Die Wildente
Die Wildente (1884, Orig. norweg.: Vildanden) ist ein Schauspiel in fünf Akten von Henrik Ibsen. Es zählt zu den berühmtesten Stücken der skandinavischen Dramatik.
Gregers Werle kehrt nach Jahren der Einsamkeit im Norden zurück, fern von seinem verhassten Vater, Konsul Werle. Er trifft seinen geliebten Jugendfreund Hjalmar Ekdal wieder. Als er erfährt, welches Gespinst aus Lügen und Intrigen der Konsul um Ekdal und seinen Vater gesponnen hat, findet er die Aufgabe seines Lebens: er will diesem hohen Geist, dieser Persönlichkeit die Wahrheit sagen, damit dieser daraus Wissen und Kraft für Höheres, eine ideale Zukunft schöpfen kann. Doch damit zerstört er das Leben Hjalmars, der den hohen Idealen Gregers' weder gewachsen ist noch gewachsen sein kann.
Handlung
Personae dramatis
- Konsul Werle, Großkaufmann, Grubenbesitzer usw.
- Gregers Werle, sein Sohn
- Der alte Ekdal
- Hjalmar Ekdal, dessen Sohn, Fotograf
- Gina Ekdal, Hjalmars Frau
- Hedwig, ihre 14-jährige Tochter
- Frau Sörby, Wirtschafterin bei Konsul Werle
- Relling, Arzt
- Molvik, ehemaliger Kandidat der Theologie
- Pettersen, Diener bei Konsul Werle
- Buchhalter Gråberg
- verschiedene Gäste
Der erste Akt spielt im Haus des alten Werle, die anderen vier in der Wohnung Hjalmars.
Erster Akt
Die erste Sicht (entspricht der Gregers')
Den alten Ekdal, früher ein schneidiger Kerl, Hauptmann und ehemaliger Mitgesellschafter von Konsul Werle, lässt Werle nun für einen Almosen bei sich im Konsulat arbeiten, wohl auch, um sein schlechtes Gewissen zu entlasten: Ekdal ist ins Unglück geraten, saß im Gefängnis ein und hat jegliches Ansehen verloren. Werle hingegen hatte großes Glück damals, er wurde freigesprochen.
Gregers, Werles Sohn ging damals (17 Jahre ist es nun her) hoch nach Höydal: Wunderbar einsam war es – und ich hatte gute Gelegenheit, über alles mögliche nachzudenken. Der Kontakt zu Hjalmar, seinem besten Freund und Sohn des alten Ekdal, brach ab – Hjalmar schrieb ihm nicht mehr, war er doch zurecht böse wegen Gregers' Vater, den genauso die Schuld traf und nur vom Glück begünstigt ward'. Überdies hatte der alte Werle damals ein Verhältnis mit seiner Haushälterin Gina (Werles Frau hat ihrem Sohn dies vor ihrem Tode gesagt). Als Gina ein Kind (Hedwig) von ihm erwartete, vermittelte Werle Gina an Hjalmar. Die beiden heirateten, bekamen das Kind, von dem Hjalmar glaubte, es sei sein eigenes. Werle bezahlte auch die Ausbildung und Atelier Hjalmars, so war für Gina und Hedwig gesorgt.
So beschließt Werle Hjalmar die Wahrheit zu sagen: Denn jetzt sehe ich endlich eine Aufgabe vor mir, für die es sich zu leben lohnt. Er verlässt das Haus seines Vaters für immer.
Die zweite Sicht (ist am ehesten neutral)
Nachdem der alte Ekdal, früher Offizier, passionierter Waidmann und Bärentöter, ein offenbar nicht sehr fleißiger ehemaliger Mitgesellschafter von Konsul Werle ins Unglück geraten ist, im Gefängnis einsaß, als Gefallener ohne Ansehen dasteht, und überdies noch durch sein Fehlverhalten Konsul Werle beinahe mit sich riss (Werle hatte großes Glück, dass ihm keine Mitschuld zuerkannt wurde), gibt Werle ihm trotzdem Gelegenheit, sich seinen Unterhalt bei ihm zu verdienen: viel mehr, als seine Arbeit Wert ist. Werle stand Ekdal einst sehr nahe: Das habe ich viele Jahre zu spüren bekommen und bitter bezahlt. Und wenn mein guter Name auch eine Art Schramme bekam, so habe ich es ihm zu verdanken. Für den alten Ekdal selbst gibt es nichts Besseres mehr, als Cognac. Als Ekdal wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, war er ein gebrochener Mann, dem einfach nicht zu helfen war. Es gibt [...] Menschen, die brauchen nur [...] ein paar Schrotkörner in den Balg zu bekommen, dann tauchen sie unter, bis auf den Grund, und kommen nie mehr nach oben.
