Desertifikation und Klimawandel

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Desertifikation oder Klimawandel?

Abb. 1: Wüsten und Trockengebiete der Erde (ohne Kältewüsten)

Die Vollversammlung der Vereinten Nationen hat das Jahr 2006 zum Internationalen Jahr der Wüsten und der Desertifikation ausgerufen. Die Ausbreitung der Wüsten (Desertifikation) wird als eines der großen Umwelt- und Entwicklungsprobleme des 21. Jahrhunderts gesehen. Gefährdet sind davon die Trockengebiete der Welt, die 41% der globalen Landoberfläche oder 61 Millionen km2 ausmachen und zu einem großen Teil auch Wüstenrandgebiete sind. Etwa zwei Milliarden Menschen leben in diesen Trockengebieten, 90 % davon in Entwicklungsländern.[1]

Der Begriff "Desertifikation" stammt vom lateinischen desertus facere ab, was übersetzt "wüst machen" oder auch "verwüsten" bedeutet. Im deutschen Sprachgebrauch wird "Desertifikation" häufig etwas verkürzt mit "Wüstenbildung" übersetzt. Dabei steht der Begriff im Deutschen meist für die Wüstenbildung anthropogenen Ursprungs im Gegensatz zur natürlichen Wüstenbildung. Gemeint ist damit der direkte Eingriff des Menschen in das jeweilige Ökosystem, also nicht durch den vom Menschen verursachten Klimawandel. Man spricht von Desertifikation, wenn in Gebieten mit relativ trockenem Klima die natürlichen Ressourcen (Boden, Vegetation, Wasser) als Folge einer zu intensiven Nutzung durch den Menschen beeinträchtigt oder zerstört werden. Die wichtigsten Eingriffe sind die Überweidung, eine unangepasste ackerbauliche Nutzung sowie die Entwaldung für Brenn- und Bauholz.

Abb. 2: Schematische Darstellung der Hadley-Zirkulation

Hat die weltweit beobachtete Desertifikation aber auch etwas mit dem Klimawandel der letzten Jahrzehnte zu tun und wird sie daher mit dem zu erwartenden weiteren Klimawandel in diesem Jahrhundert voranschreiten? Ein Blick auf die Verbreitung der Trockengebiete zeigt, dass deren Lage von klimatischen Verhältnissen bestimmt wird. Es sind vor allem die subtropischen Gebiete nördlich und südlich der Tropen, die von Trockenzonen eingenommen werden, moduliert durch die Verteilung von Land und Meer und den Einfluss von Meeresströmungen. Grundlegend ist die atmosphärische Zirkulation verantwortlich. Der aufsteigende Ast der Hadley-Zirkulation führt in den äquatorialen Regionen zu den höchsten Niederschlägen auf der Erde. Die absteigenden Äste im Gebiet der Wendekreise auf der Nord- und Südhalbkugel bewirken das Gegenteil: extreme Trockenheit. Absteigende Luftmassen erwärmen sich und können mehr Wasserdampf aufnehmen. Alle Feuchtigkeit wird von ihnen gleichsam aufgesogen. Die größte Wüste der Erde, die Sahara, ist ein Produkt genau dieser meteorologischen Verhältnisse.

Dass die weltweite Desertifikation durch den Bevölkerungsdruck und die intensive Nutzung von Trockengebieten gegenwärtig zunimmt, ist als Gefahr erkannt. Ob in China am Rande der Gobi oder im afrikanischen Sahel, dem Südrand der Sahara, werden dagegen Maßnahmen ergriffen, die bisher allerdings zu nur mäßigem Erfolg geführt haben. Eine neue Frage, die sich heute stellt, lautet: Sind die Trockengebiete der Erde außer durch Desertifikation auch durch den vom Menschen gemachten Klimawandel bedroht, sich in Wüsten zu verwandeln? Und hat ein solcher Prozess vielleicht sogar schon eingesetzt? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten und wird vor allem am Beispiel der Sahelzone diskutiert.

Wüstenausweitung im Sahel?

Abb. 3: Niederschläge im Juni-Oktober in der Sahelzone 1920-2004. Gezeigt ist die Abweichung vom Mittel der Jahre 1900-2004, 1 ist die Standardabweichung.

