Klimasensitivität

Aus Klimawandel

Was ist die Klimasensitivität?

Die Klimasensitivität ist ein Maß dafür, wie sensibel die global gemittelte bodennahe Lufttemperatur auf der Erde auf Änderungen der Kohlendioxid-Konzentration reagiert. Sie wird daher in °C angegeben und steht für die Temperaturänderung, die die Erde bei einer Verdoppelung des vorindustriellen CO2-Gehalts erfahren würde. Eine Verdoppelung des CO2-Gehalts der Atmosphäre von 280 ppm vorindustriell auf 560 ppm wird ohne weitere Maßnahmen gegen die Emission von anthropogenen Treibhausgasen um 2060 erwartet. Gegenwärtig liegt die CO2-Konzentration bei 416 ppm. D.h. etwa der halbe Weg zu einer Verdoppelung ist bereits erfolgt

Es gibt zwei Arten von Klimasensitivität:

  1. Die Gleichgewichts-Klimasensitivität (engl. ECS = equilibrium climate sensistivity) meint den Klimazustand, der eintritt, nachdem das Klimasystem sich an die doppelte Menge von CO2 in der Atmosphäre angepasst hat. Das kann hunderte bis über 1000 Jahre dauern, vor allem weil der Austausch der Erwärmung der Atmosphäre mit der des Ozeans (Erwärmung des Ozeans) sehr langsam erfolgt.
  2. Die transiente Klimasensitivität bezieht sich auf die Erwärmung zum Zeitpunkt der CO2-Verdoppelung. Dabei geht man von einer Zunahme des Kohlendioxids von 1% jährlich aus. Die Erwärmung ist geringer, weil die Verteilung der Wärme zwischen Ozean und Atmosphäre noch keinen Gleichgewichtszustand erreicht hat.

Die Klimasensitivität wird auf verschiedene Art und Weise berechnet. Zum einen gilt es, ein belastbares theoretisches Verständnis des Klimasystems mit all seinen Feedbackprozessen, z.B. zwischen Wolken und Strahlung, zu entwickeln. Das leisten im wesentlichen Computermodelle, die das Klimasystem und seine Dynamik möglichst genau abbilden. Zweitens werden die bisherigen Klimaänderungen seit Beginn der Industrialisierung und ihre Beziehung zum Anstieg des CO2-Gehalts der Atmosphäre untersucht. Hier lässt sich immerhin ablesen, dass der CO2-Gehalt um fast 50% zugenommen hat und die globale Mitteltemperatur im selben Zeitraum um 1 °C gestiegen ist. Daraus lässt sich aber noch keine mathematische Formel ableiten, mit der sich die Klimasensitivität berechnen ließe. Die Erwärmung um 1 °C ist weit von einem Gleichgewichtszustand mit dem CO2-Gehalt von 416 ppm entfernt. Die transiente Sensitivität lässt sich für 2060 ebenfalls nicht berechnen, weil die beteiligten Feedbackprozesse, z.B. durch Aerosole, Eis oder Wolken, in den nächsten Jahrzehnten ganz anders ablaufen könnten als bisher. Eine dritte Quelle der Erkenntnisse über die Klimasensitivität der Erde sind Untersuchungen über das Verhalten des Klimas in der fernen Vergangenheit, des Paleoklimas, bei Änderungen des CO2-Gehalts. Hier haben sich besonders das letzte glaziale Maximum (ca. 20 000 Jahre vh.) und das mittlere Pliozän (3,3 bis 3,0 Mio. Jahre vh.) als lohnend erwiesen.

Abb. 1: Klimasensitivität im 5. IPCC-Bericht, bei den CMIP5-Modellen, die für den 5. IPCC-Bericht entwickelt wurden und bei den bisherigen CMIP6-Modellen für den 6. IPCC-Bericht

Wie groß ist die Klimasensitivität?

Die Klimasensitivität zu kennen ist der Schlüssel zu einer verlässlichen Projektion des Klimas. Sie ist allerdings kein vorgegebener Wert in globalen Klimamodellen, sondern Resultat vieler verschiedener Rückkopplungseffekte, wie z.B. der Wasserdampf-Rückkopplung (je wärmer es wird, desto mehr erwärmender Wasserdampf befindet sich auch in der Luft; vgl. Wasserkreislauf und Klima) und der Eis-Albedo-Rückkopplung, die von jedem Klimamodell auf seine Weise berechnet werden. Insbesondere die Veränderung der Bewölkung und deren Rückwirkung auf die globale Erwärmung ist schwer abschätzbar und vergrößert die Unsicherheitsspanne. Die Unsicherheiten des sich ändernden Kohlenstoffkreislaufs (z.B. die zusätzlichen Emissionen aus Pflanzen und Böden) werden nicht dazu gerechnet, obwohl sie natürlich ebenfalls zu Klimaänderungen beitragen werden.

Abb. 2: Links: Ergebnisse der Untersuchung von Sherwood et al. (2020): Schwarzer Balken: wahrscheinliche (66%) Bandbreite der Gleichgewichts-Klimasensitivität (ECS) 2,6-4,1 °C, mit einer besten Schätzung von etwa über 3 °C. Dünner Balken: 90%-Wahrscheinlichkeit. Grauer Balken: effektive Klimasensitivität = Erwärmung 150 Jahre nach einer CO2-Verdoppelung;
Rechts: Zum Vergleich die Schätzungen vom 5. Sachstandsbericht des IPCC 2013 (blau), CMIP5-Modellen[1] (gelb) und CMIP6- Modellen (orange); Punkte in den beiden rechten Säulen zeigen einzelne Modellergebnisse.

