Marine Ökosysteme

Aus Klimawandel

Gefährdungsfaktoren

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Yolanda-Korallenriff im Ras Mohammad Naturschutzreservat vor der südlichen Spitze des Sinai im Roten Meer

Ozeane bedecken ca. 71 % der Erdoberfläche, wirken aufgrund ihrer thermischen Trägheit regulierend auf kurzfristige Wetter- und Klimaschwankungen und stellen einen gigantischen Kohlenstoffspeicher dar. Sie sind aber nicht nur aus physikalischer Sicht ein wichtiger Bestandteil des Erdsystems. Ihre Ökosysteme bergen einen großen Artenreichtum und dienen den Menschen sowohl als Erholungsort als auch als wichtige Nahrungsquelle. Mehr als eine Milliarde Menschen sind auf Fisch als wichtigste Proteinquelle angewiesen, vor allem in Entwicklungsländern. Man unterscheidet bei marinen Ökosystemen oft zwischen dem offenen Ozean und den küstennahen Gebieten, zu denen z. B. Mangrovenwälder und Korallenriffe gehören.

Auch ohne den Klimawandel sind die marinen Ökosysteme bereits durch menschliche Aktivitäten stark beeinträchtigt. Auf hoher See ist vor allem die Überfischung und Verschmutzung der Meere problematisch. An den Küsten findet ein starkes Bevölkerungswachstum statt. Bereits 23 % der Weltbevölkerung lebt nicht weiter 100 km von Küsten entfernt und unterhalb einer Höhe von 100m über dem Meeresspiegel. Die Bevölkerungsdichte ist dort dreimal höher als im Mittel über den besiedelten Landgebieten und 12 von weltweit 16 Städten mit mehr als 10 Mio. Einwohnern befinden sich dort.[1]

In Folge dessen breiten sich landwirtschaftliche Flächen, Aquakulturen, Industrie und Wohnungen aus. Oft ist der Tourismus dabei ein wichtiger Faktor. Die schnelle Urbanisierung hat viele Konsequenzen, z.B. die Umgestaltung von Küsten und Flussdeltas, den Bau von Wasserstraßen, Häfen, Pipelines, Mauern, Dämmen und Kanälen. Letztere Konstruktionen können die Zirkulation und damit den Süßwasser-, Sediment- und Nährstofftransport verändern. Beispielsweise kann Salzwasser so in Oberflächen- und Grundwasser eindringen. Auch Erosion an den Küsten und Überflutungen in Thailand, Indien, Vietnam und USA wurden der Degradation der Küstenökosysteme durch diese menschlichen Aktivitäten zugeschrieben.[1] Hinzu kommen die Entwässerung von Feuchtgebieten, Deforestation, Einleitung von Abwasser, Düngemitteln, Herbiziden und Antibiotika (aus Aquakulturen), der Abbau von Ressourcen wie Sand und Öl, die Fischerei und die Einfuhr fremder Arten.

Bislang waren all diese Einflüsse zusammen bedeutender als der anthropogene Klimawandel. Dies könnte sich in Zukunft jedoch ändern. Der Klimawandel gefährdet die marinen Ökosysteme in mehrfacher Weise: [2]

