Meeresspiegel der Zukunft: Unterschied zwischen den Versionen

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== Meeresspiegelanstieg bis 2100 ==
== Meeresspiegelanstieg bis 2100 ==
[[Bild:IPCC SLRglobal RCP4.5-8.5.jpg|thumb|520px|Meeresspiegeländerung zwischen 1986-2005 und 2081-2100 nach den Szenarien RCP4.5 und RCP8.5; dargestellt ist das Mittel von 21 Modellrechnungen. ]]
[[Bild:IPCC SLRglobal RCP4.5-8.5.jpg|thumb|520px|Meeresspiegeländerung zwischen 1986-2005 und 2081-2100 nach den Szenarien RCP4.5 und RCP8.5; dargestellt ist das Mittel von 21 Modellrechnungen. ]]
Aussagen über den zukünftigen Meeresspiegelanstieg sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Nicht nur, dass sie wie jede Klima"prognose" wegen der zugrundeliegenden Emissionsszenarien nur Entwürfe über mögliche Zukünfte darstellen. Bereits über das gegenwärtige Verhalten der [[Eisschilde]] in einem wärmeren Klima sind die Kenntnisse sehr begrenzt. Der globale Meeresspiegelanstieg der Zukunft wird durch Klimamodelle simuliert. Dabei unterscheidet man zwei Arten von Modellen, prozessbasierte und semi-empirische Modelle. Die prozessbasierten Modelle leiten den Meeresspiegelanstieg aus den Prozessen ab, die ihm zugrunde liegen, vor allem aus der Erwärmung des Meerwassers und dem Abschmelzen von Gletschern und Eisschilden. Die semi-empirischen Modelle, die in der Forschung eine geringere Rolle spielen, berechnen eine statistische Beziehung zwischen globaler Temperaturänderung und Meeresspiegelanstieg in der Vergangenheit und wenden die Ergebnisse auf die Zukunft an.<ref name="EEA 2016">European Environment Agency (2016): [http://www.eea.europa.eu/data-and-maps/indicators/sea-level-rise-4/assessment-2 Global and European sea level]</ref> Nach dem jüngsten IPCC-Bericht AR5 wird nach prozessbasierten Modellen der globale Anstieg bei dem Szenario RCP2.6 bis zum Ende des 21. Jahrhunderts 26-54 cm und bei RCP8.5 0,45-0,81 cm betragen.<ref name="IPCC 2013 Summary">IPCC (2013): Working Group I Contribution to the IPCC Fifth Assessment Report Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Summary for Policymakers</ref> Neuere Studien weisen darauf hin, dass prozessbasierte Modelle das Schmelzen der Eisschilde nicht ausreichend berücksichtigen und kommen teilweise zu höheren Ergebnissen von 0,7-1,2 m Meeresspiegelanstieg bis 2100 bei dem Szenario RCP8.5.<ref name="Jevrejeva 2014">Jevrejeva,S., A. Grinsted, and J. C. Moore (2014): Upper Limit for Sea Level Projections by 2100,Environmental Research Letters 9, no. 10: 104008, doi:10.1088/1748-9326/9/10/104008</ref> Diese Werte sind zwar weniger wahrscheinlich als die IPCC-Ergebnisse, können aber auch nicht ausgeschlossen werden. Der wichtigste Unsicherheitsfaktor ist dabei das Abschmelzen des West-Antarktischen Eisschildes.
Aussagen über den zukünftigen Meeresspiegelanstieg sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Nicht nur, dass sie wie jede Klima"prognose" wegen der zugrundeliegenden Emissionsszenarien nur Entwürfe über mögliche Zukünfte darstellen. Bereits über das gegenwärtige Verhalten der [[Eisschilde]] in einem wärmeren Klima sind die Kenntnisse sehr begrenzt. Der globale Meeresspiegelanstieg der Zukunft wird durch Klimamodelle simuliert. Dabei unterscheidet man zwei Arten von Modellen, prozessbasierte und semi-empirische Modelle. Die prozessbasierten Modelle leiten den Meeresspiegelanstieg aus den Prozessen ab, die ihm zugrunde liegen, vor allem aus der Erwärmung des Meerwassers und dem Abschmelzen von Gletschern und Eisschilden. Die semi-empirischen Modelle, die in der Forschung eine geringere Rolle spielen, berechnen eine statistische Beziehung zwischen globaler Temperaturänderung und Meeresspiegelanstieg in der Vergangenheit und wenden die Ergebnisse auf die Zukunft an.<ref name="EEA 2016">European Environment Agency (2016): [http://www.eea.europa.eu/data-and-maps/indicators/sea-level-rise-4/assessment-2 Global and European sea level]</ref>  
 
