Hitzewellen und Gesundheit: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 3. August 2008, 14:35 Uhr

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Sterblichkeit von 65-74 Jährigen in Abhängigkeit von der Tagestemperatur. Die gestrichelten Linien zeigen die Sterblichkeit bei der Temperatur der geringsten Sterblichkeit.

Aktuellen Modellberechnungen prognostizieren bis zum Jahr 2100 einen Anstieg der globalen Mitteltemperatur von 1,4°C bis 5,8°C gegenüber dem globalen Mittelwert von 1990. Neben der Erwärmung der Durchschnittstemperatur nimmt man außerdem eine Intensivierung von Hitzewellen an. Der Zusammenhang zwischen der täglichen Außentemperatur und der Zahl der Todesfälle ist durch zahlreiche Studien nachgewiesen. Die Mortalitätsrate bei Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen zeigt dabei eine engere Korrelation zur sommerlichen Hitzebelastung als zur winterlichen Kälte. Zwar steigt die Zahl der täglichen Todesfälle auch im Winter, was hier jedoch überwiegend auf Infektionen zurückzuführen ist. Die höchste Mortalitätsrate wird jedoch eindeutig an ausgeprägten Hitzetagen erreicht, wobei Windstille, hohe Luftfeuchtigkeit und intensive Sonneneinstrahlung verstärkende Faktoren sind. Extreme Hitze wirkt sich besonders in Städten stark aus, da sich dort so genannte Wärmeinseln bilden. Asphalt und Häuser strahlen nachts Wärme ab, die sie am Tag gespeichert haben, die relative Luftfeuchtigkeit ist niedrig und durch die dichte Bebauung sind die Windgeschwindigkeiten dort geringer. Daher kühlen Städte im Fall einer Hitzewelle auch nachts nicht ab und es kommt zur Überhitzung. So starben etwa 1987 in Griechenland während einer Hitzewelle innerhalb einer Woche 4000 Menschen mehr als im statistischen Durchschnitt, 2000 davon allein in Athen. In London erhöhte sich die allgemeine Sterblichkeit durch Hitzewellen im Juli 1976 und Juli-August 1995 um 15%.[1] Im Juli 1995 fielen in Chikago 700 Menschen einer Hitzewelle zum Opfer, wodurch die Zahl der Todesfälle um 85% höher lag als in derselben Periode in den vorangegangenen Jahren.[2] Mit steigenden Durchschnittstemparaturen und der Intensivierung von Hitzewellen geht außerdem eine zunehmende körperliche Belastung einher, die beispielsweise zu Konzentrationsstörungen oder hitzebedingten Krankheiten (z.B. Sonnenstich) führen kann.

Besonders gefährdete Gruppen

Betroffen sind vor allem ältere Menschen, Kleinkinder sowie Personen, die an Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen leiden, während gesunde erwachsene Personen über Abwehrmechanismen gegen einen begrenzten Temperaturanstieg verfügen. Auch Armut ist ein Risikofaktor, da sich arme Menschen weniger effektiv gegen Hitzeeinbrüche, z.B. durch den Gebrauch von Ventilatoren oder Klimaanlagen oder durch kühlende Wohnräume, schützen können. Der Tod trifft nur in weniger als 20% der Fälle ohnehin geschwächte Personen, bei denen der Zeitpunkt des Todes nur um einige Tage vorweggenommen wird. [3] Die erhöhte Sterberate in Hitzewellen kann also größtenteils auf die Hitze zurückgeführt werden.

Intensivierung von Hitzewellen

Bei einer Erhöhung der Mittel-Temperatur in den folgenden Jahrzehnten wird auch eine Intensivierung der Hitzeperioden angenommen. Da sich die Nachttemperaturen stärker erhöhen werden als die Tagestemperaturen, wird das Risiko besonders groß durch das Ausbleiben einer nächtlichen Abkühlung sein. Untersuchungen zu mehreren nordamerikanischen Städten, Shanghai und Kairo deuten darauf hin, daß bis zum Jahre 2020 ungefähr mit einer Verdoppelung der hitzebedingten Todesfälle zu rechnen ist .[4] So wurde für Atlanta (USA), wo gegenwärtig im Sommer durchschnittlich 78 hitzebedingte Todesfälle registriert werden, eine Erhöhung dieser Zahl auf 191 im Jahre 2020 und auf 293 im Jahre 2050 berechnet.[5] Bei einer Übertragung der US-amerikanischen Ergebnisse auf Europa wird bei einer Temperaturerhöhung von 2,5 °C für die EU von 9600 und für das Gebiet der früheren Sowjektunion von 8400 zusätzlichen Todesfällen pro Jahr ausgegangen.[6]

