Dürren im Mittelmeerraum
Mediterrane Dürren und der Klimawandel
Wenige Wetterextreme richten so große ökologische und ökonomische Schäden an wie Dürren, unter denen jedes Jahr Millionen von Menschen zu leiden haben. Wegen ihrer langen Dauer und ihrer großräumigen Ausdehnung zählen Dürren für manche Regionen sogar zu den folgenreichsten Naturkatastrophen. Sie können den Grundwasserspiegel senken, die Wasserressourcen verringern und die Wasserqualität verschlechtern, was zu Hungerkatastrophen und Krankheiten führen kann. Dürren begünstigen Waldbrände und bedrohen in der Landwirtschaft die Nahrungsmittelproduktion durch Ernteschäden und Ertragsrückgänge. Ausbleibende Niederschläge sind zwar eine grundlegende Bedingung für das Entstehen von Dürren, aber nicht der einzige Einflussfaktor. Von wesentlicher Bedeutung sind auch die Temperatur und die davon abhängige Evapotranspiration (Verdunstung und Transpiration der Pflanzen), die bei höheren Temperaturen eine Austrocknung des Bodens und der Pflanzen bewirkt.
Der Mittelmeerraum wird auch deshalb als Hotspot des Klimawandels bezeichnet,[1] weil er zunehmend stark von Dürren betroffen ist. Dabei haben sich die mittleren jährlichen Niederschläge über längere Zeiträume, etwa im 20. Jahrhundert, kaum verändert (Abb., o.l.). Allenfalls gibt es dekadische Schwankungen mit zu- und abnehmenden Phasen, die u.a. mit denen der Nordatlantischen Oszillation (NAO) in Zusammenhang gebracht wurden. Ein Zusammenhang mit der kontinuierlichen Zunahme anthropogener Treibhausgaskonzentration kann kaum nachgewiesen werden.[2] Nach Gonzalez-Hidalgo et al. (2023)[3] haben die jährlichen Niederschläge auch über der Iberischen Halbinsel nicht signifikant abgenommen und an manchen Monaten sogar zugenommen. So wurden für September und Oktober positive Trends festgestellt, für März schwache Abnahmen der Niederschläge. Neben der NAO könnten auch die abnehmende Belastung durch anthropogene Sulfat-Aerosole eine Rolle gespielt haben.
Dennoch wurde die westliche Mittelmeer-Region (SW-Europa) "trockener". Sowohl die bodennahe Luftfeuchtigkeit (Abb., o.r.) wie die Bodenfeuchte in den oberen 7 cm (Abb. 4, u.l.) zeigen seit den 1990er Jahren einen deutlich negativen Trend. Entscheidender Grund ist die zunehmende Lufttemperatur (Abb., u.r.), durch die die Verdunstung und damit die Austrocknung des oberen Bodens und der bodennahen Luftschicht verstärkt wird. Darin und in den durch hohe Temperaturen, höhere Verdunstung und trockene Böden wesentlich verursachten Dürren zeigen sich dann doch die Auswirkungen der globalen Erwärmung. Das wird gestützt durch Modellsimulationen, die für das 21. Jahrhundert eine Abnahme der Niederschläge im Mittelmeerraum um 4% pro 1 °C globale Erwärmung sowie häufigere und länger anhaltende Dürren projizieren.[1]
Um die Änderung des Auftretens und der Intensität von Dürren zu erfassen, ist daher eine Berücksichtigung neben den Niederschlägen auch von Temperatur und Verdunstung notwendig, wie sie der häufig verwendete SPEI-Index vornimmt. Die Anwendung auf die im Jahr 2022 besonders von Dürren betroffenen Regionen SO-Frankreich und N-Italien zeigt deutlich zunehmende negative SPEI-Werte seit den 1990er Jahren mit den trockensten Verhältnissen im Jahre 2022 (Abb.). Die ausschlaggebenden Faktoren sind räumlich und zeitlich ausgedehntere Hochdruckbedingungen, höhere Temperaturen, eine dramatisch verstärkte Verdunstung und daraus folgende Bodentrockenheit, die im Wesentlichen auf den Klimawandel zurückzuführen sind (Abb.).[4] Für die Rekord-Dürre 2022 in der Po-Ebene spielte zusätzlich, möglicherweise sogar entscheidend ein veränderter Schneefall eine Rolle.[5]
Dürren der jüngsten Zeit
Die Dürre in der Po-Ebene 2022
Die Dürre 2022 in der Po-Ebene gilt als die schlimmste Dürre in der Region während der letzten 200 Jahre. Nie wurden so geringe Abflussmengen des größten italienischen Flusses, von dem eine der am dichtesten besiedelten Regionen Europa und der wichtigste Agrarraum Italiens abhängig sind, gemessen. Die Abflussmengen lagen um 30% unter denen von 2006, dem zweittrockensten Jahr der letzten Jahrzehnte. Besonders negativ waren die Wasserstände im Juni und Juli, den Monaten mit dem höchsten Bewässerungsbedarf.[5] Als Folge fiel vielfach die Bewässerung der landwirtschaftlichen Flächen aus, und aufgrund des niedrigen Wasserstands kam es zu einem nie dagewesenen Eindringen von Salzwasser bis zu 40 km von der Küste entfernt.[4] In mehreren Städten wurde das Wasser rationiert, und die Leistung von Wasserkraftwerken wurde stark eingeschränkt.[5]
