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Provokante Überlegungen zur Einführung eines Faches Weltliteratur.
Provokante Überlegungen zur Einführung eines Faches Weltliteratur.


von Gerhard Weil, Mitglied im Vorstand des Landesausschusses für multikulturelle Angelegenheiten ( LAMA)der GEW-Berlin  
von Gerhard Weil, Mitglied im Vorstand des Landesausschusses für multikulturelle Angelegenheiten ( LAMA) der GEW-Berlin  


Abitur bestanden – aber im Unterricht nie ein Werk von Machfuss, Hikmet, Andric, Gordimer oder Camus gelesen! Angeblich leben wir in einer vernetzten Welt: Die Gesetze sind europäisch, die Wirtschaft versucht sich global zu orientieren, Kommunikation und Kultur sind schon lange international aus gerichtet. Selbst die Bildung wird über die OECD und PISA weltweit bewertet. Nur der Deutschunterricht folgt trotz kleinerer Modifikationen noch den Prinzipien aus der Nachkriegszeit!  
Abitur bestanden – aber im Unterricht nie ein Werk von Machfuss, Hikmet, Andric, Gordimer oder Camus gelesen! Angeblich leben wir in einer vernetzten Welt: Die Gesetze sind europäisch, die Wirtschaft versucht sich global zu orientieren, Kommunikation und Kultur sind schon lange international aus gerichtet. Selbst die Bildung wird über die OECD und PISA weltweit bewertet. Nur der Deutschunterricht folgt trotz kleinerer Modifikationen noch den Prinzipien aus der Nachkriegszeit!  

Aktuelle Version vom 1. Mai 2007, 18:03 Uhr

Schafft den Deutschunterricht ab!

Provokante Überlegungen zur Einführung eines Faches Weltliteratur.

von Gerhard Weil, Mitglied im Vorstand des Landesausschusses für multikulturelle Angelegenheiten ( LAMA) der GEW-Berlin

Abitur bestanden – aber im Unterricht nie ein Werk von Machfuss, Hikmet, Andric, Gordimer oder Camus gelesen! Angeblich leben wir in einer vernetzten Welt: Die Gesetze sind europäisch, die Wirtschaft versucht sich global zu orientieren, Kommunikation und Kultur sind schon lange international aus gerichtet. Selbst die Bildung wird über die OECD und PISA weltweit bewertet. Nur der Deutschunterricht folgt trotz kleinerer Modifikationen noch den Prinzipien aus der Nachkriegszeit!

Nachkriegszeit? Ja, nach dem deutschfranzösischen Krieg 1871 und der Gründung des Kaiserreiches kam dem Deutschunterricht die nationale Aufgabe zu, die Jugend aus allen deutschen Ländern und Mundarten einheitlich mit einem verbindlichen deutschen Literaturkanon zu erziehen. Deutsche Literaturgeschichte hatte deshalb ebenso ihre erzieherische Funktion wie der Sedantag.

Sicher, heutzutage werden in der Oberschule auch Brecht, Böll, Grass, Frisch und vielleicht sogar Jellinek gelesen, die erst kürzlich den Literaturnobelpreis erhielt. Aber wie steht es mit türkischen Autoren, sagen wir Nazim Hikmet, Fakir Baykurt oder dem neuen Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk? Im Deutschunterricht?

Es liegen da doch „nur“ Übersetzungen der Originale vor, und beim Abitur kann in der Regel die Beschäftigung mit nichtdeutschen AutorInnen nicht prüfungsrelevant behandelt werden. So bleibt es bei der Beschäftigung mit Werken deutschsprachiger Herkunft und die „Internationalität“ bleibt auf die österreichischen und schweizer Autorinnen beschränkt. Die im Berliner Schulgesetz geforderten interkulturellen Erziehungsaspekte haben hier kaum Chancen.

Zwar werden im Fremdsprachenunterricht Shakespeare im englischen Original und Saint Exupery in Französisch gelesen, aber das kann eine Beschäftigung mit der Weltliteratur keineswegs ersetzen. Schon gar nicht in einem multikulturellem Land, in dem hunderttausende SchülerInnen mit Migrationshintergrund ihre Herkunftskultur und -sprache überwiegend ausgeblendet erleben.

Ende des klassischen Deutschunterrichts

Wenn man davon ausgehen kann, dass am Ende der Klasse 9 in allen Schularten das Ringen mit der deutschen Sprache einen gewissen Abschluss gefunden haben sollte, alle Diktate und Aufsätze geschrieben sind, sollte auch der klassische Deutschunterricht enden. Bei SchülerInnen mit besonderen Sprachdefiziten könnte eine Förderschiene beibehalten werden. Ansonsten kann das Fach Weltliteratur ab Klasse 10 das Fach Deutsch ersetzen. Gegen kreative Spracharbeit, Sprachbetrachtung usw. spricht natürlich nichts, nur sollte das alles vor dem Hintergrund einer interkulturellen Horizonterweiterung und mit relevanten literarischen Beispielen aus Europa und aller Welt vollzogen werden. Eine Revolution für Gymnasien und Gesamtschulen? Nein, eigentlich nur die seit Jahrzehnten notwendige Anpassung der Schulrealität an die multikulturelle Lebenswirklichkeit.