Gletscher auf Island

Aus Klimawandel
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Abb. 1: Temperaturveränderungen 1870-2010 an zwei Wetterstationen im Tiefland südlich des Vatnajökull

Klima

Obwohl Island nahe am Polarkreis liegt, besitzt es ein relativ mildes Klima. Dazu trägt nicht nur die Lage mitten im Nordatlantik bei, sondern auch der warme Irmingerstrom, eine Abzweigung des Golfstroms, der vor allem die Südostküste Islands begünstigt. Durch den ozeanischen Einfluss sind die jahreszeitlichen Temperaturschwankungen gering. Die Wintertemperaturen an der Südküste liegen im Mittel bei 0 °C, die Sommertemperaturen bei 11-14 °C und das Jahresmittel bei 5 °C.[1] Die wärmsten Sommertemperaturen können auch 20-25 °C erreichen.[2] Die Nordküste ist allerdings kälter, da sie unter dem Einfluss des kalten Ostgrönlandstroms steht, der manchmal Meereis bis an die Küsten treibt. Im zentralen Hochland sind die Temperaturen ebenfalls relativ gering, so dass sich Permafrost in Höhen über 550-600 m bildet.[3] Hier können im Winter auch -25 bis -35 °C erreicht werden.[2] Am Ende der Kleinen Eiszeit lagen die Temperaturen im Sommer an den Messstationen südlich des Vatnajökull bei 8,5 °C. Sie stiegen dann bis in die 1930er Jahre auf über 10 °C und fielen anschließend bis in 1970er Jahre auf nur wenig über 9 °C. Seit 1990 ist eine deutlich Erwärmung gemessen worden, so dass wieder ähnliche Werte erreicht wurden wie in den 1930er Jahren (Abb. 1).

Durch die Lage in der Westwindzone ist Island vom Südwesten her von zahlreichen Tiefdruckgebieten betroffen, deren Winde durch die Corioliskraft gegen den Urzeigersinn drehen und primär aus Osten und Südosten kommen. Dadurch fällt an der Süd- und Südostküste reichlich Regen und über den Gletschergebieten im Süden vor allem im Winter sehr viel Schnee.[4] Die mittleren Jahresniederschläge Islands betragen rund 1700 mm, bei allerdings starken regionalen Unterschieden.[1] So übersteigen die jährlichen Niederschläge an den höheren Hängen des Vatnajökull 4000-5000 mm und können sogar 7000 mm erreichen. Sie sind einer der Gründe, warum die größten Eiskappen im südlichen und zentralen Hochland liegen. Der Norden ist dagegen eher trocken mit Niederschlägen in großen Bereichen unter 800 mm/Jahr.[3] Nördlich des Vatnajökull herrschen sogar wüstenähnliche Bedingungen mit Niederschlägen bis zu 350-450 mm im Jahr.[2]

Abb. 2: Gletschergebiete auf Island

Gegenwärtige Vergletscherung

Gegenwärtig sind 10 % des Landes mit Eis bedeckt, das sich in Höhen zwischen 925 und 2000 m befindet.[1] In ihnen sind 3600 km3 Wasser gebunden, das beim Schmelzen der Gletscher den globalen Meeresspiegel um 1 cm ansteigen lassen würde.[3] Die größeren Gletschergebiete bestehen aus Eiskappen, die in Auslassgletschern enden. Der größte Gletscher ist mit 8100 km2 der im Südwesten liegende Vatnajökull (das isländische „jökull“ ist der Name für Gletscher), gefolgt von den nahezu gleichgroßen Langjökull (950 km2) und Hofsjökull (925 km2) im westlichen und mittleren Landesinnern.

