Julie oder Die neue Heloise

Aus Weltliteratur
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Julie oder Die neue Heloise (franz.: Julie ou la Nouvelle Héloïse) ist ein Briefroman von Jean-Jacques Rousseau aus dem Jahr 1761. Er war einer der größten belletristischen Bucherfolge des 18. Jahrhunderts und erlebte bis zu dessen Ende mindestens 70 Auflagen.

Titel

Der ursprüngliche Titel lautete Briefe zweier Liebender aus einer kleinen Stadt am Fuße der Alpen. Berühmt wurde der Roman jedoch unter dem Titel Julie ou la Nouvelle Héloïse, der auf die Liebes- und Leidensgeschichte von Heloisa und Peter Abaelard anspielt.

Handlung

Wie einst Abaelard sich als Hauslehrer Heloisas in diese verliebte, so verliebt sich der junge bürgerliche Hauslehrer Saint-Preux in Julie d'Étanges, ein Mädchen aus adliger Familie in der Schweiz. Er gesteht ihr brieflich seine Liebe, sie schreibt ihm auf eine Weise, dass er merkt: Sie erwidert sie. Mit Hilfe der Cousine Julies kommt es zu mehreren zärtlichen Zusammentreffen. Julie hofft schwanger zu sein und damit die Ehe erzwingen zu können, verliert das Kind aber durch einen Sturz. Der Vater Julies ist empört, als er annehmen muss, dass der nicht standesgemäße Saint-Preux seine Tochter heiraten will. Saint-Preux muss sich von der in Vevey lebenden Julie trennen und geht nach Paris. Die Liebenden setzen ihren Briefwechsel fort, der von der Mutter entdeckt wird. Als die Mutter kurz darauf stirbt, ist Julie so von Reue erfüllt, dass sie in die Ehe mit einem Herrn von Wolmar einwilligt, dem ihr Vater sein Leben verdankt. Zurückkehrend von der Weltumsegelung mit Admiral Anson, findet Saint-Preux die Geliebte als Gattin und Mutter vor. Die Liebe ist zwar nicht erloschen, ist aber jetzt zur Gefahr der sittlichen Ordnung geworden. Als eins der Kinder ins Wasser fällt und zu ertrinken droht, springt Julie ihm nach, rettet es - stirbt aber an dem hitzigen Fieber, das die Unterkühlung bei ihr ausgelöst hat. Ihr letzter Brief erreicht Saint-Preux, als sie bereits tot ist.

Thema

Rousseau stellt das natürliche Empfinden den absurden Anforderungen der Gesellschaft gegenüber, die sogar in der Schweiz, wo der Adel scheinbar abgeschafft ist, aber in patrizischer Form weiterbesteht, am Standesvorurteil festhält. Das Buch ist ein flammendes Plädoyer für die Liebesehe und gegen den Standesdünkel des Adels, für die Absolutheit und Authentizität des subjektiven Gefühls. Zugleich ist es belletristisch verkleideter Kreuzungspunkt aller ihn beschäftigenden Themen: Vom Primat der italienischen Musik über die französische, von der richtigen selbstgenügsamen Wirtschaftsführung am Beispiel eines kleinen Schweizer Weinguts, von der korrekten Erziehung, von der Entmischung der Geschlechter, vom richtigen Glauben an einen von konfessionellen Zugaben entschlackten Gott, von der Legitimität des Selbstmords, von einer ausschließlich am Gemeinwohl und an der Tugend orientierten Moral und Politik…

Wirkungsgeschichte

Die bedeutendsten Vorläufer des Buchs dürften Samuel Richardsons Briefromane Pamela und Clarissa sein. Robert Darnton vermutet, dass Die neue Heloise "vielleicht der größte Bestseller des Jahrhunderts war". Ihr Erfolg war so immens, dass die Buchhändler, weil die Neuauflagen nicht nachkamen, dazu übergingen, das Buch tage-, ja, sogar stundenweise auszuleihen. Viele Leserinnen und Leser konnten nicht glauben, dass es sich um eine Fiktion handelte und schrieben an Rousseau, um mehr über die Protagonisten zu erfahren. Rousseaus Naturschilderungen in Verbindung mit zärtlicher Liebe fanden in Goethes Werther nur dreizehn Jahre später einen würdigen Nachfolger. Die Fulminanz, mit der Rousseau hier das Standesvorurteil angreift, hat möglicherweise mehr für die Französische Revolution getan als sein Contrat social. Die durch den Roman ausgelöste Mode, in der Schweiz zu wandern und Erholung zu suchen, schlug sich nicht nur in Goethes Schweizreise, sondern Jahrzehnte später noch in einem Trivialroman wie Claurens Mimili nieder.


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