Nach dem jüngsten IPCC-Bericht AR5 wird nach prozessbasierten Modellen der globale Anstieg bei dem Szenario RCP2.6 bis zum Ende des 21. Jahrhunderts 26-54 cm und bei RCP8.5 0,45-0,81 cm betragen.<ref name="IPCC 2013 Summary">IPCC (2013): Working Group I Contribution to the IPCC Fifth Assessment Report Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Summary for Policymakers</ref> Neuere Studien weisen darauf hin, dass prozessbasierte Modelle das Schmelzen der Eisschilde nicht ausreichend berücksichtigen und kommen teilweise zu höheren Ergebnissen von 0,7-1,2 m Meeresspiegelanstieg bis 2100 bei dem Szenario RCP8.5.<ref name="Jevrejeva 2014">Jevrejeva,S., A. Grinsted, and J. C. Moore (2014): Upper Limit for Sea Level Projections by 2100,Environmental Research Letters 9, no. 10: 104008, doi:10.1088/1748-9326/9/10/104008</ref> Diese Werte sind zwar weniger wahrscheinlich als die IPCC-Ergebnisse, können aber auch nicht ausgeschlossen werden. Der wichtigste Unsicherheitsfaktor ist dabei das Abschmelzen des West-Antarktischen Eisschildes.


Auf der Grundlage einer semi-empirischen Modellsimulation<ref>Rahmstorf, S. (2007): A Semi-Empirical Aproach to Projecting Future Sea-Level Rise, Science 315, 368-370</ref> wurde ein Anstieg des Meeresspiegels bis 2100 um 0,5 bis 1,4 m berechnet. Dieser Wert übersteigt deutlich die IPCC-Berechnungen. Dafür spricht, dass der Meeresspiegel gegenwärtig bereits um 3,1 cm pro Jahrzehnt steigt. Andere Untersuchungen über die letzten 1000 Jahre haben jedoch gezeigt, dass es zwischen der mittleren globalen Temperatur und dem Meeresspiegelanstieg keine einfache lineare Beziehung gibt.<ref>Hans von Storch, Eduardo Zorita, Jesús F. González-Rouco (2008): Relationship between global mean sea-level and global mean temperature in a climate simulation of the past millennium, Ocean Dynamics 58, 227–236</ref> Die zukünftigen Beziehungen zwischen Meeresspiegel und Temperatur müssen nicht dieselben sein wie die, die in den letzten Jahrzehnten beobachtet wurden.  
Auf der Grundlage einer semi-empirischen Modellsimulation<ref>Rahmstorf, S. (2007): A Semi-Empirical Aproach to Projecting Future Sea-Level Rise, Science 315, 368-370</ref> wurde ein Anstieg des Meeresspiegels bis 2100 um 0,5 bis 1,4 m berechnet. Dieser Wert übersteigt deutlich die IPCC-Berechnungen. Dafür spricht, dass der Meeresspiegel gegenwärtig bereits um 3,1 cm pro Jahrzehnt steigt. Andere Untersuchungen über die letzten 1000 Jahre haben jedoch gezeigt, dass es zwischen der mittleren globalen Temperatur und dem Meeresspiegelanstieg keine einfache lineare Beziehung gibt.<ref>Hans von Storch, Eduardo Zorita, Jesús F. González-Rouco (2008): Relationship between global mean sea-level and global mean temperature in a climate simulation of the past millennium, Ocean Dynamics 58, 227–236</ref> Die zukünftigen Beziehungen zwischen Meeresspiegel und Temperatur müssen nicht dieselben sein wie die, die in den letzten Jahrzehnten beobachtet wurden.  

