Extremereignisse 2023

Aus Klimawandel

Das Jahr 2023 war möglicherweise der Einstieg in eine von der Menschheit nie erfahrenen Klimaperiode. Manche Forscher sprechen von einem 'unvermessenen Territorium', in das die Welt sich begeben habe.[1]. Die globalen Mitteltemperaturen lagen bei fast 1,5 °C. 2023 war jedoch nicht nur das wärmste Jahr seit Beginn der Messungen. Das Jahr zeichnete sich auch durch beispiellose Wetter- und Klimaextreme in vielen Teilen der Welt aus. Schon in den Jahrzenten davor hat es nach der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) zwischen 1970 und 2021 rund 10.000 wetter- und klimabedingte Katastrophen mit ökonomischen Verlusten von 4 Billionen US$ und 2 Mio. Toten gegeben.[2] 2023 war jedoch von solchen verheerenden Katastrophen besonders stark betroffen.

Hitzewellen

Die hohen Durchschnittstemperaturen mit nie zuvor registrierten Monatsmittelwerten von Juni bis Dezember hatten vor allem extreme Hitzewellen zur Folge. Sie ereigneten sich ungewöhnlich früh im Jahr und teilweise gleichzeitig in verschiedenen Weltregionen. So wurden Rekordwerte bereits im Frühjahr in Südwesteuropa (Spanien und Portugal) und im nordwestlichen Afrika (Marokko und Algerien) gemessen.[3]

Frühjahrs-Hitzewelle im westlichen Mittelmeerraum

Im westlichen Mittelmeerraum herrschte schon im April 2023 sowohl auf dem europäischen wie auf dem afrikanischen Kontinent eine außergewöhnliche Hitzewelle. In Spanien wurden fast 39 °C, in Portugal fast 37 °C und in Marokko und Algerien über 41 °C bzw. über 40 °C gemessen. Die Temperaturen lagen damit um bis zu 20 °C über den normalen Temperaturen zu dieser Jahreszeit und um bis zu 6 °C höher als frühere Rekordtemperaturen für April. Obwohl der Mittelmeerraum in den letzten Jahren zahlreiche Hitzewellen erlebt hat, war diese Hitzewelle aufgrund ihres jahreszeitlich so frühen Auftretens auch in dem gegenwärtigen warmen Klima ein seltenes Ereignis. Unter den aktuellen klimatischen Bedingungen wurde die Wiederkehrperiode der April-Hitze im westlichen Mittelmeerraum auf 400 Jahre geschätzt.[4]

Ursache der Hitzewelle im westlichen Mittelmeerraum waren ein subtropisches Hochdruckgebiet und eine mehrjährige starke Dürre. Der Wasserstand in den spanischen Stauseen lag um 50% unter dem Durchschnitt, in Marokko betrug die Staumenge nur 33%, in Tunesien fasste die Wassermenge des größten Stausees nur 16% seines Maximums. Die Böden besaßen über große Gebiete der Iberischen Halbinsel und im westlichen Maghreb weniger als 10% ihrer mittleren Feuchte, weitgehend sogar unter 1% (Abb.). Die trockenen Bedingungen wirkten als Verstärker der hohen Temperaturen durch die geringe Verdunstung. Insofern kann hier von einem zusammengesetzte Extremereignis gesprochen werden. Anders als im Sommer spielen trockene Bedingungen im mediterranen Raum für die Steigerung einer Hitzewelle im Frühjahr eine zentrale Rolle. Im Sommer ist die Region ohnehin sehr trocken, so dass die Böden kaum noch trockener werden können. Hohe Temperaturen werden dann vor allem durch einströmende warme Luft bewirkt.[5]

Die extremen Temperaturen verstärkten die Auswirkungen einer mehrjährigen Dürre auf die Landwirtschaft und das menschliche Wohlbefinden und folgten auf die Hitzewellen von 2022, die 4000 Tote in Spanien und 1000 Tote in Portugal gefordert hatte.[6] Jahreszeitlich so frühe Hitzewellen und Dürren sind besonders kritisch, weil sie beim Getreideanbau die Phase der Kornfüllung behindern und die Bevölkerung sich noch nicht an hohe Temperauren akklimatisiert hat. Auch die regionalen Hitzeaktionspläne waren wie z.B. in Madrid nicht auf so frühe Rekordtemperaturen vorbereitet. Die Kombination von sehr hohen Temperauren und extremer Trockenheit wirkte sich besonders kritisch für die Landwirtschaft und die Wasserversorgung aus. In Spanien waren die Wasserreservoire nur bis zu 50% gefüllt, und 60% der landwirtschaftlichen Fläche war von der Dürre betroffen.[4]