Die größte Ausbreitung wüstenartiger Verhältnisse, die die Menschheit in den letzten 100 Jahren erlebt hat, war die Dürre im Sahel in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Unmittelbare Ursache war eine extreme Abnahme der Niederschläge, die im 20. Jahrhundert weltweit einmalig war. Gegenüber der Periode 1931-1960 hat der mittlere Niederschlag der Sahelzone in der Zeit von 1970 bis 1990 um fast 50% abgenommen. Seit den 1990er Jahre fielen in manchen Jahren zwar wieder überdurchschnittlich viele Niederschläge, ohne dass sich aber ein neuer Trend abzeichnet und die Dürreverhältnisse beendet wären, wie u.a. das Jahr 2004 belegt (Abb. 3). Der jährliche Niederschlag variiert in Afrika räumlich extrem stark zwischen 10 mm in der inneren Sahara und über 2000 mm in den tropischen Gebieten beiderseits des Äquators. Besonders ausgeprägt ist der Unterschied in der Sahel-Zone, wo der mittlere jährliche Niederschlag auf 750 km Nord-Süd-Entfernung Abweichungen von mehr als 1000 mm zeigt.

Abb. 4: Monsunwinde (Pfeile) im Nord-Sommer über Afrika

Lange Zeit hatte man angenommen, dass Überweidungen und extreme Holznutzung der Auslöser der Dürre in den 1970er Jahren waren. Die dadurch verringerte Vegetation, die kein Wasser mehr aufnehmen und an die Atmosphäre abgeben konnte, wurde auch als Ursache für die abnehmenden Niederschläge angesehen. Inzwischen haben Untersuchungen mit Computer-Modellen gezeigt, dass die primäre Ursache in klimatischen Veränderungen lag. Die Vegetationsdecke spielte nur in Rückkopplungen mit dem Klima eine Rolle.

Die Sahel-Zone bekommt ihren Niederschlag nahezu ausschließlich im Sommer, wenn die Innertropische Konvergenzzone (ITC) und der ursprüngliche SO-Passat als Sommermonsun weit über den Äquator nach Norden vordringen und die über den Ozeanen aufgenommene Feuchtigkeit im Landesinneren als Niederschlag fällt. Entscheidend für den Sahel-Niederschlag ist dabei der Temperaturgegensatz zwischen Kontinent und Ozean. Ist dieser Gegensatz relativ gering, ist auch der Luftdruckgegensatz gering und der Sommermonsun schwach. Es regnet dann weniger in der Sahelzone. Bei einem stärkeren Temperaturgegensatz dringt der wasserdampfgesättigte Monsun weit ins Landesinnere vor und bringt der Sahelzone größere Regenmengen.

Abb. 5: Beobachtete Niederschläge im Juli-September (blaue Kurve) und mit Meeresoberflächentemperaturen angetriebene Modellsimulationen der Niederschläge im Sahel (rote Kurve)

Der Temperatur- und Luftdruckgegensatz zwischen Land und Meer kann zum einen verringert werden durch eine Erhöhung der Ozeantemperaturen, zum anderen durch eine Abkühlung über dem Land. Als Hauptgrund für die Dürre im Sahel in den 1970er und 1980er Jahren wurde tatsächlich eine starke Erwärmung des Indischen Ozeans zwischen Ostafrika und Indonesien ausgemacht.[2] Dadurch verringerte sich der Gegensatz zwischen dem warmen Land und dem kühlen Ozean und den davon abhängigen Luftdruckverhältnissen, und die Regen bringenden feuchten Luftmassen vom Indischen Ozean drangen weniger weit ins Landesinnere vor. Die starke Erwärmung des Indischen Ozeans wird hauptsächlich auf die Zunahme von Treibhausgasen in der Atmosphäre, also auf die anthropogene Erwärmung, zurückgeführt. Es können aber auch natürliche Schwankungen eine Rolle spielen, z.B. im Zusammenhang mit El Niño, der ungewöhnlichen Erwärmung im tropischen Pazifik.

Ein weiterer Faktor ist die unterschiedliche Erwärmung der Ozeantemperaturen im Atlantik nördlich und südlich des Äquators.[3] Die Hauptindustriegebiete der Erde liegen nördlich des Äquators in Nordamerika und Eurasien. Hier werden die meisten fossilen Energieträger verbrannt, wobei nicht nur Kohlendioxid, sondern auch kleinste feste oder flüssige Partikel entstehen, die man Aerosole nennt. Aerosole reflektieren in der Mehrzahl Sonnenstrahlen und wirken daher abkühlend auf die unteren Luftschichten. Aufgrund der höheren Aerosol-Belastung der Atmosphäre der Nordhalbkugel erwärmt sich der nördliche Atlantik weniger stark als der Atlantik um den Äquator und südlich davon. Die Folge ist eine Verlagerung des aufsteigenden Astes der Hadley-Zirkulation und damit der ITC nach Süden mit stärkeren Niederschlägen über der westafrikanischen Küstenregion und Trockenheit im Sahel.

