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Aktuelle Version vom 31. Dezember 2007, 19:19 Uhr
André Malraux (* 3. November 1901 in Paris; † 23. November 1976 in Créteil) war ein französischer Schriftsteller, Abenteurer und Politiker.
Biographie
Familiärer Hintergrund
Malraux wurde am 3. November 1901 in Paris geboren. Er hat eine Schwester. Von Kindheit an litt er am Tourette-Syndrom. Sein Vater Fernand, ein Bankangestellter, verließ seine Frau Berthe, eine geborene Lamy, und die Familie 1905. Fernand Malraux heiratete erneut und hatte aus dieser Ehe zwei Söhne, Roland (* 1912) und Claude (* 1922). 1930 wählte er den Freitod. Die Weltwirtschaftskrise 1929 hatte ihm herbe Verluste gebracht. Roland und Claude engagierten sich ab 1942 intensiv in der Résistance, sie wurden im März 1944 von den Deutschen verhaftet.
André Malraux heiratete 1921 seine erste Frau Clara Goldschmidt, eine Jüdin aus Magdeburg. Malraux führte stets einen sehr mondänen und aufwändigen Lebensstil. Finanzielle Rückschläge, wie der Verlust des Vermögens seiner Frau an der Börse 1923, konnten ihn nicht davon abbringen. Freunde, vor allem später sein Verleger Gallimard, halfen ihm immer wieder aus finanziellen Schwierigkeiten. Bei seinem Tod hinterließ Malraux Schulden in Millionenhöhe. Von seiner ersten Frau Clara, mit der er die Tochter Florence (* 1933) hatte, trennte er sich 1938 und lebte fortan mit Josette Clotis zusammen. Mit ihr hatte er zwei Söhne, Pierre-Gauthier (* 1940) und Vincent (* 1943; offiziell vaterlos). Da Malraux bei der Geburt von Pierre-Gauthier immer noch mit Clara verheiratet war, wurde offiziell sein Halbbruder Roland als Vater eingetragen.
Josette verunglückte 1944 bei einem Zugunfall tödlich. Ab 1945 lebte Malraux mit Madeleine, der Witwe seines Halbbruders Roland, und deren Sohn Alain zusammen. Die Scheidung von Clara wurde erst 1946 ausgesprochen. 1948 heiratete er Madeleine. Seine beiden Söhne Pierre-Gauthier und Vincent kamen 1961 bei einem Autounfall ums Leben. 1966 trennte er sich von Madeleine. Ab 1967 lebte er mit Louise de Vilmorin, nach deren Tod 1969 mit ihrer Nichte Sophie de Vilmorin zusammen.
Der junge Malraux
Nach der Grundschule wollte Malraux das renommierte Lycée Condorcet besuchen, wurde 1918 jedoch nicht aufgenommen. Er begann als Buchverkäufer zu arbeiten, u.a. für René-Louis Doyon, der ihm den Kontakt zu Schriftstellern wie Max Jacob, Paul Morand, Jean Cocteau oder Raymond Radiguet vermittelte. Er begann sich auch intensiv mit moderner Kunst zu befassen, arbeitete u. a. für den renommierten Kunsthändler Daniel-Henry Kahnweiler. Ab 1920 publizierte er mehrere Artikel über moderne Literatur und Kunst. Um sich finanziell zu sanieren, begab Malraux sich 1923 nach Angkor (Kambodscha), wo er sieben Basreliefs aus dem Tempel Banteay Srei stahl. Er wurde verhaftet und 1924 in Phnom Penh zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Seiner Frau Clara gelang es mit Hilfe Marcel Arlands, bekannte Schriftsteller wie Gide, Mauriac, André Breton, Aragon und Max Jacob zu Gunsten von Malraux zu mobilisieren. Dies führte dazu, dass die Strafe reduziert und auf Bewährung ausgesetzt wurde. Nach kurzem Aufenthalt in Frankreich verbrachten die Malraux 1925 die meiste Zeit in Saigon (Ho-Chi-Minh-Stadt, Vietnam). Dort engagierte sich Malraux journalistisch gegen das französische Kolonialregime. Außer einem Kurzbesuch in Hongkong und Macao zwecks Einkäufen besuchte Malraux China nicht. Dass Malraux damals Kontakt mit den chinesischen Revolutionären, insbesondere Kommunisten hatte, ist nur ein – auch von Malraux sorgsam gepflegter – Mythos.