  • durch die Erwärmung des Wassers. Viele Arten werden daraufhin ihr Verbreitungsgebiet anpassen oder aussterben, was sich über die Nahrungsnetze auf viele andere Arten auswirkt. In hohen Breiten wird zudem die Eisschmelze zu einer Bedrohung des Ökosystems an der Eiskante führen, welches zentral für das Nahrungsnetz in arktischen Breiten ist. An den Küsten stellt das Meereis zudem einen Schutz vor Erosion dar. Fehlt es, kann die Kraft der Wellen unmittelbar an der Küste angreifen. Auch können sich Krankheiten unter Meereslebewesen bei höheren Temperaturen stärker verbreiten.
  • durch eine veränderte Zirkulation (klein- und großräumig). Die großen Wirbel der Ozean zirkulation bergen verschiedene Ökosysteme, die sich infolge des Klimawandels ihre Lage und Ausdehnung verändern. Außerdem wird die Schichtung des Wassers stabiler: Die Erwärmung findet an der Oberfläche statt, so dass das oberflächennahe Wasser sich schneller erwärmt als die unteren Wasserschichten. Somit wird der Dichteunterschied größer und die vertikale Vermischung des Ozeans wird geschwächt. Insbesondere in Gebieten, wo eine Aufwärtsströmung vorherrscht, die meist Nährstoffe vom Boden in die euphotische (lichtdurchflutete) Zone heranführt, kann dies eine Gefährdung der Nahrungszufuhr bedeuten. Außerdem können sich auch die Küstenlinien betroffen sein, indem die Zu- und Abfuhr von Sediment sich verändert. Außerdem entscheiden die Strömungen darüber, wieviel Wärme und Nährstoffe ausgetauscht werden.
  • durch einen veränderten Salzgehalt. Besonders in hohen Breiten, wo die Eisschmelze zu einer Versüßung des Wassers führt, können so salzliebende Arten gefährdet werden.
  • durch den Anstieg des Meeresspiegels. Dies bedeutet nicht nur eine Überschwemmung tief gelegener Küstengebiete, sondern auch eine verstärkte Erosion. Auch der Lebensraum von vielen Tierarten wird so bedroht, da die Ökosysteme an Küsten meist besonders artenreich sind. Beispielsweise würde ein Meeresspiegelanstieg von 0,5 m etwa 32% jener karibischen Strände, an denen Schildkröten ihre Eier legen, zerstören. Es muss im Fall von solchen konkreten Auswirkungen mit beachtet werden, dass der Meeresanstieg regional unterschiedlich sein wird, z.B. in der Arktis stärker als im globalen Mittel. Lokal sind bis zu 50 % mehr als im globalen Mittel möglich.
  • durch die Versauerung des Meerwassers. Dies ist eine direkte Folge der erhöhten CO2-Konzentration und nicht der daraus resultierenden Klimaänderungen. Bis heute ist der pH-Wert bereits um 0,1 gesunken (was einen Anstieg der Konzentration von Hydrogencarbonat um 30 % bedeutet) und wird bis 2100 um weitere 0,3-0,4 sinken. Diese veränderte chemische Zusammensetzung des Wassers wird viele Organismen und Ökosysteme bedrohen, z. B. die Korallenriffe (siehe unten).
  • durch einen veränderten Wellengang. Ozeanwellen entstehen fast immer durch den Wind an der Meeresoberfläche. Eine Veränderung der Stürme wird somit auch den Wellengang betreffen, z.B. indem hohe Wellen häufiger werden. Dies führt zu einer zusätzlichen Erosion von Küstengebieten. Modelle sagen voraus, dass die Intensität von Stürmen in tropischen und mittleren Breiten zunehmen wird. Für ihre Häufigkeit gilt dies jedoch nicht; dabei herrscht eine zu große Unsicherheit.

Trotz all dieser Auswirkungen ist es sehr schwierig, den Einfluss des Klimawandels in Beobachtungen heute schon nachzuweisen. Küstensysteme sind natürlicherweise sehr veränderbar, man denke nur an die permanente Umgestaltung von Stränden durch Stürme und Strömungen. Natürliche Klimaschwankungen, die zum Teil Jahrzehnte dauern können (z.B. NAO, ENSO oder das Auftreten von Hurrikanen), haben ebenso einen Einfluss. Genauso ist es schwierig, einzelne Einflüsse des Klimawandels in ihrer Bedeutung zu separieren.

Ein Beispiel für beide Herausforderungen ist die Erosion. In letzter Zeit zeigen die meisten Strände weltweit eine Erosion. Welchen Anteil der steigende Meeresspiegel, veränderte Windmuster, der Sedimentnachschub und andere Faktoren daran jeweils haben, ist aber unklar. Auch bei Prognosen für die Zukunft muss bedacht werden, dass solche komplexen Ökosysteme nicht-linear reagieren können. Das bedeutet, dass die Auswirkungen verschiedener Umwelteinflüsse nicht einfach zusammengezählt werden dürfen, sondern dass die Kombination verschiedener Stressfaktoren auch unvorhergesehene Folgen haben kann. Beispielsweise gibt es keinen einfachen und allgemein gültigen Zusammenhang zwischen dem Meeresspiegelanstieg und der horizontalen Verschiebung der Küstenlinie. So kommt es auch darauf an, wie das Sediment und das Land auf den Meeresspiegel und Stürme reagieren, im Fall von Kliffs zudem auf die Gesteinsart, die Temperatur, den Niederschlag und den Zyklus von Gefrieren und Auftauen.

