Waldbrände in hohen Breiten: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 2. August 2022, 12:11 Uhr

Abb. 1: Verbreitung der borealen Nadelwälder (boreale Zone)

Waldbrände in den hohen Breiten

In den Wäldern der hohen nördlichen Breiten (Abb. 1), also in Sibirien, Kanada, Alaska und Skandinavien, hat es schon immer von Natur aus große Waldbrände gegeben, die häufig von Menschen wegen ihrer Abgelegenheit nicht registriert und beachtet wurden. Hinzu kamen die von Menschen verursachten Brände, die ebenfalls meistens sich selbst überlassen blieben. In den letzten Jahrzehnten konnte jedoch durch Satellitenbeobachtung festgestellt werden, dass die borealen Waldbrände in der Häufigkeit und ihrer regionalen Ausbreitung zugenommen haben.[1] Für Kanada und Alaska wurde seit den 1970er Jahren eine weitgehend lückenlose Beobachtung mit Satelliten möglich, für Russland seit 1995. Sie ergab, dass in Kanada im Mittel jedes Jahr etwa 8000 Feuer auf 2 Millionen ha Wald brennen[2] und in Russland sogar 9 Millionen ha betroffen sind.[1] Dabei brennen in der borealen Klimazone nicht nur Bäume und Sträucher, sondern auch die weiten Moor- und Torfgebiete. Torfbrände können sich tief in die Torfschichten fressen und mehrere Monate andauern und als Schwelbrände sogar den Winter überdauern.[1] In Kanada sind nur wenige große Brände mit einer Ausdehnung von über 200 ha für 97 % der betroffenen Gebiete verantwortlich. Grund dafür ist zum einen, dass kleinere Feuer schnell bekämpft werden, und zum anderen, dass man in den nördlicheren Gebieten, wo keine größeren Werte bedroht sind, die Feuer sich ungehindert ausbreiten lässt.[2]

Waldbrände und Kohlenstoff

Wald- und Torfbrände spielen eine bedeutende Rolle für den globalen Kohlenstoffkreislauf.[1] Bei der direkten Verbrennung wird Kohlenstoff freigesetzt, zumeist in der Form von Kohlendioxid, aber auch als Kohlenmonoxid und Methan. Allein durch die kanadischen Waldbrände werden 27 Millionen Tonnen Kohlenstoff pro Jahr freigesetzt, in manchen Jahren auch über 100 Millionen Tonnen, was etwa den Emissionen Kanadas durch Verbrennung fossiler Brennstoffe entspricht. Auch durch die Verrottung von durch Feuer zerstörter Vegetation wird Kohlenstoff freigesetzt. Die Wechselwirkungen zwischen Waldbränden und dem Klima sind allerdings komplex. Durch die Klimaerwärmung wird es in den folgenden Jahrzehnten zu einem starken Wachstum der Vegetation in den nördlichen Breiten kommen, die dann zu einer Kohlenstoffsenke wird. Die Freisetzung von Kohlendioxid und Methan erhöht allerdings die Erwärmung, wodurch wiederum die Bedingungen für Waldbrände günstiger werden. Zwar wirkt dem der Albedoeffekt in Regionen wie Alaska, wo mit einer längeren Schneesaison gerechnet wird, entgegen, insgesamt aber haben Wald- und Torfbrände eine positive Rückkopplung zum Klimawandel.

Abb. 2: Feuer in Sibirien, Satellitenbild vom 23. Juni 2020
Abb. 3: Waldbrände bei Fort McMurray am 4. Mai 2016

Boreale Waldbrände und Klimawandel

Sibirien

Es spricht vieles dafür, dass die bisherige Erwärmung, die nirgends so stark war wie in den hohen Breiten der Nordhalbkugel, neben direkten menschlichen Eingriffen für die beobachtete Zunahme der Waldbrände in dieser Region (Abb. 2) verantwortlich ist. Nordeurasien war im 20. Jahrhundert die Region mit der stärksten und stetigsten Temperaturzunahme.[3] In den letzten 50 Jahren hat sich die Jahresmitteltemperatur in der Region um 2,6-3,0 °C erhöht, die täglichen Minimumtemperaturen sogar um 4-5 °C. 2020 wurde für das Gebiet nördlich des Polarkreises ein Temperaturrekord von 38 °C in der ostsibirischen Stadt Werchojansk erzielt.[4] Als Folge der Erwärmung ist die 3-4 Monate lange Wachstumsperiode um 24 Tage länger geworden. Zugleich hat sich durch die höhere Verdunstung bei im Mittel wenig veränderten Niederschlägen die Trockenheit verstärkt.[5] Dabei ist auch die Häufigkeit warmer Tage und Nächte deutlich gestiegen. Auch die Tage mit Schneeschmelze haben in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts im Winter um 20 % und im Herbst um 40 % zugenommen. Im Frühjahr hat die Schneedecke in den letzten 75-80 Jahren um 13 % abgenommen. Das Wasser fließt daher früher im Jahr ab und steht in der Vegetationsperiode in geringerem Maße zur Verfügung. Bäume und Sträucher sind daher in der Waldbrandsaison trockener.

