August Strindberg: Unterschied zwischen den Versionen
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Strindberg war ein „Suchender“ – sein Leben unstet, voller Wissbegier, Aufbegehren, Krisen und Wendungen. Von besonderer Bedeutung ist sein Verhältnis zur Religion, das sich im Verlauf seines Lebens mehrfach wandelte und sich in seinen Werken entsprechend niederschlägt. Als junger Mann wandte er sich zunächst der pietistischen Lehre zu. Später kritisierte er unter anderem das "Gewohnheitschristentum" seiner Zeit und die Institution der Kirche in satirischen Schriften aufs Schärfste. 1884 muss er sich sogar mit der Veröffentlichung von ''Heiraten'' aufgrund einer Anklage wegen Gotteslästerung vor Gericht verantworten. Schließlich ist es seine schonungslose Gesellschaftskritik mit der Strindberg über Schweden hinaus bekannt wird. | Strindberg war ein „Suchender“ – sein Leben unstet, voller Wissbegier, Aufbegehren, Krisen und Wendungen. Von besonderer Bedeutung ist sein Verhältnis zur Religion, das sich im Verlauf seines Lebens mehrfach wandelte und sich in seinen Werken entsprechend niederschlägt. Als junger Mann wandte er sich zunächst der pietistischen Lehre zu. Später kritisierte er unter anderem das "Gewohnheitschristentum" seiner Zeit und die Institution der Kirche in satirischen Schriften aufs Schärfste. 1884 muss er sich sogar mit der Veröffentlichung von ''Heiraten'' aufgrund einer Anklage wegen Gotteslästerung vor Gericht verantworten. Schließlich ist es seine schonungslose Gesellschaftskritik mit der Strindberg über Schweden hinaus bekannt wird. | ||
In seinem Durchbruch ''Das rote Zimmer'' 1897 kritisierte und karikierte er die etablierten Institutionen der Gesellschaft, mit ''Utopier i verkligheten'' (1884-85, ''Utopie und Wirklichkeit'') redete er einem Anarchismus das Wort, der weder Sozialisten noch Konservativen gefiel. 1910 löste er mit dem Essay Pharaonenkult in der neu gegründeten "Afton-Tidningen" die sog. "Strindberg-Fehde" (Strindbergfejden) aus – eine hitzige Kulturdebatte, die im Schatten von Unionsauflösung, Großstreik und dem Hervortreten der Sozialdemokratie ein paar Jahre währte. Seine Kritik richtete sich anfangs gegen die Verherrlichung u.a. von Karl XII., dann besonders gegen Verner von Heidenstam, Oskar Levertin und Ellen Key. Aber auch das schwedische Militär, die Monarchie, der Asien-Forscher Sven Hedin und die Schwedische Akademie wurden in Artikeln angegriffen. Zum Teil waren die gegenseitigen Beschuldigungen ungerechtfertigt und hasserfüllt. Strindberg debattierte zum Teil mit zweifelhaften, religiös durchdrungenen Argumenten. Auch war seine Kritik nicht zuletzt beeinflusst von der stetigen Suche nach Anerkennung und dem Drang nach Selbstinszenierung, die oft herb enttäuscht wurden. Er sah sich oft übergangen und abgewertet. Besonders kränkte ihn die Tatsache, dass ihm nicht der Nobelpreis verliehen wurde. Trotzdem fand Strindberg zahlreiche Befürworter und Anhänger, insbesondere in der Arbeiterbewegung und bei den jungen Sozialdemokraten. Zumal sich die anfangs literarische Debatte in den 80er und 90er Jahren, als eine große Zahl Kritiker, Schriftsteller und Reichstagsmitglieder sich an ihr beteiligten, nach und nach zu einem Teil der Debatte über Wahlrecht, Landesverteidigung und Demokratie entwickelte, ein Stück des Vorspiels zum Bauernzug 1914. Die Essays aus dieser Zeit wurden in mehreren Sammelbänden veröffentlicht: | In seinem Durchbruch, ''Das rote Zimmer'' 1897, kritisierte und karikierte er die etablierten Institutionen der Gesellschaft, mit ''Utopier i verkligheten'' (1884-85, ''Utopie und Wirklichkeit'') redete er einem Anarchismus das Wort, der weder Sozialisten noch Konservativen gefiel. 1910 löste er mit dem Essay Pharaonenkult in der neu gegründeten "Afton-Tidningen" die sog. "Strindberg-Fehde" (Strindbergfejden) aus – eine hitzige Kulturdebatte, die im Schatten von Unionsauflösung, Großstreik und dem Hervortreten der Sozialdemokratie ein paar Jahre währte. Seine Kritik richtete sich anfangs gegen die Verherrlichung u.a. von Karl XII., dann besonders gegen Verner von Heidenstam, Oskar Levertin und Ellen Key. Aber auch das schwedische Militär, die Monarchie, der Asien-Forscher Sven Hedin und die Schwedische Akademie wurden in Artikeln angegriffen. Zum Teil waren die gegenseitigen Beschuldigungen ungerechtfertigt und hasserfüllt. Strindberg debattierte zum Teil mit zweifelhaften, religiös durchdrungenen Argumenten. Auch war seine Kritik nicht zuletzt beeinflusst von der stetigen Suche nach Anerkennung und dem Drang nach Selbstinszenierung, die oft herb enttäuscht wurden. Er sah sich oft übergangen und abgewertet. Besonders kränkte ihn die Tatsache, dass ihm nicht der Nobelpreis verliehen wurde. Trotzdem fand Strindberg zahlreiche Befürworter und Anhänger, insbesondere in der Arbeiterbewegung und bei den jungen Sozialdemokraten. Zumal sich die anfangs literarische Debatte in den 80er und 90er Jahren, als eine große Zahl Kritiker, Schriftsteller und Reichstagsmitglieder sich an ihr beteiligten, nach und nach zu einem Teil der Debatte über Wahlrecht, Landesverteidigung und Demokratie entwickelte, ein Stück des Vorspiels zum Bauernzug 1914. Die Essays aus dieser Zeit wurden in mehreren Sammelbänden veröffentlicht: | ||
* ''Tal till svenska nationen'' (1910, ''Reden an die schwedische Nation'') | * ''Tal till svenska nationen'' (1910, ''Reden an die schwedische Nation'') | ||
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Strindberg wurde ein "radikaler Reaktionär" genannt. Zeit seines Lebens behielt er seinen vom Volk ausgehenden und gesellschaftskritischen Standpunkt bei. Die zahlreichen Wandlungen, die Strindbergs Denken und Werk kennzeichnen, müssen natürlich vor dem Hintergrund seines exzentrischen Charakters und pathologischen Persönlichkeitszügen gesehen werden. Dennoch sind sie vor allen Dingen Ausdruck seines Zeitalters, dem er mit Widerspruchsgeist und sensibler Beobachtungsgabe gegenübertrat. Peter Schütze in diesem Zusammenhang: | Strindberg wurde ein "radikaler Reaktionär" genannt. Zeit seines Lebens behielt er seinen vom Volk ausgehenden und gesellschaftskritischen Standpunkt bei. Die zahlreichen Wandlungen, die Strindbergs Denken und Werk kennzeichnen, müssen natürlich vor dem Hintergrund seines exzentrischen Charakters und pathologischen Persönlichkeitszügen gesehen werden. Dennoch sind sie vor allen Dingen Ausdruck seines Zeitalters, dem er mit Widerspruchsgeist und sensibler Beobachtungsgabe gegenübertrat. Peter Schütze in diesem Zusammenhang: | ||
