Meeresspiegel der Zukunft

Aus Klimawandel
Veränderung des Meeresspiegels in Metern zwischen 2071-2100 (A1B-Szenario) und 1961-1990.

Der Meeresspiegelanstieg der Zukunft ist eine sehr schwierig zu bestimmende Größe. In Abhängigkeit von den IPCC-Emissions-Szenarien und der daraus abgeleiteten Erwärmung lässt sich mit einiger Zuverlässigkeit der Anstieg durch die Ausdehnung des Meerwassers bestimmen. Für das A1B-Szenario gibt der IPCC einen Meeresspiegelanstieg von 21-48 cm an.[1] Der Anteil der thermischen Ausdehnung wird dabei auf 70-75% geschätzt. Die Dynamik der Eisschilde ist nicht berücksichtigt.

Künftige Ursachen

Temperatur- und Meeresspiegelanstieg bis 2100 nach IPCC 2007

Sterischer Meeresspiegelanstieg

Die Ausdehnung des Wasserkörpers der Ozeane wird auch in den nächsten Jahrzehnten zum Meeresspielanstieg beitragen. Nach den meisten Modellrechnungen wird sie im 21. Jahrhundert sogar der dominante Faktor sein und wird am Ende des Jahrhunderts je nach Szenario zwischen 2 und 4 mm pro Jahr betragen (gegenüber 1,5 mm/Jahr in den letzten 10 Jahren). Die Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen sind dabei verhältnismäßig groß. Der Grund liegt nicht nur in der regional verschieden starker Erwärmung des Meerwassers, sondern auch in der Verringerung des Salzgehaltes in einigen Regionen sowie in der Änderung von Meeresströmungen. In einigen Gebieten wie z.B. dem Nordatlantik und Arktischen Ozean können die Salzgehaltsänderungen von ähnlicher Bedeutung sein wie die Temperaturerhöhung. Auch die prognostizierte Schwächung der nordatlantischen Zirkulation wird zu einem stärkeren Anstieg des Meeresspiegels führen.[2] Eine Simulation am Max-Planck-Institut für Meteorologie nach dem IPCC-Szenario A1B zeigt, dass der sterische Meeresspiegelanstieg durch Erwärmung des Ozeans und Abnahme des Salzgehalts in manchen Regionen 26 cm bis 2100 und 65 cm bis 2200 betragen wird. Den stärksten Anstieg wird hiernach der Atlantik verzeichnen, da hier die Verringerung der Dichte durch Süßwasserzufuhr eine wichtige Rolle spielen wird. Dadurch wird der Unterschied zwischen dem mittleren Meeresspiegelniveau des Atlantiks und des Pazifiks, der gegenwärtig 78 cm beträgt, teilweise ausgeglichen.[3]

Eustatischer Meeresspiegelanstieg

Gletscher und Eiskappen

Das Abschmelzen von Gletschern und Eiskappen ist aufgrund der schlechten Datenlage schwer zu bestimmen.[4] Insgesamt beträgt das Volumen der Gletscher und Eiskappen auf der Erde 260 000 km3, die einem potentiellen Meeresspiegelanstieg von 0,65 m entsprechen. [5] Bis 2100 hat der vierte IPCC-Bericht einen Meeresspiegelanstieg durch das Schmelzen von Gletschern und Eiskappen von 0,07 bis 0,17 angegeben.[6] Eine neuere Projektion, die auf aktuellsten Daten fußt, schätzt den Beitrag auf 0,124 m Meeresspiegelanstieg bis 2100.[4] In den kommenden Jahrzehnten wird der eustatische Anstieg hierdurch dominiert werden. Da die Gebirgsgletscher besonders schnell abschmelzen, wird ihr Anteil am Meeresspiegelanstieg möglicherweise kurzfristig zunehmen, dann aber zunehmend geringer werden und wahrscheinlich noch in diesem Jahrhundert gegen Null gehen.

