Folgen des Meeresspiegelanstiegs

Aus Klimawandel
Abb. 1: Durch den Meeresspiegelanstieg gefährdete Bevölkerung in einzelnen Staaten bis 2050

Gefährdete Bevölkerung

Der Meeresspiegelanstieg hat zahlreiche Folgen, die die Bevölkerung in tief liegenden Küstengebieten bedrohen. Die sichtbarste Folge ist die dauerhafte Überflutung, die Landgebiete unbewohnbar macht. Weitere Folgen sind das Eindringen von Salzwasser in das Grundwasser und landwirtschaftliche Böden, Hochwasserereignisse an Küsten, Küstenerosion, ein weiteres Vordringen von tropischen Wirbelstürmen ins Landesinnere. Als Konsequenzen können bewässertes Anbauland und Trinkwasserspeicher unbrauchbar werden, außerdem können Infrastrukturanlagen, Industrien und Wohneinrichtungen zerstört werden.

Abb. 2: Historische extreme Meeresspiegelanstiege mit einer Wiederkehrperiode von 100 Jahren. Die farbigen Punkte geben die Meeresspiegelhöhen in m an. Unterschätzt werden wegen der geringen Modellauflösung extreme Meeresspiegelereignisse in Regionen unter dem Einfluss von Tropischen Wirbelstürmen.

Als tief liegende Küstengebiete werden in vielen Fällen Gebiete unterhalb von 10 m über mittleren Meeresspiegel verstanden. Bevölkerungswachstum, Verstädterung, Wirtschaftsentwicklung und Tourismus haben dazu geführt, dass eine wachsende Zahl von Menschen in tief liegenden Küstenzonen leben. 2010 waren das 11% der Weltbevölkerung bzw. ca. 700 Mio. Menschen. Diese Entwicklung betrifft sowohl die Entwicklungsländer wie die entwickelten Länder. Neuere Studien projizieren eine Bevölkerungszunahme in niedrigen Küstenzonen um 85-239 Mio. bis 2100. Bis 2050 werden wahrscheinlich über eine Mrd. Menschen in solchen Küstengebieten leben; danach wird mit einem leichten Rückgang gerechnet.[1]

Abb. 3: Extreme Meeresspiegelanstiege mit einer Wiederkehrperiode von 100 Jahren in Europa und Ostasien bis 2100 nach dem Szenario RCP8.5. In blau sind die von Hochwasser betroffenen Flächen gezeigt.

Einzelne Staaten sind dem Risiko besonders stark ausgesetzt. So leben unterhalb von 10 m über dem mittleren Meeresspiegel in China 244 Mio. Menschen, in Indien 216 Mio., in Bangladesch 109 Mio. und in Indonesien 93 Mio. Von einer Überflutung mit einer Wiederkehrperiode von einmal in 100 Jahren wären in China 103 Mio., in Indien 63 Mio. und in Vietnam 50 Mio. Menschen betroffen. Diese Länder stellen in absoluten Werten die Hotspots einer Bedrohung durch den globalen und regionalen Meeresspiegelanstieg dar. Relativ gesehen sind besonders die tief liegenden kleinen Inselstaaten gefährdet. Auch wenn es sich nur um einige Tausend bzw. wie in Kiribati und den Solomon-Inseln um rund 200.000 Menschen handelt, ist in diesen Fällen die Existenz ganzer Staaten gefährdet und die zur Flucht gezwungenen Menschen drohen staatenlos zu werden.[2]

Extreme Meeresspiegelstände werden im Allgemeinen verursacht durch Tidehochwasser, Sturmfluten, starke Wellen und regionalen Meeresspiegelanstieg. Abb.2 zeigt, dass es bei Extremereignissen, die einmal in 100 Jahren vorkommen, durch Tidehochwasser, Sturmfluten und hohen Wellengang schon in der Vergangenheit Meeresspiegelanstiege von 5m und mehr vor allem in Nordwest-Europa und Ostasien gegeben hat.[3]

Diese Regionen bleiben die Hotspots extremer Anstiege auch bis 2100 (Abb. 3). In Europa sind es vor allem die Nordsee- und die Küsten am Ärmelkanal, in Ostasien die Küsten Chinas und der beiden koreanischen Staaten am Gelben Meer. Besonders in China sind große Gebiete des Hinterlands durch Überschwemmungen bedroht.[3]

Deltas

Abb. 4: Wichtige Deltas weltweit nach Fläche (Kreisgröße) und Bevölkerungsdichte (Kreisfarbe)