Gregers, Werles Sohn ging damals (17 Jahre sind nun vergangen) hoch nach Höydal: Wunderbar einsam war es – und ich hatte gute Gelegenheit, über alles mögliche nachzudenken. Er war damals nicht gut zu sprechen auf seinen besten Freund Hjalmar, nachdem dessen Vater durch sein Fehlverhalten die eigene Familie beinahe mit ruiniert hätte. Der alte Werle riet damals Hjalmar, es wäre besser, Gregers erst einmal in Ruhe zu lassen, so schrieb er nicht, die Freundschaft ging auseinander. Hjalmar war damals am Boden, das große Unglück um seinen Vater, die Schande! Er brach sein Studium und Freundschaften ab. Werle nahm sich seiner an, bezahlte ihm die Ausbildung zum Fotografen, das Atelier, verschaffte ihm eine Bleibe als Untermieter bei Frau Hansen, der Mutter von Werles Haushälterin Gina. Dort lernten sich Hjalmar und Gina kennen und lieben. Sie heirateten und bekamen ein Kind – Hedwig. Die Schande bleibt, wenn man einmal die Hand des Schicksals so zermalmend auf seinem Haupt gespürt hat – in der Öffentlichkeit leugnet Hjalmar seinen Vater.
Hjalmar verträumt viel Zeit, vernachlässigt darüber seine Arbeit. Tatsächlich machen ihm die Fotoarbeiten nicht sehr viel Spaß, er nutzt jede Gelegenheit, um sich abzulenken. In der Öffentlichkeit ist er unbeholfen, ohne viel Wissen und Geist, selbst zum Smalltalk kaum fähig.
Zweiter Akt
Gina wird eingeführt, die kümmert sich mit den wenigen Mitteln und Möglichkeiten um das bescheidene, aber behagliche Heim, führt die Kasse und offenbar den größten Teil der Fotoarbeiten aus. Hjalmar hingegen wird hier zu einem Aufschneider: in der Beschreibung der abendlichen Ereignisse kehrt er seine Unzulänglichkeiten (sein schüchternes Auftreten, seine Unfähigkeit zum Smalltalk, sein Unwissen) zu seinem Gunsten um: er habe es den anderen gezeigt, die haben so allerlei zu hören bekommen. Auch habe er es nicht nötig, diejenigen, die tagaus, tagein zur Abfütterung gehen, auch noch zu unterhalten. Frau Sörbys geschickten zweideutigen Scherz mit zwei Kammerherren dichtet er sich selbst zu, seine Tragik redet er sich schön: seine Hausjacke passe doch viel besser zu ihm als der elegante Anzug, den er sich beim Nachbarn Molvik lieh. Das Mitbringsel, das er seiner Tochter versprach, hat er aber vergessen. Die Liebe der Familienmitglieder zueinander kann das jedoch nicht trüben.
Gregers tritt hinzu. Sie unterhalten sich. Dem alten Ekdal bietet er an, ihn nach oben mit nach Höydal zu nehmen, in sein altes Jagdrevier, wo der kühle, frische Wind, das freie Leben in Wald und Flur, bei Hasen und Hühnern auf ihn warten. Nun zeigt Ekdal ihm sein hiesiges Revier: hinter einer Trennwand haben sie den Dachboden zum Waidgebiet ausgebaut, mit Kaninchen, Hühnern, Tauben und einer echten Wildente (die Werle einst wegen seiner schlechten Augen nur anschoss, ein paar Schrotkörner in den Balg [...] getaucht, bis hinunter bis zum Grund [...] beißen sich fest im Tang und in den Algen [...] und dann kommen sie nie wieder nach oben. Der Hund Werles holte die Ente herauf, über Pettersen, dem Diener des Konsuls, kam sie zu Hedwig, ihr gehört die Ente nun.) Auf dem Dachboden gehen Vater und Sohn Ekdal so manches mal auf die Jagd, schießen Karnickel und stellen sich vor, es wären Bären. Gregers will bleiben, ein Zimmer in der Wohnung zur Untermiete haben: Wenn ich die Wahl hätte, dann möchte ich am liebsten ein tüchtiger Hund sein [...], so einer, der nach Wildenten taucht, wenn sie hinuntergehen auf den Grund und sich da unten festbeißen in Tang und Algen.
