Tropische Wirbelstürme

Aus Klimawandel
Version vom 5. April 2008, 16:53 Uhr von Dieter Kasang (Diskussion | Beiträge)
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Ein erheblich größeres Zerstörungspotential als Stürme und Orkane der mittleren Breiten besitzen die tropischen Wirbelstürme, die im atlantischen Raum als Hurrikane und im tropischen Pazifik als Taifune bezeichnet werden. 1998 hat der Hurrikan Mitch in Honduras und Nicaragua 11 000 Todesopfer gefordert und einen Sachschaden von 5 Milliarden US $ angerichtet. Seit dem Großen Hurrikan von 1780, der 22 000 Menschen das Leben kostete, tötete Mitch mehr Menschen als jeder andere Hurrikan der westlichen Hemisphäre in den letzten 200 Jahren, machte mehr als 3 Millionen Menschen obdachlos und bedeutete für die betroffenen Staaten einen Rückfall in der Entwicklung um Jahrzehnte. 2005 setzte der Hurrikan Katrina die amerikanische Stadt New Orleans zu 80% unter Wasser und machte sie damit weitgehend unbewohnbar, tötete über 1000 Menschen und verursachte einen Sachschaden von mindestens 1000 Milliarden US$, womit er zum teuerersten Hurrikan der USA wurde.

Entstehung

Hurrikane entstehen im gegenwärtigen Klima über tropischen Gewässern mit einer Meeresoberflächentemperatur von mindestens 26 °C als gewaltige Tiefdruckwirbel, die einen Durchmesser von mehr als 500 km erreichen können. Die Ursprünge der atlantischen Hurrikanen liegt in der Passatzone über dem äquatorialen Afrika, wo sich im tropischen Klima Gewitterzellen bilden, nach Westen driften und als kleine Tiefdruckgebiete den Atlantik erreichen. Über dem warmen Meer kommt es zum Aufsteigen wasserdampfgesättigter Luft, die in der Höhe kondensiert und große Gewitterwolken bildet, aus denen gewaltige Niederschläge fallen. Durch die Verdunstung von Meerwasser und die anschließende Kondensation in der Troposphäre wird latente Wärme transportiert, die die Temperatur der umgebenden Luft erhöht. Die erwärmte Luft wird leichter und steigt empor. Dabei dehnt sie sich aus und kühlt ab, was weitere Kondensation und die Freisetzung weiterer latenter Wärme zur Folge hat, wodurch das Aufsteigen weiter angetrieben wird. Es kommt zu einer positiven Feedback-Reaktion, indem die aufsteigende Luft den Luftdruck über dem Meer zunehmend herabsetzt, wodurch am Boden Luft aus der Umgebung angesaugt wird, Wasserdampf aufnimmt und aufsteigt, in der Höhe kondensiert und Energie abgibt, was für weiteren Auftrieb und noch geringeren Luftdruck am Boden sorgt usw. Bewegt sich das Tiefdruckgebiet genügend nördlich des Äquators (mindestens 5-8°), lenkt die Corioliskraft die einströmende Luft nach rechts ab und zwingt sie auf einen sich gegen den Uhrzeigersinn drehenden Wirbel. Aus einem tropischen Tiefdruckgebiet wird so ein tropischer Wirbelsturm und schließlich ein Hurrikan. Je geringer der Druck im Kernbereich ist, desto mehr Luft wird angesaugt und desto höhere Windgeschwindigkeiten entwickeln sich um den Kernbereich herum.

