Politische Herausforderungen von Climate Engineering

Aus Klimawandel
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Politisierung von Climate Engineering

Climate Engineering (CE) kam stärker in die klimapolitische Diskussion, als drastische Einsparungen von Treibhausgasemissionen immer unwahrscheinlicher wurden. Die aktuelle Klimapolitik steckt in dem Dilemma, sich für die Reduktion von Emissionen einzusetzen, aber dennoch zu scheitern.[1] CE ist erst aufgrund dieser aktuellen Problematik bekannt und politisch bedeutsam geworden, nachdem es einige Jahrzehnte vor allem von Wissenschaftlern und Militärs diskutiert worden war. Es ist anzunehmen, dass spätestens bei einem unmittelbaren, möglicherweise unilateralen Einsatz einer CE-Methode CE vollständig zu einem wichtigen politischen Thema wird.

Manipulationen des Wetters und des Klimas wurden im 19. Jahrhundert von Wissenschaftlern und Ingenieuren den politischen Entscheidern vorgeschlagen. Nach dem Einsatz mutmaßlich wetterverändernder Wolkenimpfungen im Vietnamkrieg durch die USA, wurde die ENMOD-Konvention (Convention on the Prohibition of Military or Any Other Hostile Use of Environmental Modification Techniques) beschlossen. Diese Konvention verbot im Jahr 1978 den Einsatz umweltverändernder Maßnahmen zu kriegerischen Zwecken. Mit der Entwicklung von Klimamodellen erhielt auch die Forschung um CE eine breitere Grundlage. Diese Klimamodelle helfen erste Szenarien zum Einsatz von CE zu erstellen.

Seit 2000 wird CE stärker in den USA diskutiert. Angestoßen durch einen Aufsatz des bekannten Chemienobelpreisträgers Paul Crutzen von 2006 beschäftigen sich viele internationale Wissenschaftler weitgehender mit dem Thema. Viele von ihnen fordern, CE als klimapolitische Option ernsthaft in Erwägung zu ziehen, wenn auch als „Plan B“, d.h. nachrangig gegenüber der Vermeidung (Mitigation) von CO2 und anderen Treibhausgasen. Sie fordern die Erforschung des Themenfeldes CE, um es besser verstehen und im Ernstfall Maßnahmen umsetzen zu können.

Im Jahr 2009 veröffentlichte die britische Royal Society einen umfassenden Bericht zu CE, dessen Risiken und politischen Herausforderungen. Viele wissenschaftliche Verbände und politische Denkfabriken (Think Tanks) folgten mit eigenen Stellungnahmen. Vor allem in Industriestaaten haben Behörden zur politischen Beratung in Technologiefragen im politischen Auftrag recherchiert. Das britische House of Commons und das US-amerikanische House of Representatives haben Anhörungen mit führenden Wissenschaftlern durchgeführt und eigene Gutachten veröffentlicht. Im Auftrag des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) wurde die Sondierungsstudie „Gezielte Eingriffe in das Klima? Eine Bestandsaufnahme der Debatte zu Climate Engineering“ erstellt.

Einzelne Regierungsbehörden und parlamentarische Gremien haben zu CE Stellung bezogen, während ein Großteil der Politik noch keine Position zu CE hat. In Deutschland positionierte sich die Regierung Merkel II der schwarz-gelben Koalition in Folge einer kleinen parlamentarischen Anfrage der SPD-Fraktion. Die deutsche Regierung distanziert sich deutlich von Plänen eines CE-Einsatzes. Es soll lediglich Grundlagenforschung gefördert werden, mit Verweis auf Vorarbeiten der Sondierungsstudie. Für Deutschland habe der Klimaschutz, insbesondere durch die Energiewende, Vorrang.

Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit Besonders bei Risikotechnologien, wie Bio- und Nanotechnologie sowie CE, reicht eine wissenschaftlich-technische Bewertung nicht aus. Politik, Zivilgesellschaft, Medien und Wirtschaft fordern ihr Mitspracherecht ein. In der wissenschaftlichen Wissensproduktion als machbar, effizient oder sicher eingestufte Technologien können dennoch von Parteien, Verbänden, Bürgerinitiativen und anderen Akteuren abgelehnt werden. Umgekehrt wäre es ebenso möglich, dass risikoreiche und unsichere Technologien aus politischen oder wirtschaftlichen Erwägungen heraus opportun erscheinen. Für demokratische Verhandlungen über CE und Entscheidungen zu Forschung und möglichem Einsatz, sind sowohl naturwissenschaftliche Erkenntnisse, als auch ein funktionierender politischer Betrieb und eine informierte Öffentlichkeit notwendig. Des Weiteren bieten Geistes- und Sozialwissenschaften Reflexionswissen, wie bspw. Studien zu ethischen und politischen Normen, die im Zusammenhang mit CE beachtet werden müssen.

Auch Naturwissenschaftler haben eigene Anwendungsvorstellungen. In Kommentaren in wissenschaftlichen Zeitschriften oder in Interviews sprechen sie sich für einen „Plan B“ aus, bei dem die vorrangige Strategie der Emissionskontrolle nicht aus den Augen verloren werden darf. Zu den Forderungen der Naturwissenschaftler gehören u. a. das Ziel einer strengen Treibhausgas-Mitigation, sowie eine Aufstockung des Budgets für die CE-Forschung.

Von politischer Seite werden genauere Risikoprofile der CE-Methoden gefordert, um unsichere Techniken überhaupt bewerten zu können. Die wenigen bisher vorhandenen politischen Stellungnahmen aus Deutschland, den USA und GB zeigen eine abwartende Haltung, zugunsten einer intensivierten Forschung. Ein rascher Einsatz in der Natur wird zurückgewiesen.

Mediale Darstellungen von CE spielen oft mit dem Bild von Science-Fiction und sprechen über „verrückte Wissenschaftler“. Einige Zeitungen, wie The Guardian aus England, berichten konstant und kritisch zu dem Thema. In den sozialen Medien Facebook und Twitter scheint CE bisher vorwiegend von einem Fachpublikum und interessierten Laien diskutiert zu werden. Viel Aufmerksamkeit bekommen vermeintliche CE-Maßnahmen von Verschwörungstheoretikern, die über keine wissenschaftliche Grundlage verfügen.

Der Meinungsbildungsprozess gewinnt langsam an Intensität, wie sozialwissenschaftliche Studien belegen. In Studien aus GB und den USA, die Bürger mit einbeziehen, zeigen sich Beteiligte besorgt über Risiken, lehnen aber die Forschung nicht grundsätzlich ab. In einem Programm aus der Solar Radiation Management Governance Initiative (SRMGI), der African Academy of Sciences (AAS) und weiteren Projektpartnern wurden Workshops in verschiedenen afrikanischen Ländern durchgeführt. Die Wissenschaftler betonen, dass eine Einbeziehung der afrikanischen Wissenschaft und Zivilbevölkerung besonders wichtig sei, da der Kontinent sowohl vom Klimawandel als auch von möglichen Nebenwirkungen der CE-Maßnahmen sehr stark betroffen wäre.

Zivilgesellschaft und NGOs Umwelt- und Interessenverbände, sowie Nichtregierungsorganisationen (NGOs) engagieren sich meist kritisch zum Thema CE. Die aktivste NGO ist die kanadische ETC Group, die sich in Opposition zu Gentechnik und Biowissenschaften gegründet hat. Mit ihrer Kampagne Hands Off Mother Earth (H.O.M.E.) versucht sie eine kritische Öffentlichkeit zu aktivieren. Die ETC Group lehnt CE grundsätzlich als „geopiracy“ ab, weil sie darin eine unrechtmäßige Aneignung der Erde sieht. In zahlreichen Onlineveröffentlichungen weisen sie auf Risiken von CE hin, sowie auf damit zusammenhängende Verwertungsinteressen und politische Entwicklungen. Wenn nicht rasch eine Governance-Struktur entwickelt werde, wird der globale Norden durch CE bevorzugt, und Klimaverlierer des Südens könnten durch Nebenfolgen noch stärker getroffen werden.

