Todesfälle durch Hitzewellen in Europa

Aus Klimawandel
Abb. 1: Änderung der Sommertemperaturen in Europa 1979-2024 relativ zu 1991-2020

Hitzewellen sind ein stiller Killer. Anders als bei Hochwasserereignissen oder Hurrikanen sind die Opfer nicht sofort sichtbar. Hohen Temperaturen fallen zumeist ältere Menschen mit Vorerkrankungen wie Herz-Kreislauf- oder Lungenerkrankungen zum Opfer. In Krankenhäusern und Pflegeheimen werden diese Grunderkrankungen oft als Todesursache identifiziert. Die durch Hitzewellen verursachten Todesfälle zu erfassen stößt daher auf große Schwierigkeiten. Durch Vergleiche der Sommersaison verschiedener Jahre mit und ohne Hitzewellen lassen sie sich jedoch mit Hilfe von statistischen Verfahren berechnen.[1]

Hitzewellen in den letzten 20 Jahren

Europa ist der sich am schnellsten erwärmende Kontinent.[2] Besonders die Sommertemperaturen steigen im neuen Jahrhundert stark an (Abb. 1). Auf diesem Hintergrund hat Europa in den letzten Jahrzehnten mehrere große Hitzewellen erfahren. Besonders herausragend war in den 2000er Jahren die "Mega-Hitzewelle" von 2003.[3] Auch in den Folgejahren ereigneten sich starke Hitzewellen in Europa, so in Westeuropa 2006 und in Nordeuropa 2008. Die 2010er Jahre begannen mit der extremen Hitzewelle im europäischen Russland 2010 mit lang anhaltenden Temperaturen von über 40 °C. In West- und dann in Mittel-Osteuropa folgten 2015 mehrere Hitzewellen hintereinander. 2017 waren schon im Frühsommer große Teile der Iberischen Halbinsel, Südfrankreich und Italien von außergewöhnlich hohen Temperaturen betroffen. Mit 2018 begannen dann einige Jahre, in denen sich Hitzewellen mit ausgedehnten Dürren paarten, die vor allem in Mitteleuropa zu extrem trockenen Bodenverhältnissen führten.

2021 wurde im Rahmen weiterer Hitzewellen mit 48,8 °C auf Sizilien am 11. August ein neuer europäischer Temperaturrekord gemessen.[4] Der Sommer 2022 war dann vorübergehend der heißeste Sommer in Europa seit Beginn der Messungen, der damit sogar den Sommer 2003 übertraf. Die wöchentlichen Temperaturen lagen um bis zu 3,6 °C über dem Mittel in den Jahren 1991-2020.[5] Außergewöhnlich waren die Temperaturen von über 40 °C in höheren Breiten, in denen sie neue Rekorde bedeuteten, so in Großbritannien[6] und in Hamburg[7]. Im folgenden Jahr 2023 wurden fast 40 °C bereits im Frühjahr auf der Iberischen Halbinsel und über 48 °C im Sommer auf Sardinien gemessen.

Abb. 2: Änderung der jährlichen Hitzetoten in Europa pro Jahrzehnt pro Millionen Einwohner im Zeitraum 2000-2020

Die Sommertemperaturen 2024 in Europa waren noch höher als im bisherigen Rekordjahr 2022 und lagen um 1,54 °C über dem Mittel von 1991-2020. Besonders hohe Temperaturen erlebte Südosteuropa. In vielen Regionen kam es zu starken Hitzewellen, so in Italien und in Südosteuropa mit Temperaturen bis 40 °C und mehr. Spanien, Italien und der südöstliche Mittelmeerraum litten zusätzlich unter tropischen Nächten. Ein wichtiger Grund vor allem für die hohen Nachttemperaturen waren die ungewöhnlich hohen Meeresoberflächentemperaturen, die z.B. am 15 August über das ganze Mittelmeer gemittelt 28,5 °C betrugen.[8] 2025 stiegen die Temperaturen bereits im Frühsommer im Südwesten Europas auf 48 °C. Betroffen waren vor allem Portugal, Spanien, Frankreich und der Süden Großbritanniens. Auch in diesem Jahr waren die Oberflächentemperaturen im Mittelmeer extrem hoch.[9]

