Virginia Woolf
Adeline Virginia Woolf (* 25. Januar 1882 in London; † 28. März 1941 bei Lewes, Sussex) war eine britische Schriftstellerin und Idol der Frauenbewegung.
Leben
Virginia Woolf war die Tochter des Schriftstellers und Gelehrten Leslie Stephen und seiner zweiten Ehefrau Julia Jackson (verwitwete Duckworth, geborene Jackson). Insgesamt hatte Virginia Woolf sieben Geschwister, darunter zwei Brüder (George und Gerald Duckworth) und eine Schwester (Stella Duckworth) aus der ersten Ehe ihrer Mutter.
Virginia Woolf besuchte keine Schule, sondern erhielt von Hauslehrern und ihrem Vater Unterricht. Beeindruckt von der schriftstellerischen Arbeit ihres Vaters, besonders seinem monumentalen Dictionary of National Biography, sowie von seiner umfangreichen Privatbibliothek, äußerte sie schon früh den Wunsch, Schriftstellerin zu werden. Als am 5. Mai 1895 ihre Mutter starb, erlitt die dreizehnjährige Virginia ihren ersten psychischen Zusammenbruch. Zwei Jahre später heiratete ihre Halbschwester Stella Jack Hills. Sie starb wenig später an einer Bauchfellentzündung.
1899 begann ihr Bruder Thoby, im Trinity College in Cambridge zu studieren. Als Virginia und Vanessa ihn dort Anfang Juni 1901 besuchten, lernte Virginia ihren späteren Ehemann Leonard Woolf kennen.
Am 26. Juni 1902 wurde Virginias Vater zum Knight Commander of the Bath ernannt. Während dieser Zeit schrieb Virginia an verschiedenen Essays und bereitete sie zur Veröffentlichung vor. Im Januar 1904 wurde Virginias erster Essay gedruckt. Am 22. Februar starb der Vater an Krebs. Damit ging für Virginia ein Zeitabschnitt zuende, der geprägt war vom kräftezehrenden Umgang mit der schwierigen Persönlichkeit Leslies. Begonnen hatten die Strapazen für Virginia und Vanessa bereits 1897 mit dem Tod von Virginias Halbschwester Stella, die für Leslie gewissermaßen die Rolle der umsorgenden Ehefrau angenommen hatte. Zehn Wochen nach dem Tod des Vaters erlitt Virginia ihre zweite psychische Krankheits-Episode, von der sie sich erst Ende des Jahres erholen konnte.
1905 begann Virginias ältester Bruder, Thoby Stephen, in seinem Wohnhaus Gordon Square 46, Bloomsbury den Donnerstag als Jour fixe zu etablieren. Mit diesem Brauch und mit der Gründung des Freitagsclubs war der Grundstein der Bloomsbury Group gelegt. Zu diesem Zirkel gehörten neben Virginia Woolf auch Literaten wie David Herbert Lawrence, Lytton Strachey, Leonard Woolf (1880-1969), Maler wie Mark Gertler, Duncan Grant und Virginias Schwester Vanessa, Kritiker wie Clive Bell und Desmond Maccarthy und Wissenschaftler wie John Maynard Keynes und Bertrand Russell. Im selben Jahr begann Virginia für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften zu schreiben; ihre Mitarbeit am Times Literary Supplement dauerte bis an ihr Lebensende.
Am 20. November 1906 erkrankte Thoby Stephen, der ältere Bruder Virginias, während einer Reise durch Griechenland an Typhus und starb bald nach der Rückkehr - im Alter von 26 Jahren.
Anfang 1907 wurde der Jour fixe in Bloomsbury wieder aufgenommen. Im darauffolgendem Jahr unternahm Virginia eine Reise nach Siena und Perugia und kehrte nach einem Aufenthalt in Paris wieder nach Großbritannien zurück.
Im Frühjahr 1910 veranstaltete Virginia zusammen mit fünf ihrer Freunde den Dreadnought-Streich, der immerhin zu einer offiziellen Anfrage im Oberhaus führte. Virginia trug orientalische Phantasiekleidung, einen angeklebten Bart und war bis zur Unkenntlichkeit schwarz geschminkt. Die Truppe reiste in diesem abenteuerlichen Aufzug nach Weymouth und besichtigte als "Kaiser von Abessinien" samt einer fünfköpfigen Delegation das Kriegsschiff HMS Dreadnought.
