Kohlendioxidentzug durch Aufforstung: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Klimawandel
 
(62 dazwischenliegende Versionen von 2 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
[[Bild:Windwurf im Mischwald.jpg|thumb|520px|Abb. 1: Totholz im Laubwald]]
== Terrestrischer Kohlendioxidentzug ==
== Terrestrischer Kohlendioxidentzug ==
Aufforstung und Wiederaufforstung sind in der Lage, erhebliche Mengen an [[Kohlendioxid]], das der Mensch zuvor emittiert hat, der Atmosphäre durch [[Photosynthese]] wieder zu entziehen. Die forstwirtschaftlichen Maßnahmen gehören zu den Methoden der Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre mit langfristiger Speicherung (engl. Carbon Dioxide Removal (CDR)), zu denen etwa auch die Speicherung von CO<sub>2</sub> in Holzprodukten, der Anbau von Energiepflanzen mit anschließender Speicherung von CO<sub>2</sub> in geologischen Schichten (Bioenergy with carbon dioxid capture and storage, BECCS), die Ausbringung von Biokohle auf Ackerflächen oder die direkte [[CO2-Quellen|CO<sub>2</sub>-Entnahme aus der Atmosphäre]] mit anschließender geologischer Speicherung (Direct air capture with carbon storage, DACCS) zählen. Neben diesen terrestrischen Formen der Speicherung von CO<sub>2</sub> aus der Atmosphäre gibt es auch verschiedene marine CDR-Verfahren, bei denen Kohlendioxid im Meer gespeichert wird.


Terrestrischer Kohlendioxidentzug (engl. Carbon Dioxide Removal (CDR)) zielt darauf ab, die Ursachen des Klimawandels zu vermindern. Die Idee ist es, die natürliche Aufnahme und Bindung von atmosphärischem CO<sub>2</sub> durch die Biospähre zu erhöhen, zum Beispiel durch großflächige Aufforstung und Biomassenplantagen. Der Begriff Aufforstung umfasst hier 1. die Wiederbepflanzung ehemals entwaldeter Flächen (Reforestation) sowie 2. die Ansiedelung von Wäldern oder Plantagen dort, wo für mindestens 50 Jahre kein natürlicher Waldbewuchs stattgefunden hat (Afforestation) <ref name="Geoeng rel CBD 2012">
Der Weltklimarat [[IPCC]] definiert CDR folgendermaßen: ''CDR bezieht sich auf anthropogene Aktivitäten, die CO<sub>2</sub> aus der Atmosphäre entfernen und es dauerhaft in geologischen, terrestrischen oder ozeanischen Reservoirs oder in Produkten speichern. Es umfasst die bestehende und potenzielle anthropogene Verstärkung biologischer, geochemischer oder chemischer CO<sub>2</sub>-Senken, schließt jedoch die natürliche CO<sub>2</sub>-Aufnahme aus, die nicht direkt durch menschliche Aktivitäten verursacht wird.''<ref>IPCC AR6, WG III (2022a): Technical Summary Climate Change 2022, Box TS.10: Mitigation of Climate Change, übersetzt</ref> Unter der ''natürlichen CO<sub>2</sub>-Aufnahme'' wird dabei eine Speicherung von Kohlendioxid verstanden, die nicht durch direkte menschliche Maßnahmen, sondern vor allem durch den höheren CO<sub>2</sub>-Gehalt der Atmosphäre ('[[Wirkung von Kohlendioxid und Ozon|CO<sub>2</sub>-Düngung]]') oder günstigere klimatische Bedingungen in höheren Breiten infolge des Klimawandels (höhere Temperaturen und längere Wachstumszeiten) bedingt ist. Unter Aufforstung versteht man die Ansiedlung von Wäldern oder Plantagen dort, wo für mindestens 50 Jahre kein natürlicher Waldbewuchs stattgefunden hat (Afforestation), als Wiederaufforstung wird die Anlage neuer Wälder auf Flächen verstanden, die in den letzten 50 Jahren entwaldet wurden (Reforestation).  
Secretariat of the Convention on Biological Diversity (2012). Geoengineering in Relation to the Convention on Biological Diversity: Technical and Regulatory Matters, Montreal, Technical Series No. 66, 152 pages.</ref>. In Betracht gezogen werden vier Arten der Aufforstung: natürlicher Wald, bewirtschafteter Wald, Bioenergiebäume und Bioenergiegräser. Je nach Region (z.B. boreale, mittlere oder tropische Breiten) und nach Bewirtschaftung (z.B. jährliche Ernte oder längere Wachstumszyklen) bringen diese Arten Vorteile und Nachteile mit sich. Es wird zum Beispiel angenommen, dass Bioenergiegräser bei jährlicher Ernte generell am produktivsten sind, d.h. effektiver in der CO<sub>2</sub>-Aufnahme sind, und natürliche Wälder mit dem Alter ihre Produktivität und damit die Kohlenstoffaufnahme stark abbauen. Hingegen sind alte Wälder große Kohlenstoffspeicher und ihre Ersetzung durch Bioenergiegräser ist damit nicht sinnvoll.<ref name="Lenton 2010">Lenton (2010): The potential for land-based biological CO<sub>2</sub> removal to lower future atmospheric CO<sub>2</sub> concentration, Carbon Management,  Vol. 1, No. 1, pages 145-160 , DOI 10.4155/cmt.10.12  </ref> <ref name="Mitchell 2012">Mitchell et al. (2012): Carbon debt and carbon sequestration parity in forest bioenergy production, GCB Bioenergy,
Vol. 4, Issue 6, pages 818–827, DOI 10.1111/j.1757-1707.2012.01173.x</ref>


Das Nettopotential ergibt sich dann aus der Menge Kohlenstoff, die die Pflanzen [[Photosynthese|photosynthetisch]] bis zu ihrer Ernte gebunden haben, minus den Emissionen, die die Pflanze selbst, die Landnutzungsänderung zuvor, der Ernteprozess, der Transport und die Umwandlung zu Folgeprodukten hervorrufen (Life Cycle Assessment). Wie im Abschnitt über [[Landwirtschaft als Klimafaktor]] erwähnt, hängt die wirkliche Menge des gespeicherten CO<sub>2</sub> erheblich davon ab, wie die pflanzliche Biomasse weiterverarbeitet wird. Betrachtet werden zum Beispiel die Nutzung von Holz als Baumaterial, die Umwandlung in Biokohle, das Vergraben von Kohlenstoff und die Umwandlung in Bioenergieträger zusammen mit der anschließenden Speicherung der entstehenden Emissionen (Carbon Capture and Storage -  CCS)<ref name="Lenton 2010"/>. Daraus ergibt sich letztendlich das Substitutionspotential von fossilen Brennstoffen, welches die Emissions- und Energiebilanzen von Bioenergie den fossilen Brennstoffen gegenüberstellt.<ref name="Mitchell 2012"/>
[[Bild:CO2-Entnahme Tab.jpg|thumb|520px|Tab. 1: Aktuelle und zukünftige CO<sub>2</sub>-Entnahme durch CDR-Methoden. Werte nach: 1) Powis et al. (2023)<ref name="Powis 2023"/>; 2) IPCC AR6, WGIII (2022): Table TS.7; 3) IPCC AR6, WGIII (2022): 7.4.5.3]]