''August Strindberg war ein unersättlicher Verwerter von Eindrücken, künstlerischen, politischen und ideologischen Tendenzen. [...] Dennoch war er kein Chamäleon des Zeitgeistes; seine sprunghaften, widersprüchlichen Metamorphosen heben die außerordentliche Stärke und Unverwechselbarkeit nicht auf [...] Sein Umgang mit den Lehren und Moden seines Zeitalters war höchst störrisch und diktatorisch; er selbst konnte daher, allen seelischen Schwankungen zum Trotz, eine zeitbestimmende Figur werden. Auch seine psychischen Defekte sind nicht nur individuelle Leiden, in ihnen wird Zeit-Charakter durchsichtig [...] [Sie] machen Strindberg ebenfalls zu einem typischen Repräsentanten seiner Epoche, zur 'personifizierten Summe aller Zeiterscheinungen', wie Ludwig Marcuse ihn einmal genannt hat.'' | :''August Strindberg war ein unersättlicher Verwerter von Eindrücken, künstlerischen, politischen und ideologischen Tendenzen. [...] Dennoch war er kein Chamäleon des Zeitgeistes; seine sprunghaften, widersprüchlichen Metamorphosen heben die außerordentliche Stärke und Unverwechselbarkeit nicht auf [...] Sein Umgang mit den Lehren und Moden seines Zeitalters war höchst störrisch und diktatorisch; er selbst konnte daher, allen seelischen Schwankungen zum Trotz, eine zeitbestimmende Figur werden. Auch seine psychischen Defekte sind nicht nur individuelle Leiden, in ihnen wird Zeit-Charakter durchsichtig [...] [Sie] machen Strindberg ebenfalls zu einem typischen Repräsentanten seiner Epoche, zur 'personifizierten Summe aller Zeiterscheinungen', wie Ludwig Marcuse ihn einmal genannt hat.'' | ||
== Strindbergs Verhältnis zu Frauen == | == Strindbergs Verhältnis zu Frauen == | ||
Der Feminismus der Zeit zieht sich durch Strindbergs Texte. Er polemisierte gegen allzu radikale Gleichheitsideen, z.B. war er sehr kritisch gegenüber [[Henrik Ibsen|Ibsen]]s ''Ett dockhem'' (''Nora oder ein Puppenheim''). Strindbergs Verhältnis zu Frauen wird im Allgemeinen als kompliziert eingeschätzt, wovon schon seine drei gescheiterten Ehen Zeugnis geben. Er wurde oft als Frauenfeind dargestellt. Anlass dazu gab er unter anderem in Heiraten, worin die Kritik an der Familie als Gesellschaftsinstitution in ausgesprochene Frauenverachtung übergeht. In den letzten Jahren hat man dieses Bild von Strindberg mehr und mehr revidiert bzw. korrigiert. Eivor Martinus beispielsweise beschäftigt sich in ihrem Buch Strindberg and Love (2001) mit einer Unzahl von Briefen zwischen Strindberg und den Frauen seines Lebens. Am Ende schreibt Martinus, Strindberg könne unmöglich Frauen gehasst haben, selbst wenn er oft mit ihnen im Konflikt stand. | Der Feminismus der Zeit zieht sich durch Strindbergs Texte. Er polemisierte gegen allzu radikale Gleichheitsideen, z.B. war er sehr kritisch gegenüber [[Henrik Ibsen|Ibsen]]s ''Ett dockhem'' (''Nora oder ein Puppenheim''). Strindbergs Verhältnis zu Frauen wird im Allgemeinen als kompliziert eingeschätzt, wovon schon seine drei gescheiterten Ehen Zeugnis geben. Er wurde oft als Frauenfeind dargestellt. Anlass dazu gab er unter anderem in Heiraten, worin die Kritik an der Familie als Gesellschaftsinstitution in ausgesprochene Frauenverachtung übergeht. In den letzten Jahren hat man dieses Bild von Strindberg mehr und mehr revidiert bzw. korrigiert. Eivor Martinus beispielsweise beschäftigt sich in ihrem Buch ''Strindberg and Love'' (2001) mit einer Unzahl von Briefen zwischen Strindberg und den Frauen seines Lebens. Am Ende schreibt Martinus, Strindberg könne unmöglich Frauen gehasst haben, selbst wenn er oft mit ihnen im Konflikt stand. | ||
Strindbergs Verhältnis zu Frauen kann in erster Linie als ambivalent, nicht als absolut negativ, beschrieben werden und ist im Sinne seiner grundsätzlichen Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Geschlechtern zu verstehen. Thomas Mann äußerte sich dazu wie folgt: | Strindbergs Verhältnis zu Frauen kann in erster Linie als ambivalent, nicht als absolut negativ, beschrieben werden und ist im Sinne seiner grundsätzlichen Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Geschlechtern zu verstehen. Thomas Mann äußerte sich dazu wie folgt: | ||
Wie stark sich in seinen verzweifelten Kampf gegen diese [bürgerliche Gesellschaft], in der er doch immer nach 'Erfolgen' strebt, ein Elementares und Dämonisches mischt, dafür ist das stärkste Beispiel sein Verhältnis zum Weibe, worin die Polemik gegen moderne Emanzipationsideen die geringste Rolle spielt und eine desto größere der ewige mythische Todhaß der Geschlechter. Es gibt in keiner Literatur eine teuflischere Komödie als seine Eheerfahrungen, als seine Verfallenheit an das Weib und sein Grauen vor ihm, seine heilig monogame Verehrung und Verklärung der Ehe und sein völliges Unvermögen, es darin auszuhalten. (August Strindberg. 1948) | :''Wie stark sich in seinen verzweifelten Kampf gegen diese [bürgerliche Gesellschaft], in der er doch immer nach 'Erfolgen' strebt, ein Elementares und Dämonisches mischt, dafür ist das stärkste Beispiel sein Verhältnis zum Weibe, worin die Polemik gegen moderne Emanzipationsideen die geringste Rolle spielt und eine desto größere der ewige mythische Todhaß der Geschlechter. Es gibt in keiner Literatur eine teuflischere Komödie als seine Eheerfahrungen, als seine Verfallenheit an das Weib und sein Grauen vor ihm, seine heilig monogame Verehrung und Verklärung der Ehe und sein völliges Unvermögen, es darin auszuhalten. (August Strindberg. 1948)'' | ||
Im Weib sah er Satan und Gott - und was er um diese Pole geschehen ließ, wies immer wieder zurück auf seine skeptische Grundhaltung und sein Sehnen nach Vollendung | ''Im Weib sah er Satan und Gott - und was er um diese Pole geschehen ließ, wies immer wieder zurück auf seine skeptische Grundhaltung und sein Sehnen nach Vollendung'', schreibt Verner Arpe in ''Knaurs Schauspielführer'' im gleichen Sinne. | ||
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===Naturalistische Phase=== | ===Naturalistische Phase=== | ||
