Ozonloch über der Antarktis

Aus Klimawandel
Das Ozonloch über der Antarktis am 24.9.2003. Mit 28 Millionen km2 war das Ozonloch (d.i. die Fläche, über der die Gesamtozonmenge bei unter 220 DU lag) fast doppelt do groß wie die Antarktis.

Die mittlere globale Ozonzerstörung seit dem Ende der 1970er Jahre von ca. 4% ist sehr unterschiedlich über den Erdball verteilt. Während die niederen Breiten beiderseits des Äquators so gut wie keine Veränderungen aufweisen, zeigt sich die stärkste Ozonvernichtung über den Polargebieten und besonders über der Antarktis. Die antarktische Ausdünnung der Ozonschicht im Südfrühjahr (September bis November) ist als "Ozonloch" bekannt geworden. Sie wurde zu Beginn der 1980er Jahre entdeckt und wird seitdem durch Satelliten-, Boden-, Ballon- und Flugzeugmessungen genauestens beobachtet.

Veränderungen des Ozonlochs

Die Entwicklung der Ozonlochgröße über der Antarktis. Dargestellt sind die Mittelwerte im September.

Von einem "Ozonloch" spricht man, wenn die Mittelwerte der Ozonsäule über die Zeit vom 7. September bis 13. Oktober unter 220 Dobson Unit (DU)[1] liegen. Das ist der Wert, der nach der Entdeckung des Ozonlochs zuerst in den 1980er Jahren gemessen wurde. Das Maximum der Ozonzerstörung liegt in der zweiten Septemberhälfte. Die Größe des Ozonlochs, d.h. das Gebiete über der Antarktis, das im September-Oktober weniger als 220 DU aufweist, lag in den letzten Jahren bei ca. 25 Mio km2, was ungefähr der doppelten Größe des antarktischen Kontinents entspricht. Im Kern des Ozonlochs über der zentralen Antarktis sind die Werte zeitweilig auf 100 DU und weniger gefallen, verglichen mit ca. 300 DU in den 1970er Jahren.

Die Masse des zerstörten Ozons in jedem Südfrühling ereicht ca. 80 Megatonnen (1 Megatonne = 1 Mrd. kg), was ungefähr 3% der globalen Ozonmasse ausmacht. Ballonmessungen zeigen, dass die Ozonzerstörung in der Höhe von 14-20 km, wo früher die höchsten Ozonwerte im antarktischen Frühling gemessen wurden, an bestimmten Tagen nahezu vollständig ist. Gegenüber den Werten aus der Zeit vor 1980 ist hier die Ozonmenge auch noch im Oktober um etwa 90% reduziert.

Das Ozonloch dehnte sich in der Fläche während der 1980er Jahre bis Anfang der 1990er schnell von 0 auf ca. 20 Mio km2 aus und nahm in den 1990er Jahren nur noch langsam zu. 2002 schrumpfte es überraschen auf nur ca. 10 Mio km2 zusammen, wies aber dann 2003 mit ca. 26 Mio km2 den bisher höchsten Wert auf. Der höchste Tageswert wurde mit fast 30 km2 am 20 September 2000 erreicht.[2] Neuere Trenduntersuchungen bis 2003 zeigen, dass in den Monaten Oktober und November das Maximum der Ozonzerstörung offensichtlich überschritten ist, für September aber noch mit einer weiteren Ausdehnung des Ozonlochs gerechnet werden kann.[3]

Ursachen für das Ozonloch

Antarktischer Polarwirbel und Polare Stratosphärenwolken (PSC) sind die Grundlage der stratosphärischen Ozonchemie, die zu Entstehung eines Ozonlochs führt.

Die Ursachen für die extreme Ozonzerstörung über der Antarktis liegen in den besonderen meteorologischen Bedingungen des antarktischen Winters und Frühjahrs. Drei miteinander zusammenhängende Faktoren sind dafür verantwortlich, dass sich die Chlorchemie der Antarktis (und in geringerem Maße auch der Arktis) von der der übrigen Stratosphäre unterscheidet:

  • extrem niedrige Temperaturen,
  • die Bildung eines stabilen Polarwirbels,
  • die meteorologische Isolation und
  • die Bildung polarer stratosphärischer Wolken.

Grundlegend sind die niedrigen Stratosphären-Temperaturen, die während des antarktischen Winters bei -80 °C und weniger liegen. Dadurch kommt es über der Antarktis zum Absinken von Luftmassen, wodurch in der Stratosphäre ein kräftiges Tiefdruckgebiet entsteht. Die in das Tief einströmende Luft wird durch die Corioliskraft zu einem sich im Uhrzeigersinn drehenden zirkumpolaren Wirbel umgelenkt. Die Untergrenze des Polarwirbels liegt einige km über der Tropopause, die Obergrenze bei etwa 30 km Höhe. Die den Pol umkreisende Winde verhindern das Eindringen wärmerer und ozonreicherer Luftmassen aus niederen Breiten. Ohnehin sind die planetaren Wellen, die für einen meridionalen Lufttransport Richtung Pol sorgen könnten, aufgrund der Land-Meer-Verteilung auf der Südhalbkugel nur schwach ausgebildet. Durch diese Isolation der antarktischen Stratosphäre von der übrigen Atmosphäre können sich die spezifischen meteorologischen Bedingungen über mehrere Monate ungestört auswirken.

