Die Jalousie oder die Eifersucht: Unterschied zwischen den Versionen

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==Literatur==
==Literatur==
Günter Blöcker: Diagramm der Eifersucht. In: FAZ vom 27.06.1959.
Barbara Kuhn: A la recherche du livre perdu. Der Roman auf der Suche nach sich selbst. Bonn 1994.
Alain Robbe-Grillet: Vom Anlaß des Schreibens. Tübingen 1989.


==Weblinks==
==Weblinks==

Version vom 30. August 2007, 17:18 Uhr

Die Jalousie oder die Eifersucht ist ein Roman des französischen Autors Alain Robbe-Grillet, der 1957 unter dem Titel "La Jalousie" erschien. Bei dem Titel handelt es sich um ein unübersetzbares Wortspiel.

Inhalt

Der Handlungsort des Romans ist geografisch nicht genau definiert; der Leser erfährt lediglich, dass es sich um eine Bananenplantage in einer französischen Kolonie handelt. Die detailgetreue Schilderung der Anlage (z.B. des Hauses mit großer Terrasse oder der Felder, die das Haus in geometrischer Regelmäßigkeit umgeben) wird vom Erzähler äußerst genau genommen.

A..., eine Frau, ist das Objekt der Faszination, sowohl für den Erzähler wie für Franck, der auf einer benachbarten Plantage mit seiner Frau Christiane und Kind (die beide allerdings ausschließlich als Gesprächsgegenstand im Roman vorkommen) wohnt. Franck stattet A... mehrere Besuche ab, wobei Christiane und das Kind aus gesundheitlichen Gründen stets zuhause bleiben.

Der Roman schildert aus Sicht des nicht benannten Erzählers dessen Eifersucht in Anbetracht der – teils vagen, teils deutlichen – Annäherung zwischen A... und Franck. Zeichen für diese Annäherung finden sich einerseits dort, wo ganz bestimmte Konstellationen von Gegenständen beschrieben werden (z.B. der Abstand der auf dem Tisch stehenden Gläser von A... und Franck ist geringer als der beider zum dritten), und andererseits dort, wo die beiden ein gemeinsames Thema im Gespräch finden (wie z.B. einen Afrika-Roman). Besonderen Stellenwert nimmt eine Fahrt von A... und Franck in die Stadt ein: Durch eine Wagenpanne dauert der Ausflug länger als geplant und zudem über Nacht. Dieses Ereignis bietet dem Leser einen sich aufdrängenden Beweis für das erotische Verhältnis der beiden; mit praktischen Erklärungen (Reparaturarbeiten) jedoch entschärft der Erzähler diesen Verdacht zugleich.

Der gesamte Roman lässt den Leser keine Sicherheit über den Sachverhalt gewinnen: Er kann letztlich weder mit völliger Überzeugung behaupten, A... und Franck hätten ein Verhältnis, noch, der Blick des eifersüchtigen Ehemannes sei eindeutig erkennbar. Der Blick des Erzählers (und somit des Lesers) ist eingeschränkt: Er kann nur Bruchstücke finden und zusammenfügen. Der Autor nutzt die für den nouveau roman typischen Merkmale von Raum-, Zeit- und Kausalitätsauflösung. Monotonie und (scheinbare) Wiederholung schaffen Irritation: Immer wieder werden dieselben Gegenstände beschrieben, immer wieder ergibt sich eine neue oder nur geringfügig von der letzten Beschreibung abweichende Anordnung der Dinge. Alles bleibt unbestimmt, variabel, phantasmagorisch. Die Sprache Robbe-Grillets erscheint, nicht zuletzt durch manchmal endlos scheinende Aufzählungen, eintönig und sachlich. Andererseits entsteht durch die permanente Wiederkehr der dem Leser bereits bekannten Objekte ein eigener, nicht unpoetischer Rhythmus.

Interpretation

Drei Gedecke werden aufgelegt, drei Gläser gefüllt, doch der dritte – der Ehemann – ist anwesend nur durch seine Stummheit. Wir erfahren nicht, wie er heißt, nicht, wie er aussieht, wir hören ihn nicht reden, und er wird nicht angeredet. Er ist als Individualität ausgelöscht, und doch ist er die wichtigste Person, der ‚Held’. Denn er erst schafft die Konstellation, die dargestellt werden soll – Eifersucht. (Günter Blöcker)

In der Tat nimmt der Erzähler, obwohl nie explizit genannt, den meisten Raum im Roman ein. Er beobachtet, schildert und – schweigt. Der Blick des narrateur invisible ist von Wahn, von Eifersucht geprägt und versucht, „hinter“ die Dinge zu schauen. Dies ist unmöglich, denn die Jalousie filtert den Blick: „Vom Gartenboden, der vom Geländer in senkrechte und von der Jalousie in waagrechte Scheiben zerstückelt wird, bleiben lediglich kleine Vierecke übrig, die nur einen Bruchteil der Gesamtfläche darstellen – vielleicht das Drittel eines Drittels.“ Auch der Leser kann die Jalousie nicht mit den Augen durchdringen; die Wahrnehmung bleibt beschränkt und die Wahrheit verborgen. Der Raum ist nur in Ausschnitten sichtbar, alles andere bleibt Imagination. Die An- oder Abwesenheit des Erzählers lässt sich nur durch die Beschreibung von Dingen erahnen; alle Wahrnehmung richtet sich auf Indizien, die ein Verhältnis von A... und Franck bestätigen könnten. Was entsteht, ist Beklemmung: Die Obsession spiegelt sich in gleichen oder nur leicht veränderten, wiederkehrenden Bildern; harmlose Dinge bleiben im Gedächtnis unauslöschlich haften. Die Welt, wie sie hier beschrieben wird, ist der Raum des Erzählers: der Blick durch eine „Jalousie“ im doppelten Wortsinn.

Achronologie und die Zerstörung einer Bedeutungs- zugunsten einer Sachwelt als Elemente des nouveau roman schaffen eine Aneinanderreihung von Szenen, die der Leser nicht endgültig zu ordnen vermag. Die Beschreibung des (für den Erzähler und Leser) sichtbaren Raums in Varianten entspricht dem Motiv des im Roman wiederkehrenden Gesangs einer Eingeborenenweise: „Wahrscheinlich ist es immer dasselbe Poem, das fortgesetzt wird. Wenn die Motive zuweilen allmählich verschwinden, dann nur, um etwas später noch lauter und fast unverändert wiederzukehren. Aber diese Wiederholungen, diese unscheinbaren Varianten, diese Klangfetzen, diese Refrains gestatten Verwandlungen, die – wenn auch kaum wahrnehmbar – auf die Dauer doch weit vom Ausgangspunkt abweichen.“ Verstärkt durch die ewige Gegenwart (Barbara Kuhn) – die durchweg im Präsens erzählte Handlung – wird die Herstellung einer sicheren Reihenfolge der Romanereignisse verhindert. Räume, die gebildet werden, verlieren sich wieder. Was bleibt, ist ein für scheinbar belanglose Alltagsgegenstände geschärfter Blick und damit eine Unordnung, die in ihrer sprachlichen Form und durch die Privilegierung von Raumelementen wie die reinste Ordnung erscheint.

Literatur

Günter Blöcker: Diagramm der Eifersucht. In: FAZ vom 27.06.1959.

Barbara Kuhn: A la recherche du livre perdu. Der Roman auf der Suche nach sich selbst. Bonn 1994.

Alain Robbe-Grillet: Vom Anlaß des Schreibens. Tübingen 1989.

Weblinks

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