Zwar haben sich in Sibirien die Niederschläge in den Sommermonaten nicht nennenswert erhöht, was bei höheren Temperaturen und stärkerer Verdunstung dennoch eine größere Trockenheit bedeutet. Die Niederschläge fallen außerdem verstärkt als Starkregen, der wenig von der Vegetation und dem Boden aufgenommen wird und eher in Bäche und Flüsse abfließt. Hinzu kommt, dass die Erwärmung eine stärkere Verdunstung und damit einen höheren Wasserdampfgehalt in der Atmosphäre zur Folge hat. Das führt zu einer größeren Häufigkeit von Cumulonimbus-Wolken und einer Zunahme der Gewitteraktivität und damit zu mehr Blitzeinschlägen. Insgesamt hat sich also das Klima in den letzten Jahrzehnten zu günstigeren Bedingungen für Waldbrände entwickelt. Eine Ausnahme in Eurasien ist Nordeuropa, wo die Waldbrandgefahr aufgrund höherer Niederschläge nicht zugenommen hat.[3]

Nordamerika

Auch für Kanada und Alaska wurde festgestellt, dass die Sommertrockenheit und mit ihr die Anzahl der Waldbrände zugenommen haben.[6][2] Eine wichtige Rolle spielen dabei stationäre Hochdrucklagen, die verhindern, dass feuchte Meeresluft in das Land eindringen kann. In der letzten Hälfte des 20. Jahrhunderts konnte besonders im Süden und Westen Kanadas, dem Gebiet der meisten Waldbrände, eine deutliche Erwärmung beobachtet werden (Zhang et al. 2000, Government Canada, siehe Abb.2).Vor allem im Winter und Frühling sind die maximalen und minimalen Tagestemperaturen gestiegen.[7] Einer der größten Waldbrände der jüngsten Zeit ist das Feuer bei Fort McMurray im Mai 2016 (Abb. 3), als 2300 km2 in Flammen standen.[8] Hintergrund waren extrem hohe Temperaturen in der Region (Abb. 3) sowie zugleich eine sehr geringe relativ Luftfeuchtigkeit von 10-15 %.[9]

Für die Zukunft gehen die meisten Klimamodelle davon aus, dass sich die hohen Breiten im Winter global am stärksten erwärmen und die Bodenfeuchtigkeit im Sommer abnimmt. Damit werden die meteorologischen Bedingungen für Waldbrände noch günstiger. Im Einzelnen wurden für Kanada eine Vergrößerung der Waldbrandgebiete durch den Klimawandel um 75-118 % bis zum Ende dieses Jahrhunderts berechnet. Dabei werden die durch den Menschen direkt verursachten Waldbrände um etwa 50 % und die durch Blitz verursachten um ca. 80 % steigen. Diese Berechnungen berücksichtigen allerdings nicht die Verlängerung der Brandsaison durch längere Sommer und Wachstumszeiten und die Zunahme der Blitzaktivität durch mehr konvektive Wetterlagen und Gewitter. Auch für die Torfgebiete wird erwartet, dass sich die Brandaktivität durch den Klimawandel deutlich steigert.[1] Jüngere Modellberechnungen kommen für Kanada zu dem Ergebnis, dass sich die Anzahl der Tage pro Jahr mit deutlichem Feuervorkommen bis 2050 je nach Region um 35-400 % erhöhen wird. Die größten absoluten Zunahmen solcher Tage wird es hiernach in den borealen Ebenen von Alberta und Saskatchewan geben, die größten relativen Steigerungen eher in den östlichen atlantischen Regionen.[2]

Abb. 4: Kronen- und Bodenfeuer in borealen Wäldern in Nordamerika (links) und Eurasien (rechts).

