Gletscher in den Alpen
Die Alpen erstrecken sich mit einer Länge von 1200 km über die Schweiz, Deutschland, Slowenien, Italien, Liechtenstein, Österreich und Frankreich. Sie nehmen eine Fläche von ungefähr 190.000 km² ein und werden von rund 15 Millionen Menschen bewohnt.[1] Sie werden üblicherweise in die westlichen und östlichen Alpen aufgeteilt. Die Westalpen sind höher als die Ostalpen und besitzen zahlreiche Gipfel mit über 4000 m Höhe. In den Westalpen liegt mit dem Mont Blanc (4810 m) der höchste Berg der Alpen und Europas. Hier befinden sich mit dem Monte-Rosa-Massiv (4634 m), Matterhorn (4478), Jungfrau (4158 m) u.a. auch die meisten anderen Viertausender der Alpen. In den Ostalpen erreicht nur die Bernina-Gruppe (4049 m) eine Höhe von knapp über 4000 m. Der höchste Berg Österreichs, der Großglockner, ist dagegen lediglich 3797 m hoch. Westen und Osten werden durch den Rhein und den Splügenpass abgegrenzt.
Gletscher und Klima in den Alpen
Gletscher
Zurzeit beherbergen die Alpen ungefähr 5000 Gletscher,[2] die noch in den 1970er Jahren eine Fläche von fast 3000 km² bedeckten.[3] Davon sind nur fünf in den Bayerischen Alpen zu finden, die ungefähr 1 km² Fläche beanspruchen. Der größte Talgletscher in den Alpen ist der Aletsch-Gletscher, der als UNESCO-Weltnaturerbe deklariert wurde und sich mit einer Länge von 23 km in den Berner Alpen erstreckt. Die Gletscher der Alpen sind Hauptquellort für den Rhein, die Rhône, den Po und die Donau; daher werden die Berge der Alpen auch als „Wassertürme“ Europas bezeichnet.[1] Insgesamt befinden sich zwei Drittel der beständigen Eisoberflächen der Gebirge Mittel-Europas (Alpen, Pyrenäen, Kaukasus) in den Alpen.[4]
Das Klima der Alpen
Die Alpen unterliegen vier verschiedenen Klimaeinflüssen: Vom Atlantik im Westen strömt milde, feuchte Luft in den Alpenraum, aus dem Süden warme mediterrane Luft, aus dem Norden kalte Polarluft und aus dem Osten kontinentale Luftmassen.
Die räumliche Änderung des Klimas sowie die Physiogeographie der Alpen beeinflussen die Temperaturverteilung und den Niederschlag. Durch ihre Höhe, Vegetation und Schneebedeckung üben die Alpen selbst einen Einfluss auf das Wetter aus.[1] Auf der Nord- und Südseite der Alpen fallen in ca. 2000 m Höhe jährlich 2000-2800 mm Niederschlag, in den Zentralalpen dagegen nur 800 bis 1800 mm. Die Sommertemperaturen der Südalpen liegen um 1 °C höher als auf der Nordseite. Im Norden herrscht ein mitteleuropäisch-ozeanisches Klima, in den Zentralalpen sind eher kontinentale Witterungsbedingungen bestimmend.[5]
Temperatur und Niederschlag sind maßgeblich für die Entwicklung von Gletschern in den Alpen. Die Temperatur in den Alpen ist jahreszeiten- und höhenabhängig. Die Höhenabhängigkeit wirkt sich am stärksten vom Herbst bis zum frühen Winter hin aus. Gletscher, die sich in feuchteren Regionen mit viel Niederschlag, einer hohen Luftfeuchtigkeit und einer hohen Umwälzung von Luftmassen befinden, reagieren sensibler auf Änderungen der Temperatur als Gletscher, die in einer trockenen Umgebung gelegen sind.