Dritter Akt
Das Urteil über Hjalmar verstärkt sich: er ist faul, lustlos, nutzt jede Gelegenheit zur Ablenkung, eine Eigenschaft, die er von seinem Vater hat. Seine Arbeit delegiert er auf Gina und Hedwig. Hjalmar: Ich überlasse die laufenden Arbeiten im allgemeinen ihr; denn so kann ich mich unterdessen zurückziehen in die Wohnstube und über Dinge nachdenken, die wichtiger sind, nämlich seine Lebensaufgabe, den Namen Ekdal wieder zu Ehren und Ansehen zu bringen, durch eine Erfindung, durch die das Gewerbe der Fotografie sowohl zu einer Kunst wie zu einer Wissenschaft wird. Dann darf der alte Ekdal seine Uniform wieder offen (und nicht nur heimlich auf dem Dachboden) tragen, denn das ist es, wonach sein ganzes Sinnen und Trachten geht.
Der alte Werle taucht auf, will seinen Sohn mit sich nehmen, doch der sagt sich vollständig los. Gregers will Hjalmar auf einen Spaziergang mitnehmen, ihm alles sagen (obige erste Sicht der Dinge). Gina und Relling (der Arzt) wollen ihn zurückhalten: Ja zum Kuckuck – merkst Du denn gar nicht, dass der Kerl verrückt ist? Verwirrt, verstört! [...] Er leidet an einem akuten Fall von Rechtschaffenheitsfieber.
Vierter Akt
Gregers hat Hjalmar von seinem Verdacht bzgl. seines Vaters und Gina berichtet, letzterem ist nun bewusst geworden, dass nicht durch seine Arbeit, sondern durch Konsul Werle das Geld hereinkommt, von dem der alte Ekdal lebt.
Gina geht er um ihr Verhältnis zum alten Werle an. Ist es wahr [...] dass zwischen dir und Konsul Werle irgendein Verhältnis bestand? Gina: Das ist nicht wahr, nein damals nicht. Der Konsul war hinter mir her, das stimmt schon. Und seine Frau glaubte, er hätte was mit mir; und da hat sie ein furchtbares Theater gemacht, hat mich runtergeputzt und sogar geschlagen [...] und da bin ich dann gegangen. Erst als Witwer bekam seinen Willen. Hjalmar hätte sie nicht gewollt, hätte Gina ihm von dem Verhältnis erzählt, und da sie Hjalmar liebt und ihn wollte, hatte sie die Affäre für sich behalten. Hjalmar war damals mit dem Kummer der Verzweiflung auf Abwegen, mit der Hochzeit jedoch wurde er ein braver und herzensguter Mann.
Der Idealist Gregers tritt hinzu, hoffte ein nach der Aussprache von tiefer neuer Liebe geprägtes Paar vorzufinden, für ein neues Leben – für ein gemeinsames Leben im Geiste der Wahrheit, ohne jedes Verschweigen –, hoffte, dass ihm das Licht der Verklärung entgegenleuchten würde. Doch Hjalmar kann den bitteren Kelch nicht vergessen.
Frau Sörby wollte Gina besuchen, sich verabschieden. Sie wird Konsul Werle heiraten und nach Höydal begleiten. Vor allen offenbart sie das Ideal, dass Gregers vertritt: Ihr Vater weiß bis ins kleinste alles, was die Leute mit irgendeinem Recht etwa über mich reden könnten. Das habe ich ihm alles erzählt, und zwar sofort, als er sich anmerken ließ, dass er Absichten hatte. [...] Und Werle hat seinerseits mit nichts hinterm Berg gehalten. Gerade dadurch sind wir uns so besonders nahe gekommen, und jetzt kann er so rückhaltlos offen mit mir reden wie ein Kind. So verwirklichen sich nicht in Ginas und Hjalmars, sondern in Konsul Werles zukünftiger Ehe die Ideale Gregers'.
