Cyanobakterien der Ostsee im Klimawandel

Aus Klimawandel
Abbildung 1:Blüte der Cyanobakterien

Einleitung

Der Klimawandel hat weitreichende Auswirkungen auf die Weltmeere, somit auch auf die europäischen Gewässer wie zum Beispiel die Ostsee. Dadurch ergeben sich grundlegende Veränderungen in dem empfindlichen Ökosystem des Meeres, welche sich sogar auf die Gesundheit des Menschen auswirken können. Ein auf allen Ebenen einflussreiches Beispiel für diese Veränderungen sind die ältesten sauerstoffproduzierenden Organismen, die Cyanobakterien bzw. „Blaualgen“.


Cyanobakterien in der Ostsee

Abbildung 2: Meeresoberflächentemperaturanomalien der Ostsee

Das Vorkommen der Cyanobakterien, umgangssprachlich auch Blaualgen genannt, ist ein wichtiger Indikator für die Veränderung des Ökosystems der Ostsee. Durch ihren Lebenszyklus und ihren besonderen Organismus gedeihen Cyanobakterien nur in relativ warmem Wasser. Ist das Wasser hingegen kalt, sinken die Bakterien auf den Boden und verfallen in einen Ruhezustand.[1] Für das Wachstum benötigen die „Blaualgen“ Phosphor und Stickstoff, wie nahezu alle Organismen. Sie sind anders als „normale“ Organismen in der Lage, den benötigten Stickstoff direkt aus der Luft, die im Wasser der Ostsee gelöst ist, zu verarbeiten. Dadurch gelangt zusätzlicher Nährstoff in das Ökosystem.[2]

Cyanobakterien und Klimawandel

Abbildung 3:Vorkommen der Cyanobakterien von 1969-1998 und modelliert für 2069-2098

Bei Cyanobakterien versteht man unter deren „Blüte“ eine sehr starke Vermehrung (siehe Abbildung 1). Für die Vermehrung der Blaualgen spielt die Meeresoberflächentemperatur eine entscheidende Rolle. Optimale Wachstumsbedingungen sind bei 25°C Wassertemperatur gegeben.[1] Allerdings reichen auch schon Temperaturen über 20°C für ein gesteigertes Wachstum aus. Eine Erhöhung der Meeresoberflächentemperatur durch den Klimawandel könnte die Anzahl der Cyanobakterien verdoppeln (s. Abb. 3). Blickt man auf die Meeresoberflächentemperatur (SST für engl. Sea Surface Temperature) der Ostsee, so ist eine Häufung positiver Anomalien in den letzten Jahren zu erkennen (Abb.2). Darunter versteht man Abweichungen im Vergleich zum Jahresmittelwert. Gerade in den letzten Jahrzehnten lag die Temperatur regelmäßig ca. 0.4°C über dem Mittelwert. Diese Entwicklung geht Hand in Hand mit der global ansteigenden Lufttemperatur durch den Klimawandel.

Nach Berechnungen „des Klimamodells MOM3/ERGOM“ am Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) setzt sich der Trend des Anstiegs der Meeresoberflächentemperatur fort (s. Abbildung 4).

Abbildung 4:Projizierte Meeresoberflächentemperatur im August 2070-2100

Im Folgenden werden die berechneten Werte für den Monat August der Jahre 2070-2100 betrachtet. Vor allem in deutschen Küstengewässern kann davon ausgegangen werden, dass die Temperaturen bis zum Ende des Jahrhunderts auf deutlich höhere Werte steigen, denn hier ist das Wasser nicht besonders tief und vermischt sich weniger mit den kühleren Schichten als auf dem offenen Meer. Dadurch werden für die küstennahen Gebiete Deutschlands einheitlich Werte über 20 °C im August prognostiziert.

Ein massenhaftes Vorkommen der Blaualgen an der Meeresoberfläche, wie es in den folgenden Jahrzehnten durch den Klimawandel zunehmend erwartet werden kann, verstärkt zudem durch Strahlungsabsorbtion die Erwärmung der Meeresoberflächentemperatur.[1] Die dunkleren Algenteppiche absorbieren die wärmende Sonneneinstrahlung stärker als Wasser.

Wir haben es hier also mit einer positiven Rückkopplung zu tun: Die Erhöhung der Meeresoberflächentemperatur führt zu gesteigertem Algenwachstum und zunehmender Algenblüte, die die Zunahme der Meeresoberflächentemperatur durch Absorption der Solarstrahlung verstärken.