In frühen Werken kombinierte Strindberg Sozialismus und Realismus: Treffsichere und oft anachronistische Schilderungen stützen die schonungslose Kritik an Staat, Kirche, Schule, Presse, Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Institutionen. Die Perspektive ist oft die des Arbeiters oder des „unverdorbenen“ Jungen. In dem Gedicht Esplanadsystemet feierte er die schonungslose Auseinandersetzung der neuen Zeit mit folgendem Ideal: „Hier wird zerrissen, um Luft und Licht zu kriegen.“ Mit dem satirischen Sittenroman Das rote Zimmer gelingt es Strindberg, erstmals das Aufsehen einer weiten Öffentlichkeit zu erregen. Mit "grimmigem, illusionslosem Sarkasmus" kritisiert er die gesellschaftlichen Umstände seiner Zeit, in der "des Jahrhunderts größte Entdeckung gemacht worden war, daß es nämlich billiger und angenehmer ist, vom Geld der anderen zu leben als von der eigenen Arbeit". Wenn auch Strindbergs Kritiker gespalten waren, 7500 Exemplare des Romans wurden innerhalb von 6 Monaten verkauft, der Autor avanciert zum Wortführer der radikalen jungen Literaten und wird als Wegbereiter des Zola-Naturalismus in Schweden gefeiert. Strindberg, der Émile Zola bis dahin nie gelesen hatte, wird dadurch erst auf das Werk des Naturalismus-Begründers aufmerksam. Auch mit seinen darauf folgenden Werken handelte sich Strindberg heftige Kritik ein, insbesondere mit Das schwedische Volk, eine Art populärwissenschaftliches Sachbuch und der satirischen Schrift Das neue Reich, mit der er die Konservativen offen angreift. | In frühen Werken kombinierte Strindberg Sozialismus und Realismus: Treffsichere und oft anachronistische Schilderungen stützen die schonungslose Kritik an Staat, Kirche, Schule, Presse, Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Institutionen. Die Perspektive ist oft die des Arbeiters oder des „unverdorbenen“ Jungen. In dem Gedicht ''Esplanadsystemet'' feierte er die schonungslose Auseinandersetzung der neuen Zeit mit folgendem Ideal: „Hier wird zerrissen, um Luft und Licht zu kriegen.“ Mit dem satirischen Sittenroman ''Das rote Zimmer'' gelingt es Strindberg, erstmals das Aufsehen einer weiten Öffentlichkeit zu erregen. Mit "grimmigem, illusionslosem Sarkasmus" kritisiert er die gesellschaftlichen Umstände seiner Zeit, in der "des Jahrhunderts größte Entdeckung gemacht worden war, daß es nämlich billiger und angenehmer ist, vom Geld der anderen zu leben als von der eigenen Arbeit". Wenn auch Strindbergs Kritiker gespalten waren, 7500 Exemplare des Romans wurden innerhalb von 6 Monaten verkauft, der Autor avanciert zum Wortführer der radikalen jungen Literaten und wird als Wegbereiter des Zola-Naturalismus in Schweden gefeiert. Strindberg, der [[Émile Zola]] bis dahin nie gelesen hatte, wird dadurch erst auf das Werk des Naturalismus-Begründers aufmerksam. Auch mit seinen darauf folgenden Werken handelte sich Strindberg heftige Kritik ein, insbesondere mit ''Das schwedische Volk'', eine Art populärwissenschaftliches Sachbuch, und der satirischen Schrift ''Das neue Reich'', mit der er die Konservativen offen angreift. | ||
Inspiriert von Nietzsche und Rousseau veranschaulichte Strindberg naturalistische und evolutionstheoretische Ideen, z.B. in der Novelle Odlad frukt (Gedüngte Frucht) und im Roman Hemsöborna (1887, Die Leute auf Hemsö): Erbe und Umwelt treiben die Charaktere durch die Handlung zu ihrem "natürlichen" Schicksal. | Inspiriert von Nietzsche und Rousseau veranschaulichte Strindberg naturalistische und evolutionstheoretische Ideen, z.B. in der Novelle ''Odlad frukt'' (''Gedüngte Frucht'') und im Roman ''Hemsöborna'' (1887, ''Die Leute auf Hemsö''): Erbe und Umwelt treiben die Charaktere durch die Handlung zu ihrem "natürlichen" Schicksal. | ||
Die bedeutensten Dramen der naturalistischen Phase sind zweifelsohne Der Vater und der Einakter Fräulein Julie. Weiterhin schrieb Strindberg in dieser Zeit teils autobiografische Romane, mit denen er die Literatur von der Kunst zu emanzipieren versuchte. Insbesondere ist hier Tjänstekvinnans son. En själs utvecklingshistoria (Der Sohn einer Magd. Entwicklung einer Seele, 4 Bde. 1886-1909) zu nennen. | Die bedeutensten Dramen der naturalistischen Phase sind zweifelsohne Der Vater und der Einakter ''Fräulein Julie''. Weiterhin schrieb Strindberg in dieser Zeit teils autobiografische Romane, mit denen er die Literatur von der Kunst zu emanzipieren versuchte. Insbesondere ist hier ''Tjänstekvinnans son. En själs utvecklingshistoria'' (''Der Sohn einer Magd. Entwicklung einer Seele'', 4 Bde. 1886-1909) zu nennen. | ||
===Expressionistische Phase=== | ===Expressionistische Phase=== | ||
Nach den psychischen Krisen in den 1890er Jahren (vgl. Inferno-Krise) wechselte Strindberg den Fuß: Mit religiösen Ideen inspiriert von Emanuel Swedenborg und Sören Kierkegaard löste Strindberg den früheren Realismus auf um dem mehr Expressionistischen Platz zu machen. Er entwickelte sich vom Naturalisten zum Mystiker, vom Zweifler zum Gläubigen, und um die Jahrhundertwende erklärte er sich als ein Schüler Maurice Maeterlincks, des Symbolisten. | Nach den psychischen Krisen in den 1890er Jahren (vgl. Inferno-Krise) wechselte Strindberg den Fuß: Mit religiösen Ideen inspiriert von Emanuel Swedenborg und Sören Kierkegaard löste Strindberg den früheren Realismus auf um dem mehr Expressionistischen Platz zu machen. Er entwickelte sich vom Naturalisten zum Mystiker, vom Zweifler zum Gläubigen, und um die Jahrhundertwende erklärte er sich als ein Schüler Maurice Maeterlincks, des Symbolisten. | ||
Sein erstes Werk nach Inferno ist die Bekenntnis-Trilogie Nach Damaskus, worin sich der innere Streit um Schuld, Leiden und Versöhnung findet, den er während der letzten Jahre führte. | Sein erstes Werk nach Inferno ist die Bekenntnis-Trilogie ''Nach Damaskus'', worin sich der innere Streit um Schuld, Leiden und Versöhnung findet, den er während der letzten Jahre führte. | ||
Strindberg nahm seine frühere Rolle als Gesellschaftskritiker in den Jahren nach 1900 wieder auf mit Romanen wie Schwarze Fahnen und Die gotischen Zimmer. Sowohl Diskussionsgegner, Kollegen und Freunde wurden einer schonungslosen Satire ausgesetzt. | Strindberg nahm seine frühere Rolle als Gesellschaftskritiker in den Jahren nach 1900 wieder auf mit Romanen wie ''Schwarze Fahnen'' und ''Die gotischen Zimmer''. Sowohl Diskussionsgegner, Kollegen und Freunde wurden einer schonungslosen Satire ausgesetzt. | ||
== Bedeutung und Wirkung == | == Bedeutung und Wirkung == | ||