Die Wetterbedingungen waren im Winter 2021/22 durch einen Hochdruckrücken von Nordafrika bis zu den Britischen Inseln und von den Azoren bis nach Italien gekennzeichnet. Die Temperaturen lagen um 1,5 °C über dem Mittel von 1961-1990. Und die Niederschläge fielen um 300 mm geringer gegenüber der Periode 1991-2020 aus. Die Schneebedeckung lag im März 2022 bis zu 70% unter dem Durchschnitt, der niedrigste Wert seit 1920/30, und die Schneegrenze lag in den Alpen mehrere Hundert m unter der üblichen Höhe. Grund waren die Niederschlagsdefizite im Winter, die zwischen 40% und 50% betrugen.[6] Aufgrund höherer Temperaturen im Winter und Frühling von bis zu 3,5 °C Abweichung vom Mittel[7] fielen in tieferen Lagen die Niederschläge nicht nur als Regen statt als Schnee, sondern es schmolz auch der gefallene Schnee deutlich früher als in den Jahren davor.[6] Hohe Temperaturen sorgten vor allem im Sommer zusätzlich für eine höhere Verdunstung, die den Wassermangel auf den Bewässerungsflächen, die in jüngster Zeit deutlich zugenommen haben, weiter verstärkten.[5]
Dürren auf Sizilien und Sardinien 2024
Sizilien und Sardinien sind die größten Inseln Italiens und wichtige landwirtschaftliche und touristische Zentren. Beide Inseln haben wie auch andere Regionen der Mittelmeerregion 2023 und 2024 unter außergewöhnlich geringen Niederschlägen und von Mai 2024 an unter extremen Dürrebedingungen gelitten. Sizilien erklärte im Mai 2024 den Notstand. Die Wasserreservoire waren fast leer, obwohl bereits seit Februar der Wasserverbrauch rationiert war. In den letzten Monaten des Jahres 2023 betrugen die Niederschlagsdefizite auf Sizilien 220 mm, in manchen Regionen bis zu 80%. Durch die gleichzeitig höchsten Temperaturen in den letzten 30 Jahren verstärkte sich die Verdunstung mit der Folge der geringsten Bodenfeuchtigkeit seit 1995.[8]
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 IPCC AR6, WGII (2022): Cross-Chapter Paper 4: Mediterranean Region, FAQ CCP4.1
- ↑ MedECC (2020): Climate and Environmental Change in the Mediterranean Basin – Current Situation and Risks for the Future. First Mediterranean Assessment Report [Cramer, W., Guiot, J., Marini, K. (eds.)] Union for the Mediterranean, Plan Bleu, UNEP/MAP, Marseille, France, 632pp. ISBN: 978-2-9577416-0-1 / DOI: 10.5281/zenodo.7224821
- ↑ Gonzalez-Hidalgo, J. C., S. Beguería, D. Peña-Angulo & V. Trullenque-Blanco (2023): MOPREDAS_century database and precipitation trends in mainland Spain, 1916–2020. International Journal of Climatology, 43(8), 3828–3840. https://doi.org/10.1002/joc.8060
- ↑ 4,0 4,1 Faranda, D. and S. Pascale and B. Bulut (2023): Persistent anticyclonic conditions and climate change exacerbated the exceptional 2022 European-Mediterranean drought, Environmental Research Letters 18, 3, https://dx.doi.org/10.1088/1748-9326/acbc37
- ↑ 5,0 5,1 5,2 5,3 Montanari, A., H. Nguyen, S. Rubinetti et al. (2023): Why the 2022 Po River drought is the worst in the past two centuries.Sci. Adv.9, eadg8304. DOI:10.1126/sciadv.adg8304, https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adg8304
- ↑ 6,0 6,1 Avanzi, F., F. Munerol, M. Milelli et al. (2022): Winter snow deficit was a harbinger of summer 2022 socio-hydrologic drought in the Po Basin, Italy. Commun Earth Environ 5, 64 (2024). https://doi.org/10.1038/s43247-024-01222-z
- ↑ Bonaldo, D., Bellafiore, D., Ferrarin, C. et al. (2023): The summer 2022 drought: a taste of future climate for the Po valley (Italy)?. Reg Environ Change 23, 1 https://doi.org/10.1007/s10113-022-02004-z
- ↑ Zachariah, M., G. Fioravanti, J.C. Acosta Navarro (2024): Climate change key driver of extreme drought in water scarce Sicily and Sardinia, https://www.worldweatherattribution.org/climate-change-key-driver-of-extreme-drought-in-water-scarce-sicily-and-sardinia/
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