Meeresspiegeländerungen

Aus Klimawandel

Überblick

Eine der wichtigsten Folgen des anthropogenen Klimawandels ist ohne Zweifel der Anstieg des globalen Meeresspiegels. Wie der Übergang von der letzten Kaltzeit zum gegenwärtigen Holozän gezeigt hat, reagiert der globale Meeresspiegel stark auf klimatische Veränderungen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass zu Beginn der öffentlichen Diskussion um den anthropogenen Treibhauseffekt gerade die Anhebung des Meeresspiegelniveaus die Medien zu Katastrophenszenarien veranlasst hat. So zeigte etwa als Beleg für die kommende "Klimakatastrophe" das Titelbild der Nr. 44 des Magazins Der Spiegel von 1986 den Kölner Dom bis zu einem Drittel seiner Höhe im Meer versunken. Zu einem so extremen Szenario würde es nur kommen, wenn sämtliches Eis der Erde abschmelzen und der Meeresspiegel um ca. 70 m ansteigen würde - ein im Rahmen des anthropogenen Klimawandels sehr unwahrscheinlicher Fall. Aber auch schon ein Meeresspiegelanstieg um nur 1 m würde für die zahlreichen dicht besiedelten Küstenregionen der Erde weit reichende Konsequenzen haben. Und so hat sich auch die Wissenschaft mit diesem Thema eingehend befasst, wie etwa die Sachstandsberichte des IPCC oder das jüngste Sondergutachten des WBGU belegen.

Veränderung des globalen Meeresspiegelanstiegs in den letzten 24 000 Jahren

Grundsätzlich kann sich das Niveau des Meeresspiegels aus zwei Gründen verändern: 1. durch eine Veränderung von Form und Volumen der Meeressbecken und 2. durch eine Zu- bzw. Abnahme des Wasservolumens in den Weltmeeren. Ursache für eine Veränderung der Meeresbecken können Sedimentationsprozesse sein oder die tektonische Anhebung oder Senkung von Landmassen, Vorgänge, die sich in der Regel über größere Zeiträume erstrecken und in ihren direkten Auswirkungen regional begrenzt sind. Daneben gibt es aber auch durch Vulkanismus, Seebeben oder Sackungsvorgänge verursachte kurzfristige Landbewegungen, die zu lokalen Veränderungen des Meeresspiegelniveaus führen können.

Globale Konsequenzen haben dagegen die klimatisch bedingten Meeresspiegelschwankungen, vor allem durch die Bildung bzw. das Abschmelzen von kontinentalen Eisschilden, wie der Wechsels zwischen Warm- und Kaltzeiten eindrücklich zeigt. Während des Höhepunktes der letzten Kaltzeit vor rund 20 000 Jahren, als die globalen Temperaturen um 4-7 oC unter den heutigen lagen, war der Meeresspiegel um ca. 120 m niedriger als heute. Ein erheblicher Teil des Meerwassers (84 Mio km3 gegenüber 32 Mio km3 heute) war damals in den großen Landeismassen gebunden. In der davor liegenden Warmzeit, dem Eem, vor etwa 120 000 Jahren, als es um über 1 oC wärmer als heute war, lag der globale Meeresspiegel nach Schätzungen bis zu 6 m höher als in der Gegenwart. Und vor 3 Mio. Jahren, im Pliozän, befand sich das Niveau des Meeresspiegels bei 2-3 oC höheren Temperaturen sogar um 25-35 m höher und vor etwa 35 Millionen Jahren, im Eozän, etwa 70 Meter höher als heute.

Meeresspiegelanstieg im 20. Jahrhundert

Datei:Meeresspiegelanstieg1993-2005.gif
Veränderung des globalen Meeresspiegelanstiegs in den letzten 24 000 Jahren

Es war lange Zeit sehr schwierig, den Anstieg des globalen Meeresspiegels genau zu bestimmen, da man bis in die 1990er Jahre fast ausschließlich auf Pegelmessungen angewiesen war. Die geringe räumliche Verbreitung und ungleiche Verteilung der Pegel, die sich ausschließlich an Küsten befinden, macht zwar eine genaue örtliche Bestimmung des relativen Meeresspiegelanstiegs (relativ zum umgebenden Land) möglich, erlaubt aber nur begrenzte Aussagen über die durchschnittliche globale Meeresspiegeländerung. Wie die neueren durch Satelliten gewonnenen Daten gezeigt haben, verändert sich der Meeresspiegel keineswegs überall gleich. An den Küsten aufgenommene Daten müssen keineswegs mit Veränderungen auf dem offenen Ozean übereinstimmen, und auch diese können von Ozeanregion zu Ozeanregion sehr unterschiedlich sein.