Die Saisonabhängigkeit des Niederschlags ist räumlich variabel und hängt von dem Ort und der Orographie ab. Jedoch ist in den Alpen ein Ost-West-Gradient zu erkennen: Im Osten der Alpen kommt es zu weniger Niederschlag als im Westen, was durch die Nähe des Westens zum Atlantik begründet werden kann. Im Winter fällt fast der gesamte Niederschlag ab 1500 m in Form von Schnee; der Schnee bleibt in 2000 m Höhe von Mitte November bis Ende Mai liegen.[1]
Schwankungen in der großskaligen atmosphärischen Zirkulation prägen ebenfalls das Klimas in den Alpen. Damit sind vor allem Änderungen der hemisphärischen Rossby-Wellen und der dazugehörigen Position des hohen troposphärischen Jet-Streams gemeint. Die Auswirkungen dieser Änderungen zeigen sich regional: Sie sind verantwortlich für die Entwicklung von Hoch- und Tiefdruckgebieten und damit auch für die den Transport (Advektion) von Luftmassen in die Alpen. Ein Hochdruckgebiet im Sommer führt beispielsweise zu absinkenden trockenen Luftmassen, die mit wenig Bewölkung und Niederschlag einhergehen. Dadurch erhöht sich die solare Einstrahlung, die Temperatur steigt und führt damit zu einer stark ausgeprägten negativen Massenbilanz. Die Eisschmelze wird vor allem während des Spätsommers zusätzlich dadurch verstärkt, dass das Eis der Abschmelzregion direkt der Kurzwellenstrahlung ausgesetzt wird. Der Schnee in diesem Gebiet ist alt und dreckig, damit hat er eine geringe Albedo, die den Schmelzprozess verstärkt.
Im Winter ist ein Tiefdruckgebiet über den Britischen Inseln und über der Nordsee mit einer südlichen Advektion von warmer und feuchter Luft verbunden. Ist das Tiefdruckgebiet weiter östlich angesiedelt, kommt es zu einer Kaltluftadvektion, die feuchte Luftmassen aus polaren Regionen in die nördlichen Alpen transportiert. Das führt zu verstärktem Niederschlag und verstärkter Wolkenbildung. Beides führt zu einer Verminderung der eintreffenden solaren Strahlung und zu geringen Temperaturen und schließlich zu einer positiven Massenbilanz. Durch den Massenzuwachs durch Schnee erhöht sich dann auch wieder die Albedo. Die Position und die Stärke von Tief- und Hochdruckgebieten über der Nordatlantikregion in Europa und der Zeitpunkt ihres Auftretens sind also maßgeblich für die Luftmassenadvektion und damit für die Massenbilanz der Gletscher.[6]
Vor allem im Winter steht das Klima stark unter dem Einfluss der Nordatlantischen Oszillation (NAO), die sich besonders im Westen und in hohen Lagen auf Temperatur und Niederschlag auswirkt. Eine stärkere NAO sorgt für den Transport warmer und feuchter Luftmassen vom Atlantik Richtung Alpen. Die gleichzeitig höheren Niederschläge fallen zu einem erheblichen Teil aufgrund der höheren Temperaturen als Regen statt als Schnee, so dass die Gletscher an Masse verlieren. Im Osten hingegen fällt mit einem höheren Winterniederschlag entlang der nördlichen Grenze der Alpen bei einem steigenden NAO-Index auch mehr Schnee, da die Temperaturen hier aufgrund der kontinentaleren Lage geringer als im Westen sind. Im Zentrum und im Süden der Alpen fallen bei einer starken NAO weniger Niederschläge, da die Regionen im Lee der Hauptluftströmungen liegen. Das wirkt sich negativ auf die Gletscherbildung aus.