Der Schriftsteller
Zurück in Frankreich begann er 1926 mit seinen ersten schriftstellerischen Essais und Romanen, die ihm auch weitere Freundschaften mit prominenten Schriftstellern wie Gide und Drieu La Rochelle einbrachten. Malraux war beeinflusst von Dostojewski, Friedrich Nietzsche, Oswald Spengler und André Gide. Zwischen 1928 und 1937 veröffentlichte er seine vier großen Romane: beim Verlag Grasset 1928 Les conquérants und 1930 La voie royale, bei Gallimard, dessen Lektoratskomitee er 1928 beitrat, 1933 La condition humaine und 1937 L’espoir. Alle vier Romane haben einen abenteuerlich-exotischen Hintergrund:
- Les conquérants handelt von den Aufständen in Guangzhou (Canton) in Südchina.
- La voie royale liegt Malraux’ Erfahrung in Kambodscha zugrunde
- La condition humaine spielt auf dem Hintergrund der revolutionären Aufstände im Raum Shanghai
- L’espoir basiert auf Malraux’ Erfahrungen im Spanischen Bürgerkrieg.
Diese Romane begründeten Malraux’ Ruf als Frühexistentialist. Insbesondere in La voie royale, Malraux’ Roman, der am meisten philosophischen Tiefgang aufweist, nahm er schon einige von Sartres Thesen vorweg. Sartre bezeichnete Malraux einmal als seinen Johannes den Täufer. Die Helden von Malraux’ Romanen sind Beispiele der Würde menschlicher Existenz und Beweis der Freiheit des Menschen. Malraux schildert den Menschen als einen, der von Gefühlen der Angst und des Ekels wie auch der Hoffnung geprägt ist. Die Hoffnung verbindet die Menschen zu gemeinsamen Aktionen. Und die Angst, die der ständige Begleiter des Menschen ist, treibt ihn zum Handeln an. Das wichtigste für den Menschen ist die Verantwortung, die er sich selbst gegenüber – und nicht vor einer Sache – hat. Der Mensch wählt sich, denn das Leben hat keinen Endzweck. Doch er scheitert letztlich, denn nicht der Mensch macht etwas aus seinem Leben, sondern das Leben macht etwas aus ihm. Erotik, Spiel, Terror, Abenteuer und revolutionäre Aktionen sind nur Ersatzlösungen, mittels deren der Mensch versucht, aus seinen tragischen Daseinsstrukturen, aus seiner condition humaine herauszukommen. Was den Menschen auszeichnet, ist das Bewusstsein seines Todes, des unwiderlegbaren Beweises der Absurdität des Daseins. Schon vor Camus hat Malraux die Absurdität des Lebens postuliert. Es ist jedoch genau diese Absurdität des Lebens, die den menschlichen Handlungen erst Sinn verleiht und dem Individuum zu wahrem Leben verhilft.
Schlimm ist nicht der Tod, sondern der Verfall, die Unterwerfung unter die bürgerliche Ordnung. Ein sinnvoller Tod ist besser als ein sinnloses Leben. Die Tragik des Todes besteht allein dar, dass er das Leben des Menschen zum Schicksal werden lässt. Wie Sartre sieht auch der frühe Malraux einen Widerspruch zwischen Moral und Politik. Es gibt keine gerechte Partei. Doch ohne Moral geht es in der Politik auch nicht, denn Politik wird immer an Moral gemessen. Nur um moralischer Ziele willen ist der Mensch bereit, für eine Sache in den Tod zu gehen. Der Tod ist immer ein Sieg der Sinnlosigkeit, doch was zählt, ist dass der Mensch nie nachgegeben hat und nie unterlegen ist. Nur der Sieg zählt, nicht das Leben. Selbstmord wäre jedoch kein Ausweg, denn er ist nur Selbsttäuschung.
