Blumen des Bösen: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 16. März 2008, 12:56 Uhr
Les Fleurs du Mal (traditioneller deutscher Titel: Die Blumen des Bösen) ist ein Gedichtband Charles Baudelaires, der von 1857 bis 1868 in drei Fassungen wachsenden Umfangs und unterschiedlicher Anordnung herausgegeben worden ist. Die Erstausgabe führte zu einem Prozess, bei dem Baudelaire wegen Verletzung der öffentlichen Moral verurteilt und die weitere Veröffentlichung von sechs als anstößig bezeichneten Gedichten verboten wurden.
Das dichterische Hauptwerk Baudelaires handelt vom Großstadtmenschen und dessen Ennui, einer mit Widerwillen, Unlust und Verdruss verbundenen Entfremdung gegenüber dem Dasein. Es beeinflusste unmittelbar das Schaffen Arthur Rimbauds, Paul Verlaines und Stéphane Mallarmés und gilt in der Literaturgeschichte als Ausgangspunkt der modernen europäischen Lyrik.
Werk
Die äußerst ausgefeilten, oft kurzen Gedichte sind in fünf (1857) beziehungsweise in sechs (1861/68) quasi metaphorisch betitelten Abteilungen (Spleen et Idéal, Tableaux parisiens, Le Vin, Fleurs du Mal, Révolte, La Mort) angeordnet und bilden derart statt einer bloßen Anthologie ein durchkomponiertes Ganzes. Die Grundstimmung dieser Stücke ist wie oft in solchen der unmittelbar vorangegangenen Romantik Überdruss, Mutlosigkeit, Melancholie – der Weltschmerz; die Welt, bei Baudelaire ganz im Sinne des aufkommenden Realismus die Großstadt, ist aber anders als in der romantischen Literatur überwiegend hässlich und morbide, der Mensch erscheint hin- und hergerissen zwischen den christlich-platonisch aufgefassten Grundtendenzen Idéal und Spleen, zwischen den Mächten des Hellen und Guten und denen des Dunklen und sogar Satanischen. Dem bei Baudelaire ebenfalls zentralen und eng verwandten Begriff des großstädtischen Ennuis gleich hat Spleen den Charakter einer Sünde, nämlich einer der Verdrossenheit und der Faszination am Ekelhaften und Bösen; im Gegensatz dazu steht als Tugend das Ideal und die Sehnsucht nach diesem.
Entstehung
Die Datierung der einzelnen Gedichte ist umstritten oder unmöglich. Aufgrund der Zeugnisse von Bekannten und Freunden Baudelaires wird angenommen, dass die meisten Texte in der ersten Ausgabe zwischen 1840 und 1850 entstanden sind. Fast die Hälfte der Erstausgabe war schon veröffentlicht worden, 1851 elf Stücke unter dem Titel Les Limbes (dt. Vorhölle, Zwischenwelt, Schwebezustand) und dann 1855 weitere 18 Stücke in der Revue des deux Mondes. Diese Publikation trug bereits den späteren Titel Les Fleurs du Mal, der allerdings von dem Kritiker Hippolyte Babou stammte. Baudelaire hatte ursprünglich neben Les Limbes (den dann das 1852 erschienene Werk eines anderen Schriftstellers trug) auch den Titel Les Lesbiennes (dt. Die Lesbierinnen) ins Auge gefasst, der bereits in einer nicht realisierten Publikationsankündigung von 1845 auftauchte.
Die Erstausgabe erschien in einer Auflage von rund 1.100 Exemplaren am 25. Juni 1857, bereits am 7. Juli begann die Staatsanwaltschaft mit der Strafverfolgung wegen Gotteslästerung und Beleidigung der öffentlichen Moral; letzteres war im Februar des gleichen Jahres auch Gustave Flaubert wegen seines Romans Madame Bovary zum Vorwurf gemacht worden. Am 20. August verurteilte das Gericht Baudelaire wegen des zweiten Anklagepunkts zu einer erheblichen Strafe von 300 Francs, eine Geldbuße erhielt zudem sein bevorzugter Verleger, Auguste Poulet-Malassis. Sechs inkriminierte Gedichte – Lesbos, Femmes damnées, Le Lèthe, À celle qui est trop gaie, Les Bijoux, Les Métamorphoses du vampire – mussten aus den Fleurs du Mal entfernt und durften nicht mehr veröffentlicht werden. Durch einen Bittbrief an Kaiserin Eugénie erreichte Baudelaire 1858 eine Reduktion der Strafe auf 50 Francs. Das Urteil wurde 1949 formal aufgehoben.[1]
Das Vorhaben einer zweiten Ausgabe entwickelte Baudelaire ab Ende 1857, da die urteilsbedingte Zensur die Komposition der Erstausgabe schwer beschädigt hatte und er ohnehin mit der Publikation noch nicht zufrieden gewesen war. Am 9. Februar 1861 erschien die zweite Fassung der Fleurs du Mal in 1.500 Exemplaren, ohne die sechs zensurierten, aber mit 32 weiteren, seit 1857 an anderer Stelle publizierten Gedichten und unter inhaltlicher Neuordnung. Baudelaire bezeichnete dieses Buch im Gegensatz zu anderen, von ihm im Nachhinein stark kritisierten eigenen Werken als „beinahe wohlgeraten“.