== Risiken und Nebenwirkungen ==
Die gegenwärtige CO<sub>2</sub>-Aufnahme durch CDR-Methoden wird auf rund 2 Gt CO<sub>2</sub>/Jahr geschätzt,<ref name="Smith 2023">Smith, S.M., O. Geden, G. Nemet et al. (2023): [https://www.stateofcdr.org The State of Carbon Dioxide Removal] - 1st Edition</ref> bei fast 40 GtCO<sub>2</sub>-Emissionen vor allem durch die Nutzung fossiler Energieträger. Fast die gesamte CO<sub>2</sub>-Aufnahme durch CDR erfolgt gegenwärtig durch Aufforstung und Wiederaufforstung. Daneben spielt noch die Verwertung in Holzprodukten wie Möbel oder Bauholz eine gewisse Rolle. Technisch-basierte Methoden wie BECCS und DACCS tragen aktuell nur äußerst gering zur CO<sub>2</sub>-Aufnahme aus der Atmosphäre bei (Tab. 1). Letzteres soll sich schon in den nächsten Jahren ändern. Nach Powis et al. (2023)<ref name="Powis 2023">Powis R.C.M., M.S. Smith, J.C. Minx J., T. Gasser (2023):  Quantifying global carbon dioxide removal deployment. Environ. Res. Lett. 18 (2023) 024022, https://doi.org/10.1088/1748-9326/acb450</ref> befinden sich zahlreiche technik-basierte CDR-Projekte, in erster Linie BECCS-Maßnahmen, gegenwärtig im Entwicklungsstadium. Falls diese Projekte im Laufe dieses Jahrzehnts ihren Betrieb aufnehmen und keine neuen Projekte hinzukommen, können folgende Annahmen über die CO<sub>2</sub>-Entnahme aus der Atmosphäre gemacht werden: BECCS könnte schon im Jahr 2024 auf ca. 11 Mio. t CO<sub>2</sub>/Jahr ansteigen. Der Grund wäre fast ausschließlich die Fertigstellung des Summit Carbon Solutions BECCS-Projekts (USA), wozu die Inbetriebnahme von 30 gekoppelten Ethanolproduktions-Anlagen und die damit verbundene geologische Speicherung gehören. Bis 2030 könnten weitere Projekte und deren Ausbau die gesamte CO<sub>2</sub>-Entnahme durch technik-basierte CDR-Maßnahmen wie BECCS und zunehmend auch DACCS auf über 22 Mio. t CO<sub>2</sub>/Jahr erhöhen (Tab. 1). Für 2050 liegen die oberen und unteren Schätzungen des IPCC größtenteils weit auseinander. Die Gründe sind primär unterschiedliche Kriterien bei der Berechnung wie technische Realisierbarkeit, Kosten und gesellschaftliche Akzeptanz.


Effektives terrestrisches CDR kann nur durch großskalige Aufforstungsprogramme erlangt werden.<ref name="House 2002">House et al. (2002): Maximum impacts of future reforestation or deforestation on atmospheric CO<sub>2</sub>, Global Change Biology, Vol. 8, Issue 11, pages 1047–1052, DOI 10.1046/j.1365-2486.2002.0</ref> <ref name="Arora 2011">Arora and Montenegro (2011): Small temperature benefits provided by realistic afforestation efforts, Nature Geoscience, Vol. 4, Issue 8, pages 514-518, DOI 10.1038/ngeo1182</ref> Doch die aufgeforsteten Gebiete sind nicht notwendiger Weise naturnah. Neben den biogeophysikalischen Effekten der Aufforstung (u.a. Änderung der [[Albedo]], den Feuchte- und latenten Wärmeflüssen und der Grenzschichtdynamik), werden auch die biogeochemischen Kreisläufe deutlich beeinflusst (siehe [[Biosphäre im Klimasystem]]). Die Anpflanzung von Bäumen oder Bioenergiepflanzen im großskaligen Rahmen benötigt den massiven Einsatz von Dünger und Wasserressourcen, um die Plantagen effektiv und ertragreich zu bewirtschaften. Ob dies in allen Regionen umsetzbar und erwünscht ist, bleibt zu untersuchen, denn damit erhöhen sich u.a. auch die Methan- und Lachgasemissionen ([[Landwirtschaft als Klimafaktor]]), welche beides starke Treibhausgase sind. Aufforstung kann sich in einigen Fällen auch positiv auf die Bodenqualität auswirken und durch Kohlenstoffeinlagerung und Wurzelwerk zur Wasserspeicherung beitragen und Bodenerosion verringern.
== Nebenwirkungen durch Aufforstung und Wiederaufforstung ==
[[Bild:D Ökosystemleistung Wald.jpg|thumb|540 px|Abb. 2: Ökosystemleistungen des Waldes am Beispiel von Deutschland]]
[[Terrestrischer Kohlenstoffkreislauf|Bäume entziehen der Atmosphäre CO<sub>2</sub> durch Photosynthese]] und speichern es in Stämmen und Wurzeln relativ langfristig. Das Pflanzen von Bäumen kann daher einen wertvollen Beitrag leisten, den Klimawandel abzuschwächen. Außerdem reduzieren [[Wälder im Klimawandel|Bäume]] auch zahlreiche Folgen des Klimawandels und bieten eine Reihe anderer Ökosystemdienstleistungen (Abb. 2). Sie spenden Schatten und Kühle gegen [[Hitzewellen]], nehmen bei [[Starkniederschläge und Hochwasser|Starkniederschlägen]] Wasser auf und verhindern so Erosion und Hochwasser. Wiederaufforstung in stark degradierten Gebieten, besonders wenn sie mit einheimischen Arten erfolgt, erhöht zudem die biologischen Vielfalt, verbessert die Wasserfilterung und die Neubildung von Grundwasser. Auch in Städten mildern Bäume die Folgen von extremen Wetterereignissen ab, die zunehmend als Folge des Klimawandels auftreten, und sind ein guter Schutz gegen hohe Temperaturen und starke Überschwemmungen.<ref name="IPCC AR6 WGII 2022">IPCC AR6, WGII (2022): Climate Change 2022. Impacts, Adaptation and Vulnerability, FAQ 2.6: Can tree planting tackle climate change?</ref>


Insektenplagen, Feuer und Krankheitsbefall können die Plantagen erheblich schädigen. Der Einsatz von Pestiziden und die Vermeidung von natürlichen Feuerereignissen kann jedoch auch weitere negative Auswirkungen auf das Ökosystem ausüben. Feuer dient nicht nur dazu, das trockene Brennmaterial in Wäldern zu vermindern, sondern auch dazu, den Boden mit verbrannter Biomasse zu düngen und schädliche Insekten zu vernichten.
Andererseits kann die (Wieder-)Aufforstung in bestimmten Regionen auch zu erheblichen Problemen für [[Ökosystem]]e und menschliche Gemeinschaften führen. Das ist besonders der Fall, wenn es sich um nicht-heimische Arten, besonders Monokulturen, handelt, die in von Natur aus nicht mit Wald bestandenen Ökosystemen wie [[Trockengebiete im Klimawandel|Grasländern, Buschland oder Savannen]] angesiedelt werden. Grasländer und Savannen sind in solchen Fällen besser in der Lage, in oberirdischen Pflanzen und in Böden Kohlendioxid zu binden als neu angepflanzte Bäume. Diese zerstören oft die natürlichen Ökosysteme und bedrohen die Biodiversität. Da solche offenen Landschaften sich zumeist in Gebieten mit geringem Niederschlag befinden und Bäume viel Wasser brauchen, verringern neue Bäume auch den Abfluss und reduzieren die Grundwassererneuerung. Außerdem können sie die häufigen [[Feuer in Afrika|Feuer]] in Savannen und Graslänern von Grass-Feuern zu Baum-Feuern verstärken und damit mehr CO<sub>2</sub>-Emissionen bewirken.<ref name="IPCC AR6 WGII 2022" /><ref name="Veldman 2015">, J.W., G.E. Overbeck, D. Negreiros et al. (2015): [https://doi.org/10.1093/biosci/biv118 Where Tree Planting and Forest Expansion are Bad for Biodiversity and Ecosystem Services], BioScience, Volume 65, Issue 10, 01 October 2015, Pages 1011–1018 </ref>


Der Einfluss von großräumiger Aufforstung auf die Biodiversität ist unsicher. Je nach Größe des zusammenhängenden Gebietes und der Bewirtschaftungsstrategie kann diese verringert oder aber bewusst bewahrt und als positiver Faktor hinzugezogen werden, um z.B. durch bestimmte Tierarten den Insektenbefall in der Anbauzone zu vermindern.<ref name="Dornburg 2009">Dornburg et al. (2009): Bioenergy revisited: Key factors in global potentials of bioenergy, Energy & Environmental Science, Vol. 3, Issue 3, pages 258-267, DOI  10.1039/B922422J</ref>
Neben ökologischen kann eine großflächige Aufforstung auch zu erheblichen sozialen Problemen führen. Sie erfordert Land, das auch von anderen Nutzungen wie der [[Landwirtschaft und Klima|Landwirtschaft]] gebraucht wird. Doelmann et al. (2020)<ref name="Doelman 2020">Doelman, J.C., E. Stehfest, D.P. van Vuuren et al. (2020): Afforestation for climate change mitigation: Potentials, risks and trade‐offs. Glob. Change Biol., 26(3), 1576–1591, doi:10.1111/gcb.14887</ref> gehen bei einer kumulativen CO<sub>2</sub>-Speicherung von 410 GtCO<sub>2</sub> durch Aufforstung bis 2100 von einem Flächenbedarf von 1100 Mio. ha aus. Das größte Potential der CO<sub>2</sub>-Speicherung durch Aufforstung liegt dabei in den [[Tropen]] und könnte hier auch am stärksten die Ernährungssicherheit gefährden. Das Ausmaß ist bislang unklar. Kreidenweis et al. (2016)<ref name="Kreidenweis 2016">Kreidenweis, U., F. Humpenöder, M. Stevanović et al. (2016): Afforestation to mitigate climate change: Impacts on food prices under consideration of albedo effects. Environmental Research Letters, 11, 085001</ref> halten z.B. bei einer großflächigen Aufforstung eine Vervierfachung der globalen Nahrungsmittelpreise für möglich. Die Aufforstung selbst ist im Vergleich zu anderen Maßnahmen zum Schutz des Klimas wie die Elektrifizierung der Industrie, die Dekarbonisierung des Transports und die großskalige Anwendung erneuerbarer Energien verhältnismäßig billig.