Die wichtigste Folge im Hinblick auf die antarktische Ozonzerstörung ist die Entstehung von polaren Stratosphärenwolken (PSC für engl. Polar Stratospheric Clouds), die sich bei Temperaturen unter - 78 °C bilden. Bei weiter sinkenden Temperaturen wachsen in den PSC-Tröpfchen Eiskristalle heran, die als Perlmuttwolken beobachtet werden können. Die besonderer Bedeutung der PSC-Wolken für die Entstehung eines Ozonlochs besteht darin, dass auf den Oberflächen ihrer Partikel chemische Reaktionen ablaufen, die Chlorreservoiremoleküle in Chlormoleküle umwandeln. Vor allem reagieren dabei die Reservoiremoleküle Chlornitrat (ClONO2) und Salzsäure (HCl) miteinander:

ClONO2 + HCl -> Cl2 + HNO3

Das dabei entstehende Chlormolekül (Cl2) ist für das Ozon zunächst unproblematisch. Es wird jedoch am Ende der Polarnacht durch die ersten Sonnenstrahlen in Chlorradikale gespalten, die dann in den katalytischen Chlorzyklus eintreten.:

Cl2 + hv -> Cl + Cl

Die Reaktionen an den PSC-Partikeln vernichten nahezu das gesamte Chlornitrat im Umfeld der Stratosphärenwolken und legen dadurch die Grundlage für seine Umwandlung in Chlorradikale. Hinzu kommt, dass größere PSC-Partikel während des polaren Winters absinken und dabei nahezu vollständig Salpetersäure (HNO3) aus der Ozonschicht entfernen. Das ist deswegen problematisch, weil unter normalen Bedingungen aus Salpetersäure unter Einwirkung von Sonnenstrahlung Stickstoffdioxid (NO2) entsteht und über die Reaktion mit Stickstoffdioxid Chlormonoxid (ClO) in das Reservoiremolekül Chlornitrat (ClONO2) eingebaut wird:

HNO3 + hv -> NO2 + OH

NO2 + CLO -> ClONO2

Je weniger Salpetersäure vorhanden ist, desto weniger Stickstoffdioxid steht für diesen Prozess zur Verfügung. Dadurch wird der Wiedereinbau von Chlorradikalen in Reservoiremoleküle im Frühjahr deutlich verzögert und die Ozonzerstörung verlängert.

Die Temperaturen der polaren Stratosphäre spielen nicht nur für die Entstehung der PSC eine wichtige Rolle, sondern beeinflussen auch direkt die Reaktivität von Chlor, die bei Temperaturen um -78 °C besonders hoch ist. Höhere Temperaturen reduzieren die Reaktion mit Ozon. Das ist von besonderer Bedeutung für die Ausdehnung des Ozonlochs, dessen Rand entscheidend durch die dort herrschende Temperatur bestimmt wird. Eine Temperaturabnahme um 1 °C am Ozonlochrand bewirkt eine Vergrößerung der Fläche des Ozonlochs um 1,1 Mio km2. Die Temperaturen hier hängen wiederum stark von der Wirkung troposphärischer Wellen auf die Stratosphäre, d.h. von dem Einstrom wärmerer Luft, ab.

Das Montrealer Protokoll

Die Ergebnisse der weltweiten Forschung über die stratosphärische Ozonzerstörung haben dazu geführt, dass sich die Industriestaaten im Montrealer Protokoll von 1987 bereit erklärt haben, die Produktion von ozonzerstörenden Gasen schrittweise einzustellen. Die Regelungen des Montrealer Protokolls wurden später durch die Verträge von London (1990) und Kopenhagen (1992) noch erheblich verschärft. 1999 regelte das Abkommen von Peking die Beteiligung der Entwicklungsländer an der Eindämmung der Produktion ozonzerstörender Gase. Ohne diese Abkommen hätten sich die Produktion und der Gebrauch von halogenierten Kohlenwasserstoffen bis in die Mitte der 2050er Jahre gegenüber 1980 wahrscheinlich verzehnfacht. Die Ozonzerstörung wäre weit über das heute bekannte Maß hinausgegangen, und die UVB-Strahlung an der Erdoberfläche und infolgedessen die Fälle von Hautkrebs hätten besorgniserregend zugenommen. Tatsächlich haben die internationalen Abkommen dazu geführt, dass die Emission wichtiger halogenierter Kohlenwasserstoffe zurückgegangen ist und die Konzentration in den 1990er Jahren ihren Höhepunkt erreicht hat und seitdem langsam abnimmt. Die Folgen zeigen sich bereits in der Konzentration ozonzerstörender Gase in der Stratosphäre.

