Antarktisches Meereis: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Bild:Antarctic seaice winter-summer.jpg|thumb|620 px|Antarktisches Meereis September 2013 (jahreszeitliches Maximum) und Februar 2014 (Minimum). Gelbe Linie: Mittel der Jahre 1979-2000.]]
[[Bild:Antarctic nsidc 2021.png|thumb|620 px|Antarktisches Meereis September 2020 (jahreszeitliches Maximum) und Februar 2021 (Minimum). Gelbe Linie: Mittel der Jahre 1981-2010.]]
== Jahreszeitliche Schwankungen ==
== Jahreszeitliche Schwankungen ==
[[Bild:Antarktis Meereis Trends.jpg|thumb|320 px|Antarktisches Meereis: Jahreszeitliche Ausdehnung (grau: Minimum, orange: Maximum), Zirkulationsmuster (Pfeile) und Veränderung der mittleren jährlichen Ausdehnung in % pro Jahrzehnt in einzelnen Regionen (oben) sowie im Mittel (unten).]]
[[Bild:Antarktis Meereis Trends.jpg|thumb|320 px|Antarktisches Meereis: Jahreszeitliche Ausdehnung (grau: Minimum, orange: Maximum), Zirkulationsmuster (Pfeile) und Veränderung der mittleren jährlichen Ausdehnung in % pro Jahrzehnt in einzelnen Regionen (oben) sowie im Mittel (unten).]]
Die antarktische Meereisbedeckung schwankt saisonal sehr stark zwischen einem Minimum von 3 Mio km<sup>2</sup> im Februar bis zu einem Maximum von 18-20 Mio km<sup>2</sup> im September. Demgegenüber betragen die Unterschiede zwischen Sommer und Winter beim arktischen Meereis 3-4 Mio km<sup>2</sup> im September und 15 Mio km<sup>2</sup> im Februar. Der relativ geringe Anteil des antarktischen Meereises, der den Sommer überlebt, befindet sich hauptsächlich im Weddellmeer.<ref name="IPCC 2013 WGI 4.2.3" /> Aufgrund der starken saisonalen Schwankungen ist das antarktische Meereis im Mittel dünner, wärmer, salzhaltiger und mobiler als das arktische Meereis. Da das Wintereis im Sommer fast vollständig wieder abschmilzt, ist der bei weitem größte Teil des Meereises im Südpolarmeer einjähriges Eis mit einer relativ geringen Dicke von ca. 1/2 m gegenüber 1-2 m Eisdicke in der Arktis.<ref name="IPCC 2013 WGI 4.2.3" /><ref name="Notz 2015">Notz, D. (2015): Das Meereis in der Antarktis. In: Lozán, J. L., H. Grassl, D. Kasang, D. Notz & H. Escher-Vetter (Hrsg.): Warnsignal Klima: Das Eis der Erde. pp. 204-209</ref>
Die antarktische Meereisbedeckung schwankt saisonal sehr stark zwischen einem Minimum von inzwischen 2 Mio km<sup>2</sup> im Februar und einem Maximum von 18-20 Mio km<sup>2</sup> im September. Der relativ geringe Anteil des antarktischen Meereises, der den Sommer überlebt, befindet sich hauptsächlich im Weddellmeer. Aufgrund der starken saisonalen Schwankungen ist das antarktische Meereis im Mittel dünner, wärmer, salzhaltiger und mobiler als das arktische Meereis. Da das Wintereis im Sommer fast vollständig wieder abschmilzt, ist der bei weitem größte Teil des Meereises rund um die Antarktis einjähriges Eis mit einer relativ geringen Dicke von ca. 1/2 m gegenüber 1-2 m Eisdicke in der Arktis.<ref name="Notz 2015">Notz, D. (2015): Das Meereis in der Antarktis. In: Lozán, J. L., H. Grassl, D. Kasang, D. Notz & H. Escher-Vetter (Hrsg.): Warnsignal Klima: Das Eis der Erde. pp. 204-209</ref>