Version vom 21. Februar 2017, 20:55 Uhr

Anstieg des mittleren globalen Meeresspiegels nach verschiedenen RCP-Szenarien

IPCC-Projektionen

Meeresspiegelanstieg bis 2100 nach verschiedenen RCP-Szenarien (nach IPCC AR5

Der Meeresspiegelanstieg der Zukunft ist eine sehr schwierig zu bestimmende Größe. In Abhängigkeit von den Klimaszenarien und der daraus abgeleiteten Erwärmung lässt sich mit einiger Zuverlässigkeit der Anstieg durch die Ausdehnung des Meerwassers bestimmen. Für das RCP8.5-Szenario gibt der IPCC-Bericht von 2013 einen Meeresspiegelanstieg von 45-82 cm an. Der Anteil der thermischen Ausdehnung wird dabei auf 30-55% geschätzt. Bei dem niedrigen Szenario RCP2.6 wird eine thermale Expansion von 10 bis 18 cm angenommen.[1] Die Zunahme der Ozeanmasse durch das Abschmelzen von Eis, insbesondere durch die Eisdynamik, ist wesentlich schwieriger zu prognostizieren. Die einzelnen Usachen des Meeresspiegelanstiegs der Zukunft werden weiter unten diskutiert.

Insgesamt kommt der fünfte Bericht des IPCC von 2013 auf Grundlage der neuen RCP-Szenarien zu den Ergebnissen in der nebenstehenden Tabelle.[2]

Künftige Ursachen

Als Ursachen für den Meeresspiegel-Anstieg kommen vor allem die thermale Expansion des Meerwassers durch die Erwärmung der Ozeane (thermosterischer Anstieg) und die Zunahme des Wasservolumens durch das Abschmelzen von Eis auf dem Land (eustatischer Anstieg) in Frage.

Sterischer Meeresspiegelanstieg

Die Ausdehnung des Ozeanwassers kann zwei Ursachen haben, die Wärmeaufnahme des Ozeans und eine mögliche Abnahme des Salzgehalts. Die Erwärmung des Meerwassers ist im allgemeinen bei weitem die wichtigste Ursache. In bestimmten Regionen kann aber auch der Salzgehalt die dominierende Rolle spielen.

Die Energiezunahme des Klimasystems durch den Klimawandel wird zu mehr als 90 % vom Ozean aufgenommen. Durch die Erwärmung des Ozeans dehnt sich das Meerwasser aus und bewirkt einen Anstieg des Meeresspiegels, der im Mittel 11 cm pro 1024 Joule beträgt. In den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts erwärmen sich vor allem die oberen Schichten der Wassermasse. Mit der Zeit wird die Erwärmung in tiefere Schichten abgegeben, was vor allem im Nördlichen Atlantik und Südlichen Ozean passiert, weil hier die vertikale Zirkulation und turbulente Mischungsvorgänge am ausgeprägtesten sind. Über längere Zeiträume von Jahrtausenden beträgt der Meeresspiegelanstieg durch thermale Expansion nach verschiedenen Modellrechnungen 20-63 cm pro Grad Celsius globaler Erwärmung, bei einem Mittel von 42 cm.[3]

Bis 2081-2100 wird der Meeresspiegelanstieg durch thermale Expansion nach Szenario RCP2.6 im Mittel 14 cm betragen und nach RCP8.5 im Mittel 27 cm.[4]

Eustatischer Meeresspiegelanstieg

Gletscher und Eiskappen

Ein weiterer wichtiger Faktor für den Anstieg des globalen Meeresspiegels sind die Gletscher der Erde. Sie tragen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts je nach Szenario zwischen 7-17 cm (RCP2.6) und 12-26 cm (RCP8.5) zum Meeresspiegelanstieg bei. Hinzu kommen noch einmal 3-6 cm, wenn die Randgletscher von Grönland und Antarktis einbezogen werden. Große Unsicherheiten bestehen bei den Gletschern, die direkt ins Meer münden und ihr Eis durch Kalben verlieren. Das betrifft etwa 280 500 km2 der globalen Gletscherfläche von 734 000 km2 bzw. 38 %. Diese Gletscher können stoßweise in relativ kurzer Zeit sehr viel Eis verlieren. So hat etwa der Columbia-Gletscher in Alaska 7,65 Gt/Jahr zwischen 1996 und 2007 verloren, was allein von diesem Gletscher einem Beitrag von 1,3 % am gesamten durch Eisschmelze verursachten Meeresspiegelanstieg bedeutete.[5]