Die „grüne Sahara“ und der Rückfall in die Wüste

Die heute größte Wüste der Erde, die Sahara, war bekanntlich vor etwa 6000 Jahren eine subtropische Steppe, in der es einen lockeren Baumbewuchs gab und Menschen lebten, die Fischfang betrieben und in Flüssen badeten, wie durch Höhlenzeichnungen im Innern der Sahara belegt ist. Das Klima war zumindest auf der Nordhalbkugel in vielen Regionen wärmer als heute und insbesondere in Nordafrika deutlich regenreicher. Der Grund lag in einer geringfügig stärkeren Sonneneinstrahlung und einem wärmeren Kontinent, der einen stärkeren Sommermonsun in Nordafrika und somit geringfügig höhere Niederschläge verursachte.

Verstärkt wurde dieser Effekt durch die Vegetation. Die sich zu Beginn dieser Phase allmählich ausbreitende Vegetation verringerte die Albedo, d.h. das Reflexionsvermögen der Erdoberfläche. Die Sonnenstrahlen wurden dadurch weniger stark in den Weltraum reflektiert als von einer reinen Wüstenoberfläche und in Wärmestrahlen umgewandelt, was wiederum den Sommermonsun intensivierte. Außerdem speicherte die Vegetation den fallenden Niederschlag und gab ihn zu einem großen Teil durch Verdunstung wieder an die Atmosphäre ab. Auf diese Weise verstärkte die Pflanzendecke die günstigen Bedingungen für ihr Wachstum und damit ihre eigene Ausbreitung.

Der heutige Zustand wurde dann durch eine geringfügige Verringerung der solaren Strahlung initiiert und durch Rückkopplungsprozesse mit der Vegetation stabilisiert.[4] Durch die hohe Albedo der Wüstenoberfläche und spärliche Bewölkung wird über der Sahara mehr Energie in den Weltraum abgestrahlt als durch solare Strahlung eingestrahlt wird. Am Oberrand der Atmosphäre über der Sahara herrscht also eine negative Strahlungsbilanz, wodurch die Luft hier stark abkühlt und absinkt. Absinkende Luftmassen erwärmen sich und werden dabei zunehmend trockener, so dass der Niederschlag weitgehend ausbleibt.

Was bringt die Zukunft?

Abb. 6: Beobachteter und entsprechend den Szenarien des Weltklimarats IPCC (B1, A1B und A2) prognostizierter Niederschlag im Sahel

Der heute durch Computer-Modellrechnungen wie durch zahlreiche Funde von Pollen und Sedimenten belegte Wandel der Sahara zu einer Steppe in einem wärmeren und zu einer Wüste in einem etwas kühleren Klima, lässt die Frage aufkommen, ob wir mit dem gegenwärtigen Klimawandel auf eine grüne Sahara zusteuern. Leider ist diese Frage nicht so einfach zu beantworten und gegenwärtig nicht zu entscheiden. Der anthropogene Treibhauseffekt und seine Begleiterscheinungen sind nicht in jeder Hinsicht mit einer natürlichen Erwärmung durch eine höhere Sonneneinstrahlung gleichzusetzen. Sie hinterlassen einen anderen "Fingerabdruck" im klimatischen Geschehen als eine stärkere Sonneneinstrahlung.

Die Erwärmung vor 6000 Jahren war bedingt durch eine stärkere Neigung der Erdachse während des Nordsommers zur Sonne hin. Sie kam daher im wesentlichen der Nordhalbkugel und dort den mittleren und höheren Breiten zugute. Die anthropogene Erwärmung durch Treibhausgase erfolgt dagegen wegen der guten Durchmischung der langlebigen Treibhausgase global. Sie wird daher wahrscheinlich auch zu einer weiteren Erwärmung der tropischen Ozeane führen, z.B. des Indischen Ozeans, wie oben besprochen. Setzt sich dieser Effekt durch, wird auch in Zukunft eher mit einer trockenen Sahelzone gerechnet, wie es einige Computer-Modellrechnungen prognostizieren.