Strindberg schrieb mehr als 60 Dramen, zehn Romane, zehn Novellensammlungen und mindestens 8000 Briefe. Das macht ihn ohne Zweifel zu einem der produktivsten Autoren Schwedens. Strindberg umfasste alle großen Ideenströmungen, die es zum Ende des 19. Jahrhunderts gab. Er erneuerte die schwedische Prosa indem er die deklamatorische und rhetorische Sprache der älteren Prosa durch Umgangssprache und scharfe Beobachtungen direkt aus dem Alltag ersetzte. Außerdem hatte Strindberg für seine Zeit möglicherweise höchste Bedeutung als Dramatiker: Er war inspiriert von [[William Shakespeare|Shakespeare]] und dessen schnellen Szenenwechseln. Strindberg revolutionierte das Drama aber auch, indem er die Schauspieler eine natürliche Umgangssprache verwenden ließ. Die Handlung in seinen Stücken bewegt sich typischerweise in einer historischen Umgebung und veranschaulicht Klassenkampf und psychologischen Stellungskrieg. Strindberg gilt als einer der Wegbereiter des modernen europäischen Theaters des 20. Jahrhunderts, vor allem mit seinen Dramen Fräulein Julie und der Trilogie Nach Damaskus. Damit ist er im gleichen Atemzug mit dem norwegischen Schriftsteller [[Henrik Ibsen]] und dem Russen [[Anton Tschechow]] zu nennen. Im deutschsprachigen Raum nahm er insbesondere aufgrund seiner sozialkritischen Themen und der Erfindung des Stationendramas Einfluss auf die Literatur. | Strindberg schrieb mehr als 60 Dramen, zehn Romane, zehn Novellensammlungen und mindestens 8000 Briefe. Das macht ihn ohne Zweifel zu einem der produktivsten Autoren Schwedens. Strindberg umfasste alle großen Ideenströmungen, die es zum Ende des 19. Jahrhunderts gab. Er erneuerte die schwedische Prosa, indem er die deklamatorische und rhetorische Sprache der älteren Prosa durch Umgangssprache und scharfe Beobachtungen direkt aus dem Alltag ersetzte. Außerdem hatte Strindberg für seine Zeit möglicherweise höchste Bedeutung als Dramatiker: Er war inspiriert von [[William Shakespeare|Shakespeare]] und dessen schnellen Szenenwechseln. Strindberg revolutionierte das Drama aber auch, indem er die Schauspieler eine natürliche Umgangssprache verwenden ließ. Die Handlung in seinen Stücken bewegt sich typischerweise in einer historischen Umgebung und veranschaulicht Klassenkampf und psychologischen Stellungskrieg. Strindberg gilt als einer der Wegbereiter des modernen europäischen Theaters des 20. Jahrhunderts, vor allem mit seinen Dramen ''Fräulein Julie'' und der Trilogie ''Nach Damaskus''. Damit ist er im gleichen Atemzug mit dem norwegischen Schriftsteller [[Henrik Ibsen]] und dem Russen [[Anton Tschechow]] zu nennen. Im deutschsprachigen Raum nahm er insbesondere aufgrund seiner sozialkritischen Themen und der Erfindung des Stationendramas Einfluss auf die Literatur. | ||
Mehr noch als den Naturalismus beeinflusste Strindberg den Expressionismus durch seine späteren Werke. | Mehr noch als den Naturalismus beeinflusste Strindberg den Expressionismus durch seine späteren Werke. |
Version vom 9. September 2008, 20:51 Uhr
Johan August Strindberg (* 22. Januar 1849 in Stockholm – † 14. Mai 1912 ebenda) war ein schwedischer Schriftsteller und Künstler. Er gilt als einer der wichtigsten schwedischen Autoren, besonders seine Dramatik ist weltbekannt. Für vier Jahrzehnte um 1900 dominierte er das literarische Schweden, war ständig umstritten und oft in persönliche Konflikte involviert. Zu seinem umfangreichen literarischen Werk gehören Romane, Novellen und Dramen, die zu den Klassikern schwedischer Literatur zählen.
Biographie
Kindheit und Jugend (1849-1867)
Johan August Strindberg kam in Stockholm als viertes von insgesamt 8 Kindern des Dampfschiffkommissionärs Carl Oscar Strindberg und der früheren Haushaltsangestellten und 12 Jahre jüngeren Ulrika Eleonora (Nora) Norling zur Welt. Die Familie führte ein mittelständisches Leben. Aufgrund der wirtschaftlichen Schwankungen der väterlichen Schiffsagentur war sie zu zahlreichen Wohnungswechseln genötigt. Strindberg zog zehnmal um innerhalb der 20 Jahre, die er gemeinsam mit der Familie lebte.
Bildung und Kunst wurden im Elternhaus gepflegt, wenn auch in bescheidenem Maße. Der Vater spielte Klavier und Cello. Hausmusikabende fanden regelmäßig statt. Auch mit dem Theater kam die Familie in Berührung - der Neffe Ludvig Strindberg war Schauspieler und kam häufig zu Besuch. Strindbergs künstlerische Interessen wurden jedoch erst einige Zeit später geweckt. In der Kindheit beherrschte er als einziger der Familie kein Instrument. Strindberg wird als schüchternes, verschlossenes Kind beschrieben, das sich schon früh für die Naturwissenschaft interessierte. Zeit seines Lebens achtete er auf gute Kleidung. Seine Ansichten über Ehe und Familie galten als ähnlich streng wie die seines Vaters. Seine Mutter beschreibt er später in Tjänstekvinnans son (1886-1909, Sohn der Magd) als freundliche, aber auch sehr sensible Frau.
1853 ging das Unternehmen des Vaters Konkurs, konnte sich jedoch sehr schnell erholen. Im Jahr 1856 zog die Familie aus dem Klaraviertel in den ländlichen Norden von Stockholm, später noch weiter aufs Land. Strindberg ging anfangs weiter in die streng geführte und nun recht weit entfernte Klaraschule. 1860 dann kam er auf die näher gelegene Jakobschule, wo er nach eigener Schilderung zum ersten Mal ein Bewusstsein für soziale Unterschiede bekam. Ab 1861 besuchte Strindberg das private Stockholmer "Lyceum" - ein liberal geführtes Gymnasium. Für Naturkunde und vor allem Französisch konnte er sich besonders begeistern.
Im Jahr 1862 starb Strindbergs Mutter vorzeitig an Tuberkulose. Das schwierige Verhältnis zum Vater besserte sich in der Zeit der Trauer nur kurzfristig. Mit der erneuten Heirat des Vaters - er ehelichte die 22jährige Erzieherin der Kinder Emma Charlotta Petterson - und der Geburt des gemeinsamen Sohnes Emil wurden die familiären Beziehungen zunehmend angespannter. Strindbergs Pubertät gestaltete sich folglich ausgesprochen schwierig. Er zog sich in den Pietismus zurück, mit dem er durch seine Mutter erstmals in Berührung gekommen war und übte sich in religiöser Enthaltung.
Der Weg zum Schriftsteller (1867-1879)
Im Mai 1867 legte Strindberg sein Abitur ab und immatrikulierte sich in Uppsala für das Studium der "Ästhetik und lebenden Sprachen". Neben Versuchen, sich als Scharfschütze und Prediger Geld zu verdienen, war er vor allem als Grundschul- und Hauslehrer tätig. Bald darauf nahm er außerdem ein Medizinstudium auf, brach die Studien jedoch 1869 ab, um sich an einer Karriere als Schauspieler zu versuchen, scheiterte aber. 1870 entschied er sich, stattdessen das Studium in Uppsala fortzusetzen. Während seiner Studienzeit begann Strindberg mit dem Schreiben. Nach zwei Jahren zwang ihn seine finanzielle Situation, das Studium entgültig abzubrechen und in die Hauptstadt zurückzukehren. Er versucht, als Journalist unterzukommen. Die erste Fassung von Mäster Olof (Meister Olof) entsteht. 1873 arbeitete er als Redakteur bei der schwedischen Tageszeitung Dagens Nyheter. Ein Jahr später bekommt er bei der Königlichen Bibliothek eine Anstellung als "Sekretär", die bis 1882 bestand. Strindbergs literarischer Durchbruch kam 1879 mit der Herausgabe von Röda rummet (Das rote Zimmer), ein satirischer Gesellschaftsroman, und der Aufführung von Meister Olof über den schwedischen Reformator Olaus Petri).
