Europa
Die durch einen Meeresspiegelanstieg am stärksten gefährdeten europäischen Küstengebiete befinden sich im östlichen England, an den Nordseeküsten der Niederlande, Belgiens, Deutschlands und Dänemarks sowie in der Poebene Italiens. Aber auch die Ostseeküstengebiete sind an zahlreichen Stellen bedroht. 85% der Küstenzone (gerechnet bis 10 km landeinwärts) der Niederlande und Belgiens, etwa 50% der Küstengebiete Deutschlands, 30% der von Dänemark und 22% derjenigen Polens liegen unterhalb von 5 m über dem Meeresspiegel.[1] Nach Schätzungen sind in Europa bei einem Meeresspiegelanstieg um einen Meter 13 Millionen Menschen betroffen.[2]
Meeresspiegelanstieg bis 2 m
Das Gebiet rund um die Nordsee wird seit Jahrhunderten von Sturmfluten heimgesucht. Bekannte Sturmflutkatastrophen fanden in den letzten Jahrzehnten in den Niederlanden 1953 und in der Deutschen Bucht 1962 statt. Die betroffenen Staaten reagierten auf solche Katastrophen durch verbesserten Küstenschutz, der in nächster Zeit für einen Meeresspiegelanstieg um 2 m verbessert werden soll. Wichtig für eine erfolgreiche Anpassung wird nicht nur die Höhe, sondern auch die Geschwindigkeit des künftigen Anstiegs sein. Dabei können nicht alle Küstengebiete durch Deicherhöhungen geschützt werden, was insbesondere für Düneninseln wie z.B. Sylt gilt. Im Fall der nordfriesischen Insel Sylt konnte allerdings gezeigt werden, dass bei einer erwarteten Erhöhung des Meeresspiegels um ca. 50 cm bis 2050 und einer Zunahme der Sturmintensität um 10% im selben Zeitraum mäßige Steigerungen der vorzuspülenden Sandmengen ausreichen, um die Folgen eines erhöhten Meeresspiegels sowie der Extremereignisse auffangen zu können.[3] Der Fall Sylt ist beispielhaft für die europäischen Küstenzonen bei einem Meersspiegelanstieg von unter 1 m bis 2100, wie er von Klimamodellen allgemein projektiert wird: Die europäischen Staaten werden einem Anstieg in dieser Dimension begegnen können, ob durch Deicherhöhungen, Sandvorspülungen oder andere Küstenschutzmaßnahmen. In einigen Gebieten, wie etwa im Rhone-Delta, kann es aber auch schon bei einem mäßigen Meeresspiegelanstieg zur Aufgabe von küstennahen Landflächen kommen, weil sie als wenig schützenswert gelten.[4]
Meeresspiegelanstieg bis 5 m
Anders ist die Situation bei einem deutlich höheren Anstieg einzuschätzen. In der Klimaforschung werden verschiedene Extremszenarien diskutiert, deren Eintreten zwar sehr unwahrscheinlich ist, die aber mit erheblichen Folgen für natürliche Ökosysteme und die menschliche Gesellschaft verbunden wären. Solche Szenarien sind insbesondere der Zusammenbruch der Thermohalinen Zirkulation im Nordatlantik, die rapide Ausbreitung tropischer Krankheiten, eine starke Zunahme von Wetterextremen und eben ein Meeresspiegelanstieg um 5 m bis 2100 durch den Zerfall des Westantarktischen Eisschildes. Auch wenn das Eintreten eines solchen Ereignisses nach Expertenmeinung nur eine Wahrscheinlichkeit von 5% besitzt, macht es Sinn, dessen Folgen zu untersuchen, da es wegen der lückenhaften Kenntnisse über das Verhalten des Westantarktischen Eisschildes auch nicht ausgeschlossen werden kann.[5]
Im Einzelnen sind die Folgen eines 5m-Anstiegs für drei europäische Fallbeispiele, das Rheindelta, das Rhonedelta und die Ästuarmündung der Themse, untersucht worden. Das Rheindelta ist das ökonomische und soziale Zentrum der Niederlande und Heimat des größten europäischen Hafens, nämlich Rotterdams. In den Niederlanden ist die Absicherung vor Überflutungen ein über Jahrhunderte altes nationales Anliegen. Experten glauben daher, dass die niederländische Gesellschaft auch einem größeren Meeresspiegelanstieg durch höhere Deiche und andere Schutzmaßnahmen erfolgreich begegnen wird. Offen bleibt jedoch, ob soziale Entwicklungen in den nächsten Jahrzehnten - eine Schwächung des Staates durch wirtschaftliche Globalisierung, eine größere (globale) Mobilität der Eliten und eine stärkere Rolle von Immigranten - den Willen und die Fähigkeit zu einer derartigen nationalen Anstrengung unterminieren könnten.
Die Themse-Mündung ist weit weniger gefährdet als das Rhein-Delta, da sich um sie herum weniger tief liegende Gebiete befinden. Auf der anderen Seite liegt hier mit London eine der größten Städte der Welt, und Großbritannien besitzt weit weniger Erfahrung mit dem Küstenschutz als die Niederlande. Es wird daher durchaus die Möglichkeit gesehen, dass die englische Gesellschaft bei einem schnellen Meeresspiegelanstieg zu spät und zu unzureichend reagieren könnte und die betroffenen Gebiete eher aufgeben als verteidigen würde. Auch im Falle des Rhone-Deltas (Camargue) wird wahrscheinlich ähnlich reagiert. Zwar ist die Camargue seit 1859 eingedeicht, musste jedoch bei weitem nicht in dem Maße wie das Rhein-Delta vor Sturmfluten ständig geschützt werden. Zudem könnte der dünn besiedelte Landstrich als wenig schützenswert eingestuft und aufgegeben werden.
Einzelnachweise
- ↑ rooks, N., Nicholls, R. und Hall, J. M. (2006): Sea Level Rise: Coastal Impacts and Responses. Externe Expertise für das WBGU-Sondergutachten Die Zukunft der Meere - zu warm, zu hoch, zu sauer, Berlin
- ↑ Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (2006): Die Zukunft der Meere - zu warm, zu hoch, zu sauer, Sondergutachten, Berlin, S. 33; auch als Download
- ↑ Daschkeit, A., H. Sterr (2005): Klimawandel und Küstenschutz: Hat Sylt eine Zukunft?- In: Glaeser, B. (Hrsg.): Küste, Ökologie und Mensch: Integriertes Küstenmanagement als Instrument nachhaltiger Entwicklung.- München, S. 267-291; auch Online
- ↑ Paskoff, R.P. (2004): Potential Implications of Sea-Level Rise for France, Journal of coastal Research 20, 424-434
- ↑ Vgl. Tol, R.S.J., M. Bohn, T.E. Downing, M.L. Guillerminet, E. Hizsnyik, R. Kasperson, K. Lonsdale, C. Mays, R. J. Nicholls, A.A. Olsthoorn, G. Pfeifle, M. Poumadere, F.L. Toth, A.T. Vafeidis, P.E. van der Werff, I.H. Yetkiner (2006): Adaptation to Five Metres of Sea Level Rise, Journal of Risk Research 9, 467-482
Literatur
Weblinks
- Der globale Meeresspiegelanstieg Hamburger Bildungsserver
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