Klimamodelle

Aus Klimawandel
Abb. 1: Schema eines gekoppelten Ozean-Atmosphäremodells mit weiteren angegliederten Modellen

Was sind Klimamodelle?

Der durch den Menschen verursachte Klimawandel hat ein starkes gesellschaftliches und politisches Interesse an einer quantitativen Abschätzung der zukünftigen Klimaänderung hervorgerufen. Das wichtigste Instrument, das dafür heute zur Verfügung steht, sind hoch entwickelte Klimamodelle. Nur sie erlauben es, das Klimasystem einigermaßen adäquat abzubilden und seine Veränderungen durch äußere Antriebe, wie z.B. die Emission von Treibhausgasen, quantitativ zu berechnen. Die Ergebnisse von Klimamodellrechnungen sind daher zur wichtigsten Grundlage für gesellschaftliche und politische Entscheidungen über die Vermeidung eines gefährlichen künftigen Klimawandels geworden.[1]

Wie alle Modelle sind auch Klimamodelle vereinfachte Abbildungen der Wirklichkeit. Sie sind daher weit davon entfernt, das Klimasystem und seine Veränderungen vollständig zu repräsentieren. Dennoch sind sie in der Lage, wichtige Erkenntnisse über die Folgen von natürlichen und menschlichen Ursachen für das Klimasystem zu liefern und dessen grundlegende Prozesse zu verstehen. Klimamodelle beruhen im Kern auf mathematischen Gleichungen, die grundlegende physikalische Gesetze ausdrücken, so die Gesetze der Massen-, Impuls- und Energieerhaltung. Klimamodelle können unterschiedlichen Zwecken dienen, zum Beispiel dem Verständnis bestimmter Gesetzmäßigkeiten des Klimasystems, der Simulation (Wiedergabe) des vergangenen Klimas oder der Projektion künftiger Klimazustände. Je nach Anwendung werden Modelle unterschiedlicher Komplexität eingesetzt.

Die Motivation für die Verwendung von Klimamodellen ist einfach zu verstehen: In keinem Labor kann die Kompliziertheit des Klimasystems annähernd hergestellt werden, etwa um zu klären, wie sich das Verhalten der Menschen in Zukunft auf die Erde auswirken würde. Häufig wird der menschliche Eingriff in das Klimasystem als ein „Experiment“ bezeichnet.[2] Es handelt sich jedoch gerade nicht um ein Experiment, das mit einem Laborversuch vergleichbar wäre, da keine kontrollierten Bedingungen herrschen, das „Experiment“ nicht wiederholbar und das „Labor“ die Erde selber ist. Nur Klimamodelle ermöglichen es, Erkenntnisse über den Ausgang des „Experiments“ mit der Erde zu gewinnen – bevor es zu spät ist.

Welche Klimamodelle gibt es?

Abb. 2: Beispiel eines Boxenmodells. Der Ozean wird hier in zwei Gebiete (Boxen) mit je einer Temperatur (T1, T2) und einem Salzgehalt (S1, S2) aufgeteilt, die für hohe und niedere Breitengrade stehen. Die Pfeile oberhalb der Boxen kennzeichnen hier die Wärme- und Süßwasserflüsse zwischen Ozean und Atmosphäre, die Pfeile im Inneren die Richtung der Zirkulation mit der Oberflächenströmung oben und der Tiefenströmung unten.

Je nach Fragestellung werden heute Modelle unterschiedlicher Komplexität gebraucht, von den einfachen Modellen über die Modelle mittlerer Komplexität bis hin zu den äußerst komplexen Ozean-Atmosphäre-Modellen. Was ist damit jeweils gemeint?

Einfache Modelle

Einfache Klimamodelle stellen lediglich eine bestimmte Eigenschaft des Klimas in mathematisch möglichst simpler Weise dar. Sie sind nicht in der Lage, den Gesamtzustand des Klimas quantitativ abzubilden. Vielmehr werden mit einfachen Modellen nur bestimmte Eigenschaften des Klimasystems oder auch zugrunde liegende Konzepte simuliert. So kann man mit einem einfachen Klimamodell ausrechnen, wie hoch die Temperatur an der Erdoberfläche im Mittel (also über die ganze Erde und alle Zeiten gemittelt) ist oder um wie viel sie sich bei einer Verdoppelung des CO2-Gehalts erhöhen würde.[3] Ein solches Modell wird als Energiebilanzmodell bezeichnet.