Klimaänderungen in den Alpen
- Hauptartikel: Klimaänderungen in den Alpen
Der beobachtete Klimatrend in den Alpen zeigt, dass sich die Nachttemperaturen im Winter im Vergleich vom 20. Jahrhundert zu 1900 um bis zu 2 °C erhöht haben. Bei den Tagestemperaturen ist der Anstieg geringer. Seit 1980 geht die Erwärmung in den Alpen mit der globalen Erwärmung einher; sie ist in den Alpen jedoch etwa dreimal höher als der globale Durchschnitt. Besonders starke Temperaturzunahmen konnten in den Jahren 1994, 2000, 2002 und besonders in 2003 beobachtet werden.[1]
Die Temperaturzunahme in den Alpen hat mehrere Ursachen. Bis 1950 können Temperaturschwankungen vor allem durch natürliche Einflüsse wie eine verstärkte solare Strahlung begründet werden. Ab 1950 wirkten anthropogene Aerosole und Treibhausgasemissionen etwa im gleichen Maß wie die natürlichen Einflüsse. So kam es zwischen 1950 und 1970 zu einer leichten Abkühlung des Alpenklimas, da hier der Einfluss durch anthropogene Aerosole dominierte; ab 1970 gewannen die anthropogenen Treibhausgase die Oberhand und es kam zu einer Erwärmung.[7]
Über den Niederschlag lässt sich sagen, dass im Nordwesten der Alpen der Niederschlag speziell im Winter zunahm, während im südlichen und östlichen Teil der Alpen im Herbst ein Rückgang verzeichnet wurde. Für die Schneefälle lässt sich feststellen, dass in den tieferen Lagen der Alpen (< 300 m) die Schneedeckendauer um 30 – 40 % zurückgegangen ist, in höheren Lagen hat sie sich jedoch nur um 10% vermindert. Dieser negative Trend scheint sich also mit zunehmender Höhe abzuschwächen.[8]
Veränderungen der Alpinen Gletscher
Die Gletscher der Alpen sind mit einer mehr als hundertjährigen Beobachtung die am besten dokumentierten Gletscher der Welt.[3] Zu 25 Gletschern in den Alpen gibt es kontinuierliche Massenbilanz-Messungen über mindestens 10 Jahre und zu 11 davon über mehr als 30 Jahre.[9] In der Schweiz wurde bereits um 1880 an 10 Gletschern mit der Vermessung der Gletscherlänge und 1914 mit der Bestimmung der Massenbilanz des Claridenfirns begonnen.[5]
Die maximale Oberfläche und das maximale Volumen der Alpengletscher wurden im letzten Jahrtausend am Ende der Kleinen Eiszeit in der Mitte des 19. Jahrhunderts erreicht,[4] als die gesamte vergletscherte Fläche rund 4500 km2 betrug. Seitdem hat sich die Gletscheroberfläche bis in die 1970er Jahre auf 2900 km2, bis 2003 auf wenig mehr als 2000 km2 und bis 2010 auf 1800 km2 reduziert. Während der ersten 130 Jahre betrug die Verlustrate 10-15 km2 pro Jahr und steigerte sich nach 1985 auf 40-45 km2/Jahr. Ähnlich schrumpfte seit der Mitte des 19. Jahrhunderts auch das Gletschervolumen. Während es für die Zeit um 1850 auf 200-300 km3 geschätzt wurde, beliefen sich die Berechnungen für die Jahrtausendwende auf rund die Hälfte und für 2011 auf nur noch 80 km3.[3] Seit 1980 ist ein beschleunigter Eisverlust zu beobachten, der in dem Rekordsommer 2003 in einem Volumenverlust von 5 – 10 % im Vergleich zu dem Gesamtvolumen aus dem Jahr 2000 gipfelte.[4] Das jetzige Gletschervolumen liegt bei einem Drittel des ursprünglichen Volumens von 1850[10] und wurde erst für das Jahr 2025 erwartet.