Schuld und Sühne

Aus Weltliteratur

Schuld und Sühne (oder auch Verbrechen und Strafe) von Fjodor Dostojewski erschien 1866 und ist der erste der großen Romane Dostojewskis.

Titel

Der russische Originaltitel des Romans lautet Преступление и наказание (Prestuplenie i nakazanie), was wörtlich übersetzt Verbrechen und Strafe bedeutet. In der deutschen Sprache ist jedoch Schuld und Sühne der geläufigste Titel des Romans. In anderen Sprachen wie dem Englischen, Französischen und Polnischen wurde der Titel hingegen stets exakt übersetzt (Crime and punishment, Crime et châtiment bzw. Zbrodnia i kara). Der Roman wurde im Deutschen außerdem unter dem Namen seiner Hauptfigur, Rodion Raskolnikow, herausgegeben. Die viel beachtete Neuübersetzung von Swetlana Geier aus dem Jahr 1994 trägt den Titel Verbrechen und Strafe.

Inhalt

Schauplatz des Romans ist Sankt Petersburg um 1860. Es geht um die Geschichte des bitterarmen, aber überdurchschnittlich begabten Jura-Studenten Rodion Romanowitsch Raskolnikow. Die Mischung aus Armut und Überlegenheitsdünkel spaltet ihn zunehmend von der Gesellschaft ab. Unter dem starken Eindruck eines von ihm zufällig belauschten Wirtshausgesprächs entwickelt er eine Theorie der "außergewöhnlichen" Menschen, die im Sinnedes allgemein-menschlichen Fortschritts natürliche Vorrechte genießen sollten. Er selbst, jung und talentiert, doch mit Armut geschlagen, sieht sich als solchermaßen Privilegierter.

In starkem Kontrast zu diesem inneren Selbstanspruch stehen freilich die bedrückenden äußeren Umstände. Seine Kleidung ist zerlumpt und er haust in einem Zimmer von sargähnlicher Enge. Die finanziell prekäre Situation zwingt Raskolnikow, sich an eine alte wucherische Pfandleiherin zu wenden. Jene ist eine geizige und herzlose Alte, die nur dafür lebt, ein immer größeres Vermögen zusammenzuraffen. Für Raskolnikow ist sie der Inbegriff einer "Laus", eines wertlosen Menschen, über dessen Leben die wirklich großen Menschen rücksichtslos hinweggehen dürfen. Von dieser Weltanschauung getrieben, drängt sich ihm der Entschluss zum Mord immer mehr auf. Motiv für das Verbrechen ist dabei letztlich eine perverse Art der Selbstfindung, wie er später Sofja gesteht, einem jungen Mädchen, welches sich auf Grund von Geldnöten ihrer Familie prostituiert: "Ich wollte damals erfahren, so schnell wie möglich erfahren, ob ich eine Laus bin, wie alle, oder ein Mensch." "Ein Mensch" bedeutet hier für ihn: Ein großer Mensch, ein Napoleon, den er als Beispiel für vorbildliche Rücksichtslosigkeit anführt.

Unter einem Vorwand besucht er die Alte erneut, erschlägt sie genauso wie ihre zufällig erscheinende Schwester mit einem Beil und raubt ihre Wertsachen. Nur mit großem Glück kann er unentdeckt entkommen, wobei seine nervliche Anspannung fast in Wahnsinn mündet. So fällt er nach gelungener Tat in einen mehrtägigen fiebrigen Dämmerzustand. Immer mehr zeigt sich, dass er seiner eigenen Theorie nicht gewachsen ist. Er ist nicht der Mensch ohne Gewissen, der er zu sein glaubte. Außerdem hat ihn seine Tat verändert. Wenngleich Raskolnikow ein scheinbar perfektes Verbrechen gelungen ist, empfindet er als Doppelmörder die gesellschaftliche Abspaltung innerlich nun umso schmerzhafter.