Durch die Verdunstung von Wasserdampf, der in der Höhe zu Wolken und Niederschlag kondensiert, wird dem Hurrikan immer mehr Energie zugeführt, wodurch Windgeschwindigkeiten bis zu 300 km/h entstehen können. Die Verdunstung und der Aufstieg wasserdampfreicher Luft steigen wiederum mit der Erhöhung der Meeresoberflächentemperatur, die z.B. im Golf von Mexiko 30 °C und mehr betragen kann. Beim Hurrikan "Katrina" wurden im August 2005 Windgeschwindigkeiten von über 300 km/h und bei "Wilma" im Oktober 2005, dem stärksten Hurrikan seit Beginn der Aufzeichnungen, Spitzenböen bis zu 340 km/h gemessen. Nur im Zentrum, dem sogenannten "Auge" des Wirbelsturms, das in der Regel einen Durchmesser von 15 bis 30 km besitzt, ist es windstill. Da von dem warmen Oberflächenwasser immer mehr Wasserdampf nachgeliefert wird und die Reibung über der Wasseroberfläche gering ist, entfaltet ein Hurrikan seine größte Energie über dem Meer. Trifft er auf Land, schwächt er sich zum einen wegen der höheren Reibung, zum anderen weil kein Wasserdampf mehr gebildet wird, schnell ab. Die aufsteigende wasserdampfgesättigte Luft eines Hurrikans kann bis in die Höhe der Tropopause vorstoßen. Treten in der Höhe stärkere Scherwinde auf, d.h. Winde, die anders als die Bodenwinde gerichtet sind, kann dieser Auftrieb und damit die Energie eines Hurrikans deutlich geschwächt werden. Unterdurchschnittlich niedrige Windscherungen, wie sie seit 1995 im Golf von Mexiko beobachtet wurden, begünstigen die Hurrikanbildung.

Klassifizierung

Kategorie Wind in km/h Zentraldruck in hPa Tropischer Wirbelsturm 56-117 Hurrikan 1 (schwach) 118-153 über 980 Hurrikan 2 (mäßig) 154-177 965-979 Hurrikan 3 (stark) 178-210 945-964 Hurrikan 4 (sehr stark) 211-249 920-944 Hurrikan 5 (verwüstend) über 249 unter 920 Tab. 1: Hurrikan-Kategorien nach der Saffir-Simpson-Skala

Je nach Windgeschwindigkeit werden Hurrikane in fünf Kategorien eingeteilt (s. Tab. 1). Die Benennung einer Störung als tropischer Wirbelsturm erfolgt ab einer Windgeschwindigkeit von 56 km/h. Ab 118 km/h spricht man von einem Hurrikan, ab 178 km/h liegt ein Hurrikan der Kategorie 3 vor, über 249 km/h ein Hurrikan der Kategorie 5.

Verbreitung

Die meisten Hurrikane (ca.87%) entstehen zwischen 20°N und 20°S; zwei Drittel aller Hurrikane bilden sich auf der Nordhalbkugel. Die bevorzugten Gebiete sind der westliche Atlantik, der östliche Pazifik, der westliche Nordpazifik, der nördliche und der südliche Indische Ozean und der Südwest-Pazifik vor Australien. Die Hurrikane des Nordatlantiks bewegen sich auf Zugbahnen vom mittleren Atlantik oder der östlichen Karibik nach Westen und Norden Richtung Mittelamerika bzw. den Süden der USA. Stürme der höheren Kategorien treten vor allem im nördlichen Westpazifik auf.

Trends und globale Erwärmung

Die atlantischen Hurrikan-Saisons 2004 und 2005 haben nicht zuletzt wegen der starken Zerstörungen in den USA erneut die Frage nach einem eventuellen Zusammenhang zwischen der Zunahme von Hurrikanen und der globalen Erwärmung aufgeworfen. Ein Blick auf die Hurrikan-Statistik seit den 1940er Jahren zeigt einerseits starke Schwankungen von Jahr zu Jahr, die im allgemeinen dem ENSO-Phänomen zugeschrieben werden (Abb. 4). So korrelierten die Jahre 1983 und 1997 mit ihrer auffällig schwachen Hurrikan-Tätigkeit mit den "Jahrhundert"-El-Niños dieser Jahre. Andererseits zeigen sich Schwankungen über mehrere Jahrzehnte. So gab es bereits in den 1940er und 1950er Jahren relativ viele Tropische Stürme und Hurrikane pro Saison, während in den 1970er und 1980er Jahren die Hurrikan-Tätigkeit deutlich abnahm. Seit 1995 gibt es dagegen wieder sowohl eine starke Zunahme der tropischen Stürme insgesamt wie auch der stärkeren Hurrikane der Kategorien 3, 4 und 5. Besonders ragt dabei die Hurrikansaison 2005 mit 6 stärkeren Hurrikanen (wie auch schon 1996 und 2004) und 23 benannten Stürmen insgesamt heraus. Zum ersten Mal seit dem Beginn der Namensgebung reichten die im Vorwege festgelegten 21 Namen nicht aus, so dass die weiteren Hurrikane nach dem griechischen Alphabet mit Alpha und Beta benannt werden mussten. Als Ursache für die Dekaden-Schwankung wird eine entsprechende Schwankung der Ozeantemperaturen angenommen, die möglicherweise mit der Variabilität der Thermohalinen Zirkulation zusammenhängt. Ein Trend über das ganze 20. Jahrhundert, der die Dekaden-Schwankung überlagert, konnte nicht festgestellt werden.[1]