Grönland und Antarktis

Auch wenn es noch umstritten ist, ob das Abschmelzen der großen Eisschilde gegenwärtig die Hauptursache für den Meeresspiegelanstieg ist oder nicht, geht davon für die fernere Zukunft mit Sicherheit die größte Gefahr aus. Das zeigt schon der Blick auf den gewaltigen Meeresspiegelanstieg seit dem Höhepunkt der letzten Kaltzeit um 120 m, der fast vollständig durch das Abschmelzen der Eismassen auf den Kontinenten der Nordhalbkugel verursacht wurde, während die Ausdehnung des Meerwassers durch Erwärmung daran nur einen verschwindend kleinen Anteil hatte. Auch in den nächsten Jahrhunderten und Jahrtausenden wird bei anhaltender globaler Erwärmung das Abschmelzen Grönlands und von Teilen der Antarktis den Meeresspiegel zunehmend beeinflussen, während der Anteil durch die Erwärmung des Ozeanwassers und der der Gletscher und Eiskappen immer geringer wird.

Im 21. Jahrhundert wird der Beitrag der Eisschilde am Meeresspiegelanstieg allerdings klein bleiben, vielleicht sogar aufgrund des Wachstums der antarktischen Eismasse negativ sein.[7] Nach Projektionen von Eismodellen wird der Massenverlust des grönländischen Eisschildes durch Schmelzen und Kalben von Eisbergen einen durchschnittlichen Beitrag zum Meeresspiegelanstieg von 0,4 mm/Jahr leisten.[8] Wegen der fehlenden Berücksichtigung der Eisdynamik, d.h. der Bewegung von Eismassen Richtung Meer, ist dieser Wert möglicherweise deutlich zu gering.[9]

Allerdings ist von der Eisdynamik auch kein allzu starker Meeresspiegelanstieg zu erwarten.[10] Die Topographie Grönlands mit ihren hohen Randgebirgen lässt nur an wenigen Pforten einen ungehinderten Abfluss von Eis ins Meer zu. Um nur durch das grönländische Eis einen Meeresspiegelanstieg um 2 m bis 2100 zu bewirken, müsste sich rein theoretisch die Abflussgeschwindigkeit der Auslassgletscher von heute ca. 1 km pro Jahr auf ca. 100 km pro Jahr erhöhen, und zwar unmittelbar und bis 2100 anhaltend. Dass das ein völlig unrealistisches Szenario ist, zeigt schon die bisher höchste beobachtete Geschwindigkeit bei einem Auslassgletscher, dem Kangerdlugssuaq, von knapp 15 km/Jahr, und das auch nur vorübergehend. Wahrscheinlich wird Grönland bis 2100 durch Dynamik und oberflächliches Abschmelzen von Eis etwa 17 cm zum Meeresspiegelanstieg beitragen, im Extremfall allerhöchstens 54 cm.

Anders als bei dem grönländischen Eisschild ergeben Modellrechnungen für die Antarktis für die nächsten 100 Jahre eine positive Massenbilanz durch zunehmende Akkumulation. Der Meeresspiegelanstieg bis 2100 durch das Abschmelzen auf Grönland wird dadurch in etwa ausgeglichen. Auch für die nächsten Jahrhunderte wird kein größerer Nettoverlust des antarktischen Eisschildes erwartet.[11] Auch hier könnte die Eisdynamik entgegen den Modellrechnungen zu einem deutlich höheren Meeresspiegelanstieg führen. Risikostudien, die sehr unwahrscheinliche, aber nicht unmögliche Ereignisse mit katastrophalen Folgen untersuchen, gehen davon aus, dass ein Meeresspiegelanstieg von 5 m in 100 Jahren nur durch den Zerfall des westantarktischen Eises denkbar wäre.[12]

Für die folgenden Jahrhunderte und Jahrtausende ist nach heutigen Modellrechnungen allerdings wahrscheinlicher das Eis auf Grönland gefährdet. Bei einer länger anhaltenden Erwärmung von 3 °C und mehr wird danach der Eisschild über mehrere Jahrhunderte sich deutlich verkleinern. Da die Erwärmung in höheren Breiten sichtlich stärker ausfällt als im globalen Mittel, wird dieser Wert schon bei einem globalen Temperaturanstieg von 1,2 °C erreicht. Bei einer weiteren Erwärmung könnte der Eisschild nach manchen Modellrechnungen in den nächsten 3000 Jahren völlig verschwinden und einen Meeresspiegelanstieg von 7 m hervorrufen.[13]

Meeresspiegelanstieg bis 2100

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Meeresspiegelanstieg bis 2100 bei einem gleichbleibenden Verhältnis von Temperatur- und Meeresspiegelveränderung