Klassischer Umweltschutz bezweckt meistens die Verringerung menschlicher Umwelteinflüsse oder mindestens deren Schadhaftigkeit. In ihren Veröffentlichungen kritisieren Umweltverbände CE wegen seiner naturgefährdenden Nebenfolgen, räumen aber dennoch die Möglichkeit ein, die natürliche Umwelt zu schützen. Bei aktueller klimapolitischer Lage scheint sich das Abschmelzen der Polkappen kaum aufhalten zu lassen, was für einige Umweltverbände auch CE als letzten Ausweg des Klimaschutzes erscheinen lässt. Vereinzelt haben sich Sprecher von Umweltverbänden neutral verhalten oder positiv zu CE geäußert.

Unvollständige rechtliche Regulierung Als allgemeine rechtliche Schranke durch die ENMOD-Konvention gilt das Verbot, CE zu kriegerischen Zwecken einzusetzen. Im Rahmen der Convention on Biological Diversity wurde ein de-facto-Moratorium für den Einsatz von CE ausgesprochen. Nur noch Forschung soll erlaubt bleiben. Darüber hinaus existiert kein allgemeines Recht, welches Forschung, Feldversuche und Einsätze von CE reguliert. Rechtswissenschaftler bezweifeln, dass eine alle Methoden umfassende, rechtliche Lösung möglich sei.

Nationales und internationales Recht sind noch nicht auf CE-Methoden vorbereitet, da sich viele der Technologien noch im frühen Entwicklungsstadium befinden. Für maritime CE-Methoden, wie Eisendüngung, Alkalinitätseintrag und Enhanced Weathering, hat die Internationale Maritime Organisation 2013 eine Erweiterung von London Protocol und London Convention beschlossen, die diese Methoden nur für wissenschaftliche Zwecke zulässt. Bei der Eisendüngung wird Eisen in großen Mengen in die Ozeane eingebracht, welches dann das Algenwachstum vergrößert und somit CO2 in den Algen binden soll. Diese und andere maritime Methoden sind nur noch in engen Grenzen zu Forschungszwecken erlaubt. Für andere Anwendungsszenarien von CE bestehen bisher wenige rechtliche Regelungen.

Fehlende Regularien müssten im Vorhinein geschaffen werden, damit die Technologien nicht erst nach einem möglichen, gefährlichen Einsatz als Präzedenzfall verhandelt würden. Für politische Entscheidungsträger ist vorausschauende Verhandlung wichtig, wenn sie Gesetze und internationale Konventionen diskutieren. Als Vorschläge liegen die Oxford Principles oder die Empfehlungen der Asilomar Konferenz vor, diese werden jedoch kontrovers diskutiert.

Internationale Sicherheit Trotz eines Verbotes zum kriegerischen Einsatz von CE durch die ENMOD-Konvention, wäre ein solcher Einsatz denkbar. Das Planungsamt der Bundeswehr hält die Gefahr durch die ‚dual use‘-Problematik für gering, weil sich keine CE-Methode so gezielt einsetzen ließe, dass sie von militärischem Nutzen sei.

Größere politische und soziale Risiken gehen von internationalen Spannungen aus, die eine Anwendung von CE-Methoden im Alleingang auslösen könnten. Als Staaten, die CE zeitnah einsetzen könnten, werden die USA, China, Indien oder Russland, auch die EU oder andere Staatengemeinschaften diskutiert. Ein Alleingang eines Staates oder einer kleinen Staatenkoalition ohne UN-Mandat verstieße gegen übliche Verhaltensweisen internationaler Politik. Dies würde zu diplomatischen, wenn nicht sogar militärischen Konflikten führen. Wenn Staat A CE anwendet und kurz darauf bei Staat B Dürren oder Überschwemmungen auftreten, könnte Staat B Staat A beschuldigen dieses verursacht zu haben. Für den Fall, dass sich die Verantwortlichkeit für Schäden nicht klären ließe, wäre ein Konflikt wahrscheinlich.

