Der Idiot

Aus Weltliteratur
Version vom 18. Mai 2008, 10:03 Uhr von Dieter Kasang (Diskussion | Beiträge)
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Der Idiot zählt zu den fünf großen Romanen Fjodor Dostojewskis – allesamt zur Weltliteratur gehörig – und erschien von Januar 1868 bis Februar 1869 in der Zeitschrift Russkij Vestnik.

Titelheld des Romans ist der junge Fürst Myschkin, der nach einem Aufenthalt in einem Schweizer Sanatorium von seiner Epilepsie nicht ganz geheilt nach Russland zurückkehrt und in der Sankt Petersburger Gesellschaft scheitert, weil er sich in seiner Naivität, Ehrlichkeit und Tugendhaftigkeit nicht gegen die Intrigen seiner Umgebung zur Wehr setzen kann. Dass sein Herz zwei Frauen zur gleichen Zeit gehört, führt zu einer in den Augen seiner Umgebung moralisch falschen Entscheidung und seiner gesellschaftlichen Ächtung.

Inhaltsangabe

Myschkin kehrt nach einem jahrelangen Aufenthalt in einer Schweizer Heilanstalt nach Petersburg zurück. Er leidet an Epilepsie (wie auch Dostojewski selbst), ist zwar den Jahren nach erwachsen, gleicht aber in emotionaler Hinsicht einem Kind. Vieles, was in der damaligen russischen Gesellschaft als „idiotisch“ angesehen wird, beruht schlicht auf Myschkins Ehrlichkeit und Vertrauensseligkeit. Er zeigt sich großmütig und ist immer bereit zu verzeihen und das Beste in den Menschen zu sehen.

Im Zug trifft er einen Mann namens Rogoshin, seinen zukünftigen Hauptwidersacher, der ihm von seiner leidenschaftlichen Liebe zu Nastassja Filippowna erzählt. Diese Nastassja Filippowna Baraschkowa ist eine sehr schöne, aber auch schwierige Frau. Von einem wohlhabenden Mann ausgehalten und missbraucht, schwankt sie zwischen unnahbarem Stolz und Selbstzerstörung. Als der Fürst sie zum ersten Mal sieht, ist er sofort für sie entflammt.

Zuerst sucht er aber seine entfernte Verwandte Jelisaweta Prokofjewna Jepantschina (geborene Myschkina) auf, die mit einem wohlhabenden General verheiratet ist und drei Töchter hat, darunter Aglaja. Dort wird er wohlmeinend aufgenommen und findet bei einem Bekannten der Familie Quartier.

Dieser Bekannte, Ganja, soll Nastassja Filippowna heiraten. Zwischen ihm und Rogoshin herrscht ein dementsprechend gespanntes Verhältnis, und als die Verlobung zwischen Ganja und Nastassja Filippowna bekannt gegeben werden soll, weist sie diesen höhnisch ab und wendet sich Rogoshin zu.

Doch auch ihn lässt sie zappeln. Sie stimmt Hochzeitsterminen zu, verschiebt sie wieder und verschwindet vorher mit Fürst Myschkin. Nach einigen Turbulenzen zieht sich der gesundheitlich erneut angeschlagene Fürst auf Einladung eines Freundes auf dessen Sommerfrische außerhalb von Petersburg zurück. Auch die oben erwähnte Verwandte und ihre Familie halten sich dort auf und Fürst Myschkin verkehrt häufig in ihrem Haus. Langsam deutet sich eine aufkeimende Liebe zwischen ihm und der jüngsten Tochter Aglaja Jepantschina an. Aglaja liebt den Fürsten, weil er sich wie ein „armer Ritter“ zu Nastassja Filippowna bekannt hat. Andererseits weiß sie auch, dass gerade die Zuneigung Myschkins zu einer gefallenen Frau die Ehe mit ihm fast unmöglich macht. Am Ende siegen die Passivität Myschkins und die Konvention über die Liebe und ein Verlöbnis Aglajas mit dem Fürsten kommt nicht zustande.

In diesem Teil des Romans treten Nastasja Filippowna und Rogoshin in den Hintergrund. Dostojewskii beschreibt eine Gesellschaft, deren Protagonisten zu keinen Taten fähig sind und deren Dasein sich deshalb in leerem Gerede erschöpft. Der Gegensatz zu der unbedingten Leidenschaft Nastasja Filippownas und Rogoshins könnte nicht größer sein.