Bei einer drastischen Ausdehnung der CDR-Flächen bleiben Konsequenzen für die Landwirtschaft nicht ausgeschlossen. Denn trotz allen Klimaschutzbemühungen muss der steigende Nahrungsmittelbedarf einer wachsenden Weltbevölkerung sichergestellt werden. Die Intensivierung der Landwirtschaft auf den begrenzt zur Verfügung stehenden Flächen ist daher unausweichlich und steht in Konkurrenz mit den CDR-Flächen. Wie diese industrialisierte Landwirtschaft dann global ausgeübt und zudem noch möglichst nachhaltig praktiziert werden kann, ist eine der großen Fragen der Wissenschaft. <ref name="Powell 2012">Powell and Lenton (2012): Future carbon dioxide removal via biomass energy constrained by agricultural efficiency and dietary trends, Energy & Environmental Science, Vol. 5, Issue 8, Pages 8116, DOI 10.1039/c2ee21592f</ref><ref name="Smith 2013">Smith et al. (2013): How much land-based greenhouse gas mitigation can be achieved without compromising food security and environmental goals?, Global Change Biology, Vol. 19, Issue 8, pages 2285-2302, DOI 10.1111/gcb.12160</ref>
Lateinamerika und Sub-Sahara-Afrika wären die Regionen mit dem größten Potential zur CO<sub>2</sub>-Speicherung durch Aufforstung, da sich hier die größten geeigneten Ländereien befinden und die Wälder durch die vorherrschenden klimatischen Bedingungen im Vergleich zur [[Gemäßigte Zone|gemäßigten]] und [[Klimazonen|borealen Klimazone]] höhere Wachstums- und Speicherungsraten aufweisen. Die Folge wären jedoch höhere Nahrungsmittelpreise und ein erhöhtes Hunger-Risiko. Die durch Hunger gefährdete Bevölkerung könnte sich global durch Aufforstung um 441 Mio. Menschen bis 2100 erhöhen, statt wie ohne Aufforstung angenommen sich von ca. 800 Mio. in 2010 auf ca. 200 Mio. zu verringern. Die Mehrheit wäre in Sub-Sahara-Afrika und Südasien betroffen. Das erhöht in diesen Regionen allerdings auch das Risiko für eine langfristigen Bewaldung, zumal die verbreiteten schwachen staatlichen Strukturen eine spätere Umkehr der Landnutzung zurück zur Landwirtschaft kaum verhindern werden könnten.<ref name="Doelman 2020" /> Gerade in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen können neu angelegte Wälder entgegen der vorherrschenden Meinung aber auch zur Ernährungssicherheit der Bevölkerung beitragen. So kommen Olesen et al. (2022)<ref name="Olesen et al. 2022">Olesen, R. S., C. M. Hall & L. V. Rasmussen (2022): Forests support people’s food and nutrition security through multiple pathways in low- and middle-income countries. One Earth 5, 12, 1342-1353, https://doi.org/10.1016/j.oneear.2022.11.005</ref> nach einer Sichtung von 65 Studien zu dem Ergebnis, das Wälder auch eine positive Wirkung auf die in ihnen oder in ihrer Umgebung lebende Bevölkerung haben. Zum einen stellen sie direkt Nahrung aus dem Wald zur Verfügung wie Früchte und wilde Tiere. Zweitens wirken sich Wälder positiv durch Wasserspeicherung und Bodenverbesserung auf die umliegenden Ökosysteme und Anbaulächen aus und verringern die Bodenerosion. Und drittens bieten sie der ansässigen Bevölkerung Verdienstmöglichkeiten durch den Verkauf von Holz und anderen Waldprodukten.


Auf alle Komponenten des terrestrischen CDR (Aufforstung, Biogeochemie, Wasserkreislauf, Biodiversität und Landwirtschaft) wirken letztendlich auch noch die Folgen der Klimaerwärmung. Diese können in verschiedenen Regionen positive oder negative Auswirkungen auf die Plantagen und die verbleibenden Flächen haben. So wird angenommen, dass die Erwärmung zu einer höheren Produktivität der Pflanzenwelt in den hohen Breiten, sowie zu einer Verschiebung der Baumgrenze nach Norden führen wird. In den niederen Breiten und Tropen hingegen können Trockenheit und Hitzeperioden die Produktivität erheblich einschränken. Die steigenden CO<sub>2</sub>-Konzentrationen wirken zudem als Dünger für die Vegetation. Uneinigkeit besteht noch darüber, wie groß dieser Effekt wirklich ist. In Feldexperimenten wie den „Free Air CO<sub>2</sub>-Enrichment projects“<ref>[http://climatechangescience.ornl.gov/content/free-air-co2-enrichment-face-experiment Free-Air CO2 Enrichment Experiment FACE]</ref> untersuchen Forscher in lokalen Studien die Langzeitwirkung erhöhter CO<sub>2</sub>-Konzentrationen auf die Pflanzen und deren Limitierungen (z.B. durch begrenzte Stickstoffverfügbarkeit).
==Gefährdung von (Wieder-)Aufforstungen==
Die Speicherung von CO<sub>2</sub> ist gegenwärtig auch in schon bestehenden Wäldern durch direkte menschliche Einwirkungen gefährdet. Abholzung im großen Stil, z.B. für die weltweite Bau- und Möbelindustrie, vernichten vor allem Naturwälder in den Tropen, etwa in Indonesien, und verursachen CO<sub>2</sub>-Emissionen. Dabei kann allerdings das im verwerteten Holz gespeicherte CO<sub>2</sub> durch eine langfristige Nutzung unter Umständen länger gespeichert bleiben als in lebenden Bäumen. Beim Abbrennen von großen Waldflächen für Rinderweiden oder den Anbau von Monokulturen, wie es aus dem Amazonasgebiet bekannt ist, werden erhebliche Mengen von Kohlendioxid direkt emittiert. Diese auf vorhandene Wälder bezogenen Risiken bestehen ebenso für Wälder, die mit der Absicht angelegt wurden, CO<sub>2</sub> aus der Atmosphäre zu entnehmen. In einer veränderten sozialen Lage kann die Nutzung von Waldflächen von der Politik oder der lokalen Bevölkerung neu bewertet und z.B. die Produktion von Nahrungsmitteln als wichtiger erachtet werden als der Klimaschutz (s.o.). Ohnehin sind die in den letzten Jahrzehnten neu angelegten Waldflächen nur zu einem geringen Teil mit der Absicht geschaffen worden, CO<sub>2</sub> aus der Atmosphäre zu binden. Andere Gründe wie etwa die Holznutzung oder die Aufgabe von landwirtschaftlichen Flächen durch Modernisierung und Ertragssteigerung der Produktion waren in der Regel viel bedeutender. So ist etwa die deutliche [[Wälder im Klimawandel: Europa|Zunahme der europäischen Waldbedeckung]]  seit dem 2. Weltkrieg um ca. 25% teils durch den Holzmangel in der Nachkriegszeit, teils durch die Aufgabe von landwirtschaftlichen Betrieben nach dem Ende des Sozialismus bedingt.<ref name="Palmero-Iniesta 2021">Palmero-Iniesta, M., J. Pino, L. Pesquer et al. (2021): [https://doi.org/10.1007/s10342-021-01366-z Recent forest area increase in Europe: expanding and regenerating forests differ in their regional patterns, drivers and productivity trends.] Eur J Forest Res</ref>  