Als besonders gefährdete Gebiete durch einen Meeresspiegelanstieg gelten die großen und dicht besiedelten Deltagebiet der Erde wie etwa das Mississippi-Delta, das Po-Delta, das Nil-Delta, das Ganges-Brahmaputra-Delta usw. An vielen Deltaküsten ist der Meeresspiegel auch ohne den Einfluss des Klimas seit etlichen Jahrzehnten durch direkte menschliche Aktivitäten bereits deutlich angestiegen. In den großen Deltas von Süd- und Südost-Asien werden bis zum Ende des 21. Jahrhunderts wahrscheinlich rund 20 % des Landes verloren gehen, wenn sie nicht durch Deiche geschützt werden. Die gegenwärtige Rate des relativen Meeresspiegelanstiegs in den 46 großen Deltas der Welt liegt bei 6,8 mm/Jahr und ist damit doppelt so hoch wie der globale Trend.[4] Verstärkt wird die Hochwassergefahr durch die Absenkung des Bodens infolge von Grundwasserentnahme für die Trinkwasserversorgung, die Bewässerung in der Landwirtschaft und die Industrie. Auch die Sedimentablagerungen werden in vielen Deltagebieten durch Dämme und Stauseen an den Oberläufen der Flüsse und Eindeichungen im Delta selbst eineschränkt. Die Folgen sind eine größere Exponiertheit der Deltaküsten gegenüber Erosion und Sturmfluten durch den globalen Anstieg des Meeres sowie eine verstärkte Versalzung der Oberflächengewässer und Grundwasserspeicher mit weit reichenden Folgen für die Landwirtschaft und die Wasserversorgung.

Sandküsten

Abb. 5: Verteilung der globalen Strände: Die Farben von Ocker bis Schwarz zeigen den lokalen Anteil von Stränden, die Prozentangaben den Anteil von Stränden an den Küsten der Kontinente. Am rechten Rand der Abb. wird der Anteil von Stränden pro Breitengrad dargestellt.

Nicht weniger gefährdet durch Meeresspiegelanstieg und Erosion sind Sandküsten, die nicht selten auch die Außenfront von Deltas bilden. Sandküsten sind hoch dynamisch und stehen unter den verschiedensten Einflüssen. Auf der Basis von Satellitenbildern wurde zwischen 1984 und 2016 31% der Küsten der Welt als Sandstrände klassifiziert.[5] Den höchsten Anteil an Sandstränden weist Afrika mit 66% auf, den niedrigsten Anteil Europa mit 22%. Der Anteil an Sandküsten zeigt eine deutliche Beziehung zu der geographischen Breite und damit zum Klima. Den höchsten Anteil zeigen die vegetationsarmen Subtropen und die mittleren Breiten zwischen 20° und 40° mit bis zu über 50% (Abb. 5). In den humiden Tropen liegt der Anteil dagegen unter 20%, da durch den hohen Niederschlag und die hohen Temperaturen Mangroven- und Feuchtgebiete stark verbreitet sind. Auch nördlich des 50. Breitengrades nehmen Sandküsten polwärts schnell ab.[5]

Schätzungen nach Satellitendaten haben zwischen 1984 und 2016 eine Erosionsrate von über 0,5 m/Jahr bei 24% der Sandküsten ergeben; bei 16% überstieg die Erosionsrate sogar 1 m/Jahr und bei 8% mehr als 3 m/Jahr. Andererseits zeigten 27% der Sandküsten eine Zuwachsrate der Strände von über 0,5 m/Jahr. Netto-Erosion zeigen auf kontinentaler Ebene Australien und Afrika, während alle anderen Kontinente einen Netto-Zuwachs aufweisen.[5]

Die Gründe für Erosion und Zunahmen der Sandstrände sind vielfältig und sowohl durch natürliche Prozesse wie durch direkte menschliche Aktivitäten bedingt; der Klimawandel spielt bisher zumeist eine verstärkende Rolle. An einigen Küsten ist die Sandentnahme eine wichtige Ursache für die Erosion von Küstenstrichen, so z.B. im Mekongdelta in Vietnam. Ebenso spielt vielfach die Subsidenz durch Grundwasserentnahme eine wichtige Rolle. Aber auch Küstenströmungen, Winderosion oder Absenkungen der Erdoberfläche können Strände minimieren. Bautätigkeit wie die Anlage von Häfen oder Siedlungen können ebenfalls die Strandlinie stark zurückdrängen. Die Zunahme von Strandflächen entsteht einerseits durch natürliche Sandverfrachtung, andererseits durch technische Sandaufschüttungen.[5]