Der starke Massenumsatz der isländischen Gletscher durch die hohen Niederschläge im Winter und die hohen Abschmelzraten im Sommer, durch die die Gletscher zur Kategorie der sog. temperierten Gletscher gehören, macht sie gegenüber Temperaturänderungen sehr sensibel. Das gilt besonders für die Auslassgletscher des südöstlichen Vatnajökul. Die Gletscherbetten der Auslassgletscher des südöstlichen Vatnajökul liegen in dem wärmsten und feuchtesten Teil Islands und reichen bis auf 20-100 m über dem Meeresspiegel hinunter. Ihre Fläche beträgt 20-200 km2, ihre durchschnittliche Dicke 80-330 m. Im Laufe der Zeit haben die Auslassgletscher die weichen Sandflächen stark erodiert, so dass ihr Bett z.T. 100-300 m unter der Höhe der Gletscherenden liegt. Sie münden außerdem häufig in Seen, die das Abtauen durch Kalben und das wärmere Wasser verstärken und in jüngter Zeit an Zahl zunehmen. Abgesehen von Grönland tragen die isländischen Gletscher insgesamt am meisten zum Schmelzwasserabfluss in den Nordatlantik bei und bewirken einen Meeresspiegelanstieg von 0,03 mm/Jahr seit Mitte der 1990er Jahre.[4]

Die Gletscher Islands liegen zu einem erheblichen Teil auf aktiven Vulkanen. Vulkanausbrüche und warme geothermische Zonen haben unter dem Eis der großen Gletscher eine eigene Landschaft geschaffen, mit subglazialen Seen und Schmelzwasserkanälen, die unter mehreren hundert Meter Eis liegen. In den Seen unter den Gletschern sammelt sich über einige Jahre hinweg das Schmelzwasser, bis es zu gewaltsamen Ausbrüchen der Wassermassen, sog. Jökulhlaups, kommt, die aber auch durch Vulkanausbrüchen unter dem Eis entstehen können. Einige Seen entwässern alle 2-3 Jahre durch Schmelzwasserausbrüche, die ein bis drei Wochen anhalten können.[2]

Das Schmelzwasser wird vielfach in der Landwirtschaft, als Trinkwasser und für die Stromerzeugung genutzt. Die Gletscher sind zugleich ein wichtiger Anziehungspunkt für den Tourismus.[1]

Abb. 3: Der Rückzug verschiedener Auslassgletscher des südöstlichen Vatnajökull

Änderungen der Gletscherbedeckung

Historische Änderungen

Während des Höhepunkts der letzten Eiszeit um 21 000 Jahre v.h. bedeckte ein großer Eisschild Island, der wahrscheinlich weit über die heutige Küstenlinie hinausreichte. Auf dem heutigen Schelfgebiet der Insel wurden in ca. 200 m Tiefe und 50-150 km vor der Küste Moränen und tiefe, mit glazialen Sedimenten gefüllte Tröge entdeckt, die auf einen Eisschild von ca. 300 000 km2 Fläche und 500 000 km3 Volumen schließen lassen.[5]

Während des Klimaoptimums vor 3000 bis 8000 Jahren war es auf Island 2 °C wärmer als im 20. Jahrhundert. Die Gletscher der Eiszeit verschwanden nahezu vollständig und es blieben nur kleine Eiskappen auf den höchsten Gipfeln übrig. Um 500 v.Chr. setzte dann eine kältere Periode ein mit sich ausdehnenden Eisflächen.[3] Es folgte eine weitere warme Periode vom Beginn der Besiedlung (~847 n.Chr.) bis ins 13. Jahrhundert. Historische Beobachtungen der isländischen Gletscher reichen bis in die Zeit der Besiedlung im 9. Jahrhundert zurück. Danach war die Eisbedeckung zu dieser Zeit kleiner als gegenwärtig. Die anschließende Kleine Eiszeit, die vom Ende des 13. Jahrhunderts bis zum Ende des 19. Jahrhunderts andauerte, brachte eine erneute Ausdehnung der isländischen Vergletscherung. Die Gletscherzungen der Auslassgletscher des Vatnajökull stießen in weiche Sedimente vor und gruben tief liegende Betten.[3]