Weiterhin müssen die Rückkopplungen der Auswirkungen von Aufforstung auf den Klimawandel selbst untersucht werden. Denn die biogeophysikalischen und biogeochemischen Rückkopplungen verändern das Klima global und regional und beeinflussen so wiederum die Produktivität der Pflanzen. Wie in den Beiträgen zur [[Deforestation (hohe Breiten)|Abholzung in den hohen]], [[Deforestation (mittlere Breiten)|mittleren]] und [[Deforestation (Tropen)|tropischen Breiten]] beschrieben, haben die durch Abholzung veränderten Albedowerte, latenten Wärme- und Feuchteflüsse unterschiedliche Auswirkungen. Führt man demnach entwaldete Gebiete in ihre Ursprungsform zurück oder forstet neue Gebiete auf, müssen die regionalen Klimabedingungen berücksichtigt werden. Es wird angenommen, dass in den Tropen erhöhte Verdunstungsraten nach Wiederbewaldung der Getreide- und Weideflächen zu einer Abkühlung führen und die Feuchteflüsse den regionalen Niederschlag erhöhen können. In den mittleren Breiten hängt der letztendliche Effekt davon ab, ob eine saisonale Schneebedeckung auftritt. Ist dies der Fall, führt Aufforstung womöglich zu einer höheren lokalen biogeophysikalischen Erwärmung als die durch die CO<sub>2</sub>-Aufnahme der gewonnen Vegetation erlangte biogeochemische Abkühlung erreicht werden könnte. Eine Studie ergab zudem, dass die Entwaldung in den vergangenen Jahrhunderten vor allem dort stattfand, wo wenig Schneebedeckung auftrat und die Böden  fruchtbar waren <ref name="Pongratz 2011">Pongratz et al. (2011): Past land use decisions have increased mitigation potential of reforestation, Geophysical Research Letters, Vol. 38, Issue 15, DOI 10.1029/2011GL047848</ref>. Demnach ist eine Aufforstung nur in diesen ausgewählten Regionen sinnvoll und von einer Aufforstung über mehrere Breitengrade abzuraten. In den hohen Breiten ist der Snow-Masking-Effekt noch schwerwiegender, denn Bewaldung würde die dauerhafte Schneebedeckung verringern und die Albedo erheblich herabsetzen.
Auf alle Komponenten der Aufforstung wirken letztendlich auch noch die [[Wälder im Klimawandel|Folgen der Klimaerwärmung]]. Diese können in verschiedenen Regionen positive oder negative Auswirkungen auf neu bewachsene Waldflächen haben. So wird angenommen, dass die Erwärmung zu einer höheren Produktivität der Pflanzenwelt in den hohen Breiten sowie zu einer Verschiebung der Baumgrenze nach Norden führen wird. In den niederen Breiten und Tropen hingegen können Trockenheit und Hitzeperioden die Produktivität erheblich einschränken. Das gilt ebenso für Waldbrände und und Insekten-Plagen. Dagegen ist Wasser ein wichtiger Faktor für das Wachstum von Bäumen, und zwar nicht nur der Niederschlag, sondern auch die Bodenfeuchtigkeit, das Grundwasser und der atmosphärische Wasserdampf. Einen erheblichen Einfluss besitzt zudem die CO<sub>2</sub>-Konzentration, deren Erhöhung das Pflanzenwachstum stark antreiben kann (so. CO<sub>2</sub>-Dünge-Effekt). Hauptsächlich durch die Zunahme des CO<sub>2</sub>-Gehalts der Atmosphäre hat die Brutto-Primärproduktion auf den Landgebieten der Erde zwischen 1951 und 2010 um 2% zugenommen. Ein Zeichen dafür ist, dass sich seit den 1980er Jahren die Fläche der globalen Wälder um 7% ausgedehnt hat, vor allem durch neue Wälder und das Wachstum bestehender Wälder in gemäßigten und borealen Regionen in Asien und Europa. In den 2000er und 2010er kam es dadurch zu einer Netto-Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre von 7,7 GtCO<sub>2</sub>/Jahr.<ref>IPCC AR6, WGII (2022):Impacts, Adaptation and Vulnerability, Ch. 2, 2.4.4.5</ref>


== Simulationen und Landnutzungsszenarien ==
== Rückwirkungen von Aufforstung auf das Klima ==
Wo kann terrestrisches CDR stattfinden und was sind die Folgen?<br />Durch Aufforstung wird also nicht nur die Charakteristik der Landschaft durch die erneute Landnutzungsänderung geprägt, sondern vielmehr die Funktionsweise des Ökosystems Wald erheblich verändert. Um diese Auswirkungen abschätzen zu können, werden aufwendige Computersimulation erstellt, die bestimmten Landnutzungsszenarien in die Zukunft folgen. Hier stellt sich zuerst die Frage: Wo können diese großskaligen Aufforstungsgebiete liegen? Land- und Wasserresourcen sind knapp und sehr begehrt.
[[Bild:Aufforstung-Klima.jpg|thumb|620px|Abb. 3: Klimawirkungen von Aufforstung und Wiederaufforstung: Durch die Aufnahme von CO2 wird das globale Klima abgekühlt, ebenso durch eine erhöhte Verdunstung, die sich in den kalten hohen Breiten allerdings nur wenig auswirkt. Die dunkle Fläche von Wäldern verringert die Reflexion von Sonnenstrahlen und bewirkt damit eine Erwärmung, besonders in den hohen Breiten. +/-: Erwärmung/Abkühlung]]


Die neuen [[RCP-Szenarien]] folgen detaillierten Annahmen über u.a. Bevölkerungswachstum, Energieverbrauch und Landnutzungsmuster zwischen 2006 und 2100. In RCP4.5 werden zum Beispiel Landwirtschaftsflächen durch Produktivitätssteigerungen aufgegeben, welche dann zur Aufforstung genutzt werden können.
Im Rahmen von Climate Engineering sind Aufforstungen und Wiederaufforstungen primär dafür gedacht, CO<sub>2</sub> aus der Atmosphäre zu entnehmen und möglichst langfristig zu speichern (Tab. 1). Bäume und Wälder besitzen jedoch eine vielfältige [[Biosphäre im Klimasystem|Wirkungen auf das Klima]], die nicht nur eine Abkühlung zur Folge haben, sondern in manchen Fällen auch eine Erwärmung. Wälder nehmen nicht nur Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf, sondern geben das Treibhausgas durch Verrottung und Veratmung teilweise auch wieder an die Atmsophäre ab. In geringem Maße sind Wälder auch eine Quelle von Methan (CH<sub>4</sub>) und Distickstoffoxid (N<sub>2</sub>O).<ref>Popkin, G. (2019): The forest question, Nature 565, 280-282</ref>


Weiterhin werden neue idealisierte Szenarien entwickelt, um ein großes Spektrum an möglichen zukünftigen Landnutzungsformen und -mustern abzudecken, welche im Rahmen des Climate Engineerings eingesetzt werden könnten. Diese werden zum Beispiel mit dem Dynamischen Vegetationsmodell LPJmL (Lund-Potsdam-Jena managed Land Dynamic Global Vegetation and Water Balance Model)<ref>[http://www.pik-potsdam.de/research/climate-impacts-and-vulnerabilities/models/lpjml Lund-Potsdam-Jena managed Land Dynamic Global Vegetation and Water Balance Model]</ref> simuliert. Dieses Modell kann nicht nur die natürliche Vegetation, sondern auch Landnutzung (u.a. Landwirtschaft und Bioenergiepflanzenanbau) in Abhängigkeit von Wasser- und Klimakonditionen berechnen. Die zugrunde liegenden Annahmen können dabei völlig utopisch sein (z.B. unbegrenzte Bewässerung und Düngung oder die Wiederbewaldung sämtlicher historischer Waldflächen), um die maximalen Potentiale der terrestrischen Biomasseproduktion am Ende des 21sten Jahrhunderts bestimmen zu können. Da wir von CDR als eine „Notmaßnahme“ im Rahmen des Klimaengineerings absehen, werden alle Aufforstungsmuster nur zwischen den Jahren 2040 und 2060 graduell eingeführt und dann bis 2100 bewirtschaftet.
Neben diesen biogeochemischen Prozessen wirken Wälder aber vor allem auch durch biogeophysikalische Prozesse auf das Klima (Abb. 3). Mit der Anlage von Wäldern ändert sich etwa die [[Albedo]] (bzw. das Rückstrahlungsvermögen) der Erdoberfläche. Wälder besitzen eine dunkle Oberfläche und absorbieren daher in der Regel mehr Sonneneinstrahlung als landwirtschaftliche Flächen oder Savannen und Grasländer, wodurch sich die Umgebungsluft erwärmt. Der Unterschied der Albedo ist besonders groß auf verschneiten Flächen in hohen Breiten und übertrifft hier oft die Abkühlung durch die CO<sub>2</sub>-Aufnahme. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die höhere [[Verdunstung]] durch Wälder, die durchgehend abkühlend wirkt. Dieser Effekt spielt in den hohen Breiten wegen der geringen Verdunstungsleistung nur eine geringe Rolle, verstärkt in den Tropen aber den Abkühlungseffekt durch die CO<sub>2</sub>-Aufnahme. Hinzu kommt die höhere Bodenrauigkeit durch Wälder gegenüber einer kurzwüchsigen Pflanzenbedeckung. Dieser Effekt bewirkt, dass mehr warme Luft durch Turbulenzen nach oben gemischt wird, wodurch sich die unteren Luftschichten abkühlen.