Frau Sörby hinterlässt einen Brief, in dem dem Konsul Werle dem alten Ekdal auf Lebenszeit eine Rente zusichert, die nach dessen Tod auf Hedwig übergehen soll. Hierin sieht Hjalmar den Beweis, dass Hedwig Werles Tochter ist – er verstößt das Kind, will sich nicht durchringen, zum Opfermut großherzigen Verzeihens (Gregers). Hjalmar geht.
Gina folgt Hjalmar nach, so bleiben Gregers und die weinende Hedwig allein. Er legt ihr nahe, die Wildente zu töten, sie Hjalmar zu liebe zu opfern.
Fünfter Akt
(Am anderen Morgen)
Relling demontiert vor Gregers dessen überhöhtes Idealbild von Hjalmar. Ach wissen Sie – der und Persönlichkeit? Sollte er jemals Ansätze zu solchen Abnormalitäten besessen haben, die sie Persönlichkeit nennen, so sind diese Ansätze schon in den ersten Knabenjahren gründlich entfernt worden [...] Ekdals Unglück ist, dass man ihn in seinem Kreise immer für ein großes Licht gehalten hat – [...] Ich jedenfalls habe nie etwas von einer [Tiefe des Gemüts] bemerkt. Dass sein Vater der Meinung war – na schön; der Alte war ja sein Leben lang ein Trottel. [...] Als es nun der liebe, süße Hjalmar irgendwie doch geschafft hatte, Student zu werden, da galt er auch unter seinen Kameraden gleich wieder als das große Zukunftslicht. Hübsch war er ja, der Nichtsnutz – wie Milch und Blut – so, wie die kleinen Mädchen die Kerle am liebsten haben wollen [...] Hjalmar sei ein Götzenbild, vor dem Gregers mit der Nase im Staub liege. Gregers leide nicht nur an dem Rechtschaffenheitsfieber, sondern auch an einem beständigen Anbetungsdilirium: Immer müssen sie außerhalb ihrer selbst etwas haben, was sie bewundern können.
Relling offenbart seine Passion: Er ist Arzt, und seine Kur für alle Menschen ist die, dafür Sorge zu tragen, dass das Flämmchen der Lebenslüge [in den Menschen] nicht erlischt. Die Lebenslüge Molviks ist die, er sei dämonisch: Das ist nur so ein Unfug, den ich mir ausgedacht habe, damit mir der Kerl nicht abkratzt. Denn wenn ich ihm das nicht eingeredet hätte, dann wäre das arme, nette Schwein schon vor Jahren verzweifelt und voller Abscheu vor sich selbst in die Grube gefahren. Hauptmann Ekdals Lebenslüge sei sein Dachboden. Es gibt auf der ganzen Welt keinen glücklicheren Schützen als ihn [...], wenn er zwischen all dem Gerümpel herumkriechen kann. [...] Die Kaninchen, die über den Boden hoppeln, das sind Bären, an die er sich anpirscht. Warum das ausländische Wort Ideale verwenden, es gibt doch dafür ein einheimisches Wort: Lügen.
Hjalmars Kur offenbart Relling nicht, damit Gregers nicht zum Kurpfuscher werde. Gregers will Hjalmar aus den Klauen Rellings befreien. Relling: Das wäre das Schlimmste, was ihm passieren könnte. Wenn sie einem Durchschnitssmenschen seine Lebenslüge nehmen, so bringen sie ihn gleichzeitig um sein Glück. (Relling geht ab)
Hjalmar möchte gehen und doch bleiben, bittet dass man seine Sachen packe und ihm ein Lager herrichte. In ihm kämpfen der Stolz und das Gefühl, betrogen worden zu sein, gegen den einfachen Wunsch, dass alles wieder so sei wie immer, dass er bleiben könne. Hedwig soll ihm aber in jedem Falle aus den Augen. Von der Idee, die Wildente zu töten, war sie zunächst nicht sehr überzeugt, doch nun entscheidet sie sich und geht heimlich mit der Pistole auf den Dachboden, um das Opfer für Hjalmar zu bringen. Derweil restauriert Hjalmar das Rentenangebot Werles.
Gregers ist entsetzt, das Hjalmars fort möchte, von Heim und Herd. Hier sei ein fester Grund, und außerdem habe er doch noch seine Erfindung. Hier offenbart Hjalmar, dass diese Erfindung die Idee Rellings gewesen sei: Oh, welch inniges Glück empfand ich dabei. Nicht so sehr wegen der Erfindung an und für sich; sondern weil Hedwig daran glaubte [...] Doch das Vertrauen zu Hedwig hat er verloren, er glaubt nicht mehr an ihre Liebe zu ihm.
