Zukünftige Aerosolkonzentrationen
Ursachen künftiger Aerosol-Abnahme
Um das Paris-Abkommen einer Begrenzung der globalen Mitteltemperatur auf höchstens 2 °C, möglichst sogar auf 1,5 °C, in diesem Jahrhundert einzuhalten, müssen vor allem die Treibhausgas-Emissionen drastisch reduziert werden. Erhebliche Auswirkungen auf das Klima haben aber auch die Emissionen anthropogener Aerosole, die mit darüber entscheiden, um wieviel die Treibhausgas-Emissionen reduziert werden müssen. Nach einer Modell-Berechnung von Larson & Portmann (2019) wäre bei ähnlich hohen Aerosol-Emissionen wie gegenwärtig bis 2040 eine Treibhausgas-Reduktion von 8% ausreichend, um auf dem Pfad des Paris-Abkommens zu bleiben. Bei einer starken Reduzierung der Aerosol-Emissionen müssten dagegen die Treibhausgas-Emissionen bis 2040 um 36% zurückgehen.[1] Es ist davon auszugehen, dass dies das wahrscheinlichere Szenario ist. Allein in Indien starben 2017 1,2 Mio. Menschen durch Luftverschmutzung, an der Aerosole einen wesentlichen Anteil haben; und nach Modell-Berechnungen werden durch eine deutliche Abnahme von Aerosol-Emissionen bis 2100 weltweit jährlich rund 2 Mio. Menschen weniger sterben.[2] In den wichtigsten Zentren der Aerosol-Emission Europa, Nordamerika und Ostasien werden daher die Bemühungen, die Luftbelastung durch Aerosole zu verringern, weitergehen. In Indien werden die Aerosol-Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts wahrscheinlich noch zunehmen, danach aber auch dort abnehmen. Die weitere Entwicklung in neu hinzukommenden Emissionszentren wie Südostasien und Afrika ist weitgehend unklar.[3]
Die Luftreinhaltepolitik ist jedoch nur der eine Antrieb der künftigen Aerosol-Belastung. Der andere ist die Abnahme der Treibhausgas-Emissionen. Werden in den nächsten Jahrzehnten die fossilen zunehmend durch regenerative Energieträger ersetzt, ein Prozess, der gegenwärtig schon an Dynamik gewonnen hat,[4] werden nicht nur weniger Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, sondern auch weniger von den wichtigsten anthropogenen Aerosolen emittiert, nämlich den Sulfat-Aerosolen. Weniger Treibhausgase werden zu einer Abkühlung der Atmosphäre beitragen, weniger Sulfat-Aerosole eine Erwärmung bewirken, da dadurch direkt oder indirekt eine geringere Menge an Sonneneinstrahlung gestreut wird. Der nach dem Paris-Abkommen in Gang gesetzte Klimaschutz wird also teilweise sein Gegenteil bewirken.
Aerosol-Abnahme und Klimawirkung
Entscheidend werden die quantitativen Verhältnisse sein: Wie hoch wird die Erwärmung durch die Abnahme der Aerosole im Vergleich zur Abkühlung durch weniger Treibhausgase sein? Bei dem niedrigen Szenario SSP1-1.9 gehen vor allem die Emissionen von Schwefeldioxid (SO2) schon bis 2040 global um 25% zurück. Bei dem hohen Szenario SSP3-7.0 nehmen die SO2-Emissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts zunächst geringfügig gegenüber 2015 zu, um dann bis zum Ende des Jahrhunderts um etwa denselben Betrag zu fallen (Abb. 1, links). Die Folge ist ein Rückgang der Aerosol-Belastung um 60% gegenüber dem Gegenwartsniveau nach dem SSP1-1.9-Szenario. Bei SSP3-7.0 nimmt die Sulfataerosol-Belastung bis zur Mitte des Jahrhunderts leicht zu und sinkt dann bis 2100 geringfügig auf das Niveau um 2015.[2]