Diese Szenarien werden dann durch spezielle Einschränkungen begrenzt. Diese Begrenzungen berücksichtigen unter anderem die Sicherstellung der Ernährung der Weltbevölkerung, den Biodiversitäts- und Ökosystemschutz, die Vermeidung negativer [[Biosphäre_im_Klimasystem#Biogeophysikalische_R.C3.BCckkopplungsprozesse|biogeophysikalischer Effekte]] (z.B. die Herabsetzung der borealen [[Albedo]], [[Deforestation (hohe Breiten)|Taiga-Tundra-Feedback]], siehe Abb. 4), sowie länderspezifische Bestimmungen (z.B. durch das wirtschaftliche System und technischen Fortschritt). Dieser Szenarienraum erlaubt es dann, möglichst viele Facetten der Mensch-Ökosystem-Interaktionen und Transitionen zu beleuchten, um die Auswirkungen auf das Erdsystem verstehen zu können (sie auch [Rockström 2009]). Die Wechselwirkungen mit dem Klima, die durch die Aufforstung selbst (u.a. durch die Änderung der [[Albedo]] und Feuchteflüsse, sowie Landnutzungsemissionen) und das aufgenommene CO<sub>2</sub> entstehen, werden zudem mit komplexen globalen Klimamodellen simuliert und ausgewertet (Max Planck Institute Earth System Model, MPI-ESM.<ref>[http://www.mpimet.mpg.de/wissenschaft/modelle/mpi-esm.html Neues Erdsystemmodell des Max-Planck-Instituts für Meteorologie]</ref> Die Entwicklung und Umsetzung dieser Szenarien erfolgt zurzeit in dem Projekt CE-LAND.<ref>[http://www.spp-climate-engineering.de/CE-LAND.html Klima-Engineering über Land: CE-Land]</ref>
== Szenarien und Potentiale ==
[[Bild:CO2-Entnahme Tab.2.jpg|thumb|640px|Tab. 2: Technisches und ökonomisches Potential landbasierter CO<sub>2</sub>-Speicherung für 2050. 1) '''Technisches Potential''': die Möglichkeiten bei Anwendung der gegenwärtig zur Verfügung stehenden Technologien, 2) '''Ökonomisches Potential''': das ökonomisch Machbare bei Kosten von 100 $ für die Abscheidung einer t CO<sub>2</sub>. 3) IPCC AR6, WGIII (2022): Climate Change 2022. Mitigation of Climate Change, 7.4.2.2 - Bei BECCS wird nur das am Ende geologisch gespeicherte Kohlendioxid berücksichtigt, da alles nicht gespeicherte CO2 beim Verbrennungsprozess wieder in die Atmosphäre gelangt.]]
 
Im [[2-Grad-Ziel|Pariser Abkommen]] von 2015 zur Vermeidung eines gefährlichen Klimawandels durch den Menschen wurde beschlossen, die globale Erwärmung bis zum Ende des 21. Jahrhunderts deutlich unter 2 °C und möglichst sogar auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Um die Klimaziele von Paris zu erreichen, ist eine deutliche Reduzierung der anthropogenen [[Treibhausgasemissionen]], vor allem der [[Kohlendioxidemissionen|Emissionen von Kohlendioxid]], unabdingbar. Auch wenn um die Mitte des Jahrhunderts Treibhausgas-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger durch erneuerbare Energien gänzlich ersetzt sein sollten, so verbleiben doch schwer zu vermeidende Restemissionen: 1. von Nicht-CO<sub>2</sub>-Gasen wie [[Methan]] und [[Lachgas|Distickstoffoxid]] aus der Landwirtschaft und 2. von CO<sub>2</sub>, das bei [[Indirekte Nutzung von CO2|industriellen Prozessen]] wie in der Zement- und Stahlindustrie anfällt. Diese Emissionen lassen sich bei einem Festhalten an den Pariser Klimazielen nach heutigem Kenntnisstand kaum anders ausgleichen als durch Verfahren, die CO<sub>2</sub> aus der Atmosphäre entnehmen und möglichst langfristig speichern.<ref name="Fuss 2021">Fuss, S., F. Gruner, J. Hilaire u.a. (2021): CO<sub>2</sub>-Entnahmen: Notwendigkeit und Regulierungsoptionen. Studie im Auftrag der Wissenschaftsplattform Klimaschutz. Berlin</ref> Aufforstung und Wiederaufforstung sind gegenwärtig die mit großem Abstand wirksamsten Methoden der CO<sub>2</sub>-Entnahme aus der Atmosphäre (Tab. 1). Auch wenn ihre relative Bedeutung in Zukunft aufgrund der begrenzten Flächenressourcen abnehmen wird, werden sie auch in den kommenden Jahrzehnten ihre herausragende Stellung beibehalten (Tab. 2).  
 
Um in diesem Jahrhundert die globale Mitteltemperatur unter 2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen (die aktuelle Erwärmung liegt bereits bei 1,2 °C) müssten bis zum Jahr 2100 zusätzlich zu einer deutlichen Minderung der Emissionen in der Summe etwa 700 GtCO<sub>2</sub> aus der Atmosphäre entnommen werden. Da Aufforstung und Wiederaufforstung sehr viel Land brauchen und somit mit der Nahrungsmittelproduktion konkurrieren, wird deren Bedeutung als CO<sub>2</sub>-Speicher in der 2. Hälfte des 21. Jahrhunderts abnehmen und zusammen mit anderen landbasierte traditionellen CDR-Methoden auf kumulativ 360 GtCO<sub>2</sub> geschätzt, während 400 GtCO<sub>2</sub> durch neuere Methoden wie BECCS und DACCS angenommen werden.<ref name="Smith 2023" /> 2030 müssten durch CDR im Vergleich zu 2020 zusätzlich 1 GtCO<sub>2</sub>/Jahr aus der Atmosphäre mehr entnommen werden, um das 2- oder 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Die Zusagen der Staaten in ihren Mitteilungen an die UNFCCC (Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen) liegen jedoch bei nur etwa 0,5 GtCO<sub>2</sub>/Jahr zusätzlicher CO<sub>2</sub>-Entnahme. 2050 müssten es 4,8 GtCO<sub>2</sub>/Jahr sein, während die Staaten nur etwa 2 GtCO<sub>2</sub>/Jahr zugesagt haben. Die CDR-Klimapolitik der Staaten steckt noch in den Kinderschuhen.<ref name="Smith 2023" />
 
Für die Einschätzung des zukünftigen Potentials von landbasierten Verfahren, CO<sub>2</sub> aus der Atmosphäre zu entnehmen und langfristig zu speichern, werden außer Szenarien-Berechnungen, die sich an der globalen Mitteltemperatur orientieren, auch die technischen Möglichkeiten und die ökonomischen Kosten berücksichtigt. Tabelle 2 zeigt sowohl das technische Potential bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts als auch das ökonomische Potential, die grob im Verhältnis 2:1 stehen.<ref name="IPCC 2022b">IPCC AR6, WGIII (2022): Climate Change 2022. Mitigation of Climate Change, Table 7.3 und 7.4.2.2</ref> Aktiv geschützte und gezielt angelegte Wälder und andere Ökosysteme wären demnach in der Lage, um 2050 technisch machbare 13 GtCO<sub>2</sub> pro Jahr aus der Atmosphäre aufzunehmen. Mit Rücksicht auf die Kosten der Maßnahmen, die auf 100 US$ begrenzt werden, reduziert sich die Speicherleistung auf etwas mehr als die Hälfte. Dabei wird dem Schutz von bestehenden Wäldern (u.a. Ökosystemen) eine höhere CO<sub>2</sub>-Entnahme zugeschrieben als der Anlage neuer Wälder.