Ein anderer, für Strömungsfragen im Ozean verwendeter, Typ ist das so genannte Boxenmodell (Abb.2). Es handelt sich dabei um ein Gittermodell mit nur sehr wenigen (meist 2 oder 3) Gitterzellen und nur wenigen Prozessen, z.B. einer Box für die höheren Breiten und einer für die niedrigen Breiten. Je nach Salzgehalt und Temperatur, die durch den Austausch mit der Oberfläche beeinflusst werden, strömt das Wasser an der Oberfläche in hohe Breiten und unten zurück oder umgekehrt. Damit ist auf einfache Weise die meridionale Umwälzzirkulation im Nordatlantik dargestellt.

Komplexe Klimamodelle

Komplexität und Kopplung

Bei den Modellen, die heute dazu benutzt werden, das Klima des 21. Jahrhunderts zu projizieren oder auch das des 20. Jahrhunderts oder der letzten 1000 Jahre nachzurechnen, handelt es sich um sehr komplexe Klimamodelle, die zu den kompliziertesten und rechenaufwändigsten Computermodellen gehören, welche bisher entwickelt wurden. Sie stellen die einzelnen Subsysteme des Klimasystems (die Atmosphäre, den Ozean, Eis und Schnee, die Vegetation, Boden und Gestein) oder sogar einzelner Komponenten der Subsysteme in getrennten Modellen dar, die bei Bedarf miteinander gekoppelt werden (Abb. 1). Dabei werden die dynamischen Prozesse in den Subsystemen und zwischen ihnen so genau wie möglich abgebildet, und zwar auch geographisch. Atmosphäre und Ozean gelten als die wichtigsten Subsysteme des Klimasystems, in denen und zwischen denen hochdynamische Zirkulationsprozesse ablaufen. Klimamodelle, die diese Prozesse für die ganze Erde abbilden, werden als Globale oder Allgemeine Zirkulationsmodelle, abgekürzt GCMs nach engl. General Circulation Models bezeichnet, ein globales Atmosphärenmodel in der englischsprachigen Abkürzung als AGCM (Atmosphere General Circulation Model), ein globales Ozeanmodell als OGCM, ein gekoppeltes Atmosphären-Ozean-Model als AOGCM.

Ein Atmosphärenmodell versucht etwa die zahlreichen Komponenten der Atmosphäre wie Temperatur, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit, Windsysteme, Wolken usw. und deren Dynamik und Wechselwirkungen rund um den Globus abzubilden. Ein Ozeanmodell erfasst z.B. die Wassertemperatur des Oberflächenwassers und die der tieferen Wasserschichten, den Salzgehalt und die Meeresströmungen. Die Kopplung bzw. Integration dieser Modelle steht vor der Aufgabe, die Wechselwirkungen zwischen Ozean und Atmosphäre möglichst realitätsnah zu berechnen. Bei dem Austausch zwischen Ozean und Atmosphäre sind Wasserflüsse (Verdunstung und Niederschlag), Impulsflüsse (Windschub) und Energieflüsse (Strahlung sowie fühlbare und latente Wärmeflüsse) zu unterscheiden und in den Modellen zu berücksichtigen. Zunehmend werden heute weitere Subsysteme und Komponenten modelliert, z.B. die Biosphäre, die Spurenstoffkreisläufe oder die Chemie der Atmosphäre.

Die Kopplung dieser Systeme stellt eine besondere Herausforderung dar. So war die Kopplung zwischen dem trägen Ozean und der sich schnell ändernden Atmosphäre für die Modellierer lange Zeit ein ungelöstes Problem, das man über fast 30 Jahre lang mit einer unphysikalischen Korrektur der Austauschflüsse zwischen beiden Systemen, einer sog. Flusskorrektur, notdürftig überbrückte. Dank höherer Computerleistungen sind heute jedoch nahezu alle GCMs in der Lage, auf die Flusskorrektur zu verzichten.[4][1]

Abb. 3: Europa und der Nordatlantik bei unterschiedlicher Modellauflösung. Verglichen werden hier die vier Berichte des IPCC, die im Abstand von einigen Jahren erschienen sind. Die Kürzel stehen dabei für First, Second und Third Assessment Report, sowie Assessment Report 4.