[11] Untersuchungen in den Ötztaler Alpen ergaben, dass sich das mittlere jährliche Volumen und die Dicke stärker ändern als die Fläche. Besonders bei Gletschern mit einer Oberfläche von 0.5 km² – 1 km² wurde beobachtet, dass die relative jährliche Flächenänderung gleich blieb, während sich die Abnahme des Volumens und der Eisdicke der Gletscher verdoppelte (Vergleich der Zeiträume 1969 – 1997 und 1997 - 2006). Ein umgekehrter Effekt ist dann zu erwarten, wenn die Gletscherzunge so dünn ist, dass sie abschmilzt. Damit verschwindet dann eine große Fläche des Gletschers, die aber nur ein sehr geringes Volumen besitzt.[12]
Die Abschätzungen sind jedoch mit großen Unsicherheiten behaftet. Einzelne Jahre können von dem Gesamttrend abweichen. In 1910 und 1970 konnte eine positive Massenbilanz und damit ein Eisgewinn in den Alpen verzeichnet werden, sodass kleine Gletscher sogar wuchsen. In 1940 und 1980 wurde eine extreme negative Massenbilanz beobachtet und es kam zu einem rapiden Eisverlust.[13] Besonders die größeren Gletscher befinden sich außerdem nicht in Übereinstimmung mit dem heutigen Klima. Wahrscheinlich müssten diese noch ein weiteres Drittel ihrer Fläche verlieren, um sich mit dem Klima zu Beginn des 21. Jahrhunderts im Gleichgewicht zu befinden.[3] Der Vergleich von Oberflächenänderungen der Gletscher in den Ötztaler Alpen lässt annehmen, dass die Gletscher, deren Fläche kleiner als 0.1 km² ist, sich dagegen auf das aktuelle Klima eingestellt haben.[12]
Untersuchungen in einzelnen Regionen und auch einzelner Gletscher zeigen zwar teilweise unterschiedliche Entwicklungen, aber überall ist der Trend des Gletscherrückzugs seit dem Ende der Kleinen Eiszeit und der verstärkste Rückgang seit den 1980er Jahren zu erkennen. So zeigt die Änderung der kumulativen Massenbilanz von sechs ausgewählten alpinen Gletschern in den französichen, schweizer und österreicheischen Alpen teilweise deutliche Unterschiede von -1,14 m Wasseräquivalente (w.e.) pro Jahr für den Sarennes-Gletscher in den Westalpen und -0,38 m w.e./Jahr für den Silvrettagletscher in den nördlichen Ostalpen. Und selbst die nur 3 km voneinander entfernt liegenden Gletscher Sarennes und St Sorlin schmelzen unterschiedlich stark ab. Alle sechs Gletscher hatten jedoch seit seit ca. 1980 einen beschleunigten Massenverlust auf.[14]
Wie in anderen Gebieten besaßen auch die schweizer Gletscher ihre größte Ausdehnung während der letzten 1000 Jahre mit 1735 km² am Ende der Kleinen Eiszeit um 1850. Anfang der 1970er Jahre waren davon noch 1300 km² übrig, was einen Flächenverlust von rund 25 % bedeutete. Bis zur Mitte der 1980er Jahre änderte sich die Fläche dann kaum noch, um danach aber beschleunigt abzunehmen. 2010 betrug die gesamte Gletscherfläche der Schweiz nur noch 944 km², womit sich die Gesamtfläche gegenüber der Mitte des 19. Jahrhunderts fast halbiert hat. In den letzten Jahrzehnten beschleunigte sich der Flächenverlust also deutlich. Auch die Anzahl der Gletscher ging von 2155 im Jahr 19713 auf 1420 in 2010 deutlich zurück, was einen Verlust von 735 Gletschern bedeutet.[5] Die längste Serie in den italienischen Alpen gibt es zum Careser Gletscher in der Ortles-Cevedale-Gruppe. Die Gletscherfläche hat hier von 5 km² in 1967 auf 1,6 km² in 2012 abgenommen. Insgesamt zeigen auch die italienischen Alpengletscher einen klaren Trend zu einer negativen jährlichen Massenbilanz. Die 112 Gletscher in der Ortles-Cevedale-Gruppe haben zwischen 1980er Jahren und den 2000er Jahren mit jährlich 0,69 m Wasseräquivalent besonders viel an Masse verloren. Zahlreche beobachtete Gletscher besitzen keine Ablationszone mehr und drohen zu verschwinden.[9]