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
Zeile 36: Zeile 46:
== Lizenzhinweis ==
== Lizenzhinweis ==
{{CC-Lizenz}}
{{CC-Lizenz}}
{{Kontakt_CE}}
{{Kontakt}}


<metakeywords>DBS-Wiki-KW, Atmosphäre, Ozean</metakeywords>
<metakeywords>DBS-Wiki-KW, Atmosphäre, Ozean</metakeywords>
Zeile 42: Zeile 52:
[[Kategorie:Climate Engineering]]
[[Kategorie:Climate Engineering]]
[[Kategorie:Vegetation]]
[[Kategorie:Vegetation]]
[[Kategorie:Biosphäre]]
[[Kategorie:Kohlendioxid]]
{{#set:
|Teil von=Wälder im Klimawandel
}}
{{#set:
{{#set:
Teil von=Climate Engineering
Teil von=Climate Engineering
|Teil von=Biosphäre im Klimasystem
|Teil von=Wälder im Klimawandel
|Teil von=Landnutzung
|Teil von=Terrestrischer Kohlenstoffkreislauf
|Ähnlich wie=Direkte CO2-Nutzung
|Bildergalerie=Climate Engineering (Bilder)
|Unterrichtsmaterial=[http://www.lehrer-online.de/klimaretter-wald.php Der Wald als Klimaretter!?] Unterrichtseinheit zum Themenfeld Klimawandel und Wald bei Lehrer Online
}}
}}

Aktuelle Version vom 9. April 2024, 15:46 Uhr

Abb. 1: Totholz im Laubwald

Terrestrischer Kohlendioxidentzug

Aufforstung und Wiederaufforstung sind in der Lage, erhebliche Mengen an Kohlendioxid, das der Mensch zuvor emittiert hat, der Atmosphäre durch Photosynthese wieder zu entziehen. Die forstwirtschaftlichen Maßnahmen gehören zu den Methoden der Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre mit langfristiger Speicherung (engl. Carbon Dioxide Removal (CDR)), zu denen etwa auch die Speicherung von CO2 in Holzprodukten, der Anbau von Energiepflanzen mit anschließender Speicherung von CO2 in geologischen Schichten (Bioenergy with carbon dioxid capture and storage, BECCS), die Ausbringung von Biokohle auf Ackerflächen oder die direkte CO2-Entnahme aus der Atmosphäre mit anschließender geologischer Speicherung (Direct air capture with carbon storage, DACCS) zählen. Neben diesen terrestrischen Formen der Speicherung von CO2 aus der Atmosphäre gibt es auch verschiedene marine CDR-Verfahren, bei denen Kohlendioxid im Meer gespeichert wird.

Der Weltklimarat IPCC definiert CDR folgendermaßen: CDR bezieht sich auf anthropogene Aktivitäten, die CO2 aus der Atmosphäre entfernen und es dauerhaft in geologischen, terrestrischen oder ozeanischen Reservoirs oder in Produkten speichern. Es umfasst die bestehende und potenzielle anthropogene Verstärkung biologischer, geochemischer oder chemischer CO2-Senken, schließt jedoch die natürliche CO2-Aufnahme aus, die nicht direkt durch menschliche Aktivitäten verursacht wird.[1] Unter der natürlichen CO2-Aufnahme wird dabei eine Speicherung von Kohlendioxid verstanden, die nicht durch direkte menschliche Maßnahmen, sondern vor allem durch den höheren CO2-Gehalt der Atmosphäre ('CO2-Düngung') oder günstigere klimatische Bedingungen in höheren Breiten infolge des Klimawandels (höhere Temperaturen und längere Wachstumszeiten) bedingt ist. Unter Aufforstung versteht man die Ansiedlung von Wäldern oder Plantagen dort, wo für mindestens 50 Jahre kein natürlicher Waldbewuchs stattgefunden hat (Afforestation), als Wiederaufforstung wird die Anlage neuer Wälder auf Flächen verstanden, die in den letzten 50 Jahren entwaldet wurden (Reforestation).

Tab. 1: Aktuelle und zukünftige CO2-Entnahme durch CDR-Methoden. Werte nach: 1) Powis et al. (2023)[2]; 2) IPCC AR6, WGIII (2022): Table TS.7; 3) IPCC AR6, WGIII (2022): 7.4.5.3

Die gegenwärtige CO2-Aufnahme durch CDR-Methoden wird auf rund 2 Gt CO2/Jahr geschätzt,[3] bei fast 40 GtCO2-Emissionen vor allem durch die Nutzung fossiler Energieträger. Fast die gesamte CO2-Aufnahme durch CDR erfolgt gegenwärtig durch Aufforstung und Wiederaufforstung. Daneben spielt noch die Verwertung in Holzprodukten wie Möbel oder Bauholz eine gewisse Rolle. Technisch-basierte Methoden wie BECCS und DACCS tragen aktuell nur äußerst gering zur CO2-Aufnahme aus der Atmosphäre bei (Tab. 1). Letzteres soll sich schon in den nächsten Jahren ändern. Nach Powis et al. (2023)[2] befinden sich zahlreiche technik-basierte CDR-Projekte, in erster Linie BECCS-Maßnahmen, gegenwärtig im Entwicklungsstadium. Falls diese Projekte im Laufe dieses Jahrzehnts ihren Betrieb aufnehmen und keine neuen Projekte hinzukommen, können folgende Annahmen über die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre gemacht werden: BECCS könnte schon im Jahr 2024 auf ca. 11 Mio. t CO2/Jahr ansteigen. Der Grund wäre fast ausschließlich die Fertigstellung des Summit Carbon Solutions BECCS-Projekts (USA), wozu die Inbetriebnahme von 30 gekoppelten Ethanolproduktions-Anlagen und die damit verbundene geologische Speicherung gehören. Bis 2030 könnten weitere Projekte und deren Ausbau die gesamte CO2-Entnahme durch technik-basierte CDR-Maßnahmen wie BECCS und zunehmend auch DACCS auf über 22 Mio. t CO2/Jahr erhöhen (Tab. 1). Für 2050 liegen die oberen und unteren Schätzungen des IPCC größtenteils weit auseinander. Die Gründe sind primär unterschiedliche Kriterien bei der Berechnung wie technische Realisierbarkeit, Kosten und gesellschaftliche Akzeptanz.

Nebenwirkungen durch Aufforstung und Wiederaufforstung

Abb. 2: Ökosystemleistungen des Waldes am Beispiel von Deutschland

Bäume entziehen der Atmosphäre CO2 durch Photosynthese und speichern es in Stämmen und Wurzeln relativ langfristig. Das Pflanzen von Bäumen kann daher einen wertvollen Beitrag leisten, den Klimawandel abzuschwächen. Außerdem reduzieren Bäume auch zahlreiche Folgen des Klimawandels und bieten eine Reihe anderer Ökosystemdienstleistungen (Abb. 2). Sie spenden Schatten und Kühle gegen Hitzewellen, nehmen bei Starkniederschlägen Wasser auf und verhindern so Erosion und Hochwasser. Wiederaufforstung in stark degradierten Gebieten, besonders wenn sie mit einheimischen Arten erfolgt, erhöht zudem die biologischen Vielfalt, verbessert die Wasserfilterung und die Neubildung von Grundwasser. Auch in Städten mildern Bäume die Folgen von extremen Wetterereignissen ab, die zunehmend als Folge des Klimawandels auftreten, und sind ein guter Schutz gegen hohe Temperaturen und starke Überschwemmungen.[4]

Andererseits kann die (Wieder-)Aufforstung in bestimmten Regionen auch zu erheblichen Problemen für Ökosysteme und menschliche Gemeinschaften führen. Das ist besonders der Fall, wenn es sich um nicht-heimische Arten, besonders Monokulturen, handelt, die in von Natur aus nicht mit Wald bestandenen Ökosystemen wie Grasländern, Buschland oder Savannen angesiedelt werden. Grasländer und Savannen sind in solchen Fällen besser in der Lage, in oberirdischen Pflanzen und in Böden Kohlendioxid zu binden als neu angepflanzte Bäume. Diese zerstören oft die natürlichen Ökosysteme und bedrohen die Biodiversität. Da solche offenen Landschaften sich zumeist in Gebieten mit geringem Niederschlag befinden und Bäume viel Wasser brauchen, verringern neue Bäume auch den Abfluss und reduzieren die Grundwassererneuerung. Außerdem können sie die häufigen Feuer in Savannen und Graslänern von Grass-Feuern zu Baum-Feuern verstärken und damit mehr CO2-Emissionen bewirken.[4][5]

Neben ökologischen kann eine großflächige Aufforstung auch zu erheblichen sozialen Problemen führen. Sie erfordert Land, das auch von anderen Nutzungen wie der Landwirtschaft gebraucht wird. Doelmann et al. (2020)[6] gehen bei einer kumulativen CO2-Speicherung von 410 GtCO2 durch Aufforstung bis 2100 von einem Flächenbedarf von 1100 Mio. ha aus. Das größte Potential der CO2-Speicherung durch Aufforstung liegt dabei in den Tropen und könnte hier auch am stärksten die Ernährungssicherheit gefährden. Das Ausmaß ist bislang unklar. Kreidenweis et al. (2016)[7] halten z.B. bei einer großflächigen Aufforstung eine Vervierfachung der globalen Nahrungsmittelpreise für möglich. Die Aufforstung selbst ist im Vergleich zu anderen Maßnahmen zum Schutz des Klimas wie die Elektrifizierung der Industrie, die Dekarbonisierung des Transports und die großskalige Anwendung erneuerbarer Energien verhältnismäßig billig.