== Trends ==
== Trends ==
[[Bild:AntarcticMinExtent Febr-2023.jpg|thumb|420 px|Änderung der Meereisausdehnung in der Antarktis im Februar 1979-2023. Trend: 1%/Jahrzehnt in Blau, 5-Jahresmittel in Rot.]]
[[Bild:AntarcticMinExtent Febr-2023.jpg|thumb|420 px|Änderung der Meereisausdehnung in der Antarktis im Februar 1979-2023. Trend: 1%/Jahrzehnt in Blau, 5-Jahresmittel in Rot.]]
Die Entwicklung der Meereisausdehnung um den antarktischen Kontinent herum unterscheidet sich deutlich von der der [[Arktisches Meereis|Arktis]]. Das antarktische Meereis hat in letzter Zeit um 1,5 % pro Jahrzehnt leicht zugenommen, das arktische Meereis dagegen um ca. 4 % abgenommen. Je nach Jahreszeit betrug die Zunahme der Meereisausdehnung in der Antarktis von 1978 bis 2012 zwischen 1,2 und 3 % pro Jahrzehnt. Auch regional sind die Unterschiede deutlich. So sind die Trends in der Eisausdehnung im Rossmeer deutlich positiv und in der Amundsen- und Bellinghausensee leicht negativ. Auch die Länge der jährlichen Eisbedeckung ist etwa rund um die Antarktische Halbinsel kürzer geworden, während sie im Rossmeer zugenommen hat. Über die Eisdicke gibt es zu wenige Informationen, um einen allgemeinen Trend zu bestimmen.<ref name="IPCC 2013 WGI 4.2.3">IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 4.2.3</ref><ref name="IPCC WGI FAQ 4.1 2013">IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, FAQ 4.1</ref>
Die Entwicklung der Meereisausdehnung um den antarktischen Kontinent herum unterscheidet sich deutlich von der der Arktis. Die Ausdehnung des Antarktische Meereises hat nach Eisbohrkern- und Walfangdaten im frühen und mittleren 20. Jahrhundert über mehrere Jahrzehnte lang abgenommen, sich in den 1970er Jahren aber stabilisiert.<ref name="Cordero 2023">Cordero, R. R., S. Feron, A. Damiani et al. (2023): Signature of the stratosphere-troposphere coupling on recent record-breaking Antarctic sea ice anomalies, The Cryosphere Discuss. [preprint], https://doi.org/10.5194/tc-2023-59 , in review</ref>  Der 6. IPCC-Bericht von 2021 hält allerdings wegen der spärlichen Beobachtungsdaten eine Einschätzung der Meereisausdehnung für die Zeit vor Beginn der Satellitenbeobachtung für sehr unsicher.<ref name="IPCC AR6 WGI 9.3.2>IPCC AR6 WGI (2021): Ocean, Cryosphere and Sea Level Change, 9.3.2</ref>  Mit Beginn der Satellitenära ab 1979 folgte dann eine leichte Zunahme der Antarktischen Meereisbedeckung, die bis in die 2010er Jahre anhielt und im Februar 2014, dem Monat mit der geringsten jährlichen Ausdehnung, ein Maximum von über 3,5 Mio. km<sup>2</sup> erreichte.<ref name="NSIDC 2023">National Snow and Ice Data Center (2023): Sea Ice News and Analysis, https://nsidc.org/arcticseaicenews/charctic-interactive-sea-ice-graph/</ref> Auch wenn dieser Trend nur schwach und wegen unsicherer Beobachtungsdaten, starken Fluktuationen von Jahr zu Jahr und Widersprüchen zwischen Beobachtungsdaten und Modellsimulationen kaum signifikant ist,<ref name="IPCC AR6 WGI 9.3.2 />  unterscheidet er sich deutlich von der starken Abnahme der Meereisausdehnung in der Arktis. Ebenso bemerkenswert ist der Abbruch dieses Trends ab 2017, von wo an die Eisausdehnung einen rapiden Rückgang bis 2023 zeigt. Sowohl im Februar 2022 wie im Februar 2023 wurden dabei Rekordwerte erzielt mit zum ersten Mal einer Ausdehnung von weniger als 2 Mio. km<sup>2</sup>, nämlich mit 1,92 Mio. km<sup>2</sup> im Februar 2022<ref name="Turner 2022">Turner, J., Holmes, C., Caton Harrison, T., Phillips, T., Jena, B., Reeves-Francois, T., et al. (2022). Record low Antarctic sea ice cover in February 2022. Geophysical Research Letters, 49, e2022GL098904. https://doi.org/10.1029/2022GL098904</ref>  und 1,79 km<sup>2</sup> im Februar 2023.<ref name="Liu 2023">Liu, J., Z. Zhu, D. Chen (2023): Lowest Antarctic Sea Ice Record Broken for the Second Year in a Row. Ocean-Land-Atmos. Res. 2023; 2: Article 0007. https://doi.org/10.34133/olar.0007</ref>  Während die Meereisausdehnung zwischen 1979 und 2014 um 13.800 km<sup>2</sup> zugenommen hatte, hat sie sich zwischen 2014 und 2023 fast halbiert!
 
