Die Debatte über Climate Engineering: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 22. September 2014, 12:03 Uhr
Bei Climate Engineering geht es nicht nur um die technische Machbarkeit. Grundlegend stellen sich zwei Fragen:
- Sollten wir Technologien zur Klimamanipulation überhaupt erforschen und entwickeln?
- Sollten wir solche Technologien einsetzen?
Im Kern ist die Debatte über CE also eine ethische. Solche Debatten lassen sich mithilfe einer Argumentlandkarte darstellen.
Was ist eine Argumentationslandkarte?
In einer Debatte diskutieren mehrere Teilnehmer über verschiedene Thesen. Jeder Teilnehmer bringt Argumente vor, die seiner Meinung nach Thesen unterstützen oder angreifen. Diese Argumente können wiederum angegriffen oder gestützt werden, und so weiter. Die Argumentlandkarte versucht, diese komplexen Zusammenhänge in einer Debatte darzustellen. Dabei ist die Karte immer nur das aktuelle Standbild einer sich stetig weiterentwickelnden Debatte. [1]
Ein Argument im klassischen Sinne ist eine Prämissen-Konklusion-Struktur, wobei die Konklusion logisch aus den Prämissen folgt - nur dann ist ein Argument deduktiv gültig. Ein Argument A stützt ein Argument B, wenn die Konklusion von A identisch ist mit einer Prämisse von B (in der Karte durch den grünen Pfeil symbolisiert.) Ein Angriff (roter Pfeil) entsteht dann, wenn die Konklusion eines Argumentes A einer Prämisse des Argumentes B widerspricht. Sind zwei Argumente durch keinen Pfeil miteinander verbunden, so sind sie logisch unabhängig.
Die Rekonstruktion einer komplexen Debatte, wie sie in dem Bereich der Wissenschaft oder auch der Politik geführt werden, ist zum Teil eine erhebliche Interpretationsleistung. Das liegt zum einen daran, dass nicht immer klar ist, welche Konklusion ein vorgebrachtes Argument tatsächlich hat oder welche These es genau angreift. Außerdem werden häufig wichtige Prämissen vom Autor nicht genannt, entweder aus Unachtsamkeit oder weil diese Annahmen als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Solche impliziten Prämissen zu ergänzen, und damit das Argument im Sinne des Autors zu vervollständigen, ist Teil der Rekonstruktions-Arbeit. Zudem liegt genau hier der große Vorteil dieser Darstellungsform: Eine Argumentationslandkarte kann zu mehr Klarheit und Transparenz verhelfen, was die Bewertung der Debatte erleichtern kann. Die Karte selbst aber bewertet die Positionen nicht, und erlaubt auch keine Entscheidung, was richtig oder falsch ist. Sie stellt nur dar. Die Bewertung erfolgt immer nur durch den Leser der Karte.
Die Landkarte besteht aus drei Elementen: Den Argumenten, den Thesen, sowie den Pfeilen, die die Argumente miteinander verbinden. Die Thesen dienen der Illustration zentraler Aussagen und sind gewissermaßen "Knotenpunkte" in der Argumentlandkarte.
Beispiel für eine Miniaturdebatte
Argument A) Unsicherheit
Prämisse 1: Solange die Nebenfolgen einer Risikotechnologie nicht zuverlässig vorausgesagt werden können, ist ihr Einsatz moralisch falsch.
Prämisse 2: Die Nebenfolgen der CE-Technologie T können noch nicht zuverlässig vorausgesagt werden.
Prämisse 3: Die CE-Technologie T ist eine Risikotechnologie.
Konklusion (aus 1-3): Der Einsatz der CE-Technologie T ist moralisch falsch.
Argument B) Kein Bedarf
Prämisse 1: Wenn der Einsatz der CE-Technologie T moralisch falsch ist, dann ist die Einsatzbereitschaft von T nicht notwendig.
Prämisse 2: Der Einsatz der CE-Technologie T ist moralisch falsch (Konklusion aus A)
Konklusion (aus 1,2): Die Einsatzbereitschaft von CE ist nicht notwendig.
Argument C) Zentrale Forschungsbegründung
Prämisse 1: Die CE-Technologie T sollte in Zukunft zum Einsatz bereit sein.
Prämisse 2: Nur, wenn wir sofort anfangen zu forschen, ist die CE-Technologie T für den Einsatz bereit.