Sterbefälle durch Hitze

Nach jüngsten Berechnungen forderte der extrem heiße Sommer 2003 in Europa in allen betroffenen Ländern zusammen 71.449 Todesopfer,[5] woran Frankreich und Italien am stärksten beteiligt waren.[10] Die extreme Hitzewelle 2010 in Russland hatte neben großflächigen Wald- und Torfbränden auch zahlreiche Tote und Verletzte zur Folge, die auf 55 000 geschätzt wurden, wovon nicht wenige davon in Moskau durch Rauch und Luftverschmutzung bedingt waren.[11]

Der Sommer 2022 (Abb. 3) reichte an die Zahl der Todesopfer durch Hitzewellen im Jahr 2003 fast heran. Allein in der Woche zwischen dem 18. und 24. Juli starben besonders in Mittel- und Südeuropa 11.637 Menschen durch die hohen Temperaturen. Über den ganzen Sommer lag die durch Hitze bedingte Todeszahl bei 62.862. Italien lag mit 18.000 Toten an der Spitze der einzelnen Staaten, gefolgt von Spanien mit 11.000 und Deutschland mit 8.000. Pro eine Mio. Einwohner hatte Italien 295 Tote durch die Hitze zu verzeichnen, Griechenland 280, Spanien 237 und Portugal 211. Es starben deutlich mehr Frauen als Männer und mehr Ältere über 65 als jüngere Menschen bis 64.[5] Über 47.000 Sterbefälle durch Hitze berechnete man für das Jahr 2023. Nach Einschätzung von Gallo et al. (2024)[12] haben die in den letzten zwei Jahrzehnten erfolgten Anpassungsmaßnahmen dazu geführt, dass die Opferzahlen nicht die Marke von 80.000 überschritten und damit den Rekord von 2003 noch übertroffen hätten.

2023 war der zeitwärmste Sommer in Europa; und lag mit 47.690 hitzebedingten Todesfällen an dritter Stelle nach 2022 und 2003. Auch 2023 befand sich der Schwerpunkt der Hitzeopfer in Südeuropa, aber mit mehr Sterbefällen im Südosten des Mittelmeerraumes, hauptsächlich in Griechenland. 2023 war jedoch das bis dahin wärmste Jahr in Europa, so dass die geringe Todeszahl gegenüber 2003 verwundern mag. Die in der Zwischenzeit erfolgte Anpassungsmaßnahmen haben die Sterbezahl jedoch erheblich reduziert. Ohne die Veränderungen bei den öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen und dem individuellen Verhalten wären bei den ständig steigenden Sommertemperaturen (Abb.1) 85.842 Tote zu erwarten gewesen. Hätte sich der heiße Sommer zwanzig Jahre früher ereignet, wäre die Sterblichkeit bei den damaligen Schutzmaßnahmen um 80% höher ausgefallen.[12]

Abb. 3: Links: Sommertemperatuen 2022 im Vergleich zum Mittel 1991-2020; rechts: Todesfälle durch Hitze pro Mio. Einwohner im Sommer 2022

2025 wurden in 12 großen europäischen Städten, u.a. in London, Paris, Rom, Mailand, Madrid und Lissabon, mit einer kumulierten Bevölkerung von 30 Mio. Menschen 2305 Tote auf die hohen Temperaturen zurückgeführt. 65% (1504) davon gehen nach Einschätzung der Studie auf das Konto des Klimawandels. Mailand und Madrid waren die Städte, bei denen die meisten Todesfälle durch den Klimawandel verursacht wurden.[9]

Projektionen

Europa ist nicht nur ein Hotspot der globalen Erwärmung, sondern auch ein alternder Kontinent. Beide Faktoren tragen zu einer hohen Sterblichkeit bei Hitzestress bei. Besonders die zukünftig zu erwartenden Hitzeextreme sowohl am Tage als auch nachts, aber auch die hohe Luftfeuchtigkeit, die die gefühlte Temperatur hochtreibt, werden die menschliche Gesundheit erheblich belasten.[13] Heiße Extreme wie Hitzewellen, warme Tage und Nächte werden in Europa in Häufigkeit und Stärke weiter zunehmen. Temperaturen über 35 °C werden im Mittelmeerraum um die Jahrhundertmitte an 10-20 Tagen häufiger vorkommen als gegenwärtig. Heutige Klimazonen werden sich nach Norden und Westen verschieben. In den Städten Europas wird die Anzahl von Hitzewellentagen von gegenwärtig 10% im Jahr auf jährlich 20-40% zunehmen.