Jüngere Forschungen, die nicht nur die Anzahl, sondern die Stärke und Energie der Hurrikane untersucht haben, kommen dennoch zu dem Ergebnis, dass die globale Erwärmung einen über die natürliche Dekaden-Schwankung hinausgehenden zusätzlichen Einfluss auf die Hurrikan-Aktivität besitzt. Jenseits aller Variabilität zeigt hiernach der tropische Atlantik im Jahrzehnt 1995-2004 die höchsten Oberflächentemperaturen seit 1870. Gleichzeitig ist infolge der globalen Erwärmung der atmosphärische Wasserdampfgehalt in den atlantischen Hurrikangebieten seit den 1980er Jahren um 1,3% pro Dekade gestiegen. Die höheren Meeresoberflächentemperaturen und der höhere Wasserdampfgehalt der Atmosphäre werden als Ursache sowohl für die deutliche Zunahme der Hurrikan-Energie gesehen, worunter die gesammelte Intensität und Dauer sämtlicher Tropischer Stürme und Hurrikane einer Saison verstanden wird, als auch für die Zunahme der Hurrikan-Niederschläge seit 1995.[2]

Auch global zeigt sich zwischen 1970 und 2004 nach jüngsten Untersuchungen eine Zunahme der tropischen Meeresoberflächentemperatur um 0,5 °C. (Abb. 5). Außerdem wurde festgestellt, dass sich weltweit die schwächeren und die stärkeren Hurrikanen in den letzten Jahrzehnten unterschiedlich entwickelt haben. Während die Anzahl der schwachen und mittleren Hurrikane (Kategorie 1-3) seit den 1970er Jahren keine Veränderung zeigt, hat sich die Zahl der stärkeren Hurrikane (Kategorie 4 und 5) von global 50 in den 1970ern auf etwa 90 in den Jahren 1994-2004 nahezu verdoppelt (vgl. Abb. 6). Ein 30-Jahre-Trend reicht für eine Begründung der aktuellen Entwicklung durch die globale Erwärmung allerdings nicht aus. Die Beschränkung der Untersuchung auf das Satellitenzeitalters lässt sich andererseits kaum vermeiden, weil verlässliche globale Daten aus früheren Perioden nicht zur Verfügung stehen.

Der Trend zu stärkeren Hurrikanen kommt noch deutlicher in einer jüngsten Veröffentlichung zum Ausdruck, die nach der totalen Zerstörungskraft eines Hurrikans fragt.[3] Diese basiert auf dem gesamten Energieumsatz, der durch die Windgeschwindigkeit, die räumliche Ausdehnung und die Lebensdauer eines Hurrikans bestimmt wird. Seit Beginn der 1990er Jahre hat hiernach der Hurrikan-Energieumsatz stark zugenommen. Diese Zunahme übersteigt in den letzten ca. 10 Jahren deutlich die natürlichen Dekadenschwankungen im Zyklus von ca. 30 Jahren. Als Grund wird die längere Lebenszeit wie die größere Sturmintensität der Hurrikane gesehen. Die enge Korrelation mit der Meeresoberflächentemperatur weist auf den Zusammenhang mit der globalen Erwärmung (Abb. 6). Allerdings sind Hurrikane auch von anderen Faktoren abhängig, so von dem vertikalen Temperaturprofil der Troposphäre, von den Temperaturen auch direkt unterhalb der Meeresoberfläche, von Scherwinden in der Höhe und von natürlichen Klimaschwankungen wie El Niño und NAO (s. dazu unten). Die Forschungsergebnisse, die einen Zusammenhang zwischen der Hurrikan-Entwicklung und dem anthropogenen Klimawandel behaupten, blieben daher auch nicht unwidersprochen.[4]