Feuer und Ökosysteme

Einerseits verändern Feuer Struktur und Zusammensetzung von Ökosystemen und steuern deren Verteilung und Diversität. Andererseits stehen Feuerregime aber auch unter dem Einfluss der Vegetation sowie von deren anthropogenen Änderungen. Ökosysteme wirken dabei zumeist mit klimatischen Verhältnissen und ihren Veränderungen zusammen, was jedoch nicht immer der Fall sein muss. So herrschen in den hohen Breiten Nordamerikas und Eurasiens vergleichbare klimatische Bedingungen. In Nordamerika kommt es jedoch häufig zu starken Kronenbränden, in Eurasien dagegen eher zu Bodenfeuern, bei denen primär die Streu brennt (Abb. 4). In Nordamerika liegt das Wiederkehrintervall von Bränden bei 80-400 Jahren, in Eurasien bei 15-70 Jahren. Pro Brandfläche emittieren Feuer in Nordamerika zwar 53% mehr Kohlenstoff, in Eurasien brennen jedoch dreimal so große Flächen im Jahr, weshalb die Kohlenstoffemissionen insgesamt doppelt so hoch sind wie die in Nordamerika. Der Grund für diese Unterschiede sind die Eigenschaften der vorherrschenden Baumarten. Die nordamerikanische Schwarzfichte hat hoch entzündbare immergrüne Nadeln; sie wirft ihre abgestorbenen Äste nicht ab, wodurch das Feuer leicht bis in die Krone gelangen kann. Fichten dominieren in Alaska und Kanada, machen aber nur 15% der Biomasse in Eurasien aus. Hier herrschen Lärchen und Waldkiefern vor, die starken Kronenfeuern besser widerstehen. Die Lärche ist belaubt und daher weniger entzündlich, und Kiefern werfen ihre toten unteren Zweige ab, so dass sich Feuer meistens nur im Unterholz ausbreiten.[10][11]

Einen besonderen Einfluss haben in den arktischen Biomen die weit verbreiteten Torfschichten auf das Feuer. In borealen Ökosystemen werden organische Substanzen durch die niedrigen Jahrestemperaturen nur geringfügig zersetzt. Unter dem langen Tageslicht in Juni und Juli können die Pflanzenreste in Torfschichten stark austrocknen und sich entzünden. Sind sie einmal von Bränden erfasst, können sie über eine lange Zeit schwelen, sogar über den nächsten Winter hinaus und unter einer Schneedecke und sich im nächsten Jahr wieder entzünden. Dabei fangen diese sog. „Zombie-Feuer“ oft bereits im Frühling an zu brennen, während andere Brände in der Arktis erst mit Beginn der Gewitter-Saison im Juni-Juli auftreten.[12]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Flannigan, M., Stocks, B., Turetsky, M., Wotton, W. (2009): Impacts of climate change on fire activity and fire management in the circumboreal forest. Global Change Biology 15, 549–560
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Wang, X., et al. (2015): Increasing frequency of extreme fire weather in Canada with climate change, Climatic Change 130, 573–586
  3. 3,0 3,1 Groisman, P.V., et al. (2007): Potential forest fire danger over Northern Eurasia: changes during the 20th century, Northern Eurasia Regional Climate and Environmental Change 56 (3–4), 371–386
  4. Ciavarella, A., D. Cotterill, P. Stott et al. (2020): Prolonged Siberian heat of 2020
  5. Sizov, O., E. Ezhova, P. Tsymbarovich et al. (2021): Fire and vegetation dynamics in northwest Siberia during the last 60 years based on high-resolution remote sensing, Biogeosciences, 18, 207–228, https://doi.org/10.5194/bg-18-207-2021
  6. Xiao,J., and Q. Zhuang (2007): Drought effects on large fire activity in Canadian and Alaskan forests, Environenmental Research Letters 2, doi:10.1088/1748-9326/2/4/044003
  7. Zhang, X., Vincent, L. A., Hogg, W. D., & Niitsoo, A. (2000). Temperature and precipitation trends in Canada during the 20th century. Atmosphere-ocean, 38(3), 395-429
  8. Di Liberto, T. (2016): Climate connections to Fort McMurray fire
  9. Government Canada: Canadian Wildland Fire Information System
  10. Archibald, S., C.E.R Lehmann, C.M. Belcher et al. (2018): Biological and geophysical feedbacks with fire in the Earth system, Environmental Research 13, 3
  11. Rogers, B. M., A.J. Soja, M.L. Goulden, J.T. Randerson, J. T. (2015): Influence of tree species on continental differences in boreal fires and climate feedbacks, Nat. Geosci., 8, 228–234, doi:10.1038/ngeo2352
  12. Wheeling, K. (2020): The rise of zombie fires. Eos, 101, https://doi.org/10.1029/2020EO146119

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