Ursachen des aktuellen Meeresspiegelanstiegs

Aus Klimawandel
Veränderung des Wärmegehalts in den oberen Schichten des Ozeans

Sterischer Meeresspiegelanstieg

Als Ursachen für den Meeresspiegel-Anstieg in den letzten 100 Jahren kommen vor allem die thermale Expansion des Meerwassers durch die Erwärmung der Ozeane (thermosterischer Anstieg) und die Zunahme des Wasservolumens durch das Abschmelzen von Eis auf dem Land (eustatischer Anstieg) in Frage. Andere Ursachen wie die Volumenzunahme durch eine Verringerung des Salzgehaltes (halosterischer Anstieg) oder die Wasserzufuhr aus Landreservoiren oder Niederschlag spielen eine geringere Rolle.

Thermosterischer Meeresspiegelanstieg

Bei einer Erwärmung des Meerwassers nehmen die Dichte ab und das Volumen bei gleicher Masse zu. Die hohe Wärmekapazität des Ozeans verzögert die Weitergabe einer Erwärmung des Oberflächenwassers in tiefere Schichten, wodurch es zu signifikanten zeitlichen Verzögerungen bei der Weitergabe der Ausdehnung kommt. 60% der Erwärmung des Ozeans in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts fand daher in den oberen 700 m statt.

Durch Erwärmung verursachter Meeresspiegelanstieg 1955-2003

Die Erwärmung des Ozeans zeigt seit den 1950er Jahren einen deutlichen Trend, der im Wesentlichen auf die Zunahme von Treibhausgasen in der Atmosphäre zurückgeführt werden kann, also anthropogen bedingt ist. Es spielen offensichtlich aber auch natürliche Schwankungen von Jahrzehnt zu Jahrzehnt eine Rolle, die wahrscheinlich mit dynamischen Prozessen des Ozeans (Meeresströmungen) zusammenhängen. Außerdem ist die Erwärmung regional verschieden über die Ozeane verteilt. So hat die Hälfte der Erwärmung von 1955 bis 2003 im Atlantischen Ozean stattgefunden, während für das Jahrzehnt 1993-2003 der Pazifik den größten Anteil hatte.[1] Der Atlantik zeigt außerdem aufgrund seiner ausgeprägten Tiefenkonvektion Erwärmungen bis in 1000 m Tiefe, während die Temperaturzunahme der anderen Ozeane auf die oberen 100 m beschränkt blieb.[2]

Aus der Ozeanerwärmung bis in 3000 m Tiefe wurde für den Zeitraum 1955-2003 ein thermosterischer Meeresspiegelanstieg von 0,4 cm pro Jahrzehnt abgeleitet und von 1,5 cm pro Jahrzehnt für die Zeit der Satellitenmessungen 1993-2003.[3] D.h. der Trend in diesem letzten Jahrzehnt war dreimal größer als der über die gesamte Periode. Regional war der Atlantik für die gesamte Periode mit 52% an der thermosterischen Meeresspiegelerhöhung beteiligt. Im Jahrzehnt 1993-2003 hat dagegen der Pazifik aufgrund der stärkeren Erwärmungen den größten Anteil am thermosterischen Anstieg des Meeresspiegels. Die regionalen Unterschiede ändern sich also auch mit der Zeit. Wahrscheinlich sind primär Veränderungen in der ozeanischen Zirkulation die Ursache dafür.

Halosterischer Meeresspiegelanstieg

Neben der Erwärmung des Wasserkörpers der Ozeane spielt auch die beobachtete Verringerung des Salzgehaltes im Weltozean für den Meeresspiegelanstieg eine Rolle, da auch dadurch die Dichte des Meerwassers abnimmt. Dieser so genannte halosterische Effekt macht global jedoch nur 10% des thermosterischen Effekts aus. Regional, z.B. in der Labradorsee im Nordatlantik, kann er allerdings auch so groß wie der letztere sein. Die Verringerung des Salzgehalts kann verschiedene Ursachen haben. Neben einer Erhöhung der Niederschläge und Verringerung der Verdunstung über ozeanischen Gebieten spielen die Süßwasserzufuhr durch das Abschmelzen von Meereis und der Zufluss von Süßwasser vom Land aufgrund höherer Niederschläge und durch das Abtauen von Landeis eine Rolle. Die genaueren Anteile dieser Faktoren sind jedoch nicht bekannt.