Konklusion (aus 1,2): Forschung und Entwicklung der CE-Technologie T sollen sofort ausgeführt werden.
Argument A beruht auf dem moralischen Gebot, dass eine Risikotechnologie nicht eingesetzt werden soll, solange ihre Einsatznebenfolgen nicht abgeschätzt werden können. Zusammen mit Prämissen 2 und 3 ergibt sich die Konklusion, dass der Einsatz der CE-Technologie T moralisch falsch ist.
Prämisse 1 des Arguments B ist kein normativ-moralisches Gebot, sondern in sich logisch wahr: Wenn der Einsatz der CE-Technologie T falsch ist, dann muss diese Technologie auch nicht zum Einsatz bereit sein. Die Konklusion von Argument A geht in dieses Argument als Prämisse 2 ein.
Argument C nun begründet das Forschungsgebot (der CE-Technologie T). Prämisse 1 wird von Argument B angegriffen. Es gilt, dass die Konklusion eines Argumentes falsch ist, wenn mindestens eine Prämisse falsch ist. Behält nun also Argument B recht, dann gibt es kein Forschungsgebot für die CE-Technologie T.
Struktur der Debatte
Makrostruktur der Debatte
Grundsätzlich können drei Argumentgruppen unterschieden werden:
- Argumente, die für oder gegen die Erforschung und Entwicklung von CE-Technologien sprechen,
- Argumente, die für oder gegen die Einsatzbereitschaft von CE-Technologien sprechen,
- Argumente, die gegen den Einsatz von CE-Technologien sprechen.
Zu bemerken ist, dass es keine Argumente für den Einsatz von CE gibt, lediglich für die Einsatzbereitschaft. Hingegen gibt es mehrere Argumente, die sich gegen den Einsatz von CE aussprechen. Wenn nun der Einsatz von CE moralisch falsch ist, dann muss CE auch nicht einsatzbereit sein, mithin nicht erforscht werden.
In der gesamten Landkarte wird der Platzhalter T für eine konkrete CE-Technologie verwendet. Nicht alle Aussagen treffen gleichermaßen auf alle CE-Technologien zu. Zum Beispiel unterscheidet sich das, was wir über die Nebenfolgen von Aufforstung wissen, maßgeblich von dem, was wir über Sulfate Aerosol Injektion wissen. Auch wirken die verschiedenen Technologien nicht gleich schnell, und ein Argument, das die Schnelligkeit von CE hervorhebt, gilt nur für einige wenige Technologien. Dies gilt es zu bedenken, wenn die Karte gelesen wird.
Über CE-Forschung und Entwicklung
Drei Annahmen sprechen dafür, dass CE schon heute erforscht werden sollte:
- CE-Technologien sollten zukünftig einsatzbereit sein (These 2: Einsatzbereitschaft erstrebenswert).
- Die Nebenwirkung der Erforschung sind zu vernachlässigen (These 3: Forschungsfolgen vernachlässigbar).
- Damit CE zukünftig einsatzbereit sein kann, müssen wir heute schon forschen (These 4: Forschung alternativlos, falls Einsatzbereitschaft in Zukunft gewünscht).
Die Thesen 3 und 4 beziehen sich auf Forschungs-Ethik und Forschungsfolgen, These 2 bezieht sich auf das Ziel der Forschung, die Einsatzbereitschaft.
Ziel der Forschung: Einsatzbereitschaft
Eine Reihe von Argumenten sprechen sich für die Einsatzbereitschaft von CE aus. So scheint in einer zukünftigen Welt, in der wir die Wahl zwischen einem katastrophalen Klimawandel auf der einen und dem Einsatz von CE auf der anderen Seite haben, CE doch mit Abstand das geringere Übel zu sein. In einer solchen Welt kann CE bedrohte Ökosysteme, ja sogar das Leben der gesamten Spezies Mensch vor einem katastrophalen Klimawandel retten. Deshalb ist es heute wichtig, CE zu erforschen und für den Einsatz vorzubereiten.