Lateinamerika und Sub-Sahara-Afrika wären die Regionen mit dem größten Potential zur CO2-Speicherung durch Aufforstung, da sich hier die größten geeigneten Ländereien befinden und die Wälder durch die vorherrschenden klimatischen Bedingungen im Vergleich zur gemäßigten und borealen Klimazone höhere Wachstums- und Speicherungsraten aufweisen. Die Folge wären jedoch höhere Nahrungsmittelpreise und ein erhöhtes Hunger-Risiko. Die durch Hunger gefährdete Bevölkerung könnte sich global durch Aufforstung um 441 Mio. Menschen bis 2100 erhöhen, statt wie ohne Aufforstung angenommen sich von ca. 800 Mio. in 2010 auf ca. 200 Mio. zu verringern. Die Mehrheit wäre in Sub-Sahara-Afrika und Südasien betroffen. Das erhöht in diesen Regionen allerdings auch das Risiko für eine langfristigen Bewaldung, zumal die verbreiteten schwachen staatlichen Strukturen eine spätere Umkehr der Landnutzung zurück zur Landwirtschaft kaum verhindern werden könnten.[6] Gerade in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen können neu angelegte Wälder entgegen der vorherrschenden Meinung aber auch zur Ernährungssicherheit der Bevölkerung beitragen. So kommen Olesen et al. (2022)[8] nach einer Sichtung von 65 Studien zu dem Ergebnis, das Wälder auch eine positive Wirkung auf die in ihnen oder in ihrer Umgebung lebende Bevölkerung haben. Zum einen stellen sie direkt Nahrung aus dem Wald zur Verfügung wie Früchte und wilde Tiere. Zweitens wirken sich Wälder positiv durch Wasserspeicherung und Bodenverbesserung auf die umliegenden Ökosysteme und Anbaulächen aus und verringern die Bodenerosion. Und drittens bieten sie der ansässigen Bevölkerung Verdienstmöglichkeiten durch den Verkauf von Holz und anderen Waldprodukten.

Gefährdung von (Wieder-)Aufforstungen

Die Speicherung von CO2 ist gegenwärtig auch in schon bestehenden Wäldern durch direkte menschliche Einwirkungen gefährdet. Abholzung im großen Stil, z.B. für die weltweite Bau- und Möbelindustrie, vernichten vor allem Naturwälder in den Tropen, etwa in Indonesien, und verursachen CO2-Emissionen. Dabei kann allerdings das im verwerteten Holz gespeicherte CO2 durch eine langfristige Nutzung unter Umständen länger gespeichert bleiben als in lebenden Bäumen. Beim Abbrennen von großen Waldflächen für Rinderweiden oder den Anbau von Monokulturen, wie es aus dem Amazonasgebiet bekannt ist, werden erhebliche Mengen von Kohlendioxid direkt emittiert. Diese auf vorhandene Wälder bezogenen Risiken bestehen ebenso für Wälder, die mit der Absicht angelegt wurden, CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen. In einer veränderten sozialen Lage kann die Nutzung von Waldflächen von der Politik oder der lokalen Bevölkerung neu bewertet und z.B. die Produktion von Nahrungsmitteln als wichtiger erachtet werden als der Klimaschutz (s.o.). Ohnehin sind die in den letzten Jahrzehnten neu angelegten Waldflächen nur zu einem geringen Teil mit der Absicht geschaffen worden, CO2 aus der Atmosphäre zu binden. Andere Gründe wie etwa die Holznutzung oder die Aufgabe von landwirtschaftlichen Flächen durch Modernisierung und Ertragssteigerung der Produktion waren in der Regel viel bedeutender. So ist etwa die deutliche Zunahme der europäischen Waldbedeckung seit dem 2. Weltkrieg um ca. 25% teils durch den Holzmangel in der Nachkriegszeit, teils durch die Aufgabe von landwirtschaftlichen Betrieben nach dem Ende des Sozialismus bedingt.[9]

Auf alle Komponenten der Aufforstung wirken letztendlich auch noch die Folgen der Klimaerwärmung. Diese können in verschiedenen Regionen positive oder negative Auswirkungen auf neu bewachsene Waldflächen haben. So wird angenommen, dass die Erwärmung zu einer höheren Produktivität der Pflanzenwelt in den hohen Breiten sowie zu einer Verschiebung der Baumgrenze nach Norden führen wird. In den niederen Breiten und Tropen hingegen können Trockenheit und Hitzeperioden die Produktivität erheblich einschränken. Das gilt ebenso für Waldbrände und und Insekten-Plagen. Dagegen ist Wasser ein wichtiger Faktor für das Wachstum von Bäumen, und zwar nicht nur der Niederschlag, sondern auch die Bodenfeuchtigkeit, das Grundwasser und der atmosphärische Wasserdampf. Einen erheblichen Einfluss besitzt zudem die CO2-Konzentration, deren Erhöhung das Pflanzenwachstum stark antreiben kann (so. CO2-Dünge-Effekt). Hauptsächlich durch die Zunahme des CO2-Gehalts der Atmosphäre hat die Brutto-Primärproduktion auf den Landgebieten der Erde zwischen 1951 und 2010 um 2% zugenommen. Ein Zeichen dafür ist, dass sich seit den 1980er Jahren die Fläche der globalen Wälder um 7% ausgedehnt hat, vor allem durch neue Wälder und das Wachstum bestehender Wälder in gemäßigten und borealen Regionen in Asien und Europa. In den 2000er und 2010er kam es dadurch zu einer Netto-Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre von 7,7 GtCO2/Jahr.[10]

Rückwirkungen von Aufforstung auf das Klima

Abb. 3: Klimawirkungen von Aufforstung und Wiederaufforstung: Durch die Aufnahme von CO2 wird das globale Klima abgekühlt, ebenso durch eine erhöhte Verdunstung, die sich in den kalten hohen Breiten allerdings nur wenig auswirkt. Die dunkle Fläche von Wäldern verringert die Reflexion von Sonnenstrahlen und bewirkt damit eine Erwärmung, besonders in den hohen Breiten. +/-: Erwärmung/Abkühlung

Im Rahmen von Climate Engineering sind Aufforstungen und Wiederaufforstungen primär dafür gedacht, CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen und möglichst langfristig zu speichern (Tab. 1). Bäume und Wälder besitzen jedoch eine vielfältige Wirkungen auf das Klima, die nicht nur eine Abkühlung zur Folge haben, sondern in manchen Fällen auch eine Erwärmung. Wälder nehmen nicht nur Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf, sondern geben das Treibhausgas durch Verrottung und Veratmung teilweise auch wieder an die Atmsophäre ab. In geringem Maße sind Wälder auch eine Quelle von Methan (CH4) und Distickstoffoxid (N2O).[11]

Neben diesen biogeochemischen Prozessen wirken Wälder aber vor allem auch durch biogeophysikalische Prozesse auf das Klima (Abb. 3). Mit der Anlage von Wäldern ändert sich etwa die Albedo (bzw. das Rückstrahlungsvermögen) der Erdoberfläche. Wälder besitzen eine dunkle Oberfläche und absorbieren daher in der Regel mehr Sonneneinstrahlung als landwirtschaftliche Flächen oder Savannen und Grasländer, wodurch sich die Umgebungsluft erwärmt. Der Unterschied der Albedo ist besonders groß auf verschneiten Flächen in hohen Breiten und übertrifft hier oft die Abkühlung durch die CO2-Aufnahme. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die höhere Verdunstung durch Wälder, die durchgehend abkühlend wirkt. Dieser Effekt spielt in den hohen Breiten wegen der geringen Verdunstungsleistung nur eine geringe Rolle, verstärkt in den Tropen aber den Abkühlungseffekt durch die CO2-Aufnahme. Hinzu kommt die höhere Bodenrauigkeit durch Wälder gegenüber einer kurzwüchsigen Pflanzenbedeckung. Dieser Effekt bewirkt, dass mehr warme Luft durch Turbulenzen nach oben gemischt wird, wodurch sich die unteren Luftschichten abkühlen.