Eustatischer Meeresspiegelanstieg

Meeresspiegelanstieg durch das Schmelzen von Gletschern und Eiskappen 1961-2003

Gletscher und Eiskappen

Der Beitrag von Gletschern und Eiskappen am Meeresspiegelanstieg lag zwischen den Jahren 1961 und 2003 bei 0,5 cm pro Jahrzehnt und hat sich im Jahrzehnt 1994-2003 auf 0,93 cm erhöht und damit nahezu verdoppelt.[4] In den anschließenden Jahren 2003-2008 hat er noch einmal auf 1,1 mm/Jahr zugenommen.[5] Er war damit in den letzten 50 Jahren etwa so groß wie der durch die thermische Ausdehnung des Meerwassers und in den letzten Jahren sogar dreimal so groß. Den größten Anteil leisteten mit 0,15 cm pro Jahrzehnt die Gletscher in Alaska, gefolgt von den Gletschern und Eiskappen auf den arktischen Inseln. Das Kalben von Eisbergen, das 10 bis 40% des Massenverlustes ausmachen kann, ist dabei nicht berücksichtigt. In diese Rechnung sind auch die Gletscher im Randbereich der großen Eisschilde mit einbezogen.[4]

Eisschilde: Grönland und Antarktis

Ist der IPCC-Bericht von 2001 noch davon ausgegangen, dass die Eismasse der Antarktis durch mehr Schneefall zunimmt und der Meeresspiegel dadurch geringfügig sinkt und dass der Beitrag Grönlands verschwindend gering sei,[6] so werden in den letzten Jahren für beide Eisschilde deutlich positive Beiträge diskutiert. Im Mittel zeigt die aktuelle Literatur einen Meeresspiegelanstieg von 0,35 cm pro Jahrzehnt durch Grönland und die Antarktis über die letzten Jahrzehnte, d.h. ungefähr ein Zehntel des Gesamtanstiegs.[7] Wie im Abschnitt über den Grönländischen Eisschild dargestellt, zeigen neuere Untersuchungen einen zunehmenden Beitrag Grönlands zum Meeresspiegelanstieg, der von 0,23 cm pro Jahrzehnt Mitte der 1990er Jahre auf 0,57 cm pro Jahrzehnt zehn Jahre später zugenommen hat. Zwei Drittel davon sollen auf das Konto der Eisdynamik gehen, die bisher unterschätzt wurde und von Klimamodellen nicht abgebildet wird. Schwerefeldmessungen durch Satelliten im Rahmen des GRACE-Projekts[8] schätzen den Beitrag Grönlands zum Meeresspiegelanstieg für die Jahre 2003-2008 mit 0,38 mm/Jahr allerdings wieder etwas geringer ein.[5]

Inwieweit die Antarktis gegenwärtig zu einem Anstieg oder zu einem Absinken des globalen Meeresspiegels beiträgt, war lange Zeit umstritten. Eisdynamik und Schmelzprozesse in der kleineren Westantarktis wurden schon immer als positiver Beitrag am Meeresspiegelanstieg der letzten Jahrzehnte gesehen. [9] Weniger eindeutig wurde die Frage beantwortet, inwieweit dieser Wert durch eine Zunahme der Eismasse der größeren Ostantarktis ausgeglichen oder übertroffen wird. Höhenmessungen durch Satelliten haben ergeben, dass durch zunehmenden Schneefall der Eismassenzuwachs der Ostantarktis zu einer Absenkung des Meeresspiegels geführt hat.[10] Eine aktuelle Untersuchung des Antarktischen Schneefalls seit den 1950er Jahren kam allerdings zu dem Ergebnis, dass sich dieser trotz höherer Temperaturen im Winter nicht signifikant geändert hat.[11] Dazu würden Schwerefeldmessungen von Satelliten in den Jahren 2002-2005 passen, die für die gesamte Antarktis einen Massenverlust von 152 km3 pro Jahr ergeben haben, was einem Anstieg des Meeresspiegels um 0,4 mm jährlich entsprechen würde.[12] Eine aktuelle Messung des Schwerefelds durch das GRACE-Projekt kommt zu dem Ergebnis, dass die Antarktis 0,56 mm/Jahr zum Meeresspiegel beigetragen hat, was einem Massenverlust von 198 Gigatonnen/Jahr entspricht.[5]

Hauptursache für den Meeresspiegelanstieg?