Seit 1992 erlaubt die Satellitenmission TOPEX/POSEIDON eine sehr genaue Bestimmung des mittleren globalen Meeresspiegels, die seit 2001 durch den Satelliten JASON noch verbessert wurde. Gemessen wird dabei die Entfernung zwischen Satellit und Meeresoberfläche (Altimetermessungen). Dadurch wird eine exakte Erfassung des Meeresspiegels möglich, die die gesamte Ozeanoberfläche abdeckt und zeitlich alle 10 Tage wiederholt wird. Die Satellitenmessungen zeigen zwei wichtige Ergebnisse[1]:

  1. Die Anstiegsrate des Meeresspiegels ist deutlich höher als bisher mit Hilfe von Pegeldaten ermittelt. Hatten Pegelmessungen für die letzten 100 Jahre einen Wert zwischen 1 und 2 cm pro Jahrzehnt ergeben, so lag die Anstiegsrate zwischen 1993 und 2003 bei 3,1 cm pro Jahrzehnt.
  2. Die Satellitenmessungen zeigen sehr genau, dass sich der Meeresspiegel räumlich sehr unterschiedlich ändert. Einige Regionen erlebten eine Meeresspiegeländerung, die 10 Mal höher war als der globale Durchschnitt, in anderen ist der Meeresspiegel sogar etwas gefallen.

In dem Wert von 3,1 cm/Jahrzehnt ist die relative Absenkung des Meeresspiegels um 0,3 cm durch die nacheiszeitliche Anhebung der Erdkruste schon berücksichtigt. Die Unterschiede zwischen Pegel- und Satellitenmessungen bedeuten nicht in erster Linie, dass die ersten falsch sind, sondern weisen wahrscheinlich darauf hin, dass der Meeresspiegelanstieg sich im Laufe des 20. Jahrhunderts beschleunigt hat. So haben Untersuchungen über den Meeresspiegelanstieg zwischen 1870 und 2004 ergeben, dass die Anstiegsrate im 20. Jahrhundert signifikant zugenommen hat.[2] Allerdings sind die Dekadenschwankungen stark, und es ist nicht gesichert, ob die hohe Anstiegsrate seit 1993 einen Trend ausdrückt oder lediglich eine Dekadenvarianz darstellt. Während allerdings alle Daten vor 1993, ob sie nun von Pegelmessungen stammen oder von Modellen errechnet sind, mit großen Unsicherheiten behaftet sind, können die Satellitendaten danach als gesichert gelten. Hätte die gegenwärtige Anstiegsrate über das gesamte 20. Jahrhundert angehalten, wäre der Meeresspiegel um ca. 30 cm im globalen Mittel angestiegen.

Für die Zeit vor 1993 ist die Abschätzung eines globalen Trends nicht zuletzt wegen der starken räumlichen Unterschiede der Änderung des Meeresspiegels schwierig, da Pegelmessungen nur küstennahe Veränderungen belegen. Die neueren Satellitendaten zeigen jedenfalls, dass diese Unterschiede z. T. beträchtlich sind. Die höchsten Anstiegsraten finden sich mit über 10 mm pro Jahr im westlichen Pazifik und östlichen Indischen Ozean. Im östlichen Pazifik und westlichen Indischen Ozean ist der Meeresspiegel dagegen um bis zu 5 mm pro Jahr gefallen, während nahezu im gesamten Atlantik ein mittlerer Anstieg von ca. 2 mm pro Jahr erfolgt ist.

Siehe auch

Unterricht

Literatur

  • IPCC 2007: The Physical Science Basis, Chapter 5: Oceanic Climate Change and Sea Level; auch als Download
  • Cazenave, A. und R. Nerem (2004): Present-day sea level change: observations and causes. Reviews of Geophysics 42 (3), 139-150
  • Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (2006): Die Zukunft der Meere - zu warm, zu hoch, zu sauer, Sondergutachten, Berlin, S. 33; auch als Download
  • Church, J. A. und N.J. White (2006): A 20th century acceleration in global sea-level rise. Geophysical Research Letters 33 (1)

Weblinks


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  1. Vgl. Cazenave, A. und R. Nerem (2004): Present-day sea level change: observations and causes. Reviews of Geophysics 42 (3), 139-150
  2. Church, J. A. und N.J. White (2006): A 20th century acceleration in global sea-level rise. Geophysical Research Letters 33 (1), doi:10.1029/2005GL024826