Einfluss des Klimawandels auf Korallenriffe

Die Korallenriffe in den warmen tropischen Meeren gelten neben dem tropischen Regenwald als artenreichster Lebensraum der Erde. Von den weltweiten Riffarealen werden 58% durch Überfischung und Verschmutzung, sowie anderer menschlicher Aktivitäten als gefährdet eingeschätzt. Als neuer Bedrohungsfaktor ist in jüngster Zeit der Klimawandel hinzu gekommen. Dieser wirkt in vierfacher Weise auf die Korallenriffe ein: durch den Meeresspiegelanstieg, durch veränderte Sturmintensitäten, durch erhöhte Wassertemperaturen und durch die Versauerung des Wassers.

Einfluss des Klimawandels auf Meeresfische, Meeressäuger und Meeresvögel

Meeresfische

Von 1987 bis 1996 lagen die Fangergebnisse von Fischen in den Weltmeeren bei durchschnittlich 74,5 Millionen t pro Jahr. Fluktuationen bei den Quoten einiger der wichtigsten kommerziellen Arten wie Hering, Makrele, Heilbutt und Thunfisch werden häufig auf die Überfischung mit modernster Ausrüstung zurückgeführt. Neben anderen Faktoren wie das Räuber-Beute-Verhältnis haben jedoch auch Klimaschwankungen eine wichtige Auswirkung auf die Fischbestände.[3] Das Klima beeinflusst zahlreiche für die Meeresfische entscheidenden Faktoren wie die Wassertemperatur, die Eisverteilung, den Salzgehalt, die Verfügbarkeit von Nahrung usw. Trotz der Wechselwirkungen zwischen diesen Faktoren kommt der Wassertemperatur dabei die entscheidende Rolle zu, da sie direkt die Laichzeit, das Aufwachsen der Jungfische und die Produktionsrate der Nahrung bestimmt. So zeigte sich beim Kabeljau in der Nordsee, der hier an der Südgrenze seines Verbreitungsgebietes auf der Nordhalbkugel vorkommt, parallel mit der Erwärmung des Meereswassers seit 1988 auch ein Rückgang der Fangergebnisse, die wiederum in einem Jahr mit kühleren Temperaturen wie 1996 wieder besser ausfielen.[4] Eine auffällige Parallele zwischen Kabeljaufischerei und Temperaturentwicklung weisen auch die Fangergebnisse vor West-Grönland auf. Ebenso erwiesen sich zwischen den Ergebnissen der japanischen und kalifornischen Sardinenfänge und den Schwankungen des Klimas im Nordpazifischen Raum aufällige Parallelen im Dekaden-Bereich. Und während der El Niño- und La Niña-Ereignisse der letzten Jahrzehnte verlagerten sich mit der Temperatur der Meeresoberfläche auch die Hauptfanggebiete von Thunfisch im tropischen Pazifik.[5]

Auch wenn es schwierig ist, die Folgen von Überfischung und von klimabedingten Änderungen im Einzelfall zu trennen, kann man davon auszugehen, dass der Fischbestand der Weltmeere auch von klimatischen Veränderungen abhängt. Das bedeutet, dass auch eine künftige Änderung bei den Meerestemperaturen durch den menschenbedingten Treibhauseffekt Folgen für den Fischbestand und die Fangergebnisse haben wird. Welche Folgen zu erwarten sind, lässt sich mit Einschränkung aus den El Niño-Ereignissen im Südpazifik ableiten, bei denen das erwärmte Oberflächenwasser vor der peruanischen Küste die Phytoplanktongemeinschaften so veränderte, dass die Sardellenbestände stark zurückgehen. Eine allgemein steigende Meeresoberflächentemperatur könnte in Einzelfällen auch Arten in anderen Regionen negativ beeinflussen. So könnte sich der Rotlachs ganz aus dem Nordpazifik auf das Bering-Meer zurückziehen. Allerdings sagen einige Modelle eine Intensivierung des Alëuten-Tiefs und damit eine Abkühlung des Meerwassers voraus, was den Lachsbestand im Nordpazifik eher erhöhen könnte. Dieses Beispiel zeigt, dass die Klimamodelle z. Zt. noch keine gesicherten Prognosen über die regionalen Folgen des Klimawandels auf die Fischerei erlauben.