Während noch der letzte IPCC-Bericht von 2001 davon ausging, dass der Hauptanteil des Meeresspiegelanstiegs im 20. Jahrhundert durch die Wärmeausdehnung des Meerwassers verursacht war, kommen neuere Untersuchungen teilweise zu anderen Ergebnissen, insbesondere für die 2. Hälfte des 20. und den Beginn des 21. Jahrhunderts. Danach soll die Ausdehnung des Meerwassers durch Erwärmung eine geringere Rolle spielen als die Zunahme der Masse des Meerwassers durch Wasserzufuhr vom Festland. Der IPCC-Bericht von 2007 veranschlagt in einer Übersicht einen Anteil von etwa 40%.[13] Er macht allerdings auf die Diskrepanzen zwischen den aus den einzelnen Ursachen berechneten Beiträgen zum Meeresspiegelanstieg und dem beobachteten Anstieg aufmerksam.

Seit 2002 bestimmen zwei Satelliten des GRACE-Projekts das Schwerefeld der Erde mit bisher nicht da gewesener Genauigkeit. Dadurch können Veränderungen der Masse des Ozeanwassers und der Eisschilde ermittelt und daraus Schlüsse auf Veränderungen des Meeresspiegels und die einzelnen Ursachen dafür gezogen werden.[5]. Danach hat sich der Meeresspiegel in den Jahren 2003-2008 um 2,5 mm pro Jahr erhöht, d.h. etwas weniger als in dem Jahrzehnt davor, als die Veränderung 3,1 mm/Jahr betrug. Geändert hat sich dabei vor allem der Beitrag der einzelnen Ursachen am Meeresspiegelanstieg: Etwa 1,9 mm/Jahr bzw. 80 % wurden hiernach durch das Abschmelzen von Gletschern und der großen Eisschilde Grönlands und der Antarktis verursacht. Der Beitrag der thermischen Ausdehnung habe zwar von 2003-2006 noch zugenommen, danach aber abgenommen, wofür anhaltende La-Niña-Bedingungen der mögliche Grund sein können.

Einzelnachweise

  1. Levitus, S., J. Antonov, T.; Boyer (2005): Warming of the world ocean, 1955-2003, Geophys. Res. Lett., Vol. 32, No. 2, L02604 10.1029/2004GL021592
  2. Willis, J. K., D. Roemmich, and B. Cornuelle (2004), Interannual variability in upper ocean heat content, temperature, and thermosteric expansion on global scales, J. Geophys. Res., 109, C12036, doi:10.1029/2003JC002260
  3. Antonov, J.I., S. Levitus, and T.P. Boyer (2005): Thermosteric sea level rise, 1955-2003, Geophysical Research Letters, 32(12), L12602, doi:10.1029/2005GL023112
  4. 4,0 4,1 Dyurgerov, M. and Meier, M.F. (2005) Glaciers and the Changing Earth System: a 2004 snapshot, Online
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 Cazenave, A. et al.(2009): Sea level budget over 2003–2008: A reevaluation from GRACE space gravimetry, satellite altimetry and Argo. Global and Planetary Change 65, 83–88
  6. IPCC (2001): Climate Change 2001: The Sientific Basis. Contribution of the Working Group I to the Third Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge and New York 2001, Figure 11.9
  7. Shepherd, A., and D. Wingham (2007): Recent Sea-Level Contributions of the Antarctic and Greenland Ice Sheets, Science 315, 1529-1532
  8. GRACE steht für Gravity Recovery And Climate Experiment; vgl. Die Infoseite bei der Deutschen Luft- und Raumfahrtgesellschaft DLR
  9. Thomas, R. et al. (2004): Accelerated Sea-Level Rise from West Antarctica, Science 306, 255-258
  10. Davis, C.H., Y. Li, J.R. McConnell, M.M. Frey and E. Hanna, 2005: Snowfall-driven growth in East Antarctic ice sheet mitigates recent sea-level rise. Science, 308, 1898-1901
  11. Monaghan, A.J. et al. (2006): Insignificant Change in Antarctic Snowfall Since the International Geophysical Year, Science 313, 827-831
  12. Velicogna, I., and J. Wahr (2006): Measurements of Time-Variable Gravity Show Mass Loss in Antarctica, Science 311, 754-1756
  13. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, Table 5.3.

Siehe auch

Unterricht

Literatur

  • IPCC 2007: The Physical Science Basis, Chapter 5: Oceanic Climate Change and Sea Level; auch als Download
  • Dyurgerov, M. and Meier, M.F. (2005) Glaciers and the Changing Earth System: a 2004 snapshot, Online

Weblinks

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