Entwicklung des Ozonlochs bis heute

Beobachtete und prognostizierte Veränderung der atmosphärischen Konzentration wichtiger Fluorchlorkohlenwasserstoffe sowie von effektivem Chlor (Chlor und anteiligem Brom) in der Stratosphäre

Die Konzentration von effektivem stratosphärischem Chlor - diese Größe berücksichtigt sowohl Chlor- wie (entsprechend ihrem Anteil an der Ozonzerstörung) Bromverbindungen - nahm bis 1993 auf 2,6 ppv und danach noch einmal um 0,4 ppbv auf 3,0 ppbv im Jahre 1999 zu. Seit 1999 nimmt die Konzentration um 1%/a ab. Die einfache Formel ,"Chlor runter Ozon rauf" trifft jedoch nicht die ganze Realität.[4] Gegenwärtig wird der Einfluss der Chlorabnahme durch die von der stratosphärischen Temperatur und Dynamik abhängigen jährlichen Schwankungen der Ozonloch-Größe von ungefähr 4 km2 bzw. 10-20% völlig überdeckt. So ist auch das ungewöhnlich kleine Ozonloch des Jahres 2002 kein Zeichen für den Beginn der Erholung der antarktischen Ozonschicht, sondern eine Folge der ungewöhnlichen meteorologischen Bedingungen im südlichen Frühjahr/Winter 2002, die durch einen starken Einstrom warmer und ozonreicher Luft aus niedereren Breiten gekennzeichnet waren.[5] Ebenso ist die seit 1982 geringste Ausdehnung des Ozonlochs im September 2019 eine Folge ungewöhnlicher Wetterverhältnisse, nämlich besonders warmer Bedingungen in der unteren Stratosphäre.[6] Die Temperaturen lagen völlig ungewöhnlich 16 °C über dem langjährigen Mittel. Dadurch bildeten sich weniger polare Stratosphärenwolken, was die onzonzerstörenden Prozesse verringerte. Eine weitere Folge war die Abschwächung des Polarwirbels, wodurch ozonreiche Luft aus niederen Breiten hereinströmen konnte.

Projektionen

Die durch den Menschen verursachte globale Erwärmung der unteren Troposphäre wird das Ozonloch möglicherweise zunächst weiter wachsen lassen, da sich die polare untere Stratosphäre aufgrund der Zunahme der Treibhausgase in der Troposphäre weiter abkühlen wird. Bis 2010 haben Modelle eine Abkühlung um 0,5-1,5 °C im Vergleich zu 1992-2000 errechnet, was einer Vergrößerung des Ozonlochs um 0,33-1,00 Mio km2 zur Folge haben könnte. Außerdem hat der troposphärische Klimawandel durch den Menschen auch einen Einfluss auf die Wellenenergie von der Troposphäre in die Stratosphäre. Die z.Zt. noch sehr unsicheren Ergebnisse von Modellsimulationen ergeben eine mögliche Reduktion des Wellenantriebs um 10% mit der Folge einer Zunahme des Ozonloch um 1,2 Mio km2, da der Transport von warmer, ozonreicherer Luft in die polare Stratosphäre verringert wird. Das könnte die Wiederherstellung der Ozonschicht über der Antarktis bis in die zweite Hälfte des 21. Jahrhunderts verschieben.[7]

Einzelnachweise

  1. Ein Maß für die Stärke der Ozonschicht. Gemessen wird die Gesamtmenge des Ozons über dem Boden. 100 DU entsprechen einer "Säule" von 1 mm reinem Ozon.
  2. Newman, P. A., Kawa, S.R., Nash, E.R. (2004): On the size of the Antarctic ozone hole, Geophys. Res. Lett., Vol. 31, L21104, doi: 10.1029/2004GL020596
  3. Alvarez-Madrigal, M., J. Pérez-Peraza (2005): Analysis of the evolution of the Antarctic ozone hole size, Journal of Geophysical Research 110, No. D2, D02107, doi: 10.1029/2004JD004944
  4. Köhler, U., W. Steinbrecht, B. Haßler, A. Richter, J. Anderson, J. Russell III (2004): 20 Jahre Ozonloch - XX. Quadrennial Ozon Symposium auf Kos (Griechenland), Ozonbulletin des Deutschen Wetterdienstes 99
  5. Sinnhuber, B.-M., M. Weber, A. Amankwah, and J.P. Burrows (2003): Total ozone during the unusual Antarctic winter of 2002, Geophysical Research Letters 30, No. 11, 1580, doi: 10.1029/2002GL016798
  6. NASA (2019): Ozone Hole is the Smallest on Record Since Its Discovery
  7. Newman, P. A., Kawa, S.R., Nash, E.R. (2004): On the size of the Antarctic ozone hole, Geophys. Res. Lett., Vol. 31, L21104, doi: 10.1029/2004GL020596

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