Aussagen über den zukünftigen Meeresspiegelanstieg sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Nicht nur, dass sie wie jede Klima"prognose" wegen der zugrundeliegenden Emissionsszenarien nur Entwürfe über mögliche Zukünfte darstellen. Bereits über das gegenwärtige Verhalten der Eisschilde in einem wärmeren Klima sind die Kenntnisse sehr begrenzt. Es mag daher durchaus legitim sein, die Beziehung von Temperatur- und Meeresspiegelanstieg im 20. Jahrhundert in die Zukunft zu projizieren, wie es der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf getan hat.[14] Falls dieses Verhältnis über die nächsten Jahrzehnte etwa gleich bleiben sollte, würde aufgrund der IPCC-Szenarien über den Temperaturanstieg im 21. Jahrhundert mit einem Anstieg des Meeresspiegels um 0,5 bis 1,4 m zu rechnen sein. Dieser Wert übersteigt deutlich die IPCC-Berechnungen. Immerhin steigt der Meeresspiegel aber gegenwärtig bereits um 3,1 cm pro Jahrzehnt. Modelluntersuchungen über die letzten 1000 Jahre haben jedoch gezeigt, dass es zwischen der mittleren globalen Temperatur und dem Meeresspiegelanstieg keine einfache lineare Beziehung gibt.[15] Die zukünftigen Beziehungen zwischen Meeresspiegel und Temperatur müssen nicht dieselben sein wie die, die in den letzten Jahrzehnten beobachtet wurden.

Interessant sind in diesem Zusammenhang auch Studien über die Verhältnisse in der letzten Zwischeneiszeit vor 130 000 Jahren, dem Eem, als die Temperaturen ungefähr so hoch waren, wie sie für das Ende des 21. Jahrhunderts erwarten werden. Der Meeresspiegel lag damals um 4-6 m über dem heutigen Niveau. Neben Grönland hat aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Westantarktis dazu beigetragen. Modellrechnungen bis 2130 lassen für Grönland und besonders für die Antarktis eine deutlich stärkere Erwärmung als während des Eem erwarten, wofür u.a. die anderen Strahlungsverhältnisse, aber auch anthropogene Rußablagerungen auf dem Eis verantwortlich sein können. Ein Meeresspiegelanstieg schon über die nächsten 130 Jahre von 1 m pro Jahrhundert allein durch den Beitrag der Eisschilde wird in diesem Zusammenhang durchaus für möglich gehalten.[16]

Der amerikanische Klimaforscher James Hansen hält selbst solche Schätzung für deutlich zu niedrig.[17] Hansen geht von einem wesentlich größeren Beitrag der Eisschilde aus als im IPCC-Bericht von 2007 angenommen. Er betont, dass sich die Rate des Massenverlusts des grönländischen und westantarktischen Eises in den letzten Jahren verdoppelt habe. Und er verweist auf die Zeit vor dem Eiszeitalter, vor 3 Millionen Jahren, als der CO2-Gehalt bei 350-450 ppm lag und die Temperaturen etwa 2-3 °C wärmer als heute waren, also Verhältnisse herrschten, die in diesem Jahrhundert sehr wahrscheinlich erreicht oder überschritten werden. Damals sei die Erde ein dramatisch anderer Planet als heute gewesen, ohne arktisches Meereis und mit einem 25 m höheren Meeresspiegel. Auch wenn das Eis sehr verzögert auf die Erwärmung von Atmosphäre und Ozean reagiere, würden paläoklimatische Daten zeigen, dass es mehrfach einen Meeresspiegelanstieg von mehreren Metern innerhalb eines Jahrhunderts durch den Zerfall von Festlandeis gegeben habe, sogar bei Erwärmungsraten unterhalb der für das 21. Jahrhundert erwarteten . Hansen hält deshalb auch einen Meeresspiegelanstieg von 5 m bis 2100 durchaus für möglich.