Eine außerordentliche Entwicklung zeigte das antarktische Meereis jedoch im frühen Südsommer 2016. Es begann viel früher als sonst abzuschmelzen und erreichte ein Rekordminimum im November mit mehr als 5 Standardabweichungen vom Mittel 1981-2010. Es lag mit 15,5 Mio. km<sup>2</sup> um ca. 1,8 Mio km<sup>2</sup> unter der mittleren November-Ausdehnung. Das ist umso erstaunlicher, als das antarktische Meereis für November seit den 1980er Jahren eine leichte Zunahme aufwies.<ref name="NSIDC 2016b">National Snow & Ice Data Center NSIDC:[http://nsidc.org/arcticseaicenews/2016/12/arctic-and-antarctic-at-record-low-levels/ Sea ice hits record lows]</ref>


== Erklärungen ==
== Erklärungen ==
Die Erklärung dieser unterschiedlichen Trends ist schwierig, zumal auch für die infrage kommenden Prozesse in dieser weitgehend außerhalb der menschlichen Zivilisation liegenden Region verlässliche Daten nur begrenzt vorliegen. Eine zentrale Rolle wird dem Southern Annular Mode (SAM, bzw. der Antarktischen Oszillation) zugeschrieben. Der SAM beschreibt die Stärke und Position der zirkumpolaren Westwinde. Ein positiver SAM ist verbunden mit starken und zum Pol hin verlagerten Westwinden, ein negativer SAM bewirkt das Gegenteil. Starke Westwinde begünstigen einen Eistransport nach Norden und eine Expansion der Eisausdehnung. Die Gründe für das Schwanken des SAM sind noch weitgehend ungeklärt. Ein wichtiger Grund könnte die Stärke des Polarwirbels in der unteren Stratosphäre sein, die wiederum durch das Ozonloch über der Antarktis beeinflusst sein könnte.<ref name="Cordero 2023" />  Auch von anderen Autoren wird der langanhaltende starke SAM über die Jahrzehnte seit den späten 1970er Jahren durch die Ozonzerstörung und die Zunahme der Treibhausgase erklärt,<ref name="Schroeter 2023">Schroeter, S., T.J. O'Kane, and P.A. Sandery (2023): Antarctic sea ice regime shift associated with decreasing zonal symmetry in the Southern Annular Mode, The Cryosphere, 17, 701–717, https://doi.org/10.5194/tc-17-701-2023</ref> die beide zu einer Abkühlung der unteren Stratosphäre beitragen und damit möglicherweise die zirkumpolaren Winde verstärken.