Ursachen
Als Ursachen für den Rückgang der Gletscher in den Alpen kommen sowohl natürliche Schwankungen des Klimas wie der Klimawandel durch den Menschen in Frage; beides trägt jeweils etwa je zur Hälfte zu dem Rückgang der Gletscher bei.[13]; [14]
Globale Erwärmung
Ab 1970 konnte in den Alpen eine anthropogene Erwärmung (siehe oben) beobachtet werden, die maßgeblich zu der Gletscherschmelze beitrug. Doch bereits vor diesem Zeitpunkt zeigen Aufzeichnungen, dass die Gletscher der Alpen von 1860 – 1930 im Durchschnitt um rund einen Kilometer zurückgewichen sind. Das steht im Gegensatz dazu, dass niedrige Temperaturen und ausreichender Niederschlag ein Wachstum der Gletscher bis ungefähr 1910 hätten begünstigen sollen. Der Rückzug der Gletscher in dieser Zeit kann sehr wahrscheinlich durch die Industrialisierung erklärt werden: Mit ihr stieg der Ausstoß von Ruß rapide. Rußpartikel konzentrieren sich in den unteren Schichten der Atmosphäre und lagern sich auf den Gletscheroberflächen ab. Die natürliche Schmelze während des Sommers wurde durch die Rußpartikel verstärkt: Durch die abgelagerten Rußpartikel wird die Oberflächenalbedo der Gletscher geringer und damit die absorbierte solare Strahlung größer, das Eis nimmt also Wärme auf. Ein direkter anthropogener Einfluss auf die Gletscher hat also bereits vor dem anthropogenen Anstieg der Temperaturen im 20. Jahrhundert stattgefunden. Der beschriebene Effekt wird zusätzlich bei Schönwetterlagen (die generell mit Jahren negativer Massenbilanz in Verbindung gebracht werden) verstärkt. Das Eis ist dann direkt der Kurzwellenstrahlung ausgesetzt; außerdem haben die Rußpartikel die Eigenschaft, in die Eisoberflächen einzuschmelzen, sodass sie nur durch starken Regen wieder aus den Oberflächen entfernt werden können.[15] [16] Auch in den letzten 20 Jahren hat die Albedo der Gletscher in den graduell abgenommen; die abnehmende Albedo ist Teil eines positiven Feedback-Prozesses, der die Gletscherschmelze weiter verstärkt. In den Alpen übt die Albedo einen starken Einfluss auf die Energiebilanz und damit auch auf die Sommerschmelze aus, welche die Variabilität der Jahresbilanz für die meisten Gletscher bestimmt.[15] [16]
In den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch zunehmend der Anstieg der Sommertemperaturen als der wichtigste Faktor für das Abschmelzen der Gletscher gezeigt. Zwischen 1961 und 2013 haben die Temperaturen zwischen Juni und September um fast 0,4 °C pro Jahrzehnt zugenommen. Dadurch hat sich z.B. die Anzahl der Tage mit mehr als 0 °C maximaler Temperatur in 3000 m Höhe in den Ortler-Alpen, einer italienischen Gebirgsgruppe nördlich des Gardasees, von ca. 160 in den 1960er Jahren auf etwa 190 in den 2000er Jahren erhöht (Abb.). Als Folge hat sich auch die Ablationszeit verlängert.[3] Die Niederschläge zeigen dagegen keinen signifikanten Trend in der Akkumulationszeit im Winter. Sie sind stark von der NAO und der Häufigkeit blockierender Wetterlagen auf der Nordhemisphäre beeinflusst. Dabei zeigen Nord- und Südalpen ein gegensätzliches Verhalten. Die Tendenz zu einem abnehmenden NAO-Index in den letzten zwei Jahrzehnten hatte einen zunehmenden Winterniederschlag auf der Alpen-Südseite zur Folge, während auf der Nordseite das Umgekehrte der Fall ist.[9]