Szenarien und Potentiale

Tab. 2: Technisches und ökonomisches Potential landbasierter CO2-Speicherung für 2050. 1) Technisches Potential: die Möglichkeiten bei Anwendung der gegenwärtig zur Verfügung stehenden Technologien, 2) Ökonomisches Potential: das ökonomisch Machbare bei Kosten von 100 $ für die Abscheidung einer t CO2. 3) IPCC AR6, WGIII (2022): Climate Change 2022. Mitigation of Climate Change, 7.4.2.2 - Bei BECCS wird nur das am Ende geologisch gespeicherte Kohlendioxid berücksichtigt, da alles nicht gespeicherte CO2 beim Verbrennungsprozess wieder in die Atmosphäre gelangt.

Im Pariser Abkommen von 2015 zur Vermeidung eines gefährlichen Klimawandels durch den Menschen wurde beschlossen, die globale Erwärmung bis zum Ende des 21. Jahrhunderts deutlich unter 2 °C und möglichst sogar auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Um die Klimaziele von Paris zu erreichen, ist eine deutliche Reduzierung der anthropogenen Treibhausgasemissionen, vor allem der Emissionen von Kohlendioxid, unabdingbar. Auch wenn um die Mitte des Jahrhunderts Treibhausgas-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger durch erneuerbare Energien gänzlich ersetzt sein sollten, so verbleiben doch schwer zu vermeidende Restemissionen: 1. von Nicht-CO2-Gasen wie Methan und Distickstoffoxid aus der Landwirtschaft und 2. von CO2, das bei industriellen Prozessen wie in der Zement- und Stahlindustrie anfällt. Diese Emissionen lassen sich bei einem Festhalten an den Pariser Klimazielen nach heutigem Kenntnisstand kaum anders ausgleichen als durch Verfahren, die CO2 aus der Atmosphäre entnehmen und möglichst langfristig speichern.[12] Aufforstung und Wiederaufforstung sind gegenwärtig die mit großem Abstand wirksamsten Methoden der CO2-Entnahme aus der Atmosphäre (Tab. 1). Auch wenn ihre relative Bedeutung in Zukunft aufgrund der begrenzten Flächenressourcen abnehmen wird, werden sie auch in den kommenden Jahrzehnten ihre herausragende Stellung beibehalten (Tab. 2).

Um in diesem Jahrhundert die globale Mitteltemperatur unter 2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen (die aktuelle Erwärmung liegt bereits bei 1,2 °C) müssten bis zum Jahr 2100 zusätzlich zu einer deutlichen Minderung der Emissionen in der Summe etwa 700 GtCO2 aus der Atmosphäre entnommen werden. Da Aufforstung und Wiederaufforstung sehr viel Land brauchen und somit mit der Nahrungsmittelproduktion konkurrieren, wird deren Bedeutung als CO2-Speicher in der 2. Hälfte des 21. Jahrhunderts abnehmen und zusammen mit anderen landbasierte traditionellen CDR-Methoden auf kumulativ 360 GtCO2 geschätzt, während 400 GtCO2 durch neuere Methoden wie BECCS und DACCS angenommen werden.[3] 2030 müssten durch CDR im Vergleich zu 2020 zusätzlich 1 GtCO2/Jahr aus der Atmosphäre mehr entnommen werden, um das 2- oder 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Die Zusagen der Staaten in ihren Mitteilungen an die UNFCCC (Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen) liegen jedoch bei nur etwa 0,5 GtCO2/Jahr zusätzlicher CO2-Entnahme. 2050 müssten es 4,8 GtCO2/Jahr sein, während die Staaten nur etwa 2 GtCO2/Jahr zugesagt haben. Die CDR-Klimapolitik der Staaten steckt noch in den Kinderschuhen.[3]

Für die Einschätzung des zukünftigen Potentials von landbasierten Verfahren, CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen und langfristig zu speichern, werden außer Szenarien-Berechnungen, die sich an der globalen Mitteltemperatur orientieren, auch die technischen Möglichkeiten und die ökonomischen Kosten berücksichtigt. Tabelle 2 zeigt sowohl das technische Potential bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts als auch das ökonomische Potential, die grob im Verhältnis 2:1 stehen.[13] Aktiv geschützte und gezielt angelegte Wälder und andere Ökosysteme wären demnach in der Lage, um 2050 technisch machbare 13 GtCO2 pro Jahr aus der Atmosphäre aufzunehmen. Mit Rücksicht auf die Kosten der Maßnahmen, die auf 100 US$ begrenzt werden, reduziert sich die Speicherleistung auf etwas mehr als die Hälfte. Dabei wird dem Schutz von bestehenden Wäldern (u.a. Ökosystemen) eine höhere CO2-Entnahme zugeschrieben als der Anlage neuer Wälder.

Einzelnachweise

  1. IPCC AR6, WG III (2022a): Technical Summary Climate Change 2022, Box TS.10: Mitigation of Climate Change, übersetzt
  2. 2,0 2,1 Powis R.C.M., M.S. Smith, J.C. Minx J., T. Gasser (2023): Quantifying global carbon dioxide removal deployment. Environ. Res. Lett. 18 (2023) 024022, https://doi.org/10.1088/1748-9326/acb450
  3. 3,0 3,1 3,2 Smith, S.M., O. Geden, G. Nemet et al. (2023): The State of Carbon Dioxide Removal - 1st Edition
  4. 4,0 4,1 IPCC AR6, WGII (2022): Climate Change 2022. Impacts, Adaptation and Vulnerability, FAQ 2.6: Can tree planting tackle climate change?
  5. , J.W., G.E. Overbeck, D. Negreiros et al. (2015): Where Tree Planting and Forest Expansion are Bad for Biodiversity and Ecosystem Services, BioScience, Volume 65, Issue 10, 01 October 2015, Pages 1011–1018
  6. 6,0 6,1 Doelman, J.C., E. Stehfest, D.P. van Vuuren et al. (2020): Afforestation for climate change mitigation: Potentials, risks and trade‐offs. Glob. Change Biol., 26(3), 1576–1591, doi:10.1111/gcb.14887
  7. Kreidenweis, U., F. Humpenöder, M. Stevanović et al. (2016): Afforestation to mitigate climate change: Impacts on food prices under consideration of albedo effects. Environmental Research Letters, 11, 085001
  8. Olesen, R. S., C. M. Hall & L. V. Rasmussen (2022): Forests support people’s food and nutrition security through multiple pathways in low- and middle-income countries. One Earth 5, 12, 1342-1353, https://doi.org/10.1016/j.oneear.2022.11.005
  9. Palmero-Iniesta, M., J. Pino, L. Pesquer et al. (2021): Recent forest area increase in Europe: expanding and regenerating forests differ in their regional patterns, drivers and productivity trends. Eur J Forest Res
  10. IPCC AR6, WGII (2022):Impacts, Adaptation and Vulnerability, Ch. 2, 2.4.4.5
  11. Popkin, G. (2019): The forest question, Nature 565, 280-282
  12. Fuss, S., F. Gruner, J. Hilaire u.a. (2021): CO2-Entnahmen: Notwendigkeit und Regulierungsoptionen. Studie im Auftrag der Wissenschaftsplattform Klimaschutz. Berlin
  13. IPCC AR6, WGIII (2022): Climate Change 2022. Mitigation of Climate Change, Table 7.3 und 7.4.2.2


Lizenzhinweis

Dieser Artikel ist ein Originalartikel des Klima-Wiki und steht unter der Creative Commons Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland. Informationen zum Lizenzstatus eingebundener Mediendateien (etwa Bilder oder Videos) können in den meisten Fällen durch Anklicken dieser Mediendateien abgerufen werden und sind andernfalls über Dieter Kasang zu erfragen.
Kontakt: Dieter Kasang