Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)
Krankheitsbild
Neben der Borreliose ist die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) die mit Abstand wichtigste durch Zecken übertragene Krankheit für den Menschen. Der Krankheitserreger ist ein Virus der Gattung Flavivirus, der zwischen der Zecke und deren Wirten, z.B. Kleintiersäugern, hin und her übertragen wird. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt in den meisten Fällen durch Zeckenbiss während der Blutmahlzeit.
Die Krankheit äußert sich zunächst fiebrige Infektionskrankheit, die mit einer Influenza verwechselt werden kann. Bei 30 % der Infizierten kommt es nach ca. einer Woche erneut zu hohem Fieber und zur Entzündung des Zentralen Nervensystem, zur Gehirnhautentzündung und anderen Symptomen.[1]
Verbreitung
In Europa sind von der Meningoenzephalitis ca. 28 Staaten betroffen. Als Länder mit einer sehr hohen absoluten Anzahl der Fälle gelten Russland, Tschechien, Lettland und Litauen. Deutschland zählt zu den Ländern mit einer hohen Anzahl. Sehr geringe Bedeutung hat die Krankheit in Italien, Frankreich, Dänemark und Norwegen. Bezogen auf die Bevölkerungszahl stehen die baltischen Länder Lettland und Estland an der Spitze.[1]
Die Infektionen mit Meningoenzephalitis haben in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen, in den zehn am stärksten betroffenen europäischen Ländern zwischen den 1970er und den 1990er Jahren um über 400 %. Eine Ausnahme ist Österreich, wo eine konsequente vorbeugende Impfung dazu geführt hat, dass die Zahl der Erkrankungen auf ca. ein Sechstel geschrumpft ist. In Deutschland ist die Zahl der Fälle von 185 pro Jahr in den 1990er Jahren ca. 500 in 2005/06 deutlich angestiegen. Betroffen sind insbesondere Baden-Württemberg und Bayern, aber auch etliche Landkreise in Hessen.[1] In der Tschechischen Republik hat die Zahl der Infektionen von 310 in den Jahren 1965-1992 auf 620 in den Jahren 1993-2006 ebenfalls deutlich zugenommen.
Hinzu kommt eine Ausbreitung der Areale mit infizierten Zecken sowohl in die Höhe wie in höhere Breiten. In Tschechien wurden Höhen über 750 m bis zum Ende des 20. Jahrhunderts als zeckenfrei betrachtet. Im tschechischen Riesengebirge wurden jedoch 2005 mit Enzephalitis infizierte Zecken bis in eine Höhe von 1200 m nachgewiesen.[2] Im Raum Stockholm wurden bereits vor über 10 Jahren zwischen den 1960ern und den 1990er Jahren eine Zunahme der Anzahl der Meningoenzephalitis-Fälle von etwa 20 auf knapp 60 festgestellt.[3] Eine jüngere Untersuchung hat auch für das westliche Mittelschweden eine Ausbreitung der Infektionen aufgezeigt. Als Ausbreitungsweg wird eine Übertragung von Mitteleuropa nach Schweden und weiter nach Norwegen durch Vögel für wahrscheinlich gehalten.[4]
Einfluss des Klimawandels?
Kann ein Zusammenhang zwischen der beobachteten aktuellen Ausbreitung der FSME mit klimatischen Veränderungen hergestellt werden? Für Mittelschweden wurden schon für die 1990er Jahre die zunehmend milderen Wintertemperaturen für die höhere Infektionsrate verantwortlich gemacht.[3] So hat sich die mittlere Zahl der Frosttage von weniger als -7 °C pro Jahr im Raum Stockholm von den 1960ern auf die 1990er Jahre von 40 auf 11 verringert, während im gleichen Zeitraum die Anzahl der FSME-Fälle von etwa 20 in den 1960er Jahren auf knapp 60 in den 1990er Jahren gestiegen ist. Allerdings hat sich in derselben Zeit auch das Freizeitverhalten der Bevölkerung gewandelt.
In der Tschechischen Republik werden die Beziehungen zwischen klimatischen Bedingungen und Enzephalitis-Fällen seit 2000 systematisch untersucht. Eindeutige Beziehungen festzustellen hat sich jedoch als schwierig erwiesen. So hat sich z.B. im Jahre 2006 zwar die Aktivität der Zecken in den ungewöhnlich warmen Frühsommermonaten erhöht. Aber auch der darauf folgende kühle und regnerische August förderte die Infektionen. Das lag einmal daran, dass die Zecken nicht, wie in trockenen und warmen Augustmonaten üblich, ihre Aktivität weitgehend einstellten, sondern aufgrund der hohen Niederschläge weiter intensiv auf Wirtssuche waren. Zum anderen spielte eine Rolle, dass die Bevölkerung, statt z.B. Schwimmbäder zu besuchen, eher in den Wald zum Pilze Sammeln ging und sich damit einem erhöhten Zeckenrisiko aussetzte.
In Deutschland gibt es gegenwärtig günstige Bedingungen für die Übertragung von Enzephalitis im Südwesten, mit Temperaturen in den wichtigen Monaten März bis Mai von 9-11 °C und Niederschlägen bis zu 550 mm.[5] Eine Ausdehnung dieser Bedingungen weiter nach Norden konnte beobachtet werden. Die abnehmenden Niederschläge in Sachsen und Brandenburg stellen allerdings einen weniger günstigen Faktor dar. Für die nächsten 50 Jahre ist mit einer weiteren Erwärmung um 0,6-1,8 °C zu rechnen, vor allem allerdings im Süden und weniger im Norden. Auch die Niederschläge werden im Süden eher zu-, im Norden in vielen Regionen eher abnehmen. Das bedeutet, dass sich die Bedingungen für Enzephalitis-Infektionen vor allem in den heute schon am stärksten betroffenen Gebieten verbessern werden. Diese qualitative Abschätzung ist allerdings mit vielen Unsicherheiten behaftet. Ob die klimatische Entwicklung tatsächlich mehr Infektionen zur Folge haben wird, hängt nicht nur von der Migrations- und Anpassungsfähigkeit der Zecken, sondern nicht zuletzt auch vom menschlichen Verhalten ab.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Süss, J. (2008): Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) – Zunahme der Indizien in Europa und der Klimawandel, in: Lozán, J.L. (Hg.): Warnsignal Klima. Gesundheitsrisiken. Gefahren für Pflanzen, Tiere und Menschen. Hamburg, Freiburg, Bonn, List/Sylt, 224-228
- ↑ Danielová, V. (2008): Tick-borne encephalitis virus expansion to higher altitudes correlated with climate warming, International Journal of Medical Microbiology 298, S1, 68-72
- ↑ 3,0 3,1 Lindgren, E. (1998): Climate and tikborne encephalitis, Conservation Ecology, 2, 5-7
- ↑ Brinkley, C. et al. (2008: Tick-borne encephalitis virus natural foci emerge in western Sweden, International Journal of Medical Microbiology 298, S1, 73–80
- ↑ Gerstengabe, F.-W., and P.C. Werner (2008): Climate development in the last century – Global and regional, International Journal of Medical Microbiology 298, S1, 5-11
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