Auswirkungen auf das Ökosystem „Ostsee“

Durch die zusätzliche Anreicherung des Wassers mit Nährstoffen, insbesondere Stickstoff, durch Cyanobakterien kommt es zu einem ungünstigen Effekt für die Ostsee. Dieser entsteht, da sich durch die hohe Konzentration an Nährstoffen im Wasser die Biomasse stark vermehren kann. Die Zersetzung abgestorbener Biomasse findet unter Verbrauch von Sauerstoff statt. Es können sich sogenannte „Todeszonen“ bilden bzw. verstärken. [2] Bei den Todeszonen handelt es sich um sauerstoffarme oder gänzlich sauerstofflose Zonen im Wasser. Da fast jeder Organismus, jedes höhere Leben, Sauerstoff zum Leben benötigt, entstehen so Zonen, in denen kaum Leben existiert. Dieses Problem besteht grundsätzlich in der Ostsee, da sich das aus den Flüssen einfließende leichte Süßwasser, das aus der Atmosphäre Sauerstoff bezieht, über schwereres Salzwasser schiebt. Dieses Salzwasser bildet sich vor allem in den tieferen Regionen der Ostsee durch Einbrüche von Salzwasser aus der Nordsee, insbesondere nach starken Stürmen aus westlicher Richtung. Es mangelt an einer Durchmischung mit den tieferen „schwereren“ Salzwasserschichten, wodurch kaum Sauerstoff in die tieferen Schichten gelangt.[3] Diese generell ungünstige stabile Schichtung wird durch absinkende Biomasse, insbesondere die abgestorbenen Cyanobakterien, verstärkt. Die Biomasse am Boden wird von anderen Bakterien zersetzt. Hierfür wird Sauerstoff benötigt und der schon knappe Sauerstoff in dieser Region wird gänzlich aufgebraucht.[2] Diese Situation kann jedoch durch erneute Einbrüche von Nordseewasser, das nicht nur salzhaltiger, sondern auch sauerstoffreich ist, wieder behoben werden.

Auswirkungen auf den Menschen und Gesundheitsrisiken

Ein besonderes Interesse für Wissenschaftler erweckt die Blaualge durch ihre Eigenschaft, während ihrer Blüte Giftstoffe (Toxine) zu produzieren.[2] Manche Arten der Cyanobakterien (In der Ostsee: Aphanizomenon, Nodulariadia) sind in der Lage, Giftstoffe wie Peptide und Alkaloide zu produzieren. Da die produzierten Mengen unter normalen Umständen nur sehr gering sind, liegt keine Gefährdung für den Mensch vor. Allerdings besteht eine Gesundheitsgefahr, wenn die Giftstoffe im Wasser in höheren Konzentrationen vorhanden sind. Die Konzentration der Giftstoffe im Wasser ist während der „Blüte“ sehr hoch. Die Blüte der Cyanobakterien wird durch günstige Entwicklungsbedingungen wie eine immer häufiger werdende hohe Meeresoberflächentemperatur, verstärkt oder erst möglich gemacht.

Der Klimawandel und die Wechselwirkung mit der höheren Strahlungsabsorbtion durch Blütenteppiche auf der Ostsee verstärken das Vorkommen von großen Blütenteppichen sowie den einhergehenden höheren Giftstoffkonzentrationen. [4] Die Giftstoffe können beim Menschen Hautreizungen, beim Verschlucken auch Übelkeit und Erbrechen hervorrufen und sind für geschwächte Personen besonders gefährlich. Bei Tieren ist es bereits zu Todesfällen gekommen (z.B. Rinder). [2]

Fazit

Die globalen Folgen des Klimawandels spiegeln sich nicht nur in einer Erhöhung der Lufttemperatur sondern unter anderem auch in einem Anstieg der Wassertemperaturen der Weltmeere wider. [5] Auch in der Ostsee wurden diese Auswirkungen festgestellt (s. Abb. 2). So erwärmte sich das Oberflächenwasser allein in den letzten 16 Jahren im Jahresmittel um 0,4°C. [6]

Die Entwicklung der Cyanobakterien in der Ostsee wird durch die Erwärmung des Meeres indirekt durch den Klimawandel beeinflusst. Neben ihrer Eigenschaft, das Ökosystem nachhaltig zu verändern (sie beeinflussen den Sauerstoff- und Stickstoffgehalt der Wasserschichten), können die von den Cyanobakterien produzierten Giftstoffe eine Gefahr für die Gesundheit von Menschen und Tieren darstellen, die zur Blütezeit der Cyanobakterien in deutschen Küstengewässern das Wasser betreten.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Hense, I., M. Meier, S. Sonntag (2013): Projected climate change impact on Baltic Sea cyanobacteria, Climatic Change , DOI 10.1007/s10584-013-0702-y
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde: Faktenblatt „Blaualgen“/ Cyanobakterien
  3. IOW-Pressemitteilung vom 01.Juli 2012: Klimawandel beeinflusst Ausbreitung von „Todeszonen“ in der Ostsee
  4. Paerl, H.W. (2012): Climate Change: Links to global expansion of harmful cyanobacteria , Water Research 46, Nr. 5, S.1349-1363
  5. Trenberth, K.E. (2010): The Ocean is warming, isn't it?, Nature 465, 304
  6. Siegel, H. (2006): Die Entwicklung der Badewassertemperatur (Wasseroberflächentemperatur) der Ostsee seit 1990. In: Ostseesplitter 2006: meereskundliche Geschichten aus der Ostsee, 4 S.


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