Nordatlantische Oszillation
Gletscher reagieren außerdem sehr empfindlich auf natürliche Schwankungen wie zum Beispiel die NAO (= Nordatlantische Oszillation). Die NAO bestimmt vor allem den winterlichen Niederschlag im Alpenraum. Der Einfluss der NAO ist in den hohen Regionen der Alpen sowie im Winter besonders stark. In den westlichen Alpen verursachen Niederschlags- und Temperaturanomalien im Winter eine schwache Antikorrelation zwischen Massenbilanz und NAO, sodass mit steigendem NAO-Index die Massenbilanz sinkt. Eine stärkere NAO sorgt für den Transport warmer und feuchter Luftmassen vom Atlantik Richtung Alpen. Die gleichzeitig höheren Niederschläge fallen zu einem erheblichen Teil aufgrund der höheren Temperaturen als Regen statt als Schnee. Im Osten hingegen fällt mit einem höheren Winterniederschlag entlang der nördlichen Grenze der Alpen mit einem steigenden NAO-Index auch mehr Schnee, da die Temperaturen hier aufgrund der kontinentaleren Lage geringer als im Westen sind. Z.T. wird diese schwache Korrelation jedoch durch die Temperaturerhöhung bei einer starken NAO wieder ausbalanciert. Im Zentrum und im Süden der Alpen fallen bei einer starken NAO weniger Niederschläge. Dieser Mangel an Niederschlag führt zu einer schwachen Antikorrelation zwischen Massenbilanz und NAO, sodass mit steigendem NAO-Index die Massenbilanz sinkt, ähnlich wie im Westen, allerdings aus anderen Gründen.[17]
Der Schneefall weist also eine Abhängigkeit gegenüber der NAO auf und unterliegt damit hohen dekadischen Schwankungen. Damit sind für den Schneefall weniger lokale als großräumige Kräfte von Relevanz.[8]
Bis jetzt ist es noch nicht gelungen, bei der Klimaänderung den Einfluss der NAO und den der globalen Erwärmung eindeutig zu unterscheiden. Es wird aber vermutet, dass die NAO die Erhöhung der Minimumtemperaturen zumindest seit Mitte der 1980er Jahre verstärkt hat; in Abwesenheit der NAO hätten sich die Minimumtemperaturen in den Alpen anstatt um 1.5 °C nur um 0.5 °C erhöht, was dem globalen Durchschnitt entspräche. Die NAO und das alpine Klima sind, bei Betrachtung über einen langen Zeitraum, nicht eindeutig miteinander verbunden. Ein Zusammenhang zwischen positivem NAO-Index und alpinem Klima wurde nur für bestimmte Zeiträume während der letzten 500 Jahre beobachtet, der sich dann durch erhöhte Temperaturen oder verminderten Niederschlag auszeichnete.[1]
Atlantische Multidekaden Oszillation
Neben der NAO übt auch die AMO (Atlantische Multidekaden Oszillation) Einfluss auf das Wettergeschehen und damit auf die Temperatur und den Niederschlag in Europa aus. Bei der AMO handelt es sich um eine Schwankung der Oberflächentemperatur des Nordatlantiks, die alle 60 Jahre rhythmisch um 1 °C steigt bzw. sinkt. Sie wird durch Änderungen in den Strömungen des Ozeans verursacht und beeinflusst unter anderem den Niederschlag in Europa.
