Aktueller Meeresspiegelanstieg

Aus Klimawandel

Der Anstieg des globalen Meeresspiegels ist ohne Zweifel eine der wichtigsten Folgen des anthropogenen Klimawandels. Weltweit liegen etwa 2 Millionen km2 Land weniger als 2 m über der mittleren Hochwasserlinie. Gerade diese Grenzzone zwischen Land und Meer ist durch besonders artenreiche Ökosysteme ausgezeichnet, und hier hat sich auch der Mensch bevorzugt angesiedelt. 1995 lebten ca. 60 Millionen Menschen auf Landflächen, die weniger als 1 m über dem Meeresspiegel lagen, und 275 Millionen in weniger als 5 m. Acht der zehn größten Städte der Welt liegen gegenwärtig in niedrigen Küstenbereichen, in denen zugleich die Wachstumsrate der Bevölkerung doppelt so hoch wie im globalen Durchschnitt ist. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts werden daher wahrscheinlich 130 Millionen Menschen in den tiefen Küstenbereichen bis zu 1 m und 410 Millionen bis 5 m über dem Meer leben.[1] Wie hoch der Meeresspiegel in den nächsten Jahrzehnten ansteigen wird, ist daher auch eine zentrale Frage für die Forschung zum Klimawandel.

Beobachtungsmethoden

Es war lange Zeit sehr schwierig, den Anstieg des globalen Meeresspiegels genau zu bestimmen, da man bis in die 1990er Jahre fast ausschließlich auf Pegelmessungen angewiesen war. Diese messen den Meeresspiegelanstieg seit Mitte des 19. Jahrhunderts an Festlandküsten und Inseln im Ozean. Die geringe räumliche Verbreitung und ungleiche Verteilung der Pegel, die sich ausschließlich an Küsten befinden, macht zwar eine genaue örtliche Bestimmung des relativen Meeresspiegelanstiegs (relativ zum umgebenden Land) möglich, erlaubt aber nur begrenzte Aussagen über die durchschnittliche globale Meeresspiegeländerung. Wie die neueren durch Satelliten gewonnenen Daten gezeigt haben, verändert sich der Meeresspiegel keineswegs überall gleich. An den Küsten aufgenommene Daten müssen keineswegs mit Veränderungen auf dem offenen Ozean übereinstimmen, und auch diese können von Ozeanregion zu Ozeanregion sehr unterschiedlich sein. Hinzu kommt, dass Pegel den Meeresspiegel relativ zum Boden messen und damit auch vertikale Bewegungen des Untergrundes in die Daten einfließen. In tektonisch aktiven Gebieten kann das zu erheblichen Verzerrungen der Ergebnisse führen.

Seit 1991 erlauben das Satellitenprojekte ERS-1, seit 1992 das TOPEX/POSEIDON-Projekt und später weitere Nachfolgemissionen eine deutlich genauere Bestimmung des mittleren globalen Meeresspiegels. Gemessen wird dabei mit Hilfe elektromagnetischer Wellen die Entfernung zwischen Satellit und Meeresoberfläche (Altimetermessungen). Dadurch werden Verfälschungen durch tektonische Bodenbewegungen ausgeschlossen und eine deutlich verbesserte Erfassung der Meeresspiegelhöhe möglich, die zudem die gesamte Ozeanoberfläche abdeckt und zeitlich alle 10 Tage wiederholt wird. Allerdings sind auch die Satellitenmessungen nicht fehlerfrei und müssen korrigiert werden. So nutzen die verschiedenen Satellitenmissionen unterschiedliche Instrumente, die aufeinander abgestimmt werden müssen. Eine weitere Fehlerquelle ist der unterschiedliche Wasserdampfgehalt der Troposphäre, der den Weg der elektromagnetischen Wellen der Satelliten beeinflusst.[2]

Veränderung des globalen Meeresspiegelanstiegs von 1993 bis 2011

Meeresspiegeländerungen

Verschiedene Auswertungen von Pegeldaten zeigen für das 20. Jahrhundert einen Meeresspiegelanstieg von 1,7-1,8 mm/Jahr. Das sind 17-18 cm für das gesamte Jahrhundert, wobei der Anstieg in der ersten Hälfte des Jahrhunderts noch relativ schwach war. Auch in der 2. Jahrhunderthälfte ist der Anstieg nicht linear, sondern zeigt jährliche und dekadische Schwankungen.[2]

Die Satellitenmessungen seit Anfang der 1990er Jahre zeigen vor allem zwei wichtige Ergebnisse:

  • Die Anstiegsrate des Meeresspiegels ist deutlich höher als bisher mit Hilfe von Pegeldaten ermittelt. So beträgt die mittlere Anstiegsrate zwischen 1993 und 2011 nach den Satellitendaten 3,3 mm/Jahr. Der Anstieg ist nahezu linear, mit Ausnahme zweier kleinerer Abweichungen. 1997/98 nahm der Meeresspiegelanstieg stärker zu, was auf den starken El Niño zu dieser Zeit zurückgeführt wird, und 2007/08 setzte er aufgrund eines La-Niña-Ereignisses nahezu aus.[2]
  • Die Satellitenmessungen zeigen sehr genau, dass sich der Meeresspiegel räumlich sehr unterschiedlich ändert. Einige Regionen erlebten eine Meeresspiegeländerung, die vier Mal höher war als der globale Durchschnitt. So stieg der Meeresspiegel im westlichen Pazifik um 12 mm/Jahr an. In anderen Regionen wie im östlichen Nordpazifik ist der Meeresspiegel sogar etwas gefallen.[2]

Die Unterschiede zwischen Pegel- und Satellitenmessungen bedeuten nicht in erster Linie, dass die ersten falsch sind, sondern weisen wahrscheinlich darauf hin, dass der Meeresspiegelanstieg sich im Laufe des 20. Jahrhunderts beschleunigt hat. So haben Untersuchungen über den Meeresspiegelanstieg zwischen 1870 und 2004 ergeben, dass die Anstiegsrate im 20. Jahrhundert signifikant zugenommen hat.[3] Allerdings sind die Dekadenschwankungen stark, und es ist nicht gesichert, ob die hohe Anstiegsrate seit 1993 einen Trend ausdrückt oder lediglich eine Dekadenvarianz darstellt. Während allerdings alle Daten vor 1993, ob sie nun von Pegelmessungen stammen oder von Modellen errechnet sind, mit großen Unsicherheiten behaftet sind, können die Satellitendaten danach als gesichert gelten. Hätte die gegenwärtige Anstiegsrate über das gesamte 20. Jahrhundert angehalten, wäre der Meeresspiegel um ca. 30 cm im globalen Mittel angestiegen.

Einzelnachweise

  1. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (2006): Die Zukunft der Meere - zu warm, zu hoch, zu sauer, Sondergutachten, Berlin, S. 33; auch als Download
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Cazenave, A., and F. Remy (2011): Sea level and climate: measurements and causes of changes, in: WIREs Climate Change 2, 647-662
  3. Church, J. A. und N.J. White (2006): A 20th century acceleration in global sea-level rise. Geophysical Research Letters 33 (1), doi:10.1029/2005GL024826

Weblinks

Literatur

  • IPCC 2007: The Physical Science Basis, Chapter 5: Oceanic Climate Change and Sea Level; auch als Download
  • Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (2006): Die Zukunft der Meere - zu warm, zu hoch, zu sauer, Sondergutachten, Berlin, S. 33; auch als Download


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