Meeressäuger und -vögel

Eisbär

Problematische Folgen bei einer weiteren Erwärmung werden vor allem für marine Säugetiere in höheren Breiten erwartet. Ein Rückzug des arktischen und antarktischen Meereises gefährdet z.B. die Ernährung von Eisbären und bedroht die des Blauwals und des weitverbreiteten Adéliepinguins. Die Randregionen des Meereises sind der wichtigste Lebensraum für die arktische Pflanzen- und Tierwelt. An der Unterseite der Eisschollen existieren einzellige Algen, von denen wenige Zentimeter lange Krebse leben, die als Futter u.a. für den Polardorsch dienen, der die Hauptnahrungsquelle für die Ringelrobbe darstellt. Für Eisbären sind die Eisrandregionen das natürliche Jagdrevier, in dem sie auf Robbenfang gehen. Bei einem Rückzug der Eisbedeckung nach Norden werden die Lebens- und Aufzuchtmöglichkeiten der Ringelrobbe, des wichtigsten Beutetieres der Eisbären, deutlich eingeschränkt. Als besonders kritisch gilt in dieser Hinsicht die Situation in der Hudson Bay, wo die Eisbären bereits heute an der Hungergrenze leben. Bei einer weiteren Erwärmung mit saisonaler Verkürzung des Eisvorkommens und Reduzierung der Eisbedeckung ist eine erfolgreiche Aufzucht der Jungtiere nicht mehr gewährleistet.[6]

Auch der antarktische Krill, ein ca. sechs Zentimeter großer Krebs, lebt zu einem großen Teil vom Phytoplankton an der Unterseite des Meereises. Vom Krill als Nahrungsquelle sind viele Wal-, Robben-, Fisch- und Vogelarten nahezu vollständig abhängig, u.a. auch der Blauwal. Seit den siebziger Jahren ist ein deutlicher Rückgang der antarktischen Meereisbedeckung beobachtet worden und als Folge ebenso eine deutliche Verringerung der Krillbestände. Als Konsequenz haben auch die Bestände der Jungvögel des Adéliepinguins seit 1987 um 30% abgenommen.[7] Auch der Blauwal ist in hohem Maße vom Krill abhängig und gilt bei einer weiteren Erwärmung des arktischen Meerwassers als gefährdet.

Aquakulturen

30% der Fischproduktion für den menschlichen Konsum entstammten 1997 der Aquakultur. Es wird erwartet, dass der Aufwärtstrend der Fischzucht, auch für die Produktion von Fischmehl und Fischöl, in Zukunft anhalten wird. Der Klimawandel wird wahrscheinlich sehr gegensätzliche Folgen für die Aquakultur haben. In mittleren und hohen Breiten werden Luft- und Wassertemperatur ansteigen und damit die Zuchtsaison verlängern und die Fischproduktion steigern. Andererseits haben höhere Temperaturen einen negativen Einfluss auf den gelösten Sauerstoff im Wasser und begünstigen die Verbreitung von Krankheitserregern und die Algenblüte. Auch der erwartete Anstieg von Extremereignissen wie Stürmen, Überflutungen und Trockenperioden wird die Produktion möglicherweise negativ beeinflussen.[5]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group II: "Impacts, Adaptation and Vulnerability", Chapter 6: Coastal systems and low-lying areas.
  2. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group II: "Impacts, Adaptation and Vulnerability", Chapter 4: Ecosystems, their properties, goods and services.
  3. Westernhagen, H.v. (1998): Klima und Fischerei, in: Lozán, J.L., Graßl, H., Hupfer, P. (1998): Warnsignal Klima. Wissenschaftliche Fakten, Hamburg, S.286-291
  4. O'Brien, C. M., C. J. Fox, B. Planque, J. Casey (2000): Climate variability and North Sea cod, Nature 404, 142
  5. 5,0 5,1 IPCC (2001): Climate Change 2001: Impacts, Adaption, and Vulnerability. Contribution of the Working Group II to the Third Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge and New York 2001, 6.3.4.
  6. Gradinger, R. (1998): Natürliche und anthropogene Veränderungen im arktischen marinen Ökosystem, in: Lozán, J.L., Graßl, H., Hupfer, P. (1998): Warnsignal Klima. Wissenschaftliche Fakten, Hamburg 1998, S.277-280; Hansell, R.J.C., J.R. Malcolm, H. Welch, R. L. Jefferies and P.A. Scott (1998): Atmospheric Change and Biodiversity in the Arctic, Environmental Monitoring and Assessment 49, 303-325
  7. Loeb, V., V.Siegel, O.Holm-Hansen, R.Hewitt, W.Fraser, W.Trivelpiece, S.Trivelpiece (1997): Effects of sea-ice extent and krill or salp dominance on the Antarctic food web, Nature387, 897 - 900

Weblinks

Literatur

  • Wiltshire, K.H., et al. (2011): Küsten und Schelfmeere: Temperaturveränderungen und Biodiversität, in: José L. Lozán et al. (Hrsg.): Warnsignal Klima: Die Meere - Änderungen und Risiken. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 37-42


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