Im Januar 1912 machte der Schriftsteller Leonard Woolf Virginia einen Heiratsantrag. Vier Monate später willigte sie ein. Am 10. August 1912 heirateten die beiden. Ein Arzt riet den jungen Eheleuten kurz darauf von Kindern ab - die Gesundheit Virginias sei zu schwach. Ihre Depressionen wurden stärker und Anfang 1913 unternahm Virginia ihren ersten Selbstmordversuch. Dennoch bezeichnete sie ihre Ehe als glücklich - in Leonard hatte sie einen verständnisvollen und gebildeten Ehemann gefunden, der auch ihre zärtlichen Beziehungen zu anderen Frauen mit Gelassenheit sah.
1915 zogen Virginia und Leonard ins Hogarth House in Richmond upon Thames bei London. Hier debütierte Virginia mit ihrem Roman The voyage out. 1917 gründeten die beiden den Verlag Hogarth Press, und spezialisierten sich auf moderne Literatur aus Großbritannien, den USA und Russland. Im Juli begann die Produktion mit Two stories die je eine Geschichte der Ehepartner enthielt (The mark on the wall; Three Jews). Nach der Gründung des Verlags 1917 erschienen die Romane von Virginia zunächst im eigenen Verlag Hogarth Press. Ihr erster Roman "The Voyage Out" (Die Fahrt hinaus) erschien 1915 bei Duckworth & Co..
Das Ehepaar Woolf ließ sich 1919 in Rodmell (Sussex) nieder. Dort hatten sie Monk's House gekauft. Im Garten standen zwei riesige Ulmen, die von allen Besuchern und Freunden des Hauses Virginia & Leonard genannt wurden.
1922 erschien fast zeitgleich mit James Joyces Ulysses Virginias Roman Jakobs Zimmer. In diesem Roman arbeitete Virginia, ähnlich wie Joyce, mit der Technik des inneren Monologs. Die Figur Jacobs ähnelt in Vielem ihrem verstorbenen Bruder Thoby.
Im Dezember 1922 lernte sie die Schriftstellerin Vita Sackville-West kennen. Ihr Verhältnis war drei Jahre lang sehr eng und intensiv.
1924 zog das Ehepaar Woolf wieder nach Bloomsbury zurück und mietete für zehn Jahre Tavistock Square 52 als Verlagshaus und Wohnung. Ihren wohl bedeutendsten Roman, Mrs. Dalloway, legte Virginia 1925 vor. Innovativ war daran die Erzähltechnik des Stream-of-consciousness, mit der sie die Gedankenwelt, Stimmungen und Eindrücke der verschiedenen Romanfiguren darstellte. Im August 1925 brach sie zusammen und wurde von ihrem Ehemann und zeitweilig auch von Vita Sackville-West gepflegt. Im Frühjahr und Sommer 1928 unternahmen Virginia und Vita eine längere Reise durch Frankreich. Im Oktober desselben Jahres erschien Orlando. Die Hauptfigur Orlando lebt vom 16. bis ins 20. Jahrhundert und wechselt im Erwachsenenalter ihr Geschlecht vom Mann zur Frau. Dieser humorvolle Roman gilt als Virginias Liebeserklärung an Vita Sackville-West. Weitere wichtige Werke sind Die Fahrt zum Leuchtturm (1927) und Die Wellen (1931).
Der Essay Ein eigenes Zimmer wurde im Oktober 1929 veröffentlicht. Die gescheite und witzige Abhandlung über die bedrückenden Bedingungen, unter denen Frauen in der Vergangenheit Literatur produzieren mussten, wurde zu einem der meist zitierten Texte der Frauenbewegung. "Fünfhundert Pfund im Jahr und ein eigenes Zimmer", das seien die materiellen Grundvoraussetzungen, unter denen Frauen genau so erfolgreich Literatur produzieren könnten wie Männer. Außerdem formulierte sie einige Ansichten über künstlerische Kreativität, die ihr eigenes Schreiben leiteten.
1935 erschien Virginias einziges Theaterstück Freshwater. Darin thematisierte sie die Lebensgeschichte ihrer Großtante, der viktorianischen Fotografin Julia Margaret Cameron. Den Rest des Jahres verbrachte das Ehepaar Woolf auf einer Europareise, die Virginia von ihrer erneuten psychischen Erkrankung heilen sollte.