Prognosen

Die jüngsten Ergebnisse stehen jedoch prinzipiell in Einklang mit Modellrechnungen über die künftige Hurrikanentwicklung in einer wärmeren Welt.[5] Einige Modellrechnungen kommen zu dem Ergebnis, dass die Intensität der tropischen Stürme sich bis 2050 um 5-10% und die durch Hurrikane verursachten Starkniederschläge sogar um 25% zunehmen werden. Dabei wird der Unterschied zwischen Perioden mir relativer Ruhe und solchen mit starker Hurrikan-Tätigkeit zunehmen. Nach 2050 wird der Effekt der globalen Erwärmung sich immer deutlicher von diesen natürlichen Dekadenschwankungen abheben. Die Anzahl der Stürme und ihr Verbreitungsgebiet werden sich jedoch kaum ändern.[6] Modellprognosen sind jedoch immer noch mit hohen Unsicherheitsfaktoren behaftet, u.a. weil die Auflösung der Modell für die Simulation von Hurrikanen immer noch zu grob ist und weil auch die Zusammenhänge zwischen der Meeresoberflächentemperatur und der Hurrikandynamik noch nicht hinlänglich verstanden sind.

Ein wichtiger Unsicherheitsfaktor in der Prognose über die künftigen Aktivitäten tropischer Zyklonen ist ihre Abhängigkeit von Temperaturanomalien im tropischen Pazifik, die als El Niño-Southern Oscillation (ENSO) bekannt sind. Deren Einfluss auf die tropischen Zyklonen variiert von Ozeanbecken zu Ozeanbecken. Bei El Niño-Ereignissen wird die Aktivität tropischer Zyklonen in den meisten Regionen des Pazifiks verstärkt, im Atlantik sowie im Nordwestpazifik und vor Australien dagegen abgeschwächt; bei La Niña-Ereignissen ist es umgekehrt.[7] So verursacht z.B. ein El Niño durch teleconnections (Fernwirkung) eine Erwärmung der oberen Troposphäre über dem tropischen Nordatlantik. Die dadurch geringere Temperaturdifferenz zwischen der Meeresoberfläche und der oberen Troposphäre ist für die Entwicklung von Hurrikanen ungünstig.[8] Wie sich aber El Niño und La Niña in einem durch den Menschen verstärkten Treibhausklima verhalten werden, ist noch weithin unklar.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Walsh, K. (2004): Tropical cyclones and climate change: unresolved issues, Climate Research 27, 77-83
  2. Trenberth, K. (2005): Uncertainty in Hurricanes and Global Warming, Science 308, 1753-1754
  3. Webster, P.J., G.J. Holland, J.A, Curry, H.-R. Chang (2005): Changes in Tropical Cyclone Number, Duration, and Intensity in a Warming Environment, Science 309, 1844-1846
  4. Ein knapper Überblick über die Stellungnahmen findet sich bei Kerr, R.A. (2005): Is Katrina a Harbinger of Still More Powerfull Hurricanes?, Science 309, 1807; eine gründlichere kritische Analyse bietet der Artikel Pielke Jr., R.A.,C. Landsea, M. Mayfield, J. Laver and R. Pasch (2005): Hurricanes and Global Warming, Bulletin of the American Meteorological Society 86/11, 1571-1575; eine Kritik von R.A. Pielke und C.W. Landsea an den Ergebnissen von K. Emanuel und eine Erwiderung Emanuels finden sich in Nature 438, E11-E13 (2005)
  5. Webster, P.J., G.J. Holland, J.A, Curry, H.-R. Chang (2005): Changes in Tropical Cyclone Number, Duration, and Intensity in a Warming Environment, Science 309, 1844-1846
  6. Walsh, K. (2004): Tropical cyclones and climate change: unresolved issues, Climate Research 27, 77-83
  7. Pielke Jr., R.A. and Landsea, C.N. (1999): La Niña, El Niño, and Atlantic Hurricane Damages in the United States, Bulletin of the American Meteorological Society, Vol. 80, No. 10, October 1999, 2027-2033
  8. Tang, B.H., and J.D. Neelin (2004): ENSO Influence on Atlantic hurricanes via tropospheric warming, Geophysical Research Letters 31, L24204 10.1029/2004GL021072


Weblinks


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