Ehejahre mit Siri von Essen (1877-1892)
1877 heiratete Strindberg die Finnlandschwedin Siri von Essen, eine Schauspielerin des Königlichen Theaters. Mit ihr hatte er drei Kinder (Karin 1880, Greta 1881 und Hans 1884). Während der folgenden Jahre schrieb er ein historisches Werk, Svenska folket (Das schwedische Volk) und den Roman Det nya riket (Das neue Reich). Diese Werke waren in einem realistischen Stil geschrieben, der im Prinzip sämtliche gesellschaftlichen Institutionen kritisierte. Strindberg wurde so viel diskutiert und kritisiert, dass er sich 1883 genötigt sah, Schweden zu verlassen, um sich in Frankreich und später in der Schweiz niederzulassen. Zusammen mit Siri und den Kindern schloss sich Strindberg der skandinavischen Künstlerkolonie im französischen Grez an.
Anklage wegen Gotteslästerung
1884 wird die Novellensammlung Giftas (Heiraten) veröffentlicht. Der erste Teil der Dygdens lön (Lohn der Tugend) führt zu einer Anklage wegen "Gotteslästerung und Verspottung der Heiligen Schrift und der Sakramente". Der Prozess wird auf schwedisch Giftasprocessen genannt. In der Geschichte erzählt Strindberg von den Folgen falscher Erziehung und religiöser Verkrampfung, insbesondere die Darstellung der Konfirmation als "erschütternder Akt", "durch den die Oberklasse auf Christi Leib und Wort der Unterklasse den Eid abnimmt, daß diese sich nicht darum kümmern werde, was jene tut" provoziert die Anklage. Strindberg, zu diesem Zeitpunkt in Genf, muss in Stockholm vor Gericht erscheinen. Bei seiner Ankunft werden Kundgebungen veranstaltet, eine Festaufführung von Glückspeters Reise wird mit großen Erfolg gezeigt. Arbeiterorganisationen und Akademiker sprechen sich für den Schriftsteller aus. Letzten Endes spricht das Gericht Strindberg frei. Er kehrt zurück in die Schweiz. Trotz des Freispruchs bleibt die Anklage jedoch nicht ohne negative Folgen für ihn. In Schweden verliert man das Interesse an Strindberg, er wendet sich - zumindest vorläufig - von seinem Heimatland ab.
Andere Werke machten Strindberg darüber hinaus in ganz Europa als Frauenfeind bekannt. Während des Auslandsaufenthalts fuhr Strindberg fort, autobiografische Romane zu schreiben und zu publizieren, u.a. Der Sohn der Magd und En dåres försvarstal (1895, Die Beichte eines Toren), Theaterstücke wie Fadren (1887, Der Vater) und Fröken Julie (1889, Fräulein Julie), sowie gesellschaftskritische Romane wie Utopier i verkligheten (1885, Utopien in der Wirklichkeit). Auf einer Reise nach Kopenhagen zur Aufführung des Vater lernt er Georg Brandes kennen, der ihm den Briefkontakt zu Friedrich Nietzsche vermittelt.
Bis Ende 1889 blieb er im Ausland und kehrte schließlich nach Stockholm zurück. Seine Ehe mit Siri von Essen war in dieser Zeit immer angespannter geworden, so auch die Frauenportraits in seinen Romanen. August und Siri ließen sich 1891 scheiden. Der Aufbruch war von einer künstlerischen Krise begleitet. 1892 zog Strindberg nach Berlin, wo er u.a. mit Edvard Munch und Ola Hansson zu tun hatte.
Kurze Ehe mit Frida Uhl (1893-1894)
Anfang 1893 lernt Strindberg die zwanzigjährige Journalistin Maria Friederike Uhl (Frida) aus Österreich kennen. Wenige Monate später nimmt er sie auf Helgoland zur Frau. 1894 wird Tochter Kerstin geboren. Zahlreiche Auseinandersetzungen und Streitereien begleiten die Beziehung, so dass es noch im selben Jahr zum endgültigen Bruch zwischen Strindberg und Uhl kommt. Erst 1897 wird die Ehe rechtskräftig geschieden.
Nach der Ehe mit Frida Uhl durchlebt Strindberg eine ausgesprochen düstere Phase seines Lebens, in der er unter Wahnvorstellungen, Realitätsverlust und Depressionen leidet. Sie wird „Inferno-Krise“ genannt, da Strindberg die Erfahrungen dieser Zeit vor allem in dem Roman Inferno, Legender (1897, Inferno. Legenden) in Form von autobiografischen, teilweise verklärten Aufzeichnungen verarbeitet. Es ist auch die Zeit, in der Strindberg beginnt, wissenschaftliche und alchemistische Versuche zu machen. In gewisser Weise gelingt es ihm, sich „frei zu schreiben“. Nach 1897 gilt seine psychische Krise als überwunden, in den folgenden sechs Jahren schreibt er mehr als 25 Stücke.
Die produktiven Jahre 1898-1907
In der Zeit zwischen 1898 und 1907 findet eine Neuausrichtung in Strindbergs Schreiben statt: Von Anarchismus, Realismus und Naturalismus hin zu Mystik, Symbolismus und Okkultismus. Seine in dieser Zeit entstandenen Dramen haben die europäische Theatergeschichte des 20. Jahrhunderts nachhaltig beeinflusst. Zu nennen sind vor allem:
- Till Damaskus I-III (Nach Damaskus I-III) - 1898-1904
- Dödsdansen (Der Totentanz) - 1901
- Ett drömspel (Ein Traumspiel) - 1902
- Spöksonaten (Gespenstersonate) - 1907
In dieser Zeit schrieb Strindberg zudem mehrere von William Shakespeare inspirierte Historiendramen mit Figuren der schwedischen Geschichte: Gustav Vasa (1899), Erik XIV (1899), Karl XII und Gustav Adolf (1900). Mit Svarta fanor (1907, Schwarze Fahnen) verfasste er ein Stück über das Kulturetablissement der Hauptstadt im Allgemeinen und der jüngeren Autorengeneration im Besonderen. 1906 entstehen die späten Novellen Takslagsöl (Richtfest) und Syndabocken (Der Sündenbock). 1904 erschien Götiska rummen (Die gotischen Zimmer). Außerdem schreibt er eine Reihe von Kammerspielen (1907): Oväder (Wetterleuchten), Brända tomten (Die Brandstätte) und Pelikanen (Der Pelikan, auf Deutsch auch Der Scheiterhaufen). Zu dieser Reihe gehört auch das schon erwähntes Werk Spöksonaten (Die Gespenstersonate), welches seine "bizarrste Symboldichtung" darstellt.
Strindberg war jetzt ein berühmter Schriftsteller, was nicht verhinderte, dass er finanziell in der Krise war und weiterhin gegen alles und jeden einen Aufstand machte. 1897 beschloss er doch, sich mit seinem Land zu versöhnen und zog nach Lund, wo er über Bengt Lidforss mit dem Dichter Emil Kléen in Kontakt kam, einer der wenigen Freunde, mit denen Strindberg Freund blieb. Das folgende Jahr zog er nach Östermalm in Stockholm.
