Abschwächung der thermohalinen Zirkulation

Aus Klimawandel

Einflussfaktoren

Der anthropogene (von Menschen gemachte) Klimawandel hat in jüngster Zeit die Frage aufgeworfen, ob das globale Förderband in seinem nordatlantischen Ausläufer stabil ist. Die globale Erwärmung durch die Emission von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen verstärkt die Verdunstung, die besonders über den Ozeanen der Subtropen hoch ist. Die wärmere und mehr Wasserdampf enthaltende Luft transportiert die Feuchte von den Subtropen in höhere Breiten, wo sie dann als Niederschlag fällt und direkt oder durch Zuflüsse den Süßwassereintrag in den Nordatlantik erhöht. Außerdem wird durch die Erwärmung der Atmosphäre auch die Temperatur des Oberflächenwassers erhöht. Zusätzlich bedeutet das Abschmelzen großer Eismassen einen Eintrag von Süßwasser im Nordatlantik.

All diese Effekte haben eine Verringerung der Dichte in den nordatlantischen Absinkgebieten der meridionalen Umwälzzirkulation (MOC)[1] zur Folge und damit eine Schwächung der Tiefenwasserproduktion und des Wärmetransports durch den Golfstrom und den Nordatlantikstrom - falls nicht andere Effekte dem entgegenwirken. Die MOC wird nämlich nicht allein durch die Änderung der Auftriebskraft in Folge von Austauschprozessen an der Oberfläche beeinflusst, sondern auch durch die Dichtestruktur des Atlantiks und die kleinräumige Durchmischung des Ozeanwassers. Zufällige natürliche Schwankungen können dabei ebenfalls wichtig sein. Wie die MOC auf eine erhöhte Süßwasserzufuhr und höhere Temperaturen reagieren wird, kann man einerseits durch Modellrechnungen abschätzen, andererseits aus der Vergangenheit abzuleiten versuchen. Geologische Daten haben in Verbindung mit Modellsimulationen in letzter Zeit ein zunehmend differenzierteres Bild über das Verhalten der MOC bei früheren Klimaänderungen, insbesondere während der letzten Kaltzeit, entstehen lassen.

Die MOC im 21. Jahrhundert

Der Blick auf die MOC im Eiszeitalter (vgl. Abrupte Klimaänderungen) liefert wertvolle Erkenntnisse für die Frage nach dem Verhalten dieses für Europa entscheidenden Klimafaktors auch in einer wärmeren Welt. Er zeigt erstens, dass es nicht nur einen Modus (Zustand) der MOC im Nordatlantik geben muss, und zweitens, dass der jetzige Modus empfindlich auf eine erhöhte Süßwasserzufuhr reagieren kann.

Entwicklung der thermohalinen Zirkulation (auch Meridionale Umwälzzirkulation (MOC)) im Nordatlantik bei 30°N zwischen 1900 und 2200 nach drei verschiedenen Modellsimulationen (rot: MPI-M Hamburg, lila: Hadley Centre Großbritannien, grün: NASA/GISS USA)

Da bei einer globalen Erwärmung sowohl der Wasserkreislauf und die Niederschläge vor allem in den höheren Breiten verstärkt werden, als auch das Schmelzen von Eis (Meereis und Grönlandeis) begünstigt wird, wird die Süßwasserzufuhr in den Nordatlantik aller Wahrscheinlichkeit nach erhöht und damit die Dichte des Oberflächenwasers in den Absinkgebieten der MOC verringert. Die meisten aktuellen Modelle deuten jedoch darauf hin, dass die Erwärmung des Oberflächenwassers infolge des Treibhauseffektes im 21. Jahrhundert am meisten zur Verringerung der Dichte beitragen wird.

Im Fall des A1B-Szenarions zeigen die Modelle eine Reduktion der MOC um 20 % oder mehr. Weder prognostiziert ein Modell eine verstärkte MOC, noch einen totalen Zusammenbruch der MOC im 21. Jahrhundert. Modelle, die in fernerer Zukunft einen Zusammenbruch der MOC wiedergeben, zählen bereits zu den älteren GCMs oder sind Modelle mittlerer Komplexität (siehe Klimamodelle).