In Brüssel, wohin die französische Justiz keinen Zugriff und sich Poulet-Malassis vor weiteren Geld- und Haftstrafen geflüchtet hatten, bemühte sich Baudelaire um eine vollständige Neuausgabe der Fleurs du Mal als édition définitive, scheiterte aber damit. Wenigstens erschien 1866 in einer Liebhaberausgabe die Sammlung Les Épaves (dt. Strandgut) mit den sechs zensurierten Gedichten und 17 neuen. Das Frontispiz zeigte ein Bild Félicien Rops', das wahrscheinlich einen von Félix Bracquemond für die zweite Ausgabe geschaffenen, aber nicht verwendeten Entwurf zum Vorbild hatte. Auch diese Publikation wurde in Frankreich strafrechtlich verfolgt. Nach Baudelaires Tod gab Théodore de Banville aufgrund von – jedoch schwer interpretierbaren – Notizen des Dichters eine um weitere 25 Gedichte (darunter elf aus den Épaves und dreizehn anderweitig erschienen) ergänzte Neufassung heraus, die im Dezember 1868 als erster Band der Œuvres complètes erschien. 1869 kam in Brüssel ein Complément aux Fleurs du Mal de Charles Baudelaire heraus, das die weiterhin verbotenen und die nicht aufgenommenen Stücke der Épaves enthielt. Da die postumen Ergänzungen bzw. Einschübe in Baudelaires originale Anordnung mittlerweile als wenig oder gar als misslungen betrachtet werden, gilt für die Literaturkritik spätestens seit der maßgeblichen Neuedition der Œuvres complètes von 1975 die Fassung von 1861 mit einem Anhang der zensurierten und späteren Gedichte als Referenz.
Rezeption
Victor Hugo schrieb kurz nach Erscheinen der Erstausgabe, am 30. August 1857, Baudelaire einen begeisterten Brief: « Vos fleurs du mal rayonnent et éblouissent comme des étoiles. Continuez. Je crie bravo de toutes mes forces à votre vigoureux esprit. » („Ihre Blumen des Bösen strahlen und funkeln wie Sterne. Machen Sie weiter so. Ich rufe Ihrem energischen Geist mit aller Kraft ein Bravo zu.“) Es wurden positive Rezensionen geschrieben, etwa von Jules Amédée Barbey d'Aurevilly, doch kam auch Kritik auf wie im Figaro. Neben den strafrechtlich verfolgten Vorwürfen stand Baudelaire unter dem Verdacht sozialistischer Neigungen wegen des unverkennbar zeitkritischen Tonfalls seiner Gedichte und der politischen Positionierung seines Verlegers Poulet-Malassis. Insgesamt war die öffentliche Reaktion verhalten; dem tonangebenden Juste Milieu des Zweiten Kaiserreiches blieben Autor und Werk suspekt, ebenso linken Kreisen, die in den Gedichten jeden politischen Protest vermissten. Im Februar 1866 bezeichnete Baudelaire Les Fleurs du Mal, die nur einem kleinen Leserkreis bekannt waren, als „vergessenes Buch“.
Seine Wirkung entfaltete Les Fleurs du Mal erst in der eine Generation jüngeren symbolistischen und impressionistischen Dichtung Arthur Rimbauds, Paul Verlaines und Stéphane Mallarmés (die aber noch bis in die 1880er Jahre im Schatten Victor Hugos stehen). Die erste deutsche Teilübersetzung stellte wohl Stefan George 1891 in einer faksimilierten Handschrift von 25 Exemplaren her. Die Tragweite der Fleurs du Mal zeigte sich schließlich an der Wende zum 20. Jahrhundert, als ein Paradigmenwechsel in der Lyrik evident wurde: Der Lyriker erscheint von da typologisch an als am Rand der Gesellschaft stehender Poète maudit (dt. verfemter Dichter), welcher der Vulgarität der Welt leidenschaftliche Verachtung und Widerrede entgegenstellt und deren Erscheinungen (Anonymität der Massengesellschaft, Anti-Natur der Großstadt) thematisiert.
Einzelnachweise
- ↑ Walther Skaupy, Moral, Unmoral und Religionsdelikte in den Prozessen gegen die Dichter Gustave Flaubert und Charles Baudelaire in: der., Grosse Prozesse der Weltgeschichte,Emil Vollmer Verlag ISBN 3-88851-277-8, S. 99-136.
Literatur
- Jean Firges: Charles Baudelaire. Die Blumen des Bösen Interpretation. (Exemplarische Reihe Literatur und Philosophie. Band 8) Sonnenberg, Annweiler 2001
Weblinks
- Die Blumen des Bösen (Auswahl) Textauswahl bei Zeno.org
- Die Blumen des Bösen Volltext im Projekt Gutenberg