Aktuelle Veränderungen

1890 kann als Ende der Kleinen Eiszeit auf Island angesehen werden. Die isländischen Gletscher zogen sich erneut zurück, mit einer Unterbrechungen dieses Trends zwischen 1960 und 1990. Die Gletscherenden der Auslassgletscher des Vatnajökull verkürzten sich seit 1890 um 1-4 km. Die vergletscherte Fläche der Auslassgletscher insgesamt nahm von 1014 km2 auf 851 km2 bzw. um 164 km2 ab, was etwa 16 % der Fläche entspricht. Für die meisten Gletscher war die Verlustrate in der Periode 1904-1945 am größten, während zwischen den 1960ern und den 1990ern der Verlust sich verlangsamte oder ganz aufhörte. Erst nach dem Jahr 2000 nahm der Flächenverlust wieder stark zu. Der Volumenverlust betrug für alle Auslassgletscher des südöstlichen Vatnajökul seit dem Ende der Kleinen Eiszeit ca. 60 km3, was etwa 22 % des Volumens der Kleinen Eiszeit entspricht. Er war am höchsten 2002-2010. Insgesamt war die Massenbilanz auf Island im frühen 21. Jahrhundert mit am negativsten weltweit. Die Oberfläche der Gletscherzungen senkte sich zwischen 1890 und 2010 um 150-270 m ab.[4]

Für die Veränderungen der isländischen Gletscher erwiesen sich nach Untersuchungen die Niederschläge als weniger wichtig im Vergleich zur Temperatur. Bei den Gletscherzungen der Auslassgletscher des Vatnajökull erweisen sich für das starke Abschmelzen die während der Kleinen Eiszeit entstandenen tief liegenden Gletscherbetten von Bedeutung, die teilweise hunderte von Metern unter den heutigen Gletscherenden liegen. Diese Verhältnisse begünstigen in der warmen Phase der letzten Jahrzehnte ihr Abschmelzen. Hinzu kommen Gletscherseen, in die die Zungen kalben und in deren Wasser das Abschmelzen begüstigt wird.[3]

Besondere Aufmerksamkeit erregte in jüngster Zeit der Gletscher Okjökull auf dem Vulkan Ok im westlichen zentralen Hochland. Er wurde bereits 2014 für „tot“ erklärt, weil er keine Akkumulationszone mehr besaß. Am 18. August 2019 versammelte sich Wissenschaftler auf dem Vukan Ok und erwiesen dem Gletscher „die letzte Ehre“, indem sie ihm eine Gedenktafel setzten. Um 1900 wurde der Okjökull noch auf eine Fläche von 38 km2 geschätzt, schon 1978 nur noch auf 3 km2.[6]

Projektionen

Nach dem A1B-Szenario ergeben sich für Island Temperaturzunahmen bis 2021-2050 im Vergleich zu 1981-2000 um 2 °C und bis 2100 um 3-4 °C.[1] Klimaprojektionen deuten darauf hin, dass in 150 bis 200 Jahren nahezu alle Gletscher verschwunden sein werden; es wird allenfalls noch kleinere Gletscher auf den höchsten Erhebungen geben. Die in jüngster Zeit vielfach neu entstandenen Gletscherseen werden weiter an Zahl und Größe zunehmen und die Hydrologie stark verändern. U.a. werden Gletscherflüsse ihren Lauf verändern oder verschwinden. Das Schmelzwasser der Gletscher wird seinen Höhepunkt in 50 Jahren erreichen und dann wieder abnehmen.[3][2]

Gletscherschmelze und Vulkanismus

Es scheint zunehmend offensichtlich, dass das Abschmelzen von Eis während des Endes der letzten Eiszeit zu einer dramatischen Verstärkung der vulkanischen Aktivität führte. So wurde die vulkanische Aktivität auf Island im Anschluss an die Eisschmelze vor ungefähr 12 000 Jahren deutlich erhöht. Die Entlastung der Vulkane von einer Eisschicht, die Hunderte von Metern bis 2 km dick war, verursachte nach Modellberechnungen einen höheren Grad und ein tiefer reichendes Schmelzen des Erdmantels. Die Folge war eine 30- bis 50fache Zunahme an Magmaeruptionen 1500 Jahre nach der Eisschmelze.[7]