Auflösung und Parametrisierung

Eine höhere Computerleistung bedeutet vor allem, dass die Modelle mit einer immer höheren Auflösung gerechnet werden können (Abb. 3). In Klimamodellen kann nicht jedes Luft- und jedes Wasserteilchen an jedem Punkt der Erde dargestellt werden. Daher wird die Erde mit einem dreidimensionalen Gitter überzogen, d.h. Atmosphäre und Ozean werden in Gitterzellen zerlegt, und nur für die Dynamik an den Gitterpunkten Gleichungen erstellt. Wie gut auf diese Weise das wirkliche Klima simuliert wird, hängt von der Maschenweite des Gitternetzes ab, die wiederum eine Folge der verfügbaren Computerleistung ist. Für den letzten Bericht des Weltklimarates IPCC von 2007 wurden die meisten globalen Modelle mit einer Auflösung von ungefähr 200x200 km gerechnet, für den nächsten Bericht, der 2014 erscheinen soll, wird eine Auflösung von weniger als 100x100 km angestrebt.

Die begrenzte Auflösung verursacht bei der Modellierung besondere Schwierigkeiten. Viele kleinräumige Prozesse wie etwa die Bildung und Auflösung von Wolkentröpfchen können nicht dargestellt werden.[5] Solche Prozesse müssen daher parametrisiert werden; d.h. ihre Effekte auf die berechneten Prozesse müssen geschätzt werden. Gerade bei Wolken ist das eine ziemlich kritische Angelegenheit. Wolken bedecken 60 % der Erdoberfläche. Sie beeinflussen die Sonnenstrahlung, erzeugen Niederschläge und verändern die kleinräumige Zirkulation. Wolken sind für zwei Drittel der planetaren Albedo von 30 %, d.h. der Reflexion der Solarstrahlung durch die Erdoberfläche, verantwortlich. Würde diese Albedo auch nur auf 29 % gesenkt, würde sich dadurch die Temperatur um 1 °C erhöhen. Dennoch sind das Ausmaß und sogar das Vorzeichen der Wirkung von Wolken bei einer Klimaänderung immer noch höchst unsicher. Die unterschiedliche Behandlung von Wolken erklärt daher einen Großteil der Differenzen verschiedener Modellsimulationen bei ein und demselben Szenario.[6]

Abb. 4: Chronologie der Klimamodellentwicklung

Die Entwicklung globaler Zirkulationsmodelle

Die Entwicklung der globalen Zirkulationsmodelle ist wesentlich an die Entwicklung der Computerkapazitäten gebunden. Erst die Forschritte in der Rechenleistung großer Computeranlagen haben es ermöglicht, dass sich die Komplexität der Modelle, die Länge der Simulation und die räumliche Auflösung steigern ließen. Die ersten Modellrechnungen wurden mit reinen Atmosphärenmodellen durchgeführt, die aus Wettermodellen abgeleitet wurden. Seit den 1960er Jahren wurden Atmosphären- und Ozeanmodelle miteinander gekoppelt, zunächst mit einem flachen Ozean ohne Ozeandynamik. In den folgenden Jahren wurden Modelle der Atmosphäre und des Ozeans getrennt weiterentwickelt. Bei der späteren Kopplung mit einem vollständigen Ozeanmodell gab es spezifische Schwierigkeiten. Die Modelle gaben den Energie-, Wasser- und Bewegungsfluss zwischen Ozean und Atmosphäre nicht korrekt wieder, was zu einem Abdriften des gekoppelten Modells in einen unrealistischen Zustand führte. Aus diesem Grund führte man die oben schon erwähnte Flusskorrektur ein, die dieses Problem auf künstliche Weise behob. Seit dem 3. Bericht des Weltklimarates IPCC von 2001 wurden dann zunehmend Modelle benutzt, die keine Flusskorrektur mehr benötigten.[7]

Abb. 5: Konzept eines Erdsystemmodells

Seit den 1990er Jahren wurden immer mehr Komponenten des Klimasystems miteinbezogen und die Modelle wurden immer komplexer (Abb. 4). So wurden Anfang der 1990er Jahre Modellrechnungen durchgeführt, die auch die Wirkung der in der Summe abkühlend wirkenden Aerosole berücksichtigten. Außerdem wurden Modelle für den ozeanischen und terrestrischen Kohlenstoffkreislauf entwickelt und in die gekoppelten Modelle für den letzten Bericht des Weltklimarates IPCC von 2007 eingebaut. Eine dynamische Vegetation und die Chemie der Atmosphäre sind die jüngsten Bausteine der Modellsimulation.[1] Besonders die Einbeziehung einer dynamischen Landvegetation, die mit der Atmosphäre in Wechselwirkung steht, ist ein bedeutender Schritt hin zu einem sog. Erdystemmodell (Abb. 5), auch als ESM bezeichnet.[8] Damit konnten die Wechselwirkungen wichtiger geophysischer und geochemischer Prozesse im Klimasystem modelliert und Atmosphäre, Biosphäre, Hydrosphäre , Lithosphäre (die Gesteinsschicht), Kryosphäre und die Anthroposphäre (die durch den Menschen bestimmten Aktivitäten und Veränderungen) mit ihren Treibhausgasemissionen verbunden werden. Angestrebt wird die Entwicklung zu einem Modell des "Systems Erde", das möglichst alle Komponenten des Klimasystems einschließlich ihrer Rückkopplungen und der externen Störungen simuliert. Ein solches Erdsystemmodell, das enorm viel Rechenkapazität erfordert, soll künftig auch die Rückwirkungen auf die menschliche Gesellschaft darstellen.