Frühjahrs-Hitzewellen auch in Asien und Südamerika

Im April 2023 wurden auch Süd- und Südostasien von einer ausgedehnten Hitzewelle überzogen. Betroffen waren große Teile Indiens, Bangladeschs, Thailands und von Laos. In Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, wurden mit 40,6 °C die höchsten Temperaturen seit Jahrzehnten gemessen. In Indien wurden in Uttar Pradesh 44,6 °C erreicht und in etlichen Städten im Norden und Osten über 44 °C. Thailand verzeichnete einen nie dagewesenen Rekord von 45,4 °C und Laos von 42,9 °C. Wegen der hohen Feuchtigkeit wurde die Rekordtemperatur in Thailand als gefühlte Temperatur von 54 °C eingestuft und galt damit nach dem gängigen Hitze-Index als „extrem gefährlich“.[7] Die hohe Luftfeuchtigkeit verhindert weitgehend die Verdunstung von Schweiß auf der Haut und so die damit verbundene Abkühlung.[8]

Durch den Klimawandel ist die Eintrittswahrscheinlichkeit der Hitzewellen in Indien und Bangladesch 30 Mal wahrscheinlicher geworden. In Thailand und Laos lag die Wiederkehrwahrscheinlichkeit der humiden Hitzewellen durch die globale Erwärmung bei einmal in 200 Jahren und wäre ohne die anthropogene Klimaänderung quasi unmöglich gewesen. In Indien sind Hitzewellen die drittwichtigste Ursache für wetterbedingte Todesfälle, nach Hochwasser und tropischen Wirbelstürmen.[9] Die Anzahl der Hitzetoten hat sich von der ersten Hälfte der 2000er Jahre bis zur ersten Hälfte der 2010er Jahre nahezu verdoppelt.[8]

Hitzewellen 2023 in anderen Jahreszeiten

Nach einem heißen Juni 2023 ereigneten sich im Juli nahezu simultane Rekordhitzewellen in verschiedenen Regionen der Nordhalbkugel wie im Südwesten der USA, Mexiko, Südeuropa und China. Sowohl im Death Valley in den USA als auch im Nordwesten Chinas wurden 50 °C überschritten. In Phoenix, Arizona, lagen an 31 aufeinander folgenden Tagen die Temperaturen über 43 °C. Von der extremen Hitze wurden mehr als 100 Mio. Menschen allein in den USA betroffen, bei etlichen Toten in den USA und Mexiko.[3][10]

In Nord-China kam es Ende Juni zu einer Rekordhitzewelle mit Temperaturen über 40 °C. An drei Tagen hintereinander übertrafen die Werte zum ersten Mal in Peking die 40-Grad-Marke. Die Temperaturabweichungen vom langjährigen Durchschnitt lagen über große Gebiete in Nordchina bei 3,0-9,4 °C. Unmittelbare Ursache waren ungewöhnliche atmosphärische Zirkulationsmuster mit einem starken kontinentalen Hochdrucksystem über ganz Nordchina und angrenzende Regionen. Absteigende Luftmassen führten zur Wolkenauflösung und einer erhöhten Einstrahlung. Die Böden waren bereits eine Woche vorher und während der Hitzewelle außerordentlich trocken und verstärkten die Hitzewelle wegen der fehlenden Verdunstung. Der eigentliche Grund ist jedoch der anthropogene Klimawandel. Die Wiederkehrperiode für das gegenwärtige, vom Klimawandel geprägte Klima wurde mit einmal in 111 Jahren eingestuft, d.h. eine solche Hitzewelle besitzt lediglich eine Wahrscheinlichkeit von 0,9% jedes Jahr zu geschehen, ist also auch unter den klimatischen Bedingungen des Jahres 2023 ein sehr seltenes Ereignis. Nach Modellberechnungen würden gegen Ende des 21. Jahrhunderts solche Hitzewellen bei einem mittleren Szenario (SSP-4.5) fünf Mal häufiger vorkommen und wesentlich intensiver ausfallen.[11]

In der zweiten Julihälfte kam es zu einer intensiven Hitzewelle nahezu rund um das gesamte Mittelmeer. Die Höchsttemperaturen lagen in etlichen europäischen Anrainerstaaten über 40 °C. Der bisherige Europa-Rekord von 48,8 °C aus dem Jahr 2021 auf Sizilien wurde dieses Mal auf Sardinien mit 48,2 °C fast erreicht. Auf Sizilien selbst wurden an mehreren Stationen Temperaturen von 47 °C und mehr gemessen. In Spanien kam es zur Überschreitung der 45-Grad-Marke. In Nordafrika gab es in Algerien und Tunesien Tageshöchsttemperaturen von mehr als 49 °C. Eine Besonderheit waren hohen Meeresoberflächentemperaturen, die über das gesamte Mittelmeer bei durchschnittlich bei 28,7 °C lagen und an der Ostküste von Korsika sogar 30 °C erreichten und vom Deutschen Wetterdienst als „Marine Hitzewelle“ eingestuft wurden. Durch die hohen Wassertemperaturen blieb vielfach die kühlende Wirkung für die küstennahen Gebiete aus.[12]