Modellprojektionen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts zeigen einen zunehmenden Einfluss des Klimawandels auf die Veränderung der Küstenlinie von Sandstränden. Der Rückzug der sandigen Küsten durch den Meeresspiegelanstieg kann nach Vousdoukas et al. (2020)[6] dazu führen, dass fast die Hälfte der Sandstrände der Erde am Ende des Jahrhunderts nicht mehr existiert. Einige davon befinden sich in dicht bevölkerten Gebieten. An den Veränderungen der Küstenlinien sind die verschiedensten Prozesse beteiligt. Der durch den Klimawandel bedingte Meeresspiegelanstieg ist dabei eine eindeutige Ursache des Zurückweichens von Strandlinien. Der Klimawandel beeinflusst Wellen und Sturmfluten, die ebenfalls die Küstenmorphologie verändern. Modelluntersuchungen zeigen nach Vousdoukas et al. (2020), dass die Küstenerosion mit Steigerung der Treibhausgasemissionen zunehmen wird. Ende des Jahrhunderts werden danach die Küstenlinien von Sandstränden bei entsprechend breiten Stränden um ca. 100 m bei dem Szenario RCP4.5 zurückweichen und um ca. 200 m bei RCP8.5. Davon werden 95.000 bis 130.000 km Strand betroffen sein. Mit 50% seiner gesamten Strandküsten wird Australien am stärksten betroffen sein, vor Kanada, Chile, Mexiko, China und die USA. Nicht berücksichtigt sind dabei mögliche Maßnahmen gegen die Stranderosion.

Andere Autoren widersprechen den Ergebnissen von Vousdoukas et al. (2020). Nach Cooper et al. (2020)[7] haben Strände während des Meeresspiegelanstiegs nach der Eiszeit in vielen Fällen die Fähigkeit bewiesen, landeinwärts zu migrieren. Der Sand werde bei einer Erhöhung des Meeresspiegels nicht nur durch Meeresströmungen ins Meer gespült, sondern durch Wellen und Wind auch auf das Festland verfrachtet. Außerdem können erodierende Dünen Sand für einen neuen Strandaufbau liefern. Die Veränderung von Sandstränden durch den Meeresspiegelanstieg hänge sehr stark von den lokalen Gegebenheiten ab. So seien die größte Bedrohung für die Existenz von Stränden Deich- und andere Schutzanlagen, die die Migration von Stränden landeinwärts verhinderten.

Küstennahe Feuchtgebiete

Abb. 6: Mangroven in Tonga, Polynesien

Eine weitere Küstenform, die von einem Meeresspiegelanstieg stark betroffen ist, sind küstennahe Feuchtgebiete. Die wichtigsten im Küstenbereich liegenden Feuchtgebiete sind Salzmarschen, Watten und Mangroven. Küstennahe Feuchtgebiete sind jedoch keine passiven Elemente der Landschaft und können durch Sedimentation oder Pflanzenwachstum mit einem langsamen Anstieg des Meeresspiegels vertikal mitwachsen. Der seewärtige Verlust von Feuchtgebieten kann außerdem durch eine Wanderung landeinwärts wettgemacht werden, falls die angrenzenden Gebiete tief liegen und nicht durch menschliche Schutzmaßnahmen abgesperrt sind. Mit der Zunahme der Bevölkerung in Küstenzonen, die an Feuchtgebiete angrenzen, verhindern allerdings immer mehr Dämme und Schutzanlagen die landwärtige Migration von Feuchtgebieten. Ohnehin werden Feuchtgebiete durch menschliche Aktivitäten zunehmend dezimiert.

Zu den besonders bedrohten Feuchtgebieten gehören die Mangrovenwälder, die gegenwärtig etwa 8% bzw. 181 000 km2 der weltweiten Küstenlinien einnehmen. Mangrovenwälder kommen in tropischen und subtropischen Deltagebieten, Ästuaren, Lagunen und anderen Küsten im Gezeitenbereich vor. Sie sind nicht nur wertvolle Ökosysteme mit zahlreichen Fisch- und Vogelarten, sondern schützen auch die Küstenlinie vor Erosion durch Wellen und Sturmfluten. An vielen Küsten sind Mangrovenwälder schon heute durch menschliche Aktivitäten, z.B. durch Holzgewinnung, die Anlage von Aquakulturen sowie Reis- und Kokosplantagen stark dezimiert. Bei einem Anstieg des Meeresspiegels könnten die küstennahen Mangrovenwälder landeinwärts gedrängt werden. Die intensive Nutzung der anschließenden Landzonen durch den Menschen, z.B. durch Landwirtschaft und Küstenschutzanlagen, wird die Migration der Mangroven aber in vielen Fällen verhindern. Die Folge ist ein verminderter Schutz der Küsten gegen Erosion und der Verlust an wertvollen Lebensräumen. Bei günstigen geomorphologischen Verhältnissen könnten manche Mangrovensysteme aber auch mit dem Meeresspiegelanstieg mithalten: Ein steigender Meeresspiegel kann durch höhere Sedimentablagerung zwischen den Mangrovenwurzeln z.T. ausgeglichen werden. Dies geschieht dadurch, dass die bei Flut hereingespülten Sedimente bei Ebbe von den dichten Wurzeln der Mangroven teilweise zurückgehalten werden.[8]