Grönland

Beitrag des Grönländischen Eisschildes zum Meeresspiegelanstieg bis 2100 durch Abschmelzen an der Oberfläche und Eisdynamik nach dem Szenario RCP4.5. Die Farben in der Fläche zeigen den regionalen Beitrag durch Abschmelzen in mm Wasseräquivalente pro Jahr. Die lila bzw. grüne Linie zeigen das Zurückweichen der Gleichgewichtslinie zwischen Akkumulation und Ablation. Die schwarzen Linien zeigen neben dem Rand des Eisschildes die Abflussgebiete von vier wichtigen Auslassgletschern, deren Beitrag zum Meeresspiegelanstieg in den eingelassenen Kästchen dargestellt wird. Im Kästchen oben rechts wird der Beitrag des gesamten Eisschilds zum Meeresspiegelanstieg gezeigt: hellgrau die Bandbreite durch Abschmelzen, dunkelgrau die Bandbreite durch Eisdynamik.

Auch wenn es noch umstritten ist, ob das Abschmelzen der großen Eisschilde gegenwärtig die Hauptursache für den Meeresspiegelanstieg ist oder nicht, geht davon für die fernere Zukunft mit Sicherheit die größte Gefahr aus. Das zeigt schon der Blick auf den gewaltigen Meeresspiegelanstieg seit dem Höhepunkt der letzten Kaltzeit um 120 m, der fast vollständig durch das Abschmelzen der Eismassen auf den Kontinenten der Nordhalbkugel verursacht wurde, während die Ausdehnung des Meerwassers durch Erwärmung daran nur einen verschwindend kleinen Anteil hatte. Auch in den nächsten Jahrhunderten und Jahrtausenden wird bei anhaltender globaler Erwärmung das Abschmelzen Grönlands und von Teilen der Antarktis den Meeresspiegel zunehmend beeinflussen, während der Anteil durch die Erwärmung des Ozeanwassers und der der Gletscher und Eiskappen immer geringer wird.

Der künftige Beitrag des Grönländischen Eisschilds zum Meeresspiegelanstieg wird zunehmend höher ausfallen.[6] Zum einen wird die wachsende Ablation (durch Schmelzen an der Oberfläche) die Akkumulation (durch Schneefall) mehr und mehr übertreffen. Der Niederschlag nimmt zwar nach Modellprojektionen um 5 % pro 1 °C Erwärmung über Grönland zu. Die Zunahme des Schneefalls ist jedoch geringer, weil der Anteil an Regen am Gesamtniederschlag mit der höheren Temperatur wächst. Die Gebiete und die Zeiten, in denen statt Schnee Regen fällt, werden immer ausgedehnter. In diesem Zusammenhang spielen außerdem Feedbackprozesse eine Rolle, durch die Ein die Beschleunigung der Schmelzwasserproduktion zunimmt. Wenn helle Schneeflächen mit einer hohen Albedo beim Schmelzen durch dunklere Wasser- oder wiedergefrorene Eisoberflächen ersetzt werden, verringert sich die Albedo. Die Folge ist eine höhere Absorption von Strahlung, die zu höheren Temperaturen und stärkerem Abschmelzen des Eises führt.

Höhere Temperaturen sowohl in der Atmosphäre wie im Ozean und die Produktion von Schmelzwasser haben außerdem einen viel diskutierten Einfluss auf die Dynamik des Eisschildes, d.h. vor allem auf die Fließbewegungen Richtung Meer. Das ist gegenwärtig schon durch Beobachtungen feststellbar. Der Eisverlust durch das Kalben ins Meer an der Front und das Abschmelzen von im Meer mündenden Gletscherzungen von Auslassgletschern führt schon heute zu erheblichen Eisverlusten, weil sie das Tempo erhöhen, mit dem der Eisschild ins Meer abfließt. Dieses Tempo wird auch dadurch beschleunigt, dass Schmelzwasser in Gletscherspalten unter den Eiskörper gerät und hier wie ein Schmierfilm wirkt.