Nach der Mordtat findet er keine Ruhe mehr, selbst seine eigene Mutter verwirft er. So dauert es nicht lange und er wird von einem Ermittlungsrichter als Schuldiger erkannt, obwohl jener Raskolnikows Täterschaft nicht zu beweisen vermag. Beiden, Täter wie Ermittler, ist dies bewusst, auch wenn es nicht offen ausgesprochen wird. Stattdessen steigert sich das intellektuelle Gefecht zwischen den Widersachern zu einem subtilen psychologischen Spiel, welches Raskolnikow, wiewohl er nach äußerlichem Stand der Untersuchungen beruhigt sein könnte, immer mehr in die Enge treibt. Die gläubige, sich für ihre Familie selbst aufopfernde Prostituierte Sofja, welche er kennen und lieben lernt, rät ihm schließlich, sich zu stellen um für seine Sünden zu "bezahlen". Raskolnikoff, der selbst schon etliche Male den Gang zur Polizei erwogen und wieder verworfen hat, stellt sich tatsächlich.

Im Epilog wird die Haft Raskolnikoffs in einem sibirischen Arbeitslager geschildert, währende der er sich zum Christen wandelt. Die angekündigte Fortsetzung der Erzählung hat Dostojewski jedoch nie verfasst.

Interpretation

Erzählweise

Der Roman überzeugt durch psychologisch realistische Charaktere und präzises sowie anschauliches Erzählen.

Raskolnikows Ideologie

Raskolnikow ist eine Figur, die anfangs ihre Ideen und Vorstellungen vom Sein und der Welt über die Wirklichkeit selbst stellt. Von seinem eigenen Genie überzeugt, veröffentlicht er in einer Literaturzeitschrift einen Artikel, in dem er den außergewöhnlichen Menschen Rechte über die gewöhnlichen Menschen einräumt. Seine These gipfelt in der Behauptung, außergewöhnliche Menschen hätten das Recht und die moralische Pflicht, die gewöhnlichen Menschen zu ihren höheren Zwecken zu gebrauchen.

Raskolnikow verwirft die Welt, da sie ihm unvollkommen erscheint. Erst durch sein ideelles Scheitern aufgrund seines Gewissenskonfliktes ist er fähig, einen unvoreingenommenen Blick auf die Wirklichkeit zu werfen und sie als das zu entdecken, was sie ist: komplexer, reicher und vollkommener als seine Ideale. Er erkennt in ihr demütig das Wirken Gottes.

Autobiographische Reminiszenzen

Dostojewski war ein atheistischer Sozialist, der in ein sibirisches Gefangenenlager kam und dann Militärdienst ableisten musste. Im sibirischen Gefangenenlager bekommt Dostojewski das Neue Testament, welches er nun aufmerksam studiert. Nach seiner Gefangenschaft vollzieht sich der Wandel vom atheistischen Revolutionär zum Christen. So ist Raskolnikows Wandlung das Abbild der Wandlung Dostojewskis vom Revolutionär zum Christen.

Wirkung

  • Das Thema des außergewöhnlichen Menschen, der von diesem sich selbst zugeteilten Status das Recht auf Mord an niederen Menschen ableitet, spielt auch in Alfred Hitchcocks Cocktail für eine Leiche (Rope) eine Rolle.
  • Das Thema vom 'Mord ohne Motiv' wurde in dem zeitgenössischen Adoleszenz-Roman Fever von Leslie Kaplan (2005) wieder aufgenommen und modern adaptiert. Hier geht es ebenfalls darum, dass die Täter "die Größten" sein wollen.
  • Nach einer mehr komödiantischen Behandlung in Verbrechen und andere Kleinigkeiten greift Woody Allen das Motiv aus Verbrechen und Strafe im Film Match Point (2005) auf. Die Hauptfigur Chris Wilton begeht einen kaltblütigen Mord, um den eigenen gesellschaftlichen Aufstieg zu sichern. Wie in Verbrechen und Strafe spielt in Match Point der Dialog zwischen dem Ermittler, der dem Verbrechen unerwartet auf die Spur kommt, und dem Mörder eine große Rolle, allerdings mit gänzlich anderem Ausgang. Allen verweist jedoch nicht nur auf der inhaltlichen Ebene auf den Roman, sondern gibt dem Zuschauer einen deutlichen Hinweis: Zu Beginn des Films zeigt eine Einstellung Wilton bei der Lektüre des Dostojewski-Romanes.
  • Der Schöpfer der Fernsehserie Columbo erwähnte einmal, dass der Ermittler aus Verbrechen und Strafe als Inspiration für die Hauptfigur der Serie gedient habe.

Literatur

Weblinks


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