Korallenriffe

Durch den Meeresspiegelanstieg gefährdet ist auch ein anderer sehr wirksamer natürlicher Küstenschutz, nämlich die ebenfalls in den Tropen verbreiteten Korallenriffe. Korallenriffe gelten heute neben dem tropischen Regenwald als artenreichster Lebensraum der Erde, der nach Schätzungen zwischen 0,5 und 2 Mio. Arten beherbergt. Der Fischreichtum in Korallenriffen ist eine bedeutende Quelle für die Ernährung vieler Küstengemeinden. Korallenriffe liefern Baustoffe und ziehen den Tourismus an. Riffbarrieren wirken als Wellenbrecher und schützen tropische Küsten vor Erosion. Die räumliche Ausdehnung der weltweiten Korallenriffe wird auf 255 000 km2 geschätzt. Etwa 50% der Korallenriffe, in einigen Gebieten Südostasiens sogar über 80%, sind durch menschliche Aktivitäten wie industrielle Entwicklung, Umweltverschmutzung, Tourismus und Verstädterung, Überfischung und Korallenabbau stark gefährdet. Die fortschreitende Erwärmung und Versauerung der Ozeane gefährdet die Korallen zusätzlich. Eine schwerwiegende Folge ist das berüchtigte Korallenbleichen, das an Riffen im Indischen Ozean, Pazifischen Ozean und in der Karibik beobachtet wurde. Auch der Meeresspiegelanstieg bedeutet eine Gefahr für die Korallen. Zwar könnten gesunde Korallenriffe mit einem Meeresspiegelanstieg von 10mm pro Jahr mithalten, wie das vertikale Wachstum in der Nacheiszeit gezeigt hat. Ob das auch für die heutigen unter vielfachem Stress stehenden Koralleriffe gilt, ist jedoch sehr fraglich.[9]

Einzelnachweise

  1. IPCC (2019): IPCC Special Report on the Ocean and Cryosphere in a Changing Climate, 4.3.3
  2. Hauer, M.E., E. Fussell, V. Mueller (2020): Sea-level rise and human migration. Nat Rev Earth Environ 1, 28–39 https://doi.org/10.1038/s43017-019-0002-9
  3. 3,0 3,1 Kirezci, E., Young, I.R., Ranasinghe, R. et al. (2020): Projections of global-scale extreme sea levels and resulting episodic coastal flooding over the 21st Century. Sci Rep 10, 11629
  4. Darby, S.E., K.A. Addo, S. Hazra, Md.M. Rahman, and R.J. Nicholls (2020): Fluvial Sediment Supply and Relative Sea-Level Rise, in: Nicholls, R.J., W.N. Adger, C.W. Hutton & S.E. Hanson (eds.): Deltas in the Anthropocene, https://doi.org/10.1007/978-3-030-23517-8
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 Luijendijk, A., Hagenaars, G., Ranasinghe, R. et al. (2018): The State of the World’s Beaches. Sci Rep 8, 6641
  6. Vousdoukas, M.I., R. Ranasinghe, L. Mentaschi et al. (2020): Sandy coastlines under threat of erosion, Nature Climate Change, 10, 260-263
  7. J.A.G. Cooper, G. Masselink, G. Coco et al. (2020): Sandy beaches can survive sea-level rise, Nature Climate Change, 10, 993-995
  8. G. Krause (2011): Gefährdung der Mangrovenwälder durch Klimawandel in: J. Lozan: Warnsignal Klima: Die Meere - Änderungen & Risiken
  9. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (2006): Die Zukunft der Meere - zu warm, zu hoch, zu sauer, Sondergutachten, Berlin, S. 33; auch als Download

Regionale Folgen

Literatur

Unterricht


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