Geschlossene Gesellschaft

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Geschlossene Gesellschaft (fr. Huis-clos, Bei geschlossenen Türen) ist ein Drama des französischen Schriftstellers und Philosophen Jean-Paul Sartre. Es wurde 1944 uraufgeführt.

Handlung

In Huis-clos finden sich zwei Frauen, die reiche Estelle und die Postangestellte Ines, und der Journalist Garcin nach ihrem Tod in einem geschlossenen Raum, der Hölle, wieder. Garcin hat seine Frau misshandelt und in entscheidenden Situationen feige versagt. Die lesbische und hochintellektuelle Ines hat eine junge Frau (Florence) ihrem Cousin entfremdet, bis er sich aus Kummer über den Verlust seiner Frau vor eine Strassenbahn wirft. Florence vergiftet in Folge dessen zutiefst verzweifelt sich selbst und Ines mit Gas. Die sinnlich verführerische Estelle hat ihr Kind ermordet und ihren Geliebten in den Tod getrieben. Alle drei sind sich bewusst, dass sie sich in der Hölle befinden und machen sich auf das Schlimmste gefasst, aber die erwartete Folter und die körperlichen Qualen stellen sich nicht ein, nur eine leichte Hitze ist zu verspüren. Tastend versuchen sie voneinander den Grund für die Höllenfahrt zu erfahren, ohne jedoch ihre eigene Schuld zu offenbaren. Sehr bald entdecken sie, dass sie zu ihren eigenen Folterknechten bestimmt sind, indem sie sich gegenseitig die Lebenslügen entreißen. Ein kurzes Aufflackern von Solidarität erlischt unter der Angst und dem gegenseitigen Hass. Jeder ist verdammt dazu, die anderen beständig zu quälen und selbst von den anderen gequält zu werden. Die lesbische Ines verzehrt sich nach Estelle, die aber nichts von ihr wissen will und sich an Garcin heranmacht. Garcin wiederum lechzt nach der intellektuellen Anerkennung von Ines. So dürstet jeder nach der Hilfe eines der beiden anderen, aber sich diesem nähernd, verletzt er zugleich zutiefst den anderen. Sie können weder voneinander lassen, noch voreinander fliehen, nicht einmal töten können sie sich - sie sind bereits tot. Und so gilt auf ewig: "Die Hölle, das sind die anderen". Nacheinander proben alle den natürlich vergeblichen Ausbruch aus diesem Gefängnis, indem sie schreien oder an die Tür schlagen. Als dann plötzlich die Tür sich öffnet, erschrecken sie alle vor der vermeintlichen Falle der Freiheit und drängen sich wieder aneinander. Wenn Garcin am Ende die letzten Worte "also - weitermachen" sagt, hat sich ihre Lage nicht verändert. Sie werden ihre Notgemeinschaft ewig aufrechterhalten müssen, ohne wirklich voranzukommen.

Interpretation

„Die Hölle, das sind die anderen“. Damit möchte Sartre nicht sagen, dass unsere Beziehungen zu Anderen immer vergiftet sind, dass es immer teuflische Beziehungen sind, sondern dass, wenn diese Beziehungen verquer, vertrackt sind, der andere nur die Hölle sein kann, da die anderen das Wichtigste in uns selbst für unsere eigene Kenntnis von uns selbst sind. Wenn wir über uns nachdenken, wenn wir versuchen, uns zu erkennen, benutzen wir Kenntnisse, die andere über uns schon haben. Wir beurteilen uns mit den Mitteln, die andere uns zu unserer Beurteilung gegeben haben. In allem was man über sich sagt, spielt immer das Urteil anderer hinein. Das bedeutet, wenn die Beziehungen von jemandem schlecht sind, begibt er sich in die totale Abhängigkeit von anderen. Und dann ist er tatsächlich in der Hölle. Das soll nach Sartre aber nicht heißen, dass man keine Beziehungen zu den anderen haben kann. Es kennzeichnet nur die entscheidende Bedeutung aller anderen für jeden Menschen. Die drei Personen des Stückes sind tot, wobei "tot" auch symbolisch zu verstehen ist. Viele Leute sind in einer Reihe von Gewohnheiten und Gebräuchen verkrustet und haben Urteile über sich, unter denen sie leiden, die sie aber nicht einmal zu verändern versuchen. Diese Leute sind wie tot, insofern sie den Rahmen ihrer Probleme, ihrer Ambitionen und ihrer Gewohnheiten nicht durchbrechen können und daher oft Opfer der Urteile bleiben, die man über sie gefällt hat. So lässt sich auch erklären, dass sie zum Beispiel feige oder bösartig sind. (Zitiert nach: "Jean Paul Sartre über Geschlossene Gesellschaft" im Anhang des Buches: "Geschlossene Gesellschaft")

Obwohl es sich bei diesem um das bekannteste und erfolgreichste Stück Sartres handelt, wird seine literarische Qualität manchmal in Zweifel gezogen. Es handelt sich bei dem Stück nämlich um eine philosophische Kopfgeburt, dessen Charaktere und Handlung zum Ziel haben, zu zeigen, dass sie einander die Beschneidung der Freiheit bedeuten. Daher sind die Hölle die anderen: Der Gewinn des Selbstbewusstseins, das man durch den Blick des anderen gewinnt, wird mit Freiheitsverlust ausgeglichen. Somit wird der Text zu sogenannter Thesenliteratur: Er vertritt eine philosophische Auffassung und ist im Prinzip die Illustration des Blick-Kapitels aus Sartres Hauptwerk "Das Sein und das Nichts". Er geht aber kaum über die Illustration der zugrunde liegenden Thesen hinaus.

Unterricht

Literatur

Weblinks

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