Langfristiger Meeresspiegelanstieg

Für die Zeit bis 2300 hat der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) nach Auswertung der aktuellen Literatur bei einer auf 3 °C begrenzten globalen Erwärmung eine vorsichtige Abschätzung des Meeresspiegelanstiegs vorgenommen. Danach wird der Anstieg bei 3 bis 5 m liegen. Daran sind Grönland und die Westantarktis mit jeweils 1-2 m beteiligt.[18]

Einzelnachweise

  1. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, Technical Summary, Table TS.6; auch als Download
  2. IPCC 2007: The Physical Science Basis, Global Climate Projections, 10.6; auch als Download
  3. Landerer, F.W., J.H. Jungclaus and J. Marotzke (2007): Regional dynamic and steric sea level change in response to the IPCC-A1B scenario, Journal of Physical Oceanography 37, 296–312
  4. 4,0 4,1 Paul, F. (2011): Melting glaciers and ice caps, Nature Geoscience 4, 71-72
  5. Dyurgerov, M. and Meier, M.F. (2005): Glaciers and the Changing Earth System: a 2004 snapshot
  6. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, Table 10.7.
  7. Cazenave, A. und R. Nerem (2004): Present-day sea level change: observations and causes. Reviews of Geophysics 42 (3), 139-150
  8. Alley, R., P.U. Clark, P. Huybrechts and I. Joughin (2005): Ice-sheets and sea-level changes, Science 310, 456-460
  9. Krabill, W., Hanna, E.; Huybrechts, P., Abdalati, W., Cappelen, J., Csatho, B., Frederick, E., Manizade, S., Martin, C., Sonntag, J., Swift, R., Thomas, R., Yungel, J. (2004): Greenland Ice Sheet: Increased coastal thinning, Geophys. Res. Lett., Vol. 31, No. 24, L24402 10.1029/2004GL021533; ähnlich: Alley, R.B., P.U. Clark, P. Huybrechts, and I. Joughin (2005): Ice-Sheet and Sea-Level Changes, Science 310, 456-460; Rignot, E., and P. Kanagaratnam (2006): Changes in the Velocity Structure of the Greenland Ice Sheet, Science 311, 986-990
  10. W.T. Pfeffer, J.T. Harper, S. O'Neel (2008): Kinematic Constraints on Glacier Contributions to 21st-Century Sea-Level Rise, Science 321, 1340-1343
  11. Alley, R., P.U. Clark, P. Huybrechts and I. Joughin (2005): Ice-sheets and sea-level changes, Science 310, 456-460
  12. Tol, R.S.J., M. Bohn, T.E. Downing, M.L. Guillerminet, E. Hizsnyik, R. Kasperson, K. Lonsdale, C. Mays, R. J. Nicholls, A.A. Olsthoorn, G. Pfeifle, M. Poumadere, F.L. Toth, A.T. Vafeidis, P.E. van der Werff, I.H. Yetkiner (2006): Adaptation to Five Metres of Sea Level Rise, Journal of Risk Research 9, 467-482
  13. Alley, R., P.U. Clark, P. Huybrechts and I. Joughin (2005): Ice-sheets and sea-level changes, Science 310, 456-460; Gregory, J.M., P. Huybrechts, and S.C.B. Raper (2004): Threatened loss of the Greenland ice-sheet. Nature 428, 616
  14. Rahmstorf, S. (2007): A Semi-Empirical Aproach to Projecting Future Sea-Level Rise, Science 315, 368-370
  15. Hans von Storch, Eduardo Zorita, Jesús F. González-Rouco (2008): Relationship between global mean sea-level and global mean temperature in a climate simulation of the past millennium, Ocean Dynamics 58, 227–236
  16. Overpeck, J.T., B.L. Otto-Bliesner, G.H. Miller, D.R. Muhs, R.B. Alley, and J.T. Kiehl (2006): Paleoclimatic Evidence for Future Ice-Sheet Instability and Rapid Sea-Level Rise, Science 311, 1747-1750
  17. James Hansen, Makiko Sato, Pushker Kharecha, Gary Russell, David W. Lea and Mark Siddall (2007): Climate Change and Trace Gases, Philosophical Transactions of the Royal Society of London, Series A, 365, 1925-1954; auch online
  18. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (2006): Die Zukunft der Meere - zu warm, zu hoch, zu sauer, Sondergutachten, Berlin, S. 33; auch als Download

Literatur

  • IPCC 2007: The Physical Science Basis, Chapter 10: Global Climate Projections; auch als Download (PDF-Datei)
  • Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (2006): Die Zukunft der Meere - zu warm, zu hoch, zu sauer, Sondergutachten, Berlin, S. 33; auch als Download (PDF-Datei)

Weblinks


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