Über längere Zeiträume ist ein weiterer wichtiger Feedback-Prozess die Verringerung der Höhe des Eisschildes durch das stetige Abschmelzen. Dadurch gerät die Eisoberfläche in Niveaus mit höheren Temperaturen als heute, was das weitere Abschmelzen beschleunigt. Weitere Prozesse, die auf das Abschmelzen des Grönländischen Eisschilds zurückwirken, sind Auswirkungen etwa des Schmelzwasserflusses auf Meeresströmungen, z.B. auf die thermohaline Zirkulation im Nordatlantik. Da das Süßwasser der Eisschmelze die thermohaline Zirkulation schwächen würde, wäre die Rückkopplung eher negativ und würde das Abschmelzen des Eisschildes auf Grönland abschwächen. Der Effekt wird jedoch für dieses Jahrhundert als sehr gering eingeschätzt.

Insgesamt wird der Beitrag des Grönländischen Eisschildes bis 2081-2100 im Vergleich zu 1986-2005 sowohl durch direktes Abschmelzen wie durch die Eisdynamik nach dem Szenario RCP8.5 auf 12 (maximal 23) cm eingeschätzt, nach RCP2.6 auf 7 (maximal 13) cm.[7]

Antarktis

Für das 21. Jahrhundert wird das oberflächliche Abschmelzen des antarktischen Eisschildes wegen der niedrigen Temperaturen als relativ gering eingeschätzt. Ausnahmen sind die Küstenzonen und die Antarktische Halbinsel. Der Schneefall wird dagegen zunehmen, weil die Atmosphäre sich erwärmt und mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Netto wird damit die Masse des Eisschildes um ca. 5 % zunehmen und damit zu einer Absenkung des Meeresspiegels nur durch Schneefall und oberflächliches Abschmelzen um 2 cm nach dem Szenario RCP2.6 und um 4 cm nach RCP8.5 bis 2100 führen.[8]

Der Antarktische Eisschild verliert jedoch nicht nur an Masse durch oberflächliches Abtauen, sondern auch durch den Abfluss von Eis über verschiedene Auslassgletscher Richtung Meer. Berücksichtigt man diese Eisdynamik, ist damit zu rechnen, dass der Antarktische Eisschild durchaus einen positiven Beitrag zum Anstieg des Meeresspiegels bis 2100 leisten wird, der vom IPCC mit einem mittleren Wert von 4 cm unabhängig von den Szenarien angegeben wird.[9] Dabei spielt vor allem das vorgelagerte Eisschelf eine entscheidende Rolle, das den Abfluss des Eises Richtung Ozean wie ein Widerlager verlangsamt. Löst sich dieses Eisschelf auf, kann das Eis ungehinderter ins Meer fließen, so wie es bei der bekannten Auflösung des Larsen-B-Schelfeises an der Ostküste der Antarktischen Halbinsel im Jahre 2002 der Fall war, das zeitweilig bis zu einer Verachtfachung der Abflussgeschwindigkeit der nachgelagerten Auslassgletscher geführt hat. Das Schelfeis ist zum einen durch das Abtauen an der Oberfläche wie beim Larsen-B-Schelfeis gefährdet, zum anderen durch Abschmelzen von unten, ausgelöst durch wärmeres Ozeanwasser. Diese Prozesse und die Folgen für die Eisdynamik sind nicht nur sehr schwierig zu beobachten, sondern auch nur begrenzt in Klimamodellen abzubilden. Es gibt daher auch keine verlässlichen Berechnungen bis zum Ende des Jahrhunderts.[10]