Dritte Ehe mit Harriet Bosse
1900 lernte Strindberg die junge Künstlerin Harriet Bosse bei einer Vorstellung des Sommernachtstraums kennen, in der sie die Rolle des Puck spielte. Fasziniert von ihrer exotischen Erscheinung bietet er ihr die Rolle der Dame in seinem Drama Nach Damaskus an. Im Anschluss an die Premiere schreibt er begeistert über ihre Darstellung: "Werden Sie jetzt bei uns die Schauspielerin des neuen Jahrhunderts! Sie haben uns neue Töne geschenkt, woher Sie sie auch genommen haben mögen." 1901 heirateten Strindberg und Bosse. Im Jahr darauf wurde Tochter Anne-Marie geboren, später verheiratete Wyller und danach verheiratete Hagelin, die erst 2007 gestorben ist. Strindbergs Ehe mit Bosse hielt bis 1904. Grund für die Trennung war u.a. der große Altersunterschied, verbunden mit unterschiedlichen Vorstellungen der Beiden vom gemeinsamen Zusammenleben. Bosse fühlte sich eingesperrt und glaubte, ihre Ansprüche ans Leben für Strindberg aufgeben zu müssen. Strindberg verkraftet die Trennung nur schwer, er leidet unter Halluzinationen und erotischen Wahnvorstellungen und schickt ihr unablässig Briefe. Erst als Bosse wieder heiratet, kommt die Beziehung entgültig zu einem Ende. Im Okkulten Tagebuch verarbeitet Strindberg die Ehe zu Bosse.
Das Intime Theater in Stockholm
Von besonderer Bedeutung für Strindberg war die Gründung des "Intimen Theaters" am 26. November 1907 in Stockholm, wo er sich mit Begeisterung einbrachte, als Stifter, Dramaturg und Regisseur. Auch schrieb er zahlreiche Stücke eigens für die Bühne des Theaters. Max Reinhardt hatte 1902 mit der Gründung seines "Kleinen Theaters" das deutsche Vorbild geliefert. Mit einer Serie von Strindberg-Stücken war hier der Durchbruch des Autors in Deutschland gelungen.
Die letzten Jahre (1908-1912)
1908 zog Strindberg in die Drottninggatan 85, in den so genannten "Blauen Turm", wo heute sein Museum und der Sitz der Strindberg-Gesellschaft ist. Er begegnete Bernhard Shaw und hatte eine letzte Romanze mit der jungen Künstlerin Fanny Falkner, die er u.a. als Sekretärin beschäftigte. Während seiner letzten Jahre nahm er die gesellschaftskritische Sparte wieder auf, was eine sehr intensive Debatte auslöste. Strindberg wurde eine Ikone der Arbeiterbewegung, besonders der radikalen Gruppe um die Zeitung Stormklockan und deren Kampf gegen konservative und liberale Stimmen. In seinen letzten Werken, En blå bok (Ein Blaubuch) 1907 und das Stationendrama Stora landsvägen (Die große Landstraße, 1909) kritisierte Strindberg die Wissenschaft und bezog Stellung für die Religion. Interne Streitigkeiten führten 1911 zur Schließung des Intimen Theaters. Im "Blauen Turm" hatte er wieder Kontakt zu Siri und den gemeinsamen Kindern, die er auch finanziell unterstützte. Strindberg litt zunehmend unter Krankheitsbeschwerden, er war an Magenkrebs erkrankt. Am 14. Mai 1912 stirbt er - kaum einen Monat nach dem Tod von Siri. Er wurde auf dem Nordfriedhof begraben, mit etwa 60.000 Trauernden im Gefolge; Ave Crux spes unica (Sei gegrüßt Kreuz, einzige Hoffnung) war die Inschrift auf dem Grabstein. Seinen Abschied vom Leben nahm er mit den ergreifenden Worten "jetzt ist alles Persönliche vernichtet", worauf er eine Bibel auf die Brust legte. Strindberg wurde in Stockholm auf dem Nordfriedhof Norra begravningsplatsen, kvarter 13A, Grab Nr. 101 begraben.
Vor Strindbergs Ableben hatte Albert Bonniers Verlag die Rechte an Strindbergs gesammelten Werken gekauft. Karl Otto Bonnier hatte erst 150.000 Kronen für Strindbergs Werk geboten (aber ohne ausländische Rechte). Strindberg wies das Gebot ab, nachdem Bonniers 100.000 Kronen für Gustaf Frödings gesammelte Werke (6 Gedichtsammlungen) bezahlt hatte. Als Bonnier das Gebot auf 200.000 Kronen erhöhte, schlug Strindberg ein. Der Verlag kaufte dann auch die Rechte, die Strindberg an andere verkauft hatte, womit die Gesamtsumme fast 300.000 Kronen wurde. Nach Strindbergs Tod gab Bonniers Verlag Strindbergs Gesammelte Schriften in 55 Bänden heraus. Während der ersten 20 Jahre nach seinem Tod verkaufte der Verlag 1,7 Mio. Exemplare von Strindbergs Büchern. Zwischen 1912 und 1927 verkaufte der Verlag Bücher von Strindberg für fast 10 Mio. Kronen.
Persönlichkeit
Psychotische Veranlagung
Strindbergs Persönlichkeit wies deutliche Züge einer paranoiden Schizophrenie auf - immer wieder wurde er von Wahnvorstellungen, Realitätsverlust und Depressionen heimgesucht. Auch drohte er unzählige Male in Briefen damit, Selbstmord zu begehen, ein ernsthafter Selbstmordversuch ist jedoch nicht belegt. Seine psychische Instabilität erreicht zwischen 1895 und 1897, im Alter von fast 50 Jahren, ihren Höhepunkt mit der sog. "Inferno-Krise". Strindbergs literarisches und künstlerisches Schaffen ist tief geprägt von seiner psychotischen Veranlagung und den gescheiterten Ehen. Literatur und Malerei dienten ihm als Mittel, um "dem Ansturm der Wirklichkeit zu begegnen und sich eine quasi-medizinische Kur zu verschaffen." So enthalten zahlreiche seiner Werke autobiografische, teils verzerrte Züge.
Gesellschaftskritik und Verhältnis zur Religion
Strindberg war ein „Suchender“ – sein Leben unstet, voller Wissbegier, Aufbegehren, Krisen und Wendungen. Von besonderer Bedeutung ist sein Verhältnis zur Religion, das sich im Verlauf seines Lebens mehrfach wandelte und sich in seinen Werken entsprechend niederschlägt. Als junger Mann wandte er sich zunächst der pietistischen Lehre zu. Später kritisierte er unter anderem das "Gewohnheitschristentum" seiner Zeit und die Institution der Kirche in satirischen Schriften aufs Schärfste. 1884 muss er sich sogar mit der Veröffentlichung von Heiraten aufgrund einer Anklage wegen Gotteslästerung vor Gericht verantworten. Schließlich ist es seine schonungslose Gesellschaftskritik mit der Strindberg über Schweden hinaus bekannt wird.