Modelle mittlerer Komplexität

Zwischen den einfachen und den komplexen Klimamodellen stehen die Modelle mittlerer Komplexität, nach der englischen Bezeichnung „Earth system Models of Intermediate Complexity“ auch EMICs genannt. EMICs beschreiben das Klimasystem in geringerer räumlicher und zeitlicher Auflösung als GCMs und enthalten häufiger Prozesse in parametrisierter Form. Man kann daher mit ihnen längere Zeitabschnitte simulieren und mehrere Modellläufe gleichzeitig ablaufen lassen. EMICs werden heute vielfach angewandt für Aufgaben, die mit GCMs bei heutiger Computerleistung nicht zu bearbeiten sind und haben dazu beigetragen das Funktionieren des Klimasystems besser zu verstehen.

Die Fragestellungen für EMICs entstehen häufig aus der Erforschung von Klimaänderungen über längere Perioden in der Vergangenheit, aber auch im Hinblick auf einen langfristigen Klimawandel in der Zukunft. So wurden die Klimaänderungen der letzten 10 000 Jahre zuerst mit EMICs untersucht, wobei man eine relativ plötzliche Änderung der Vegetation der Sahara vor 6000 Jahren festgestellt hat. Außerdem sind die durch die Veränderung der Erdbahnparameter angestoßenen Zyklen zwischen Warm- und Kaltzeiten ein wichtiger Untersuchungsgegenstand. Zukünftige Klimaänderungen werden mit EMICs bis über die nächsten 1000 Jahre und mehr untersucht – mit GCMs nur über maximal die nächsten 200 Jahre. So wurde mit Hilfe der Modelle mittlerer Komplexität auch der Frage nachgegangen, ob sich der Beginn der nächsten Eiszeit aufgrund der anthropogenen Erwärmung verzögern wird. Da die Computerleistung sich ständig verbessert, können Fragen, die heute mit EMICs untersucht werden, in Zukunft aber auch von GCMs gelöst werden.[9][10]

Regionale Klimamodelle

Globale Vorhersagen sagen wenig über die Klimaänderungen in einzelnen Staaten oder Regionen aus, da ihre Auflösung nicht ausreicht. Für eine Abschätzung von Klimafolgen, wie etwa der Veränderung der Vegetationsdecke oder der Zunahme von Überschwemmungen infolge höherer regionaler Starkniederschläge, sind realistische regionale und lokale Klimaprognosen unerlässlich. Vor allem an solchen Klimaprognosen sind schließlich die Entscheidungsträger in Politik, wirtschaft und Gesellschaft interessiert. Selbst die aktuellsten globalen gekoppelten Ozean-Atmosphären-Modelle besitzen aber für regionale und lokale Prognosen, die eine Auflösung von deutlich unter 100 km erfordern, immer noch eine zu große Maschenweite. Da allein eine Verdopplung der horizontalen Auflösung eine achtfache Steigerung des erforderlichen Rechenaufwandes bedeutet, sind hier aus Kostengründen und von der Computerleistung her Grenzen gesetzt.

Sollen nun Aussagen über mögliche regionale oder lokale Klimaänderungen und ihre Auswirkungen getroffen werden, so muss die Brücke zwischen der globalen Klimaänderungsberechnung und den Auswirkungen auf die Region geschlagen werden. Hierzu werden regionale Klimamodelle mit viel Detailinformation aus der Region und ihrer Umgebung in die globalen Modelle eingebettet. Wie mit einer Lupe kann dann das Klima der Region im Detail untersucht werden.

Wofür werden Klimamodelle angewendet?