Gefährdet sind vor allem die großen Eisschelfe der Antarktischen Halbinsel und der Westantarktis. Bevor die großen antarktischen Eisschelfe, das Ross- und das Filchner-Ronne-Eisschelf jedoch ernsthaft bedroht sind, müsste es eine lokale Erwärmung von 5 bis 7 °C geben, die bis zum Ende des 21. Jahrhunderts eher unwahrscheinlich ist. Insgesamt schätzt der IPCC nach Sichtung der vorliegenden Literatur den Meeresspiegelanstieg bis zum Ende des 21. Jahrhunderts nur durch die dynamische Eisbewegungen des Antarktischen Eisschildes auf -1 bis +16 cm, unabhängig von den Szenarien. Die Bandbreite zeigt die große Unsicherheit und geringe Übereinstimmung bei den bisherigen Untersuchungen. Allerdings wird davon ausgegangen, dass sich der Beitrag durch die Eisdynamik nach dem Jahr 2100 fortsetzt.[11]

Meeresspiegelanstieg bis 2100

Meeresspiegeländerung zwischen 1986-2005 und 2081-2100 nach den Szenarien RCP4.5 und RCP8.5; dargestellt ist das Mittel von 21 Modellrechnungen.

Aussagen über den zukünftigen Meeresspiegelanstieg sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Nicht nur, dass sie wie jede Klima"prognose" wegen der zugrundeliegenden Emissionsszenarien nur Entwürfe über mögliche Zukünfte darstellen. Bereits über das gegenwärtige Verhalten der Eisschilde in einem wärmeren Klima sind die Kenntnisse sehr begrenzt. Der globale Meeresspiegelanstieg der Zukunft wird durch Klimamodelle simuliert. Dabei unterscheidet man zwei Arten von Modellen, prozessbasierte und semi-empirische Modelle. Die prozessbasierten Modelle leiten den Meeresspiegelanstieg aus den Prozessen ab, die ihm zugrunde liegen, vor allem aus der Erwärmung des Meerwassers und dem Abschmelzen von Gletschern und Eisschilden. Die semi-empirischen Modelle, die in der Forschung eine geringere Rolle spielen, berechnen eine statistische Beziehung zwischen globaler Temperaturänderung und Meeresspiegelanstieg in der Vergangenheit und wenden die Ergebnisse auf die Zukunft an.[12]

Nach dem jüngsten IPCC-Bericht AR5 wird nach prozessbasierten Modellen der globale Anstieg bei dem Szenario RCP2.6 bis zum Ende des 21. Jahrhunderts 26-54 cm und bei RCP8.5 0,45-0,81 cm betragen.[2] Neuere Studien weisen darauf hin, dass prozessbasierte Modelle das Schmelzen der Eisschilde nicht ausreichend berücksichtigen und kommen teilweise zu höheren Ergebnissen von 0,7-1,2 m Meeresspiegelanstieg bis 2100 bei dem Szenario RCP8.5.[13] Diese Werte sind zwar weniger wahrscheinlich als die IPCC-Ergebnisse, können aber auch nicht ausgeschlossen werden. Der wichtigste Unsicherheitsfaktor ist dabei das Abschmelzen des West-Antarktischen Eisschildes.

Auf der Grundlage einer semi-empirischen Modellsimulation[14] wurde ein Anstieg des Meeresspiegels bis 2100 um 0,5 bis 1,4 m berechnet. Dieser Wert übersteigt deutlich die IPCC-Berechnungen. Dafür spricht, dass der Meeresspiegel gegenwärtig bereits um 3,1 cm pro Jahrzehnt steigt. Andere Untersuchungen über die letzten 1000 Jahre haben jedoch gezeigt, dass es zwischen der mittleren globalen Temperatur und dem Meeresspiegelanstieg keine einfache lineare Beziehung gibt.[15] Die zukünftigen Beziehungen zwischen Meeresspiegel und Temperatur müssen nicht dieselben sein wie die, die in den letzten Jahrzehnten beobachtet wurden.