Am Ende des Romans tötet Rogoshin Nastasja Filippowna und holt heimlich den Fürsten, um mit ihm die Totenwache zu halten. Myschkin ist der seelischen Belastung aber nicht gewachsen und fällt in einen traumatischen Schockzustand. Er ist später nicht einmal mehr in der Lage, seine Freunde zu erkennen, und wird wieder in das Schweizer Sanatorium eingewiesen.

Analyse

Fürst Myschkin, der Held des Romans, ist eine Art russischer Parzival. Unschuldig und naiv gerät er hilflos in die Intrigenspiele der gehobenen Mittelschicht des russischen Adels. Noch übler ergeht es ihm zwischen zwei exzentrischen Frauen. Auf der einen Seite wird er wegen seiner Aufrichtigkeit und Gutherzigkeit glühend bewundert, anderseits als naiver Idiot betrachtet, der zu keiner entschiedenen Tat fähig ist.

Myschkin kann als Versuch gesehen werden, einen allein von der Ethik und Gesinnung der Bergpredigt geleiteten Charakter zu entwerfen, der in der realen Welt notwendig scheitern und an seinen Mitmenschen unschuldig schuldig werden muss.

Nastassja Filippowna, eine der beiden weiblichen Hauptfiguren, kann sich nicht zwischen der leidenschaftlichen, körperlichen und besitzergreifenden Liebe von Rogoshin und der Liebe des Fürsten entscheiden, die mehr zu brüderlicher Zuneigung und Mitleid neigt und platonischer Natur ist. Hier stellt Dostojewski die sexuelle Anziehung der Zuneigung in geschwisterlicher Liebe gegenüber und lässt seine Protagonisten schließlich an diesem Widerspruch scheitern.

Der offen-naive Held richtet er sich gegen den westlichen Einfluss in Russland, gegen die katholische Kirche und den Sozialismus. Die Rückbesinnung auf das traditionelle Russland und seine Kirche sollen den moralischen Verfall verhindern.

Die Charaktere und ihre Interaktion beschreibt Dostojewski mit einer vor ihm nicht bekannten psychologischen Feinfühligkeit. Seine Personen sind in aller ihrer Exzentrik verblüffend realistisch und trotz ihrer tiefen Verwurzelung in ihrer Zeit und Gesellschaft zeitlos. Der Leser wird Menschen in seiner Umgebung kennen, die sich ähnlich benehmen.

Dostojewski beschreibt nicht plakativ. Der Leser muss sich selbst Gedanken machen, wird aber durch die bemerkenswerte Menschenkenntnis Dostojewskis reich belohnt. In den zahlreichen, teilweise sehr umfangreichen Disputen und Monologen der Charaktere wird ein breites Spektrum an gesellschaftlichen, politischen und sozialen Themen angeschnitten, was dem Leser einen Einblick in die damalige russische Gesellschaft verschafft.

Rezeption

Theater

Durch Inszenierungen zweier Romane von Dostojewski hat sich vor allem Frank Castorf hervorgetan. Zu seiner vielbeachteten Interpretation des Idioten (an der Berliner Volksbühne im Oktober 2002) findet sich eine Besprechung unter der Internet-Adresse http://www.satt.org/freizeit/02_10_idiot_1.html .

Film

  • 1946 - Der Idiot (L’idiot) – Regie: Georges Lampin – (mit Gérard Philipe)
  • 1951 – Hakuchi – Regie: Akira Kurosawa
  • 1958 - Der Idiot (Nastasja Filippowna) - Regie: Iwan Pyrjew
  • 1985 - Liebe und Gewalt (L’amour braque) – Regie: Anrdrzej Zulawski)
  • 1999 - Die Rückkehr des Idioten (Navrat idiota) – Regie: Sasa Gedeon
  • 2003 - Der Idiot (Idiot), Fernsehserie, 10 Folgen - Regie: Wladimir Bortko, Russland
  • 2007 - Der Idiot – Regie: Frank Castorf

Weblinks

  • Der Idiot Text in der Übersetzung von Hermann Röhl bei Zeno.org
  • Der Idiot deutschsprachiger Text im Projekt Gutenberg


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