In seinem Durchbruch, Das rote Zimmer 1897, kritisierte und karikierte er die etablierten Institutionen der Gesellschaft, mit Utopier i verkligheten (1884-85, Utopie und Wirklichkeit) redete er einem Anarchismus das Wort, der weder Sozialisten noch Konservativen gefiel. 1910 löste er mit dem Essay Pharaonenkult in der neu gegründeten "Afton-Tidningen" die sog. "Strindberg-Fehde" (Strindbergfejden) aus – eine hitzige Kulturdebatte, die im Schatten von Unionsauflösung, Großstreik und dem Hervortreten der Sozialdemokratie ein paar Jahre währte. Seine Kritik richtete sich anfangs gegen die Verherrlichung u.a. von Karl XII., dann besonders gegen Verner von Heidenstam, Oskar Levertin und Ellen Key. Aber auch das schwedische Militär, die Monarchie, der Asien-Forscher Sven Hedin und die Schwedische Akademie wurden in Artikeln angegriffen. Zum Teil waren die gegenseitigen Beschuldigungen ungerechtfertigt und hasserfüllt. Strindberg debattierte zum Teil mit zweifelhaften, religiös durchdrungenen Argumenten. Auch war seine Kritik nicht zuletzt beeinflusst von der stetigen Suche nach Anerkennung und dem Drang nach Selbstinszenierung, die oft herb enttäuscht wurden. Er sah sich oft übergangen und abgewertet. Besonders kränkte ihn die Tatsache, dass ihm nicht der Nobelpreis verliehen wurde. Trotzdem fand Strindberg zahlreiche Befürworter und Anhänger, insbesondere in der Arbeiterbewegung und bei den jungen Sozialdemokraten. Zumal sich die anfangs literarische Debatte in den 80er und 90er Jahren, als eine große Zahl Kritiker, Schriftsteller und Reichstagsmitglieder sich an ihr beteiligten, nach und nach zu einem Teil der Debatte über Wahlrecht, Landesverteidigung und Demokratie entwickelte, ein Stück des Vorspiels zum Bauernzug 1914. Die Essays aus dieser Zeit wurden in mehreren Sammelbänden veröffentlicht:
- Tal till svenska nationen (1910, Reden an die schwedische Nation)
- Folkstaten (1910, Der Volksstaat)
- Religiös renässans (1910, Religiöse Renaissance)
- Czarens kurir (1912, Der Kurier des Zaren)
Der Streit kann auch in Harry Järvs Zusammenstellung Strindbergsfejden und in Björn Meidals Från profet till folktribun nachgelesen werden.
Wissenschaftliche Studien
In den 80er und 90er Jahren widmet sich Strindberg außerdem vermehrt den Wissenschaften, speziell Evolutionstheorie, Soziologie, Psychiatrie und Chemie interessieren ihn. Unter anderem lehnte er das neuentdeckte Periodensystem und die Idee der Elemente ab und versuchte zu beweisen, daß man die verschiedenen Elemente ineinander "transmutieren" konnte. Er führte seine Experimente in der eigenen Wohnung oder in Hotelzimmern ohne Schutzkleidung aus und versuchte u.a. Gold herzustellen. Durch Zufall gelang es ihm, Katzengold aus Eisen und Schwefel zu produzieren, und meinte, echtes Gold vor sich zu haben. Strindberg setzte sich selbst verschiedenen Chemikalien aus, was 1895 zu einer Hautkrankheit führte, die mit einem Krankenhausbesuch endete. Seine Spekulationen wurden vom Verband der Chemiker geschlossen abgelehnt, u.a. The Svedberg: "Was davon richtig ist, ist nicht neu, und das was neu ist, ist nicht richtig."
Mystik und Okkultismus
Eine neue Wende tritt mit den Erfahrungen der "Inferno-Krise" ein. Strindberg begreift sein Dasein als den Weg eines irrenden Menschen, wie er es in Nach Damaskus schildert. Der alternde Strindberg wendet sich mehr und mehr der Religion zu. Als Anhänger des Symbolismus sucht er nach möglichen Deutungen für die Dinge und findet sie zum Teil in mystischen Erklärungen der Welt. Er beschäftigt sich mit Okkultismus und Monismus. Die Texte von Swedenborg beeinflussen ihn ebenso wie die Theosophie von Helena Blavatsky. Am Ende seines Lebens war er Synkretist und identifizierte sich mit einer Art Weltseele, mit der er durch das Unterbewusstsein in Verbindung zu stehen meinte. Diese existentiellen Spekulationen machen sich in seiner späteren Produktion bemerkbar (siehe z.B. im Traumspiel). Bei seinem Tod 1912 hatte Strindberg in seiner Bibliothek eine große Menge theosophischer Literatur, u.a. Annie Besant, A. P. Sinnett, zusammen mit Büchern über Mythologie und Religionsgeschichte. Strindbergs Interesse für Alchemie und Okkultismus waren zu seiner Zeit keineswegs eine Seltenheit. Im Gegenteil - gerade in Paris gab es eine blühende Bewegung, zahlreiche Schriften wurden veröffentlicht, u.a. in der Zeitschrift "L'Initiation", für die auch Strindberg einige Artikel schrieb.
Repräsentant seiner Zeit
Strindberg wurde ein "radikaler Reaktionär" genannt. Zeit seines Lebens behielt er seinen vom Volk ausgehenden und gesellschaftskritischen Standpunkt bei. Die zahlreichen Wandlungen, die Strindbergs Denken und Werk kennzeichnen, müssen natürlich vor dem Hintergrund seines exzentrischen Charakters und pathologischen Persönlichkeitszügen gesehen werden. Dennoch sind sie vor allen Dingen Ausdruck seines Zeitalters, dem er mit Widerspruchsgeist und sensibler Beobachtungsgabe gegenübertrat. Peter Schütze in diesem Zusammenhang:
- August Strindberg war ein unersättlicher Verwerter von Eindrücken, künstlerischen, politischen und ideologischen Tendenzen. [...] Dennoch war er kein Chamäleon des Zeitgeistes; seine sprunghaften, widersprüchlichen Metamorphosen heben die außerordentliche Stärke und Unverwechselbarkeit nicht auf [...] Sein Umgang mit den Lehren und Moden seines Zeitalters war höchst störrisch und diktatorisch; er selbst konnte daher, allen seelischen Schwankungen zum Trotz, eine zeitbestimmende Figur werden. Auch seine psychischen Defekte sind nicht nur individuelle Leiden, in ihnen wird Zeit-Charakter durchsichtig [...] [Sie] machen Strindberg ebenfalls zu einem typischen Repräsentanten seiner Epoche, zur 'personifizierten Summe aller Zeiterscheinungen', wie Ludwig Marcuse ihn einmal genannt hat.
Strindbergs Verhältnis zu Frauen
Der Feminismus der Zeit zieht sich durch Strindbergs Texte. Er polemisierte gegen allzu radikale Gleichheitsideen, z.B. war er sehr kritisch gegenüber Ibsens Ett dockhem (Nora oder ein Puppenheim). Strindbergs Verhältnis zu Frauen wird im Allgemeinen als kompliziert eingeschätzt, wovon schon seine drei gescheiterten Ehen Zeugnis geben. Er wurde oft als Frauenfeind dargestellt. Anlass dazu gab er unter anderem in Heiraten, worin die Kritik an der Familie als Gesellschaftsinstitution in ausgesprochene Frauenverachtung übergeht. In den letzten Jahren hat man dieses Bild von Strindberg mehr und mehr revidiert bzw. korrigiert. Eivor Martinus beispielsweise beschäftigt sich in ihrem Buch Strindberg and Love (2001) mit einer Unzahl von Briefen zwischen Strindberg und den Frauen seines Lebens. Am Ende schreibt Martinus, Strindberg könne unmöglich Frauen gehasst haben, selbst wenn er oft mit ihnen im Konflikt stand.