Abb. 7: Temperatur und Niederschlagsänderungen in Afrika bis 2100. Modellsimulation nach dem Szenario A1B des Weltklimarats IPCC: Veränderung der Jahrestemperaturen und Jahresniederschläge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999

Andererseits ist zu berücksichtigen, dass sich nach allen Modellberechnungen die Kontinente stärker als die Ozeane erwärmen. Das würde den Temperaturgegensatz zwischen Land und Meer und damit den Monsun verstärken und der Sahelzone höhere Niederschläge bringen. Insbesondere die Temperaturen und der Luftdruck über der Sahara wurden als steuernde Mechanismen des Sahel-Niederschlags erkannt. Höhere Sahara-Temperaturen senken hiernach den Bodenluftdruck über der Sahara und verstärken den afrikanischen Monsun, der für stärkere Regenfälle im Sahel sorgt. Ausgehend von diesen Zusammenhängen könnten die Sahel-Niederschläge auch bis zu 20% zunehmen. Die ebenfalls mit dem Klimawandel einhergehenden Verschiebung der Klimazonen führt allerdings zu deutlich geringeren Niederschlägen am Nordrand der Sahara bis in den europäischen Mittelmeerraum hinein (vgl. Abb.7).

Außer den Niederschlägen sind im Zusammenhang mit den menschlichen Einflüssen auf das Klima noch andere Faktoren für die Ausbreitung oder den Rückgang von Wüsten bestimmend. Die bereits erwähnte Aerosolbelastung der Nordhalbkugel, die zu einer Südverlagerung der ITC führen kann, wird nach heutigen Prognosen in den nächsten drei bis vier Jahrzehnten ebenfalls noch zunehmen. Danach schwächt sie sich aber deutlich ab, weshalb der Aerosol-Effekt über dem Atlantik von der Mitte des 21. Jahrhunderts an kaum noch eine Rolle spielen wird. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Wirkung der höheren atmosphärischen CO2-Konzentration auf das Pflanzenwachstum, das in dem IPCC-Bericht von 2007 ausführlicher diskutiert wird.[5] Mehr Kohlendioxidgehalt kann durch den sog. CO2-Düngungseffekt das Pflanzenwachstum fördern und damit anderen Faktoren wie Niederschlagsdefiziten oder menschlichen Einwirkungen auf die Vegetationsdecke entgegenwirken. So wurde für den Südwesten der USA eine Verringerung der Wüstenbereiche um 60% allein durch den CO2-Düngungseffekt prognostiziert. Die Wirkung wird aber von Region zu Region und bei unterschiedlichen Pflanzengemeinschaften verschieden eingeschätzt.

Insgesamt ist die Forschung weit davon entfernt, eindeutige Antworten über die zukünftigen Veränderungen der Trockengebiete der Erde durch den Klimawandel zu geben. So heißt es in dem vierten Sachstandsberiht des Weltklimarates IPCC über die Sahelzone: "Es ist äußerst unklar, wie der kombinierte Effekt von Klimawandel, Änderungen in der Landnutzung und Erhöhung der CO2-Konzentration den Sahel in der Zukunft beeinflussen wird."[6]

Einzelnachweise

  1. Global Assessment Reports, Volume 1 (2005): Current State & Trends,Chapter 22 Ecosystems and Human Well-being: Desertification Synthesis
  2. Giannini, A., R. Saravanan, and P. Chang (2003): Oceanic forcing of Sahel rainfall on inter-annual to inter-decadal time scales, Science 302, 1027-1030
  3. Lu, J., and T.L. Delworth (2005): Oceanic forcing of the late 20th century Sahel drought, Geophysical Research Letters., 32, L22706
  4. Claussen, Martin (2003): Die Rolle der Vegetation im Klimasystem, in: promet, Jahrg. 29, Nr. 1- 4, 80-89
  5. IPCC 2007: Working Group II, Climatic Change Impacts, Adaption and Vulnaribility, Chapter 4: Ecosystems, their Properties, Goods and Services, 4.4.2
  6. IPCC 2007: Working Group II, Climatic Change Impacts, Adaption and Vulnaribility, Chapter 4: Ecosystems, their Properties, Goods and Services, Box 4.2

Literatur


Klimadaten zum Thema

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