Diese "Lesser-Evil" Argumentation, die zu den wichtigsten Argumentgruppen der CE-Debatte gehört, kann auf mehrere Arten kritisiert werden. Zum einen ist nicht offenkundig, dass CE tatsächlich das geringere Übel sein wird, bedenkt man die vielen unklaren Wirkungen von CE auf das Klimasystem. Was als "gering" betrachtet wird und wie solche "Übel" miteinander verglichen werden können, ist alles andere als eindeutig. Manche Philosophen vertreten außerdem die Ansicht, dass intentionale Klimamanipulation unter allen Umständen moralisch falsch sei, selbst wenn sie tatsächlich die Erderwärmung verlangsamen oder gar verhindern könnte: Der Eingriff in das gesamte Klimasystem mit dem Ziel, unser eigenes Versagen in Hinblick auf CO2-Reduktion zu kompensieren, ist grundlegend unmoralisch, egal, ob es funktionieren würde oder nicht.
Ein weiteres Argument für den Einsatz von CE verweist auf das 2-Grad-Ziel. Da politische Entscheidungen offenkundig noch zu keiner Einigung über CO2-Reduktionen geführt haben und es daher immer unwahrscheinlicher wird, dass allein durch Reduktion der THG-Emissionen das 2-Grad-Ziel erreicht werden kann, müssen andere Maßnahmen getroffen werden. Dieses Argument beruht auf (pessimistischen) Vermutungen über zukünftige politische Entwicklungen und internationale Verträge, sowie über Klimasensitivität. Gleichzeitig warnen einige Wissenschaftler davor, dass durch die Trägheit des Klimasystems selbst sofortige CO2-Reduktionen den Klimawandel nicht aufhalten können, bzw. zu spät Wirkung zeigen [Salomon 2009]. Insofern ist die Einsatzbereitschaft von CE notwendig.
CE wird von den meisten Befürwortern als eine Ergänzung zur CO2-Reduktion verstanden, die uns mehr Zeit verschaffen kann, um dann durch noch stärkere CO2-Reduktionen die Klimaziele zu erreichen ("Buying-time" Argumentation). Kritiker dieser Argumentation warnen hier vor Lippenbekenntnissen. Es ist einfach, heute zu versprechen, CE nur als Überbrückung zu nutzen. Jedoch wird für einzelne Staaten die Verpflichtung auf ambitionierte Klimaziele unattraktiv, wenn CE als Option möglich ist (siehe Moral-Hazard). So besteht die Gefahr, CE langfristig und anstelle von CO2-Reduktion zu verwenden.
Ein drittes Argument für den Einsatz von CE besagt, dass CE im Vergleich zu CO2-Reduktion günstiger und effektiver sei (das trifft aber, wie gesagt, nur für bestimmte Technologien zu). Ökonomisch betrachtet sollte man also CE den Vorzug geben. Aus Sicht der Gegner ist dies aber eine unzulässige Vereinfachung, da die indirekten Kosten der Nebenfolgen unterschätzt werden.
Forschungsfolgen
Der bekannteste Einwand gegen die Erforschung von CE ist das sogenannte "Moral-Hazard"Argument. Es besagt, dass in dem Moment, wo CE eine realistische Option wird, CO2-Reduktion immer unattraktiver wird. Im Vergleich zu CE erscheint die Reduktion der THG-Emissionen kostspielig, langwierig und ineffizient, und so scheint es doch nur vernünftig, die schnelle und günstige Variante CE zu wählen. Die direkte Forschungsfolge wäre demnach eine Minderung der Bemühungen um CO2-Reduktion, was moralisch falsch wäre. (Hier ist natürlich entscheidend, welche konkrete Technologie gemeint ist - nicht alle CE-Technologien sind schnell und billig.)
Befürworter von CE begegnen diesem Einwand, indem sie CE und Reduktion der THG-Emissionen nicht als Alternativen, sondern als sich ergänzende Teile einer Klimapolitik ansehen. Dieses Argument übersieht aus Sicht der Gegner, dass die Erforschung einer bestimmten Technologie tendenziell darin resultiert, dass diese Technologie auch langfristig eingesetzt wird, bis sie sich amortisiert hat - warum sonst so viel Geld und Ressourcen für die Forschung ausgeben? Es werden also ökonomische Interessen hinter der Forschung und Entwicklung von CE vermutet, die ihre eigenen Selbstläufer produzieren.
Zuletzt ist Sorge um großskalige Feldversuche zu nennen. Da es schlicht kein Labor gibt, das groß genug wäre, um globales CE zu simulieren, wäre die Erprobung von CE im Grunde schon dessen Einsatz.