Als ein Schuss ertönt und Gregers den Grund erklärt, ist Hjalmar gerührt: Hedwig hat für seine Liebe das Liebste, das sie hatte, die Wildente, geopfert. Doch finden sie Hedwig tot auf dem Dachboden. An eindeutigen Zeichen erkennt der hinzugerufene Relling die Selbsttötung. Gregers glaubt immer noch an Hjalmar: die Herrlichkeit, mit welcher der Schmerz an Hjalmar alles hervortreten ließ, werde wachsen, ein Leben lang. Relling: Noch ehe ein Jahr herum ist, wird Klein-Hedwig für ihn nichts weiteres sein als eine angenehme Gelegenheit, sich in gerührten Phrasen über sie zu ergehen. [...] Da werden sie ihn tönen hören über „das dem Vaterherzen zu früh entrissene Kind“. Da sollen sie mal sehen, wie er sich einpökelt in Rührung und Selbstbewunderung und Mitleid mit sich selbst. [...]
Stilmittel
Das gesamte Schauspiel arbeitet auf doppeltem Boden. Intuitiv nutzt Ibsen einen psychologischen Effekt aus, nach dem man, wenn man zwei diametral entgegengesetzte, aber logisch begründete Fakten kurz hintereinander hört, man zum ersten Faktum neigt und das zweite verneint bzw. ignoriert. Ein Beispiel ist die folgende Assoziationskette:
1. Konsul Werle bekommt immer schlechtere Augen
2. Werle und nicht Hjalmar soll der Vater Hedwigs sein
3. Hedwig bekommt immer schlechtere Augen
Hier liegt eine logische Faktenkette vor. Das Faktum, dass auch Hjalmars Mutter schlechte Augen hatte und daher die schlechten Augen Hedwigs auch erklärbar sind, steht zurück, da obige andere logische Erklärung bereits vorher erfolgte. Auf diese Art legt Ibsen eine falsche Fährte, die von der allzumenschlichen "Sensationsgier" zusätzlich unterstützt wird. Die Frage, wer Hedwigs biologischer Vater nun tatsächlich ist, lässt Ibsen selbstverständlich unbeantwortet. Die Wahrheit bzw. Intention des Schauspiels ist jedoch sowieso eine andere – sie offenbart sich im fünften Akt durch den Arzt Relling.
Auf begnadete Weise nutzt Ibsen auch einen anderen Streich aus, den jedes Gehirn seinem Träger spielt. Mit dem Vorwissen um bestimmte Zusammenhänge kann Neues in einem völlig anderen Licht erscheinen, nur weil das Gehirn das Vorwissen in die neue Faktenlage hineinprojiziert. Sehr gut zu beobachten ist das im Vater-Sohn-Gespräch am Ende des ersten Aktes. Obwohl das Gespräch klar und deutlich ist, glaubt man Dinge zu herauszuverstehen, die tatsächlich mit keinem Wort Erwähnung finden.
Eine typische (und für die Stabilität wichtige) Eigenschaft eines jeden (gesunden) Menschen ist auch die, dass man sich selbst für den besten Menschen hält, dann den Partner, Freunde. Die anderen hingegen sind mittelmäßig bis schlecht. Ibsen verzerrt diese Eigenschaft bis ins Groteske: Um das Bild ihres guten (tatsächlich jedoch durch und durch faulen) Mannes aufrecht zu erhalten, erfindet sich Gina Gründe: Das versteht sich doch wohl von selbst, dass Ekdal was anderes ist als einer von den gewöhnlichen Fotografen.
Henrik Ibsen beweist mit diesem Stück eine unglaubliche Menschenkenntnis, die der des wohl unerreichbaren „Psychologen“ Fjodor Dostojewski nicht viel nachsteht. In jeder Hinsicht herausragend ist das Gespräch zwischen Gregers und seinem Vater am Ende des ersten Aktes.
Interpretation
Wirkung
Unterricht
Literatur
Weblinks
- Die Wildente materialreiche Seite zu Peer Gynt auf der deutschsprachigen Ibsen-Homepage
Dieser Artikel basiert teilweise auf dem Artikel Peer Gynt aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. |