In den Schweizer Alpen wurde beobachtet, dass die Massenbilanz zwar starken Schwankungen unterliegt, aber der Langzeit-Trend der AMO folgt.[13] Beispiele für eine Übereinstimmung von AMO und Massenbilanz sind die Jahre 1910 und 1970, in denen eine positive Massenbilanz und damit ein Eisgewinn in den Alpen gemessen wurde, sowie die Jahre 1940 und 1980, in denen eine extrem negative Massenbilanz beobachtet wurde und es zu einem rapiden Eisverlust kam. Diese Werte korrelieren mit den AMO-Schwankungen: In 1910 und 1970 wurden kühle AMO–Phasen beobachtet, während in 1940 und 1980 die warme AMO–Phase mit erhöhten Temperaturen und mehr Niederschlag in Form von Regen als in Form von Schnee einherging.[13]
Neben der atmosphärischen Zirkulationsdynamik führt auch die Häufigkeit von Nebelereignissen zu der beobachteten Erwärmung im Frühling, Sommer und Herbst. Die Anzahl der Nebeltage ist aufgrund der Luftqualität und Abnahme der Aerosolkonzentrationen zurückgegangen. Das führt zu einer lokalen Erwärmung, da der Nebel die solare Strahlung blockiert und damit niedrige Höhen abkühlt.[16]
Untersuchungen in den Ötztaler Alpen in Österreich haben ergeben, dass höher gelegene Gletscher langsamer schmelzen als niedrig gelegene. Das kann sowohl an Änderungen in der Energiebilanz als auch an dem Anteil des Niederschlags in fester Form am Gesamtniederschlag liegen. Niederschlag in fester Form hat einen stärkeren Effekt auf Gletscheränderungen in niedrigen Höhen, da die Gletscher hier eher zur Schmelze neigen als in höheren Regionen.[17]
Zukünftige Entwicklung
Nach Modellberechnungen mit dem regionalen Klimamodell REMO kann es im Alpenraum bis zum Ende des 21. Jahrhunderts zu einer erheblichen Erwärmung von 3 °C bis 4,5 °C kommen.[18] Für die Sommer wird davon ausgegangen, dass die Erwärmung über dem Westen der Alpen stärker sein wird als über dem Osten. Ebenfalls wird eine Höhenabhängigkeit bei der Erwärmung vorhergesagt, in den Alpen könnten die Temperaturen mit der Höhe also stärker steigen.[1]
Die Menge der Jahresniederschläge ändert sich wenig, die jahreszeitlichen Unterschiede können sich allerdings weiter verstärken. Im Sommer werden die Niederschläge nach Modellprognosen um 30% abnehmen, im Winter um 5-10% zunehmen.[8] Aufgrund der steigenden Temperaturen ergeben sich dabei vor allem deutliche Abnahmen bei der Schneefallmenge und der Zahl der Schneetage, da der Niederschlag zunehmnd als Regen fallen wird. Die Nullgradgrenze kann in den Wintermonaten bis zum Ende des Jahrhunderts um ca. 650 m steigen. Das bedeutet für Regionen, die zwischen 1000 und 1500 m liegen, eine Abnahme der Schneefallmenge um bis zu 60%. Selbst über 2000 m kann die Schneefallmenge immer noch um 20-30% abnehmen.[18]
Diese Trends sind maßgebliche Einflüsse auf die Massenbilanz von Gletschern und die Schneebedeckung in den Alpen.[1] Der Eisverlust der Alpengletscher wird weiter zunehmen. In den 2000er Jahren betrug die Massenbilanz der Gletscher in den Alpen -1 m Wasseräquivalent (w.e.) pro Jahr. Für 2050 wurde eine Abnahme von -1,3 m w.e./Jahr berechnet. Die vergletscherte Fläche wird sich nach dem hohen Szenario RCP8.5 auf 4 % der Fläche von 2003 und auf 18 % nach dem niedrigen Szenario RCP2.6 verringern. Auch nach dem Szenario RCP2.6 könnten also mehr als 80 % der Gletscheroberfläche von 2003 bis zum Ende des 21. Jahrhunderts verschwunden sein.[19]