Alternative Rechtfertigung des Forschungsgebotes
Für die Erforschung von CE spricht außerdem, dass nur so Unsicherheiten beseitigt werden können. Um eine solide politische Entscheidung über die zukünftige Klimapolitik treffen zu können, sollten Entscheidungsträger so viel Wissen wie möglich über die verschiedenen Optionen haben. Auch zukünftige Generationen könnten von heutiger Forschung profitieren, indem sie mit den verschiedensten Möglichkeiten "ausgerüstet" werden ("Arm-the-future" Argument). Insofern stellt es sogar eine Verpflichtung dar, zukünftige Generationen so gut wie möglich auf kommende (Klima-) Katastrophen vorzubereiten.
Dabei macht es aber durchaus einen Unterschied, ob nur Wissen weitergeben wird oder schon entwickelte Technologien. Das "Arm-the-future" Argument kann also entweder für die Forschung, oder für die Entwicklung und Einsatzbereitschaft von CE-Technologien sprechen. Als Argument für die Einsatzbereitschaft ist es mit ähnlichen Gegenargumenten wir das Lesser-evil Argument konfrontiert: Es kann keine Verpflichtung geben, eine Risikotechnologie zu erforschen, solange wir noch die Möglichkeit haben, durch Reduktion der THG-Emissionen die Klimakatastrophe - auf die wir zukünftige Generationen durch eben diese Forschung vorbereiten wollen! - abzuwenden.
Über den Einsatz von CE
Gegen den Einsatz von CE werden ganz verschiedene Argumente angebracht. Die größte Argumentgruppe stellen dabei Überlegungen zu den Einsatznebenfolgen von CE dar. Gegner von CE befürchten unübersehbare ökologische Auswirkungen bestimmter CE Technologien und lehnen daher den Einsatz und auch die Entwicklung von CE ab. Für Befürworter ist genau diese Unsicherheit der Grund dafür, verstärkt zu forschen (siehe oben).
Desweiteren könnte CE zu großer Ungerechtigkeit führen, da die Auswirkung auf das Klima regional verschieden ist. Ärmere Weltregionen würden von den negativen ökologischen Auswirkungen von CE (z.B. Dürre oder Überschwemmung) stärker getroffen als reichere, was ein Grund ist, CE nicht anzuwenden.
Von verschiedenen ethischen und auch religiösen Strömungen wird CE grundsätzlich kritisiert: CE anzuwenden bedeutet eine neue, immer weiter getriebene Maßlosigkeit des Menschen, der sich nicht mit den ihm gesetzten Grenzen arrangieren kann und immer stärker die Kontrolle über die Natur anstrebt. In dieser Hinsicht wäre CE Ausdruck menschlicher Selbstüberschätzung ("Hybris") und gleichzeitig des existenziellen Scheiterns als Menschen auf diesem Planeten.
Wie gesagt gibt es kein Argument in der wissenschaftlichen Literatur, das sich direkt für den sofortigen Einsatz von CE anstelle von CO2-Reduktion ausspricht (vgl. 2.1.). Das liegt an zwei Dingen: Erstens hat die industrielle Welt immer noch die Verpflichtung, CO2-Emissionen zu reduzieren, egal, welche anderen Technologien erforscht werden. Zweitens sind die Einsatznebenfolgen zu ungewiss. Ein Argument, dass den direkten Einsatz von CE begründen will, muss also entweder zeigen, dass wir weiter CO2 emittieren dürfen, wie bisher - was schwer fallen dürfte, oder aber es muss nachweisen, dass die Nebenfolgen von CE, ökologisch sowie sozial, vernachlässigbar sind - Simulationen legen jedoch das Gegenteil nahe (Veränderung des Niederschlages, Vergrößerung des Ozonloches, etc.) Argumente für CE sind also relativ: Im Vergleich zu einem katastrophalen Klimawandel ist CE das geringere Übel (Lesser-evil), vor dem Hintergrund einer stagnierenden Klimapolitik benötigen wir CE (Buying-time). Solche Argumente können nurmehr die Einsatzbereitschaft begründen, nicht aber den Einsatz selbst.
Einzelnachweise
Lizenzhinweis
Dieser Artikel ist ein Originalartikel des Klima-Wiki und steht unter der Creative Commons Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland. Informationen zum Lizenzstatus eingebundener Mediendateien (etwa Bilder oder Videos) können in den meisten Fällen durch Anklicken dieser Mediendateien abgerufen werden und sind andernfalls über Dieter Kasang zu erfragen. |