Der Wert der Klimasensitivität liegt nach Einschätzung des vierten Sachstandsberichts des Weltklimarates (IPCC) von 2007 zwischen 2 und 4,5 °C (Abb. 1). Das IPCC bezeichnet diese Spanne als „wahrscheinlich“, der beste mittlere Schätzwert liege bei 3 °C; eine Sensititvät von unter 1,5 °C sei „sehr unwahrscheinlich“.[2] Der fünfte Sachstandsbericht des IPCC von 2013 korigierte seine Schätzung von 2007 auf 1,5 - 4,5 °C, bei einem Mittelwert von 3,2 °C. Der Grund für die Korrektur des unteren Wertes von 2 °C auf 1,5 °C liegt in Unsicherheiten über die Wärmeaufnahme des Ozeans.[3]

Die Auswertung von ersten Modellrechnungen zum 6. Report des IPCC, der ab 2021 erscheinen soll, zeigt, dass die Klimasensitivität der neuen Modelle deutlich höher als die der vorherigen Modellgeneration ist (Abb. 1). Die bisher gerechneten 31 Modell-Simulationen zeigen eine Klimasensitivität von 1,8-5,6 °C, zehn von ihnen sogar mehr als den höchsten Wert der Modelle für den 5. IPCC-Bericht von 4,5 °C.[4] Noch liegen allerdings weniger als ein Drittel der erwarteten Modellergebnisse zu dem Thema vor. Daher lassen sich auch die Gründe für die höhere Klimasensitivität nicht endgültig bestimmen. Eine wichtige Rolle dürfte die Darstellung von tieferen außertropischen Wolken besonders über dem Südlichen Ozean spielen.[5]

Die Reaktion von Wolken auf die globale Erwärmung stellt die größte Unsicherheitsquelle für die Bestimmung der Klimasensitivität dar. Wolken reagieren sehr unterschiedlich auf höhere Temperaturen. So steigen hohe tropische Eiswolken in noch größere Höhen auf. Subtropische Wolken werden wahrscheinlich mengenmäßig abnehmen. Beide Prozesse verstärken die Erwärmung, stellen also positive Rückkopplungen dar.[6]

Wolken bestehen aus Wassertropfen, Eiskristallen oder einer Mischung von beiden. Durch die globale Erwärmung werden Eiskristalle in Wassertropfen umgewandelt und ihr Anteil geht zurück. Das führt zunächst zu einer negativen Rückkopplung bzw. einer Abkühlung. Der Grund ist die höhere optische Dicke und damit die höhere Albedo von Wolken aus flüssigen Tropfen im Vergleich zu gemischten Wolken oder solchen, die nur aus Eiskristallen bestehen. Bei derselben Wassermenge sind flüssige Tropfen kleiner und zahlreicher als Eiskristalle und reflektieren daher mehr Sonnenstrahlung zurück in den Weltraum. Sind nach einer weiteren Erwärmung die Eiskristalle weitgehend umgewandelt, erschöpft sich die hieran gekoppelte negative Rückkopplung. Das Klimasystem verliert so eine natürliche Abkühlungsreaktion auf die Erwärmung, die damit ungehinderter ablaufen kann.[7]

2020 hat eine aufwendige Studie zur Klimasensitivität, die sowohl Modellsimulationen des Klimasystems und seiner Rückkopplungen als auch Beobachtungsdaten der letzten Jahrzehnte sowie Paläountersuchungen der letzten Eiszeit und des Pliozäns berücksichtigt, die bisherige große Spanne der Klimasensitivitäts-Abschätzungen deutlich verringert (Abb. 2).[8] Während die wahrscheinliche Bandbreite zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Wert der Klimasensitivität des 5. IPCC-Sachstandsberichts noch 3 °C betrug, hat die Untersuchung von Sherwood et al. (2020) die Differenz auf 1,5 °C halbiert. Der niedrigste wahrscheinliche Wert (66% Wahrscheinlichkeit nach der Klassifizierung des IPCC) der Gleichgewichts-Klimasensitivität liegt danach bei 2,6 °C, der höchste bei 4,1 °C. Damit sind sowohl die bisherigen höchsten wie die niedrigsten Werte als unwahrscheinlich eingestuft. Die Autoren haben zudem noch eine Sensitivitätsgröße berechnet, die den Klimazustand 150 Jahre nach Verdoppelung der CO2-Konzentration darstellt und eine Spanne von 2,3-4,5 °C als wahrscheinlich bestimmt.

Einzelnachweise

  1. CMIP5-Modelle wurden für den 5. IPCC-Sachstandsbericht eingesetzt
  2. Intergovernmental Panel on Climate Change (2007): IPCC Fourth Assessment Report - Working Group I Report "The Physical Science Basis"
  3. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, Box 12.2
  4. Hausfather, Carbon Brief (2019): CMIP6: the next generation of climate models explained
  5. Zelinka, M.D., T.A. Myers, D.T. McCoy, et al. (2020): Causes of higher climate sensitivity in CMIP6 models, Geophysical Research Letters, doi: 10.1029/2019GL085782
  6. Bjordal, J., T. Storelvmo, K. Alterskaer and T. Carlsen (2020): Equilibrium climate sensitivity above 5C plausible due to state-dependent cloud feedback, Nature Geoscience 13, 718-721, doi:10.1038/s41561-020-00649-1y
  7. Carlsen, T., J. Bjordal, T. Storelvmo, K. Alterskjaer, CarbonBrief (2020): Guest post: How declining ice in clouds makes high ‘climate sensitivity’ plausible
  8. nach Forster, P., Z. Hausfather, G. Hegerl, S. Sherwood & K. Armour (2020): Guest post: Why low-end ‘climate sensitivity’ can now be ruled out, https://www.carbonbrief.org/guest-post-why-low-end-climate-sensitivity-can-now-be-ruled-out

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