Der Dichter John Lehmann kaufte sich 1938 in den Verlag ein und übernahm Virginias Anteile an der Hogarth Press. Im Juni 1938 erschien Virginias feministischer Essay Three Guineas, in dem sie kurz vor dem Zweiten Weltkrieg die patriarchalische Gesellschaftsform mit Militarismus, Faschismus und Krieg in Verbindung bringt.
Den Ehrendoktortitel der Universität Liverpool lehnte sie, zeitlebens kritisch gegenüber der "academic machine", 1939 ab. 1940 wurde das Wohnhaus der Woolfs durch Bomben zerstört und die Hogarth Press nach Letchworth ausgelagert.
Nachdem sie 1941 Between the acts abgeschlossen hatte, fiel sie in eine tiefe Depression. Sie fürchtete, die psychotischen Episoden der Vergangenheit, in denen sie Stimmen hörte und unfähig war zu arbeiten und zu lesen, würden sich wiederholen. Sie litt an einer Bipolaren Störung, einer affektiven Störung, die auch als manisch-depressive Krankheit bekannt ist. Am 28. März 1941 wählte Virginia im Fluss Ouse bei Lewes in Sussex den Freitod. Da sie sehr gut schwimmen konnte, packte sie einen großen Stein in ihren Mantel, um eine eventuelle Selbstrettung zu verhindern. Ihre Leiche wurde erst nach drei Wochen am 21. April gefunden. Sie hinterließ zwei Abschiedsbriefe, einen an ihre Schwester Vanessa und einen an ihren Ehemann. Dieser endet mit den Sätzen: Alles, außer der Gewissheit Deiner Güte, hat mich verlassen. Ich kann dein Leben nicht länger ruinieren. Ich glaube nicht, daß zwei Menschen glücklicher hätten sein können, als wir gewesen sind.
Ihr Ehemann Leonard Woolf starb 1969. Seine Asche wurde wie die seiner Ehefrau unter den zwei Ulmen bei Monk's House verstreut.
Nachlass
Virginia Woolf hatte seit ihren Kindertagen und ab 1915 systematisch Tagebuch geführt. 1953 wurden Teile daraus erstmals publiziert. 1977 bis 1984 erfolgte die Herausgabe der gesamten Aufzeichnungen in fünf Bänden. Auch ihre umfangreiche Korrespondenz wurde veröffentlicht, zwischen 1975 und 1980 erschienen sechs Bände. Dieser Nachlass gilt vielen Leserinnen und Lesern als mindestens ebenso wichtig wie die zu Lebzeiten publizierten Werke. Der meistzitierte Text der neuen Frauenbewegung, Woolfs Buch "A Room of One's Own" wurde übrigens erst 1978 ins Deutsche übertragen. Woolf nahm in ihren Essays bereits die These der 68er-Bewegung vom politischen Charakter des Privaten vorweg. Eine der aktuellen Debatten um Virginia Woolf betrifft die Frage, inwieweit – und mit welchen Folgen – die Künstlerin während ihrer Kindheit und Jugend Opfer sexuellen Missbrauchs wurde.
Charakter
Virginia Woolf entstammte einer wohlhabenden Intellektuellen-Familie, die zahllose Kontakte zu Literaten hatte. Trotzdem erlebte auch sie als Jugendliche noch die viktorianischen Beschränkungen für Mädchen und Frauen; eine Häufung von familiären Todesfällen trat hinzu. Früh als Literaturkritikerin und Essayistin tätig, begann ihre Karriere als Romanautorin relativ spät, doch Ende der zwanziger Jahre war sie eine erfolgreiche und in zahlreichen Ländern bekannte Schriftstellerin. Trotzdem hatte sie nach dem Abschluss ihrer jeweiligen Bücher immer wieder Phasen tiefer Depressionen und Selbstzweifel. In ihren letzten Lebensjahren, die bereits vom aufziehenden Weltkonflikt überschattet waren, geriet sie erneut in eine tiefe Krise, gegen die sie lange ankämpfte. 1941, nach dem Höhepunkt des Bombenkrieges in England, nahm sie sich das Leben.
Werk
- Mrs. Dalloway
- Die Fahrt zum Leuchtturm
- Ein eigenes Zimmer
- Die Wellen
Weblinks
Virginia Woolf Linksammlung auf dem Hamburger Bildungsserver
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