Global Governance von Climate Engineering Der Bezug auf Governance oder Global Governance leitet sich zum einen aus der Qualität von CE als neue Risikotechnologie her. Ein großskaliger CE-Einsatz hätte globale und intergenerationale Folgen, womit hohe Anforderungen an einen politischen Prozess gestellt werden. Außerdem führen aktuelle Tendenzen von Globalisierung und Vernetzung zu politischen Modellen, die weg von reinen top-down-Ansätzen hin zu bottom-up oder Mehrebenen-Prozessen gehen, d.h. Entscheidungen werden seltener ausschließlich auf oberster Ebene gefällt. Dabei muss beachtet werden, dass Governance als Konzept oft unklar oder unterschiedlich bestimmt ist. Wie Governance von CE aussehen könnte, müsste deshalb umso genauer bestimmt werden.

Neben rechtlicher Regulierung und Konfliktvermeidung, sind internationale Strukturen notwendig, die politische Verhandlung über CE im Hinblick auf dessen vielschichtige Problematiken zulassen. Vorschläge gehen dahin, die existenten Strukturen internationaler Politik zu nutzen. In dem Fall wäre die UN-Generalversammlung verantwortlich für Entscheidungen über einen möglichen CE-Einsatz. Nur die Versammlung nahezu aller Staaten böte eine legitime Entscheidungsgrundlage über einen Technologieeinsatz, der alle Menschen betreffe. Desweiteren wird darüber diskutiert, eine ‚Superbehörde‘ einzurichten, welche sowohl CE-Forschung, als auch Feldversuche und Einsätze überwacht. Der Internationale Klimarat (IPCC) könnte als Vorlage dienen.

Unsicherheit besteht darüber, ob bzw. wie die CE-Wissenschaft reguliert wird oder ob diese sich selbst regulieren soll. Die Forschung zu CE steht im Konflikt zwischen der Forschungsfreiheit sowie ethischen und politischen Grenzen, wie es auch in anderen Fällen, wie etwa der Stammzellenforschung der Fall ist. Einige Forscher fordern einen forschungspolitischen Rahmen für CE-Forschung. Andere betonen die Schwierigkeiten allgemeiner Regeln für diese Forschung, bspw. da kleine und große Feldversuche sowie deren Risiken sich schwer vorher abschätzen lassen.

An der aktuellen Diskussion um CE-Governance wird vereinzelt Kritik geäußert. Kritisiert wird marktförmige Regulierung, die einer vorrangigen Orientierung auf Profit freien Lauf ließe. Kosten-Nutzen-Analysen würden die Grundlage einer solchen ökonomischen Selbstregulierung von CE bieten. Damit würden ökonomischen Interessen über politische und ethische Anliegen gestellt.

Da CE noch nicht als fertige Technologie existiert, müssten Entwicklungen im Vorhinein abgeschätzt und auf ihre Plausibilität geprüft werden. Formen von sogenanntem Anticipatory Governance oder Adaptive Management ermöglichten schnelle Reaktion auf neue Forschungsergebnisse und politische Ereignisse. Auf jeder Stufe von Laborexperimenten über Feldexperimenten bis hin zu Anwendung und Nachsorge würden Governance-Probleme zu bearbeiten sein.


Einzelnachweise

  1. Victor, David G.; Morgan, M. Granger; Apt, Fay; Steinbruner, John; Ricke, Katharine L. (2009): The Geoengineering Option. A Last Resort Against Global Warming? In: FOREIGN AFF 88, S. 64–76.

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