Der politische Revolutionär und Widerstandskämpfer
Früh durch seine Frau Clara sensibilisiert, begann Malraux sich aktiv gegen den Faschismus einzusetzen und engagierte sich deshalb bei den Kommunisten. 1933 trat er als Redner an der ersten Versammlung der von André Gide präsidierten Association des Ecrivains et Artistes Révolutionnaires auf. Er traf Leo Trotzki, wandte sich dann jedoch den Stalinisten zu. 1934 begab er sich mit Gide nach Berlin, um die Freilassung der Kommunistenführer Georgi Dimitrow und Ernst Thälmann zu erreichen. Im Sommer 1934 war er in Moskau zu Besuch und nahm dort am ersten Sowjetischen Schriftstellerkongress teil, auf dem der Sozialistische Realismus zum Leitprinzip erhoben wurde. Er traf damals u.a. Stalin. 1935 organisierte er zusammen mit Gide den Congrès international des écrivains pour la défense de la culture.
Nachdem er zuvor nochmals in der Sowjetunion gewesen war, engagierte er sich ab Sommer 1936 aktiv im Spanischen Bürgerkrieg für die republikanische Seite. Gleich nach Kriegsbeginn im Juli 1936 organisierte er den Aufbau der Flugzeugstaffel España, deren Kommando er auch innehatte, obwohl er selbst nicht fliegen konnte. Nach deren Integration in die offiziellen republikanischen Einheiten im November 1936 ging er 1937 in die USA, um Geldmittel für die republikanische Seite zu akquirieren. Damit hörte sein direktes Engagement im Spanischen Bürgerkrieg auf, den er in seinem Roman L’Espoir und im Film Sierra de Teruel (1938/39) nochmals aufleben ließ.
Der Deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt 1939 führt zum Bruch mit den Kommunisten. Malraux war in den Jahren 1933 bis 1939 zwar ein Weggenosse der Kommunisten, jedoch kein skrupelloser Berufsrevolutionär, der die revolutionäre Bewegung mehr als die Menschen liebt. Malraux war immer mehr der Abenteurer, der sich kaum in eine soziale Existenz einzufügen konnte und mittels seines Engagements vor allem seinen eigenen Leben Sinn geben wollte. Selbstverwirklichung war für Malraux wichtiger als der Dienst im Klassenkampf. Malraux zeigte großen Abscheu vor Disziplin und Zwang zu Gehorsam, wie es Kaderparteien wie den Kommunisten eigen ist. Ihn interessierte nur deren Energie und die Aktionsbereitschaft.
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wollte sich Malraux, der nur dem Hilfsdienst zugeteilt war, bei den Panzertruppen melden, wurde jedoch nicht angenommen. Ab April 1940 leistete er als Soldat Dienst in der motorisierten Kavallerie und im Juni 1940 wurde er von den Deutschen gefangen genommen. Im November 1940 gelang ihm dank seines Halbbruders Roland die Flucht.
Bis März 1944 weilte er meist in fürstlichen südfranzösischen Villen. Viele, u.a. Emmanuel d’Astier de la Vigerie, Claude Bourdet, Stéphane, Sartre, Kaan, versuchten ihn zur Teilnahme an der Résistance zu überreden. Malraux lehnte ab, da er nur von den Sowjets und den Engländern die Befreiung erwartete.
Erst im März 1944, drei Monate vor der Invasion in der Normandie, versuchte Malraux, sich unter dem Namen Oberst Berger der Résistance im Corrèze anzuschließen. Im Juli von der Deutschen verhaftet, erreichte er erst mit der Befreiung Frankreichs im August 1944 wieder seine eigene Freiheit. Um seine Arbeit in der Résistance wie die Umstände seiner Gefangennahme und seiner Befreiung ranken sich Zweifel. Von einem führenden Widerstandskämpfer kann bis August 1944 jedenfalls keine Rede sein. Im September 1944 übernahm er das Kommando der Alsace-Lorraine Brigade, die als offiziell französische Einheit am Kampf in den Vogesen und im Elsass beteiligt war. Auch hier herrscht Uneinigkeit über Malraux’ echte Funktion und Bedeutung.
