Gullivers Reisen

Aus Weltliteratur
Version vom 10. Februar 2009, 17:27 Uhr von Dieter Kasang (Diskussion | Beiträge)
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Gullivers Reisen (engl.: Gulliver’s Travels) ist das bekannteste Werk des englischen Schriftstellers, anglikanischen Priesters und Politikers Jonathan Swift. Es besteht aus vier Teilen und wurde 1726 pseudonym unter dem Titel Travels into Several Remote Nations of the World in Four Parts. By Lemuel Gulliver, first a Surgeon, and then a Captain of Several Ships veröffentlicht.

Inhalt

Das satirische Werk gliedert sich in vier Teile, die den vier Reisen Gullivers entsprechen:

  • Nach Lilliput, ins Land der zwergenhaften Liliputaner
  • Nach Brobdingnag, ins Land der Riesen
  • Nach Laputa, Balnibarbi, Glubbdubdrib, Luggnagg und Japan
  • Ins Land der Houyhnhnms und Yahoos

Der Protagonist, der Schiffsarzt und spätere Kapitän Lemuel Gulliver, schildert seine Erlebnisse auf vier fiktiven Reisen. Zunächst machte er auf der Insel Lilliput die Bekanntschaft der winzigen Einwohner, die zwölfmal kleiner als die Menschen sind. Hier findet Gulliver ein Abbild des englischen Staates mit Fürsten, Ministern, einem Parlament und politischen Parteien, die debattieren und intrigieren, wie Gulliver es aus England kennt. Auch gibt es hier religiöse Sekten, Hochkirchler und Puritaner, die sich auf Bitterste befehden, und es wird Krieg gegen Nachbarstaaten geführt. Hierbei hilft Gulliver dem Kaiser, indem er die gesamte Flotte der Feinde an einem Seile hinter sich herzieht. Als er jedoch eine Feuersbrunst mit seinem Urinstrahl löscht, gerät er bei der Kaiserin in Ungnade und muss fliehen. Seine zweite Reise verschlägt ihn auf die Insel Brobdingnag, deren Bewohner zwölfmal so groß wie die Menschen sind. Hier ist Gulliver der Zwerg. Die Bewohner fallen in ihrer groben Körperlichkeit und in ihrem unmoralischen Treiben auf. Eine sechszehnjährige Prinzessin lässt Gulliver auf einer ihrer Brustwarzen zu ihrem Vergnügen reiten. Und Gulliver wird in einer Reiseschachtel unter dem Gelächter der Bewohner von Dorf zu Dorf getragen. Diese beiden Teile wurden sehr häufig auch als Kinderbuch bearbeitet und übersetzt. Schließlich raubt ihn ein Adler und lässt ihn ins Meer fallen. Er wird jedoch gerettet und kann eine dritte Reise antreten. Hier wird sein Schiff von Piraten überfallen, die ihn in einem Boote aussetzen. Plötzlich sieht er eine in der Luft fliegende Insel, die von Naturwissenschaftlern bewohnt wird, die ihn zu sich hinaufholen. Hier lernt Gulliver die völlige Weltfremdheit der Wissenschaftler kennen, die die einfachste Dinge des Alltags nicht zu bewältigen in der Lage sind. Auf einer weiteren Insel tritt er in Kontakt mit Verstorbenen (unter anderem Homer, Aristoteles) und lernt später die Nachteile der Unsterblichkeit (die Vorteile des Todes) kennen.

Auf seiner letzten Reise begegnet Gulliver den Houyhnhnms, rational agierenden Pferden, in deren Land Humanoide leben, die Yahoos, die sich wie Tiere aufführen. Diese Pferde kennen nur die Kunst der Vernunft, kennen weder Not, Krankheit noch Krieg und halten die wilden Yahoos als Haus- und Lasttiere. Als Lemuel Gulliver auftaucht, stellen diese sich die Frage, ob Gulliver zu den Yahoos gehört oder ein Houyhnhnm auf zwei Beinen ist.

Bedeutung und Wirkung

Die Intention des als misanthropisch einzustufenden Satirikers – der Autor war immerhin ein Priester, wenn auch ein deutlich politisch engagierter – ist, dem Leser zu zeigen, dass der Mensch als Gattung kein vernünftiges Geschöpf, sondern höchstens ein zur Vernunft fähiges Wesen ist. Gerade die Houyhnhnms der vierten Reise, die eigentlich „nur“ Pferde sind, werden als unendlich viel weiser und friedliebender als der Mensch dargestellt. Daher ist dieses Werk eine unverblümte Satire auf die Gesellschaft zu jener Zeit – vor allem aufgrund der impliziten Kritik an den im frühen 18. Jahrhundert bestehenden Regierungsformen in Europa. Die fliegende Insel ist ein schwach verschleiertes England, das Irland (und Schottland) ausbluten lässt, und das Pinkeln auf das Königshaus des Deutschen (also Ausländers) Georg I. (Großbritannien) durchaus im übertragenen Sinne zu verstehen.

Das Werk ist pure Satire: Viel eher eine Streitschrift als ein frühes unpolitisches Werk der Fantastik, voller Seitenhiebe und Gehässigkeiten. Zum Lesen wird daher eine vollständige und kommentierte Originalausgabe oder gute Übersetzung empfohlen.

Als Gegenreaktion – man konnte dieses bekannte Werk nicht einfach „unterdrücken“ – entstanden daher auch „entschärfte“ Ausgaben, in denen die manchmal derben Episoden und gesellschaftskritischen Passagen ad usum Delphini aufbereitet wurden: es wurde solange zusammengestrichen und vereinfacht, bis aus dem brillanten, scharfzüngigen Werk der Weltliteratur ein Kinderbuch für „einfache Gemüter“ geworden war, wie es auch heute noch oft mit netten und lieblichen Illustrationen aufgelegt wird.

Gullivers Reisen wurden auch im satirischen Genre weiterentwickelt, so beispielsweise als „Gullivers fünfte Reise“: 1. Michail Kozyrew „Die fünfte Reise Lemuel Gullivers“, 1936 entstanden und nach dem Tode des Autors im Gulag (1942) erst 1991 in russischer Sprache veröffentlicht, 2005 erstmals in deutscher Sprache (Persona Verlag, ISBN 3-924652-33-3). 2. Gynter Mödder „Gullivers fünfte Reise“, 2005 Verlag Landpresse, ISBN 3-935221-53-3 .

Weblinks

Gullivers Reisen in einer deutschen Übersetzung von 1843

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