Möglicherweise hat die leichte Zunahme des antarktischen ebenso wie das starke Abschmelzen des arktischen Meereises mit menschlichen Einflüssen zu tun.<ref name="Notz 2011">Notz, D. (2011): Meereis in der Arktis und Antarktis, in: Lozán, J.L., u.a. (Hrsg): Warnsignal Klima: Die Meere - Änderungen & Risiken, Hamburg 2011, 96-101</ref> Das antarktische Meereis schmilzt vor allem von unten her, d.h. durch aufsteigendes warmes Wasser aus größeren Tiefen. Dieses Wasser kann um so leichter aufsteigen, je geringer der Dichteunterschied zwischen Oberflächen- und Tiefenwasser ist. In den letzten Jahrzehnten hat jedoch die Dichte des oberflächennahen Wassers stark abgenommen. Folgende Gründe dafür werden angenommen:
Außer atmosphärischen Prozessen spielen auch Änderungen im südlichen Ozean eine Rolle.<ref name="Notz 2011">Notz, D. (2011): Meereis in der Arktis und Antarktis, in: Lozán, J.L., u.a. (Hrsg): Warnsignal Klima: Die Meere - Änderungen & Risiken, Hamburg 2011, 96-101</ref> Das antarktische Meereis schmilzt stark von unten her, d.h. durch aufsteigendes warmes Wasser aus größeren Tiefen. Dieses Wasser kann um so leichter aufsteigen, je geringer der Dichteunterschied zwischen Oberflächen- und Tiefenwasser ist. In den letzten Jahrzehnten hat jedoch die Dichte des oberflächennahen Wassers stark abgenommen. Folgende Gründe dafür werden angenommen:
* Aufgrund höherer Wasser- und Lufttemperaturen ist das Meereis im Jahresablauf insgesamt dünner geblieben als in früheren Zeiten. In der Schmelzphase gibt es daher weniger Salz an das Ozeanwasser ab, wodurch dieses eine geringere Dichte behält. Die geringere Dichte bewirkt eine Schwächung der Konvektion, durch die warmes Wasser von unten das absinkende kühlere Oberflächenwasser ersetzt.  
* Aufgrund höherer Wasser- und Lufttemperaturen ist das Meereis im Jahresablauf insgesamt dünner geblieben als in früheren Zeiten. In der Schmelzphase gibt es daher weniger Salz an das Ozeanwasser ab, wodurch dieses eine geringere Dichte behält. Die geringere Dichte bewirkt eine Schwächung der Konvektion, durch die warmes Wasser von unten das absinkende kühlere Oberflächenwasser ersetzt.  
* Aufgrund der Erwärmung haben außerdem die Niederschläge im südlichen Ozean in letzter Zeit zugenommen. Das hat ebenfalls zur Abnahme der Dichte des Oberflächenwassers rund um die Antarktis geführt. Auch hier ist die Folge eine Schwächung der Konvektion und weniger warmes Wasser an der Unterseite des Meereises.<ref name="Notz 2015" />
* Aufgrund der Erwärmung haben außerdem die Niederschläge im südlichen Ozean in letzter Zeit zugenommen. Das hat ebenfalls zur Abnahme der Dichte des Oberflächenwassers rund um die Antarktis geführt. Auch hier ist die Folge eine Schwächung der Konvektion und weniger warmes Wasser an der Unterseite des Meereises.<ref name="Notz 2015" />
Ein Grund könnte auch das kalte Schmelzwasser sein, das zunehmend durch Schmelzprozesse am Rande des antarktischen Eisschildes ins Meer gelangt und so das antarktische Meereis gegen den Auftrieb von warmem ozeanischen Tiefenwasser abschirmt. Annahmen, dass das Ozonloch über der Antarktis für das leichte Wachstum des Meereises verantwortlich sein könnte, haben sich nicht bestätigt. Nach neueren Modellsimulationen sollte das Meereis rund um die Antarktis durch die stratosphärische Ozonzerstörung vielmehr abnehmen. Das Ozonloch bewirkt in der unteren Stratosphäre eine Verstärkung des Polarwirbels und in der Troposphäre eine Intensivierung des Westwindgürtels. Die stärkeren Westwinde sollten nach Modellsimulationen ein Abdriften von Eis in wärmere Gebiete nach Norden bewirken, da die von ihnen angetriebenen Meresströmungen durch die Corioliskraft eine Linksablenkung erfahren. Außerdem sollte sich das Ozeanwasser durch die stärkere vertikale Vermischung als Folge der intensiveren Westwinde erwärmen und das Eis von unten abschmelzen. Die Beobachtung zeigt jedoch das Gegenteil: Das antarktische Meereis verändert sich in seiner Ausdehnung kaum bzw. nimmt leicht zu.<ref name="Previdi 2014">Previdi, M., and L.M. Polvania (2014): Review Article. Climate system response to stratospheric ozone depletion and recovery, Quarterly Journal of the Royal Meteorological Society, DOI:10.1002/qj.2330</ref><ref name="Gagné 2014">Gagné, M.-È., N. P. Gillett, and J. C. Fyfe (2014): Observed and simulated changes in Antarctic sea ice extent over the past 50 years, Geophys. Res. Lett. 41, doi:10.1002/2014GL062231</ref>
Ein Grund könnte auch das kalte Schmelzwasser sein, das zunehmend durch Schmelzprozesse am Rande des antarktischen Eisschildes ins Meer gelangt und so das antarktische Meereis gegen den Auftrieb von warmem ozeanischen Tiefenwasser abschirmt.


== Einzelnachweise ==  
== Einzelnachweise ==  

Version vom 12. Juni 2023, 09:53 Uhr

Antarktisches Meereis September 2020 (jahreszeitliches Maximum) und Februar 2021 (Minimum). Gelbe Linie: Mittel der Jahre 1981-2010.