Regionen rund um das Mittelmeer sind bekannt als die sich im Sommer am schnellsten erwärmenden Gebiete der Welt. Zwischen 1979 und 2023 lag die Erwärmungsrate für Juli bei 0,54 °C pro Jahrzehnt und damit dreimal so hoch wie im globalen Mittel für Juli. Der Juli 2023 war mit einer Mitteltemperatur von 25,6 °C der wärmste aller Juli-Monate.[13] Wichtig für die hohen Temperaturen im Juli war primär ein ausgeprägtes Hochdruckgebiet über Südeuropa. Die Folge war eine reduzierte Bewölkung und hohe Sonneneinstrahlung, durch die die Erdoberfläche aufgeheizt wurde, die wiederum die darüber liegenden Luftschichten erwärmte. Das Eindringen von warmer Luft aus Nordafrika war in diesem Fall weniger wichtig. Eher spielte noch die marine Hitzewelle im östlichen Nordatlantik eine Rolle, durch die die Abkühlung durch frische Meeresluft ausblieb.[14]

In Europa wären Hitzewellen wie im Juli 2023 ohne die Aufheizung des Klimas durch fossile Brennstoffe praktisch unmöglich. Hitzewellen mit derselben Auftrittswahrscheinlichkeit wie gegenwärtig wären ohne den Klimawandel in Südeuropa um bis zu 4 °C kühler und in einer um nur 0,8 °C wärmeren Welt um ca. 2 °C wärmer als heute. In einer um 2 °C wärmeren Welt würden sie allerdings alle 2-5 Jahre vorkommen.[10]

Starkregen

Einzelnachweise

  1. Schmidt, G. (2024): Why 2023’s heat anomaly is worrying scientists, Nature 627, DOI: 10.1038/d41586-024-00816-z
  2. World Meteorological Organization (WMO) (2023a): Atlas of Mortality and Economic Losses from Weather, Climate and Water-related Hazards (1970−2021). https://wmo.int/publication-series/atlas-of-mortality-and-economic-losses-fromweather-climate-and-water-related-hazards-1970-2021
  3. 3,0 3,1 Zhang, W., R. Clark, T. Zhou et al. (2024): 2023 - Weather and Climate Extremes Hitting the Globe with Emerging Features. Adv. Atmos. Sci. https://doi.org/10.1007/s00376-024-4080-3
  4. 4,0 4,1 Philip, S., S. Kew1, R. Vautard et al. (2023): Extreme April heat in Spain, Portugal, Morocco & Algeria almost impossible without climate change, https://www.worldweatherattribution.org/extreme-april-heat-in-spain-portugal-morocco-algeria-almost-impossible-without-climate-change/
  5. Lemus-Canovas, M., D. Insua-Costa, R. M. Trigo, and D. G. Miralles (2024): Record-shattering 2023 spring heatwave in western Mediterranean amplified by long-term drought. npj Climate and Atmospheric Science, 7, 25, https://doi.org/10.1038/s41612-024-00569-6
  6. Kluge, H.P. (2022): Statement – Climate change is already killing us, but strong action now can prevent more deaths
  7. NOAA (2023): Heat Index
  8. 8,0 8,1 Zachariah, M., R. Vautard, S.T. Chaithra et al. (2023a): Extreme humid heat in South and Southeast Asia in April 2023, largely driven by climate change, detrimental to vulnerable and disadvantaged communities
  9. Ray, K., R.K. Giri, S.S. Ray et al. (2023): An assessment of long-term changes in mortalities due to extreme weather events in India: A study of 50 years’ data, 1970–2019, Weather and Climate Extremes 32
  10. 10,0 10,1 Zachariah, M., S. Philip, I. Pintoet al. (2023b): Extreme heat in North America, Europe and China in July 2023 made much more likely by climate change, DOI: https://doi.org/10.25561/105549
  11. Qian, C., Y. Ye and J. Jiang et al. (2024): Rapid attribution of the record-breaking heatwave event in North China in June 2023 and future risks, Environmental Research Letters 19
  12. Bissolli, P., S. Haeseler, J. Daßler u.a., DWD (2023): Erster Rückblick auf die Hitzewelle im Mittelmeerraum im Juli 2023 mit Waldbränden und Rekord Hagel in Nordost-Italien
  13. Copernicus Climate Change (2023a): Surface air temperature for July 2023, https://climate.copernicus.eu/surface-air-temperature-july-2023
  14. Copernicus Climate Change (2023b): The European Heatwave of July 2023 in a longer-term context

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