Die starke Abnahme der Aerosol-Belastung der letzten Jahrzehnte wird nach dem niedrigen Szenario SSP1-1.9 (kompatibel mit dem 1,5 °C-Ziel) bis 2040 eine starke Zunahme der Sonneneinstrahlung zur Folge haben (Abb. 1, rechts), die bis 2100 in abgeschwächter Form weitergehen wird. Vom vorindustriellen Wert wird bei diesem Szenario am Ende des Jahrhunderts der globale Mittelwert mit -0,04 W/m2 nur geringfügig abweichen. Bei dem hohen Szenario SSP3-7.0 wird sich der Einfluss der Aerosole auf die Solarstrahlung dagegen kaum von dem der Gegenwart unterscheiden und bei -0,55 W/m2 gegenüber der vorindustriellen Zeit liegen. Bei beiden Szenarien ist der Strahlungsantrieb gegenüber der Gegenwart positiv, mit 0,51 W/m2 bei dem Szenario SSP1-1.9 und mit 0,04 W/m2 bei SSP3-7.0.[2] Bei einer schnellen Abnahme der anthropogenen Aerosol-Emissionen werden nach Zukunftsszenarien in den kommenden zwei bis drei Jahrzehnten 30-50% der Erwärmung durch die abnehmende Aerosolo-Belastung hervorgerufen, regional eventuell sogar mehr.[3] Modellstudien zeigen, dass durch die Bemühungen für eine saubere Luft bis 2055 global eine zusätzliche Erwärmung um 0,25 °C im Vergleich zu 2015 möglich ist. Bis 2010 hat die Luftreinhaltepolitik in den östlichen USA schon eine Erwärmung von 0,35 °C und in Europa von 0,45 °C bewirkt.[5]
Der globale Mittelwert verdeckt allerdings erhebliche regionale Unterschiede (Abb. 2). Bei dem Szenario SSP1-1.9, bei dem ein radikaler Rückgang der Nutzung fossiler Energieträger angenommen wird, nimmt der Strahlungsantrieb zwischen 2015 und 2030 fast überall zu, im globalen Mittel um 0,33 W/m2. Mit bis zu 2 W/m2 ist der Antrieb besonders stark über Süd- und Ostasien, während er in Europa bei ca. 0,5 W/m2 liegt. Bei dem hohen Treibhausgas-Szenario SSP3-7.0, nach dem die fossilen Energien weiterhin stark genutzt werden, nimmt der Strahlungsantrieb bis 2030 über Indien dagegen um -0,5 bis -1,0 W/m2 deutlich ab, während er über China leicht zunimmt.[2]
Die Rolle der Wolken
Projektionen über die klimatische Rolle der Aerosole in den nächsten Jahrzehnten sind jedoch mit verschiedenen Schwierigkeiten und Unsicherheiten verbunden. Vor allem ist die Reaktion von Wolken auf den erwarteten Rückgang der Aerosole-Belastung in den meisten Regionen und die fortgesetzte Zunahme in einigen anderen sehr schwierig von Klimamodellen zu berechnen. Eine besondere Schwierigkeit stellt dabei die Einschätzung der Anzahl der Wolkentröpfchen bei sich ändernden Aerosol-Konzentrationen dar, die von Klimamodellen schon für die Vergangenheit nicht zutreffend simuliert wurden.[5] Jia & Quaas (2023) zeigen in einer neuen Untersuchung, dass zwischen Aerosol-Belastung und der Konzentration der Tröpfchen keine lineare Beziehung besteht. In relativ wenig belasteten Regionen nimmt zwar die Tröpfchen-Konzentration zu, wenn auch die Aerosol-Konzentration zunimmt. In Gebieten mit hoher Aerosol-Konzentration wie in den letzten 20 Jahren z.B. in Indien und Ost-China ändert sich die Tröpfchen-Zahl nur sehr verzögert oder gar nicht mit der Zu- oder Abnahme der Aerosol-Konzentration. Die als „Klima-Strafe“ bezeichnete zusätzliche Erwärmung durch die Aerosol-Abnahme könnte sich dadurch um 20-30 Jahre verzögern.[5]
Einzelnachweise
- ↑ Larson, E.J.L., & R.W. Portmann (2019): Anthropogenic aerosol drives uncertainty in future climate mitigation efforts. Sci Rep 9, 16538. https://doi.org/10.1038/s41598-019-52901-3
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 Lund, M. T., G. Myhre & B. H. Samset (2019): Anthropogenic aerosol forcing under the Shared Socioeconomic Pathways, Atmos. Chem. Phys., 19, 13827–13839, https://doi.org/10.5194/acp-19-13827-2019
- ↑ 3,0 3,1 Persad, G., B.H. Samset and L.J. Wilcox et al. (2023): Rapidly evolving aerosol emissions are a dangerous omission from near-term climate risk assessments, Environmental Research: Climate 2, 3, https://dx.doi.org/10.1088/2752-5295/acd6af
- ↑ International Energy Agency (2023): Net Zero Roadmap: A Global Pathway to Keep the 1.5 °C Goal in Reach, 2023 Update, https://www.iea.org/reports/net-zero-roadmap-a-global-pathway-to-keep-the-15-0c-goal-in-reach
- ↑ 5,0 5,1 5,2 Jia, H. & J. Quaas (2023): Nonlinearity of the cloud response postpones climate penalty of mitigating air pollution in polluted regions. Nat. Clim. Change https://doi.org/10.1038/s41558-023-01775-5
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