Abb. 4: Hitzebedingte Todesfälle pro 1 Million Einwohner in der EU und Großbritannien bei einer globalen Erwärmung von (a) 1,5 °C, (b) 2,0 °C, (c) 3,0 °C und (d) 4,0 °C.

Bei einer globalen Erwärmung um 1,5 °C um die Jahrhundertmitte werden nach Schätzungen 100 Mio. Menschen in der EU und Großbritannien jährlich extremen Hitzewellen ausgesetzt sein, im Vergleich zu 10 Mio. Menschen im Zeitraum 1981-2010. Bis zum Ende des Jahrhunderts wird bei einem niedrigen Szenario mit 172 Mio. Menschen gerechnet, bei einem hohen Szenario mit 300 Mio. Menschen. Die starke Zunahme hitzegefährdeter Personen ist auch dadurch bedingt, dass der Anteil der über 65jährigen von 19% gegenwärtig auf 30% um 2100 steigen wird.[14]

Die hitzebedingte Sterblichkeit bei einer globalen Erwärmung um 1,5 °C könnte um das 10-Fache zunehmen, bei einer Erwärmung um 3,0 °C um das 30-Fache. Das bedeutet, dass am Ende des 21. Jahrhunderts mit Hunderttausenden von Toten durch Hitzewellen gerechnet werden muss.[14] Nach einer anderen Berechnung fällt bei einer globalen Erwärmung um 2,0 °C die jährliche Sterblichkeit durch Hitzestress pro eine Mio. Einwohner im europäischen Mittel um 160-170 Fälle höher aus (Abb. 4). Bei einer globalen Erwärmung um 4 °C kann die Sommerhitze jährlich ca. 470 Tote pro eine Mio. Einwohner zur Folge haben. In einzelnen Regionen kann die Sterblichkeit wesentlich höher liegen, so auf der Iberischen Halbinsel, in Italien oder Griechenland.[13]

Einzelnachweise

  1. an der Heiden, M., Robert Koch-Institut (2025): Hitzebedingte Mortalität in Deutschland 2023 und 2024, Epidemiologisches Bulletin 19:3-9
  2. Copernicus Climate Change Service (C3S) and World Meteorological Organization (WMO), 2025: European State of the Climate 2024
  3. Miralles, D.G., et al. (2014): Mega-heatwave temperatures due to combined soil desiccation and atmospheric heat accumulation, Nature Geoscience, DOI: 10.1038/NGEO2141
  4. WMO (2022): State of the Climate in Europe 2021
  5. 5,0 5,1 5,2 Ballester, J., M. Quijal-Zamorano, R.F. Méndez Turrubiates et al. (2023): Heat-related mortality in Europe during the summer of 2022. Nat Med 29, 1857–1866
  6. Kendon, M., Met Office (2022): Unprecedented extreme heatwave, July 2022
  7. Leyser, A., DWD (2022): Hitzewelle endet historisch
  8. Copernicus (2024): C3S seasonal lookback: summer 2024
  9. 9,0 9,1 Clarke, B., et al. (2025). Climate change tripled heat-related deaths in early summer European heatwave. Grantham Institute report
  10. Trigo, R.M., R. García-Herrera, J. Díaz, I.F. Trigo, and M.A. Valente (2005): How exceptional was the early August 2003 heatwave in France?, Geophys. Res. Lett., 32, L10701, doi:10.1029/2005GL022410
  11. Hoerling, M., NOAA (2010): The Russian Heat Wave of 2010
  12. 12,0 12,1 Gallo, E., Quijal-Zamorano, M., Méndez Turrubiates, R.F. et al. (2024): Heat-related mortality in Europe during 2023 and the role of adaptation in protecting health. Nat Med 30, 3101–3105
  13. 13,0 13,1 Wu, X., J. Wang, Y. Ge et al. (2025): Future heat-related mortality in Europe driven by compound day-night heatwaves and demographic shifts. Nat Commun 16, 7420
  14. 14,0 14,1 European Environment Agency (2024): European Climate Risk Assessment


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