Jahreszeitliche Schwankungen

Antarktisches Meereis: Jahreszeitliche Ausdehnung (grau: Minimum, orange: Maximum), Zirkulationsmuster (Pfeile) und Veränderung der mittleren jährlichen Ausdehnung in % pro Jahrzehnt in einzelnen Regionen (oben) sowie im Mittel (unten).

Die antarktische Meereisbedeckung schwankt saisonal sehr stark zwischen einem Minimum von inzwischen 2 Mio km2 im Februar und einem Maximum von 18-20 Mio km2 im September. Der relativ geringe Anteil des antarktischen Meereises, der den Sommer überlebt, befindet sich hauptsächlich im Weddellmeer. Aufgrund der starken saisonalen Schwankungen ist das antarktische Meereis im Mittel dünner, wärmer, salzhaltiger und mobiler als das arktische Meereis. Da das Wintereis im Sommer fast vollständig wieder abschmilzt, ist der bei weitem größte Teil des Meereises rund um die Antarktis einjähriges Eis mit einer relativ geringen Dicke von ca. 1/2 m gegenüber 1-2 m Eisdicke in der Arktis.[1]

Trends

Änderung der Meereisausdehnung in der Antarktis im Februar 1979-2023. Trend: 1%/Jahrzehnt in Blau, 5-Jahresmittel in Rot.

Die Entwicklung der Meereisausdehnung um den antarktischen Kontinent herum unterscheidet sich deutlich von der der Arktis. Die Ausdehnung des Antarktische Meereises hat nach Eisbohrkern- und Walfangdaten im frühen und mittleren 20. Jahrhundert über mehrere Jahrzehnte lang abgenommen, sich in den 1970er Jahren aber stabilisiert.[2] Der 6. IPCC-Bericht von 2021 hält allerdings wegen der spärlichen Beobachtungsdaten eine Einschätzung der Meereisausdehnung für die Zeit vor Beginn der Satellitenbeobachtung für sehr unsicher.[3] Mit Beginn der Satellitenära ab 1979 folgte dann eine leichte Zunahme der Antarktischen Meereisbedeckung, die bis in die 2010er Jahre anhielt und im Februar 2014, dem Monat mit der geringsten jährlichen Ausdehnung, ein Maximum von über 3,5 Mio. km2 erreichte.[4] Auch wenn dieser Trend nur schwach und wegen unsicherer Beobachtungsdaten, starken Fluktuationen von Jahr zu Jahr und Widersprüchen zwischen Beobachtungsdaten und Modellsimulationen kaum signifikant ist,[3] unterscheidet er sich deutlich von der starken Abnahme der Meereisausdehnung in der Arktis. Ebenso bemerkenswert ist der Abbruch dieses Trends ab 2017, von wo an die Eisausdehnung einen rapiden Rückgang bis 2023 zeigt. Sowohl im Februar 2022 wie im Februar 2023 wurden dabei Rekordwerte erzielt mit zum ersten Mal einer Ausdehnung von weniger als 2 Mio. km2, nämlich mit 1,92 Mio. km2 im Februar 2022[5] und 1,79 km2 im Februar 2023.[6] Während die Meereisausdehnung zwischen 1979 und 2014 um 13.800 km2 zugenommen hatte, hat sie sich zwischen 2014 und 2023 fast halbiert!

Erklärungen

Die Erklärung dieser unterschiedlichen Trends ist schwierig, zumal auch für die infrage kommenden Prozesse in dieser weitgehend außerhalb der menschlichen Zivilisation liegenden Region verlässliche Daten nur begrenzt vorliegen. Eine zentrale Rolle wird dem Southern Annular Mode (SAM, bzw. der Antarktischen Oszillation) zugeschrieben. Der SAM beschreibt die Stärke und Position der zirkumpolaren Westwinde. Ein positiver SAM ist verbunden mit starken und zum Pol hin verlagerten Westwinden, ein negativer SAM bewirkt das Gegenteil. Starke Westwinde begünstigen einen Eistransport nach Norden und eine Expansion der Eisausdehnung. Die Gründe für das Schwanken des SAM sind noch weitgehend ungeklärt. Ein wichtiger Grund könnte die Stärke des Polarwirbels in der unteren Stratosphäre sein, die wiederum durch das Ozonloch über der Antarktis beeinflusst sein könnte.[2] Auch von anderen Autoren wird der langanhaltende starke SAM über die Jahrzehnte seit den späten 1970er Jahren durch die Ozonzerstörung und die Zunahme der Treibhausgase erklärt,[7] die beide zu einer Abkühlung der unteren Stratosphäre beitragen und damit möglicherweise die zirkumpolaren Winde verstärken.