Es ist daher davon auszugehen, dass auch das gegenwärtige Abschmelzen der isländischen Gletscher die Häufigkeit und Stärke von Vulkanausbrüchen beeinflussen wird. Nach Schätzungen hat das Abschmelzen von Eis zwischen 1890 und 2003 von 435 km3 auf dem Vatnajökull zu einer Zunahme der Magmaproduktion um 1 % geführt. Auch wenn auf Island vulkanische Aktivitäten zum Schmelzen von Eis führen, ist ihr Beitrag zur Verringerung der Eismasse in den letzten Jahrzehnten relativ gering, da der hohe Massenumsatz und die hohen Niederschläge die Eismassen erneuern. In der Zeit 1995-2008 sind durch vulkanische Aktivitäten im Mittel 0,55 km3/Jahr abgeschmolzen, was allerdings nur 4 % der Oberflächenschmelze des Gletschers von 13 km3 in diesem Zeitraum ausmachte.[7]

Der Ausbruch des Eyjafjallajökull Ende März/Anfang April 2010 wurde öffentlich weithin bekannt, weil er durch seine Aschewolken den Flugverkehr bis nach Europa störte. Der von einem Eisfeld bedeckte Vulkan liegt im Südwesten Islands 10 km von der Südküste entfernt. Im April 2010 öffnete sein Ausbruch einen 100 m tiefen Kanal an der Nordflanke des Eiskörpers durch das plötzliche Abschmelzen großer Eismassen, die auf 10-13 x 107 m3 geschätzt wurden. In den Jahren danach floss das Eis wieder in die abgeschmolzene Rinne und schloss sie weitgehend. Der Gletscher hatte aber schon in den Jahrzehnten davor von 1980 bis 2010 durch Abtauen eine mittlere Oberflächenhöhe von 20 m verloren. Die Gründe dafür lagen hauptsächlich in der Erhöhung der Sommertemperaturen und winterlichen Niederschlagsschwankungen. Dabei reagierte der Gletscher mit einer Abnahme von 2 m Höhenunterschied auf 1 °C Temperaturänderung und mit 0,5 m Höhenunterschied auf 10 % Niederschlagsänderung.[8]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Adamic, E. A. (2013): Iceland’s Glaciers: Responses to a Warming Climate, , University of British Columbia Okanagan (Internetquelle nicht mehr erreichbar)
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Hannesdóttir, H., A. Zöhrer, H. Davids, S.I. Sigurgeirsdóttir, H. Skírnisdóttir & Þ. Árnason (2013): Vatnajökull National Park: Geology and Geodynamics
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 Björnsson, H., and Finnur Pálsson (2008): Icelandic glaciers, Jökull 58, 365-386
  4. 4,0 4,1 4,2 Hannesdóttir, H., H. Björnsson, F. Pálsson, G. Aðalgeirsdóttir, and Sv. Guðmundsson (2015): Changes in the southeast Vatnajökull ice cap, Iceland, between 1890 and 2010, The Cryosphere 9, 565–585
  5. Hubbard,_A., Da. Sugden, A. Dugmore, H. Norddahl, H.G. Pe´tursson (2006): A modelling insight into the Icelandic Last Glacial Maximum ice sheet, Quaternary Science Reviews 25, 2283–2296
  6. NASA Earth Observatory (2019): Okjökull remembered
  7. 7,0 7,1 Tuffen, H. (2010): How will melting of ice affect volcanic hazards in the twenty-first century?, Philosophical Transaction of the Royal Society A 368, 2535–2558
  8. Belart, J., Magnússon, E., Berthier, E., Pálsson, F., Aðalgeirsdóttir, G., & JóhannessoN, T. (2019): The geodetic mass balance of Eyjafjallajökull ice cap for 1945–2014: Processing guidelines and relation to climate. Journal of Glaciology, 65(251), 395-409. doi:10.1017/jog.2019.16


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