Anstieg der Durchschnittstemperaturen

Nicht nur das Auftreten extremer Hitzeperioden haben einen Einfluss auf die Sterblichkeit, sondern auch die Veränderung der Durchschnittstemperaturen. Abweichungen nach oben oder unten von einer regional verschiedenen optimalen Temperatur, bei der die Sterblichkeit am geringsten ist, haben jeweils eine Zunahme der Sterblichkeit zur Folge. Die gesundheitlich optimale Temperatur liegt z.B. in Amsterdam bei 16,5 °C, in New York bei 20 °C und in Los Angeles bei 23 °C. Nach einer Auswertung zahlreicher Untersuchungen zu diesem Thema [7] sinkt bei einem Temperaturanstieg um 1 °C unterhalb dieser Schwelle die allgemeine Sterblichkeit um 1%, die Zahl der Todesfälle durch Erkrankungen der Atemwege bei Personen über 65 Jahre sinkt um 3,8% und die durch Herzerkrankungen um 4,1 %. Im "warmen" Bereich steigt dagegen bei einer Temperaturzunahme um 1 °C die allgemeine Sterblichkeit um 1,4%, bei Herzkranken über 65 Jahre steigt sie um 1,6% und bei Atemwegserkrankungen (zu denen es diesbezüglich allerdings nur wenige Studien gibt) um 10,4%.

Prognose für die Entwicklung von Mortalitätsraten

Eine Anwendung dieser empirischen Ergebnisse auf die Prognosen von Klimamodellen, die eine stärkere Steigerung der Winter- als der Sommertemperaturen vorhersagen, auf 20 ausgewählte Städte weltweit, kommt zu dem Schluss, dass möglicherweise besonders bei Herzerkrankungen die Abnahme der Todesfälle durch mildere Wintertemperaturen höher sein wird als die Zunahme durch höhere Sommertemperaturen.[8] Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Studie, die die klimabedingte Sterblichkeit in kalten, gemäßigten und warmen Regionen Europas (von Finnland über Süddeutschland bis Griechenland) vergleicht und bis 2050 eine größere Abnahme im Winter als Zunahme in den Sommermonaten vorhersagt.[9] Werden sowohl das verstärke Auftreten von Hitzewellen wie die allgemeine Zunahme der Durchschnittstemperaturen in Erwägung gezogen, lässt sich gegenwärtig allerdings keine gesicherte Aussage darüber machen, ob in einzelnen Staaten oder weltweit die Zunahme der durch höhere Temperaturen verursachten Sterbefälle größer oder geringer sein wird als die Abnahme der Zahl der Toten durch mildere Wintertemperaturen.[10] Zu der Unsicherheit trägt nicht zuletzt bei, dass sich Anpassungsmaßnahmen und -verhalten, z.B. durch den Gebrauch von Ventilatoren und Aircondition, durch an höhere Temperaturen angepasstes Bauen oder durch veränderte Kleidung, schwer einschätzen lassen.

Einzelnachweise

  1. Kundzewcz, Z.W. and M.L. Parry (2001): Europe, in: IPCC WG2, 13.2.5.1.
  2. Patz, J.A., M.A. McGeehin, S.A. Bernard, K.L. Ebi, P.R. Epstein, A. Grambsch, D.J. Gubler, P. Reiter, I. Romieu, J.B. Rose, J.M. Samet and J. Trtanj (2000): The Potential Health Impacts of Climate Variability and Change for the Health Sector of the U.S. National Assessment, Environmental Health Perspectives, 108, 367-376
  3. Jendritzky, Gerd/ Koppe, Christina (2007/2008): Die Auswirkungen von thermischen Belastungen auf die Mortalität. In: Lozán, J.L./ Graßl, H./ Jendritzky, G./ Karbe, L./ Reise, K./ Maier, W.A. (Hrsg.): Warnsignal Klima. Gesundheitsrisiken. Gefahren für Pflanzen, Tiere und Menschen. Hamburg, Freiburg, Bonn, List/Sylt. S. 149-153
  4. McMichael, A.J. (1996): Human Population Health, in: Watson, R.T., M.C. Zinyowera, R.H. Moss and D.J. Dokken: Climate Change 1995. Impacts, Adaptions and Mitigations of Climate Change: Scientific-Technical Analyses, Cambridge, 561-584
  5. Watson, R.T., M.C. Zinyowera, R.H. Moss and D.J. Dokken (1998): The Regional Impacts of Climate Change. An Assessment of Vulnerability, Cambridge, p.310
  6. Watson, R.T., M.C. Zinyowera, R.H. Moss and D.J. Dokken (1998): The Regional Impacts of Climate Change. An Assessment of Vulnerability, Cambridge, p.176
  7. Martens, W.J.M. (1997): Climate change, thermal stress and motality, Social Science and Medicin, 46, 331-344
  8. Martens, W.J.M. (1997): Climate change, thermal stress and motality, Social Science and Medicin, 46, 331-344
  9. Keatinge, W.R., G.C. Donaldson, E. Cordioli, M. Martinelli, J.P. Mackenbach, S. Nayha and I. Vuori (2000): Heat related maortality in warm and cold regions of Europe: observational study, British Medical Journal, 81, 795-800
  10. McMichael, A. and A. Githeko (2001): Human Health, in: IPCC WG II, 9.4.2.; Martens, W.J.M. (1997): Climate change, thermal stress and mortality, Social Science and Medicin, 46, 331-344

Siehe auch


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