Gaullistischer Politiker und Kunstpublizist
Im Herbst 1944 schloss Malraux sich als Links-Gaullist de Gaulles Bewegung an. Im August 1945 traf er erstmals de Gaulle. Beide bezeugten einander von da an großen Respekt und Bewunderung. Von November 1945 bis Januar 1946 war er de Gaulles Informationsminister mit Raymond Aron als seinem Kabinettsdirektor. Als de Gaulle 1947 das Rassemblement du Peuple Français als seine Partei gründete, wurde Malraux Leiter des Pressedienstes (bis 1953). In den Jahren 1947 bis 1958, in denen de Gaulle politisch in der Wüste war, kehrte Malraux zu seiner großen alten Leidenschaft, der Kunst, zurück. Malraux schrieb Bücher über die Kunst: La Psychologie de l’art (1947-79) und Musée imaginaire (1953-55).
Nachdem er sich noch im Frühjahr 1958 mit Mauriac und Sartre gegen die Folter in Algerien gewendet hatte, veränderte die Rückkehr de Gaulles in die Politik im Sommer 1958 Malraux’ Leben radikal. Im Juni 1958 wurde er zum Informationsminister ernannt, im Januar 1959 zum Staatsminister für kulturelle Angelegenheiten, ein Amt, welches er bis zum Rücktritt de Gaulles 1969 behielt. Als Staatsminister bereiste Malraux die Welt und wurde von prominenten Staatsmännern er empfangen, von John F. Kennedy über Nehru bis Mao. Er förderte die moderne Kunst (Ausstellung über Picasso; Chagall durfte die Decke der Opéra, Masson jene des Odéon malen), auch umstrittene Schriftsteller wie Genet. Er gilt als Vater der Maisons de la culture (erstes 1964 in Bourges), die zum Ziel hatten, das Volk vermehrt mit der Kunst in Kontakt zu bringen. Malraux tat auch sehr viel für die Bewahrung alter Kulturobjekte und für die Wiederauferstehung von Paris als "Stadt des Lichtes". Als Kulturminister sorgte er für die Säuberung der Fassaden - der tiefste Eingriff ins Stadtbild seit der Hausmannisation Mitte des 19.Jahrhunderts. Seine Gefolgschaft de Gaulles brachte ihm jedoch auch die Feindschaft vieler ein, insbesondere jene Sartres. Malraux und Sartre waren die beiden Antipoden unter den führenden Intellektuellen Anfang der 60er Jahre. Malraux’ Tochter Florence unterschrieb 1960 im Zusammenhang mit dem Algerienkrieg den Aufruf zur Kriegsdienstverweigerung (Manifest der 121), was zum Bruch zwischen Vater und Tochter führte (bis 1968). Malraux sah im Mai ’68 nur eine lyrische Illusion, setzte sich 1969 aber trotzdem mit Sartre und Mauriac für Régis Debray ein, der als Revolutionär in Bolivien gefangen war. Gegen und nach Ende seiner politischen Karriere widmete Malraux sich seiner Autobiographie und setzte seine Werke über die Kunst fort. Von Alkoholismus und Medikamentenmissbrauch schwer gezeichnet, erkrankte er mehrfach schwer. Malraux verstarb am 23. November 1976. Zwanzig Jahre später wurde seine Asche - auf Veranlassung von Jacques Chirac, dem damaligen französischen Staatspräsidenten - in das Panthéon überführt. Im Vorgriff auf das einundzwanzigste Jahrhunderte schreibt er in der Condition humaine: Le vingt-et-unieme siecle sera religieux ou ne sera pas.
Werke
Literatur
Weblinks
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