Es erscheint demnach sehr wahrscheinlich, dass die MOC im 21. Jahrhundert schwächer werden wird, aber sehr unwahrscheinlich, dass sie einen abrupten Wandel erfahren wird. Nach dem 21. Jahrhundert sind die Änderungen ungewisser. In manchen Modellen erholt sich die MOC zudem innerhalb von einigen Jahrhunderten wieder, wenn die Kohlendioxidkonzentrationen stabilisiert werden, in anderen jedoch nie.[2]

Wenig Studien gibt es dagegen zur Konvektion in der Südhemisphäre. Die Modelle deuten darauf hin, dass sich die Westwinde dort verstärken und nach Süden ausdehnen werden. Somit verengt und verstärkt sich auch der Antarktische Zirkumpolarstrom (ACC) und mehr Wasser strömt an der Oberfläche nach Norden und in Tiefen unterhalb von ca. 2000 m nach Süden. Erwärmung und Versüßung im Südlichen Ozean führen zu einer Stabilisierung der MOC. Dies ist vermutlich eine Folge der Kopplung zwischen Arktis und Antarktis.

Folgen

Die meisten Modelle stimmen darin überein, dass eine Schwächung der MOC in den betroffenen Regionen nicht zu einer Abkühlung unter die vorindustriellen Werte führen wird, d.h. dass die Erwärmung etwa in Westeuropa lediglich schwächer ausfallen wird als ohne eine Veränderung der MOC. Die globale Erwärmung gewinnt also auch im nordatlantischen Raum gegen die Abkühlung durch die geschwächte MOC; zu Szenarien a la "The day after tomorrow" wird es also mit Sicherheit nicht kommen. Während der Wärmefluss nach Norden in den niederen Breiten bei einer MOC-Reduktion reduziert wird, zeigen viele Simulationen außerdem zugleich einen stärkeren Wärmefluss in die Arktis, der zum Meereisschwund beiträgt. Trotz der verminderten Umwälzung wird das Wasser dort nämlich wärmer und der Zustrom in die Arktis stärker.

Andere Folgen betreffen eine erhöhte Rate des Meerespiegelanstiegs und die reduzierte Fähigkeit des Ozeans zur CO2-Aufnahme[3]. Für die Gegenwart zeigen zwar weder Modelle noch Beobachtungen eine Veränderung der MOC durch den Klimawandel; allerdings besteht bisher ein Mangel an repräsentativen Messdaten. Jüngste Beobachtungen einer Erhöhung der Süßwasserzufuhr durch die Sibirischen Flüsse in das Nordpolarmeer stützen jedoch die erwähnten Projektionen für das 21. Jahrhundert[4]. Es gibt aber auch gegenteilige Berechnungen, die eine Stabilisierung der MOC prognostizieren, zum einen durch eine höhere Verdunstung, zum anderen durch den Einfluss der zu erwartenden Trends der Nordatlantischen Oszillation (NAO) und des El Niño-Effekts[5].

Einzelnachweise

  1. Der Begriff "meridionale Umwälzzirkulation" (abgekürzt MOC nach engl. Meridional Overturning Circulation) hat in den letzten Jahren in der Wissenschaft den Begriff "thermohalinen Zirkulation" weitgehend abgelöst. Grund ist die Erkenntnis, dass das Globale Förderband, auch in seinem nordatlantischen Abschnitt, nicht nur durch Temperatur- und Salzgehaltsunterschiede angetrieben wird, sondern dass u.a. auch der Wind eine wichtige Rolle spielt.
  2. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, Kapitel 8
  3. Rahmstorf, S. (2000): The Thermohaline Circulation: a System with Dangerous Thresholds? An Editorial Comment, Climatic Change 46, 247-256; Knutti, R. and T.F. Stocker 2000): Influence of the Thermohaline Circulation on Projected Sea Level Rise, Journal of Climate 13, 1997-2001; Joos, F., G.K. Plattner, T.F. Stocker, O. Marchal and A. Schmittner (1999): Global Warming and Marine Carbon Cycle Feedbacks on Future Atmospheric CO2, Science 284, 264-267
  4. Peterson, B.J., R.M. Holmes, J.W. McClelland, C.J. Vörösmarty, R.B.Lammers, A.I. Shiklomanov, I.A. Shiklomanov and Stefan Rahmstorf(2002): Increasing River Discharge to the Arctic Ocean, Science 298, 2171-2173
  5. vgl. Knutti, R. and T.F. Stocker (2002): Limited Predictability of the Future Thermohaline Circulation Close to an Instability Threshold, Journal of Climate 15, 179-186


Weblinks


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