Viele kleine Gletscher in niedrigerer Lage werden ganz abschmelzen. Sehr kleine Gletscher mit unter 0,5 km2 Fläche haben bereits in den letzten 30 Jahren 60 % ihres Volumens verloren und werden bis 2040 noch einmal 90 % ihres gegenwärtigen Volumens verlieren. 71 % dieser Gletscher werden dann komplett verschwunden sein.[20] Sehr große Gletscher zeigen dagegen aufgrund ihrer längeren Reaktionszeit einen geringeren Anteil an Flächenverlust. Das Abschmelzen von Talgletschern, von denen einige immer noch mehrere hundert Meter mächtig sind, dauert viele Jahrzehnte, so dass von einigen der großen Talgletscher auch am Ende des 21. Jahrhunderts noch Reste existieren werden. So wird nach Modellsimulationen der zweitgrößte Gletscher der Alpen, der Gornergletscher in der südwestlichen Schweiz, zwar kurz nach der Jahrhunderthälfte in verschiedene Teile zerfallen sein, um 2100 aber immer noch größere Eismassen im heutigen Firngebiet aufweisen (vgl. Abb.).[19]
Einzelnachweise
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- ↑ Zemp, M. (2006): Glaciers and climate change – Spatio-temporal analysis of glacier fluctuations in the European Alps after 1850. PhD thesis, Universität von Zürich
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 Haeberli, W., F. Paul and M. Zemp (2013): Vanishing Glaciers in the European Alps, Fate of Mountain Glaciers in the Anthropocene Pontifical Academy of Sciences, Scripta Varia 118, 2013, www.pas.va/content/dam/accademia/pdf/sv118/sv118-haeberli-paul-zemp.pdf
- ↑ 4,0 4,1 4,2 UNEP, WGMS (2008): Global Glacier Changes: Facts and Figures
- ↑ 5,0 5,1 5,2 Escher-Vetter, H. & J. L. Lozán (2015): Veränderungen der Schweizer Gletscher. In: Lozán, J. L., H. Grassl, D. Kasang, D. Notz & H. Escher-Vetter (Hrsg.): Warnsignal Klima: Das Eis der Erde, 155-158, doi:10.2312/warnsignal.klima.eis-der-erde.23
- ↑ Springer, C., Matulla, C., Schöner, W., Steinacker, R., Wagner, S. (2013): Downscaled GCM projections of winter and summer mass balance for Central European glaciers (2000–2100) from ensemble simulations with ECHAM5-MPIOM, International Journal of Climatology, 33, 1270 – 1279
- ↑ European Environment Agency (2009): Regional climate change and adaption. The Alps facing the challenge of changing water resources
- ↑ 8,0 8,1 8,2 Disch, D., Reppe, S., Jacob, D., Göttel, H., Kotlarski, S. und Lorenz, P. (2008): Klimawandel in den Alpen: Fakten – Folgen – Anpassung, BMU, 1 -23
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- ↑ 17,0 17,1 B. Marzeion, A. Nesje (2012): Spatial patterns of North Atlantic Oscillation influence on mass balance variability of European glaciers, The Cyrosphere, 6, 661 – 673
- ↑ 18,0 18,1 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2007): Klimawandel in den Alpen. Fakten – Folgen – Anpassung
- ↑ 19,0 19,1 Huss, M. (2012): Extrapolating glacier mass balance to the mountain-range scale: the European Alps 1900–2100, The Cryosphere, 6, 713–727, doi:10.5194/tc-6-713-2012
- ↑ Huss, M. and M. Fischer (2016): Sensitivity of Very Small Glaciers in the Swiss Alps to Future Climate Change. Frontiers in Earth Science 4:34. doi: 10.3389/feart.2016.00034
Klimadaten zum Thema
Klimadaten zum Thema selbst auswerten? Hier können Sie aus Regionaldaten zu Europa eigene Karten zur künftigen Klimaentwicklung im Alpenraum erzeugen. Der Alpenraum kann mit dem Visualisierungsprogramm Panoply aus den Europadaten ausgeschnitten werden.
Hier finden Sie eine: Anleitung zur Visualisierung der Daten mit Panoply.
Schülerarbeiten zum Thema
Schülerarbeiten zum Thema des Artikels aus dem Schulprojekt Klimawandel:
- Klimawandel in den Alpen über die Folgen für den Skitourismus (Stadtteilschule Walddörfer, Hamburg)
- Skifahren in den Alpen über die Auswirkungen des Klimawandels auf den Skitourismus in den Alpen (Gymnasium Grootmoor, Hamburg)
Bildergalerie zum Thema
- Bilder zu: Gletscher in den Alpen
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