Strindbergs Verhältnis zu Frauen kann in erster Linie als ambivalent, nicht als absolut negativ, beschrieben werden und ist im Sinne seiner grundsätzlichen Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Geschlechtern zu verstehen. Thomas Mann äußerte sich dazu wie folgt:
- Wie stark sich in seinen verzweifelten Kampf gegen diese [bürgerliche Gesellschaft], in der er doch immer nach 'Erfolgen' strebt, ein Elementares und Dämonisches mischt, dafür ist das stärkste Beispiel sein Verhältnis zum Weibe, worin die Polemik gegen moderne Emanzipationsideen die geringste Rolle spielt und eine desto größere der ewige mythische Todhaß der Geschlechter. Es gibt in keiner Literatur eine teuflischere Komödie als seine Eheerfahrungen, als seine Verfallenheit an das Weib und sein Grauen vor ihm, seine heilig monogame Verehrung und Verklärung der Ehe und sein völliges Unvermögen, es darin auszuhalten. (August Strindberg. 1948)
Im Weib sah er Satan und Gott - und was er um diese Pole geschehen ließ, wies immer wieder zurück auf seine skeptische Grundhaltung und sein Sehnen nach Vollendung, schreibt Verner Arpe in Knaurs Schauspielführer im gleichen Sinne.
Werk
Während Strindbergs Frühwerk dem Naturalismus zuzuordnen ist, gehören seine späteren Werke dem Expressionismus an. In der Sekundärliteratur wird sein literarisches Schaffen entsprechend in eine naturalistische und eine expressionistische Phase unterteilt.
Naturalistische Phase
In frühen Werken kombinierte Strindberg Sozialismus und Realismus: Treffsichere und oft anachronistische Schilderungen stützen die schonungslose Kritik an Staat, Kirche, Schule, Presse, Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Institutionen. Die Perspektive ist oft die des Arbeiters oder des „unverdorbenen“ Jungen. In dem Gedicht Esplanadsystemet feierte er die schonungslose Auseinandersetzung der neuen Zeit mit folgendem Ideal: „Hier wird zerrissen, um Luft und Licht zu kriegen.“ Mit dem satirischen Sittenroman Das rote Zimmer gelingt es Strindberg, erstmals das Aufsehen einer weiten Öffentlichkeit zu erregen. Mit "grimmigem, illusionslosem Sarkasmus" kritisiert er die gesellschaftlichen Umstände seiner Zeit, in der "des Jahrhunderts größte Entdeckung gemacht worden war, daß es nämlich billiger und angenehmer ist, vom Geld der anderen zu leben als von der eigenen Arbeit". Wenn auch Strindbergs Kritiker gespalten waren, 7500 Exemplare des Romans wurden innerhalb von 6 Monaten verkauft, der Autor avanciert zum Wortführer der radikalen jungen Literaten und wird als Wegbereiter des Zola-Naturalismus in Schweden gefeiert. Strindberg, der Émile Zola bis dahin nie gelesen hatte, wird dadurch erst auf das Werk des Naturalismus-Begründers aufmerksam. Auch mit seinen darauf folgenden Werken handelte sich Strindberg heftige Kritik ein, insbesondere mit Das schwedische Volk, eine Art populärwissenschaftliches Sachbuch, und der satirischen Schrift Das neue Reich, mit der er die Konservativen offen angreift.
Inspiriert von Nietzsche und Rousseau veranschaulichte Strindberg naturalistische und evolutionstheoretische Ideen, z.B. in der Novelle Odlad frukt (Gedüngte Frucht) und im Roman Hemsöborna (1887, Die Leute auf Hemsö): Erbe und Umwelt treiben die Charaktere durch die Handlung zu ihrem "natürlichen" Schicksal.
Die bedeutensten Dramen der naturalistischen Phase sind zweifelsohne Der Vater und der Einakter Fräulein Julie. Weiterhin schrieb Strindberg in dieser Zeit teils autobiografische Romane, mit denen er die Literatur von der Kunst zu emanzipieren versuchte. Insbesondere ist hier Tjänstekvinnans son. En själs utvecklingshistoria (Der Sohn einer Magd. Entwicklung einer Seele, 4 Bde. 1886-1909) zu nennen.
Expressionistische Phase
Nach den psychischen Krisen in den 1890er Jahren (vgl. Inferno-Krise) wechselte Strindberg den Fuß: Mit religiösen Ideen inspiriert von Emanuel Swedenborg und Sören Kierkegaard löste Strindberg den früheren Realismus auf um dem mehr Expressionistischen Platz zu machen. Er entwickelte sich vom Naturalisten zum Mystiker, vom Zweifler zum Gläubigen, und um die Jahrhundertwende erklärte er sich als ein Schüler Maurice Maeterlincks, des Symbolisten.
Sein erstes Werk nach Inferno ist die Bekenntnis-Trilogie Nach Damaskus, worin sich der innere Streit um Schuld, Leiden und Versöhnung findet, den er während der letzten Jahre führte.
Strindberg nahm seine frühere Rolle als Gesellschaftskritiker in den Jahren nach 1900 wieder auf mit Romanen wie Schwarze Fahnen und Die gotischen Zimmer. Sowohl Diskussionsgegner, Kollegen und Freunde wurden einer schonungslosen Satire ausgesetzt.
Bedeutung und Wirkung
Strindberg schrieb mehr als 60 Dramen, zehn Romane, zehn Novellensammlungen und mindestens 8000 Briefe. Das macht ihn ohne Zweifel zu einem der produktivsten Autoren Schwedens. Strindberg umfasste alle großen Ideenströmungen, die es zum Ende des 19. Jahrhunderts gab. Er erneuerte die schwedische Prosa, indem er die deklamatorische und rhetorische Sprache der älteren Prosa durch Umgangssprache und scharfe Beobachtungen direkt aus dem Alltag ersetzte. Außerdem hatte Strindberg für seine Zeit möglicherweise höchste Bedeutung als Dramatiker: Er war inspiriert von Shakespeare und dessen schnellen Szenenwechseln. Strindberg revolutionierte das Drama aber auch, indem er die Schauspieler eine natürliche Umgangssprache verwenden ließ. Die Handlung in seinen Stücken bewegt sich typischerweise in einer historischen Umgebung und veranschaulicht Klassenkampf und psychologischen Stellungskrieg. Strindberg gilt als einer der Wegbereiter des modernen europäischen Theaters des 20. Jahrhunderts, vor allem mit seinen Dramen Fräulein Julie und der Trilogie Nach Damaskus. Damit ist er im gleichen Atemzug mit dem norwegischen Schriftsteller Henrik Ibsen und dem Russen Anton Tschechow zu nennen. Im deutschsprachigen Raum nahm er insbesondere aufgrund seiner sozialkritischen Themen und der Erfindung des Stationendramas Einfluss auf die Literatur.
Mehr noch als den Naturalismus beeinflusste Strindberg den Expressionismus durch seine späteren Werke. Strindberg prägte das Werk der Expressionisten Georg Kaiser, Ernst Barlach, Robert Müller und Reinhard Goering sowie auch das Schaffen von Sean O’Casey, Eugene O’Neill, Luigi Pirandello und Pär Lagerkvist.
Literatur
- Peter Schütze: August Strindberg. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. 3. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 2002
- Klaus von See (Hrsg.): Die Strindberg-Fehde. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 1987
Weblinks
- August Strindberg Linksammlung auf dem Hamburger Bildungsserver
- August Johan Strindberg Biographie und Werktexte bei Zeno.org
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