Außer atmosphärischen Prozessen spielen auch Änderungen im südlichen Ozean eine Rolle.[8] Das antarktische Meereis schmilzt stark von unten her, d.h. durch aufsteigendes warmes Wasser aus größeren Tiefen. Dieses Wasser kann um so leichter aufsteigen, je geringer der Dichteunterschied zwischen Oberflächen- und Tiefenwasser ist. In den letzten Jahrzehnten hat jedoch die Dichte des oberflächennahen Wassers stark abgenommen. Folgende Gründe dafür werden angenommen:

  • Aufgrund höherer Wasser- und Lufttemperaturen ist das Meereis im Jahresablauf insgesamt dünner geblieben als in früheren Zeiten. In der Schmelzphase gibt es daher weniger Salz an das Ozeanwasser ab, wodurch dieses eine geringere Dichte behält. Die geringere Dichte bewirkt eine Schwächung der Konvektion, durch die warmes Wasser von unten das absinkende kühlere Oberflächenwasser ersetzt.
  • Aufgrund der Erwärmung haben außerdem die Niederschläge im südlichen Ozean in letzter Zeit zugenommen. Das hat ebenfalls zur Abnahme der Dichte des Oberflächenwassers rund um die Antarktis geführt. Auch hier ist die Folge eine Schwächung der Konvektion und weniger warmes Wasser an der Unterseite des Meereises.[1]

Ein Grund könnte auch das kalte Schmelzwasser sein, das zunehmend durch Schmelzprozesse am Rande des antarktischen Eisschildes ins Meer gelangt und so das antarktische Meereis gegen den Auftrieb von warmem ozeanischen Tiefenwasser abschirmt.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Notz, D. (2015): Das Meereis in der Antarktis. In: Lozán, J. L., H. Grassl, D. Kasang, D. Notz & H. Escher-Vetter (Hrsg.): Warnsignal Klima: Das Eis der Erde. pp. 204-209
  2. 2,0 2,1 Cordero, R. R., S. Feron, A. Damiani et al. (2023): Signature of the stratosphere-troposphere coupling on recent record-breaking Antarctic sea ice anomalies, The Cryosphere Discuss. [preprint], https://doi.org/10.5194/tc-2023-59 , in review
  3. 3,0 3,1 IPCC AR6 WGI (2021): Ocean, Cryosphere and Sea Level Change, 9.3.2
  4. National Snow and Ice Data Center (2023): Sea Ice News and Analysis, https://nsidc.org/arcticseaicenews/charctic-interactive-sea-ice-graph/
  5. Turner, J., Holmes, C., Caton Harrison, T., Phillips, T., Jena, B., Reeves-Francois, T., et al. (2022). Record low Antarctic sea ice cover in February 2022. Geophysical Research Letters, 49, e2022GL098904. https://doi.org/10.1029/2022GL098904
  6. Liu, J., Z. Zhu, D. Chen (2023): Lowest Antarctic Sea Ice Record Broken for the Second Year in a Row. Ocean-Land-Atmos. Res. 2023; 2: Article 0007. https://doi.org/10.34133/olar.0007
  7. Schroeter, S., T.J. O'Kane, and P.A. Sandery (2023): Antarctic sea ice regime shift associated with decreasing zonal symmetry in the Southern Annular Mode, The Cryosphere, 17, 701–717, https://doi.org/10.5194/tc-17-701-2023
  8. Notz, D. (2011): Meereis in der Arktis und Antarktis, in: Lozán, J.L., u.a. (Hrsg): Warnsignal Klima: Die Meere - Änderungen & Risiken, Hamburg 2011, 96-101

Literatur

  • Notz, D. (2011): Meereis in der Arktis und Antarktis, in: José L. Lozán et al. (Hrsg.): Warnsignal Klima: Die Meere - Änderungen und Risiken. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 96-101; aktualisierte Fassung online
  • Notz, D. (2015): Das Meereis in der Antarktis. In: Lozán, J. L., H. Grassl, D. Kasang, D. Notz & H. Escher-Vet¬ter (Hrsg.). Warnsignal Klima: Das Eis der Erde. pp. 204-209; online

Weblinks


Klimadaten zum Thema

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Klimamodell-Experimente zum Thema

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