Interessant sind in diesem Zusammenhang auch Studien über die Verhältnisse in der letzten Zwischeneiszeit vor 130 000 Jahren, dem Eem, als die Temperaturen ungefähr so hoch waren, wie sie für das Ende des 21. Jahrhunderts erwarten werden. Der Meeresspiegel lag damals um 4-6 m über dem heutigen Niveau. Neben Grönland hat aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Westantarktis dazu beigetragen. Modellrechnungen bis 2130 lassen für Grönland und besonders für die Antarktis eine deutlich stärkere Erwärmung als während des Eem erwarten, wofür u.a. die anderen Strahlungsverhältnisse, aber auch anthropogene Rußablagerungen auf dem Eis verantwortlich sein können. Ein Meeresspiegelanstieg schon über die nächsten 130 Jahre von 1 m pro Jahrhundert allein durch den Beitrag der Eisschilde wird in diesem Zusammenhang durchaus für möglich gehalten.[16]

Der amerikanische Klimaforscher James Hansen hält selbst solche Schätzung für deutlich zu niedrig.[17] Hansen geht von einem wesentlich größeren Beitrag der Eisschilde aus als im IPCC-Bericht von 2007 angenommen. Er betont, dass sich die Rate des Massenverlusts des grönländischen und westantarktischen Eises in den letzten Jahren verdoppelt habe. Und er verweist auf die Zeit vor dem Eiszeitalter, vor 3 Millionen Jahren, als der CO2-Gehalt bei 350-450 ppm lag und die Temperaturen etwa 2-3 °C wärmer als heute waren, also Verhältnisse herrschten, die in diesem Jahrhundert sehr wahrscheinlich erreicht oder überschritten werden. Damals sei die Erde ein dramatisch anderer Planet als heute gewesen, ohne arktisches Meereis und mit einem 25 m höheren Meeresspiegel. Auch wenn das Eis sehr verzögert auf die Erwärmung von Atmosphäre und Ozean reagiere, würden paläoklimatische Daten zeigen, dass es mehrfach einen Meeresspiegelanstieg von mehreren Metern innerhalb eines Jahrhunderts durch den Zerfall von Festlandeis gegeben habe, sogar bei Erwärmungsraten unterhalb der für das 21. Jahrhundert erwarteten . Hansen hält deshalb auch einen Meeresspiegelanstieg von 5 m bis 2100 durchaus für möglich.

Langfristiger Meeresspiegelanstieg

Für die Zeit bis 2300 hat der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) nach Auswertung der aktuellen Literatur bei einer auf 3 °C begrenzten globalen Erwärmung eine vorsichtige Abschätzung des Meeresspiegelanstiegs vorgenommen. Danach wird der Anstieg bei 3 bis 5 m liegen. Daran sind Grönland und die Westantarktis mit jeweils 1-2 m beteiligt.[18]

Einzelnachweise

  1. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 13.5.1 und Table 13.5
  2. 2,0 2,1 IPCC (2013): Working Group I Contribution to the IPCC Fifth Assessment Report Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Summary for Policymakers
  3. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 13.4.1
  4. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, Table 13.5
  5. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 13.4.2
  6. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 13.4.3
  7. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, Table 13.5
  8. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 13.4.4, FAQ 13.2, Table 13.5
  9. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, Table 13.5
  10. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 13.4.4
  11. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 13.4.4, Table 13.5
  12. European Environment Agency (2016): Global and European sea level
  13. Jevrejeva,S., A. Grinsted, and J. C. Moore (2014): Upper Limit for Sea Level Projections by 2100,Environmental Research Letters 9, no. 10: 104008, doi:10.1088/1748-9326/9/10/104008
  14. Rahmstorf, S. (2007): A Semi-Empirical Aproach to Projecting Future Sea-Level Rise, Science 315, 368-370
  15. Hans von Storch, Eduardo Zorita, Jesús F. González-Rouco (2008): Relationship between global mean sea-level and global mean temperature in a climate simulation of the past millennium, Ocean Dynamics 58, 227–236
  16. Overpeck, J.T., B.L. Otto-Bliesner, G.H. Miller, D.R. Muhs, R.B. Alley, and J.T. Kiehl (2006): Paleoclimatic Evidence for Future Ice-Sheet Instability and Rapid Sea-Level Rise, Science 311, 1747-1750
  17. James Hansen, Makiko Sato, Pushker Kharecha, Gary Russell, David W. Lea and Mark Siddall (2007): Climate Change and Trace Gases, Philosophical Transactions of the Royal Society of London, Series A, 365, 1925-1954; auch online
  18. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (2006): Die Zukunft der Meere - zu warm, zu hoch, zu sauer, Sondergutachten, Berlin, S. 33; auch als Download


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