Klimamodellrechnungen verfolgen vor allem vier Ziele:

  1. Kenntnisse über das Klima der Zukunft zu gewinnen,
  2. das Klima der Vergangenheit kennen zu lernen,
  3. das Klimasystem besser zu verstehen und
  4. die Verbesserung der Klimamodelle selbst.

Das Klima der Zukunft simulieren

Die in der Öffentlichkeit bekannteste und gesellschaftlich wichtigste Anwendung von Klimamodellen besteht in der Projektion des möglichen Klimawandels durch den Menschen. Dabei wird in der Regel die Klimaentwicklung bis 2100 simuliert, in einzelnen Fällen auch bis 2200. Für bestimmte Fragestellungen, z.B. über den Anstieg des Meeresspiegels oder das Abschmelzen der großen Eisschilde, werden mit weniger komplexen Modellen (EMICs) auch Rechnungen über die nächsten 1000 Jahre oder mehr durchgeführt.

Die Projektionen über das zukünftige Klima sind jedoch mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Neben der begrenzten Kenntnis des Klimasystems und der Unvollkommenheit der Klimamodelle ist vor allem unklar, wie die anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen sich entwickeln werden. Niemand kennt die Entwicklung der Weltgesellschaft über die nächsten Jahrzehnte. Niemand kann die Bevölkerungsentwicklung genau bestimmen, die Veränderung des Konsumverhaltens, den Energieverbrauch, die Nutzung von Energiequellen, die technologische Entwicklung, das Ausbrechen von Kriegen usw. vorhersagen. Diese Unsicherheit findet ihren Ausdruck darin, dass der Weltklimarat IPCC ein differenziertes Spektrum von Emissionsszenarien für Treibhausgase entwickelt hat, um auf diese Weise den unterschiedlichen Entwicklungsmöglichkeiten der Weltgesellschaft Rechnung zu tragen. Bei einem bestimmten angenommenen Pfad der CO2-Emissionen, z.B. einer Verdoppelung bis 2050, berechnen – grob gesagt - Kohlenstoffkreislaufmodelle die Konzentration und allgemeine Zirkulationsmodelle die daraus folgende Erwärmung. Klimaprojektionen sind folglich immer Wenn-dann-Aussagen. Sie haben nicht den Anspruch, "die" Zukunft zu zeigen, sondern sie projizieren mögliche bzw. unter bestimmten Bedingungen wahrscheinliche zukünftige Entwicklungen.

Abb. 6: Modellsimulationen des globalen Klimas im 20. Jahrhunderts ohne (links) und mit (rechts) Berücksichtigung der anthropogenen Antriebskräfte

Das Klima der Vergangenheit kennen lernen

Eine andere wesentliche Aufgabe von Klimamodellrechnungen besteht darin, die Klimaänderungen vergangener Jahrhunderte nachzurechnen und ihre Ursachen zu erforschen. Obwohl die wichtigste Klimaänderung der vergangenen 100 Jahre, nämlich die Erwärmung von 0,8 °C, selbst im Wesentlichen unstrittig ist, ist für die öffentliche Debatte um den Klimawandel von großem Interesse, ob die zugrunde liegenden Ursachen klar bestimmt werden können. Hier konnten Modellrechnungen überzeugend nachweisen, dass bei einer Berücksichtigung nur der natürlichen Antriebe von Sonneneinstrahlung und Vulkanausbrüchen die wirkliche, durch Messungen erfasste Klimaentwicklung nicht richtig wiedergegeben werden kann. Wenn dagegen auch die menschlich verursachten Treibhausgasemissionen berücksichtigt werden, wird die tatsächliche Klimaentwicklung zutreffend simuliert (Abb. 6). Gleichzeitig dient die Simulation des Klimas der vergangenen 100 Jahre auch dazu, die Qualität der Modelle zu überprüfen und zu verbessern.

Ein weiteres Anwendungsfeld ist die Simulation der historischen und geologischen Vergangenheit. Damit werden zwei Ziele verfolgt:

  1. das Klimasystem und seine Dynamik besser zu verstehen (s.u.) und
  2. Kenntnisse über die früheren Klimaänderungen zu erlangen.

So wurden die Klimaänderungen der letzten 1000 Jahre bis zurück zum Mittelalter mehrfach mit Modellen berechnet, um den Einfluss der Solarstrahlung und von Vulkanausbrüchen auf die mittelalterliche Warmzeit und die anschließende Kleine Eiszeit einzuschätzen. Außerdem wurde der Anteil von Landnutzungsänderungen und des allmählich einsetzenden CO2-Anstiegs als Ursachen von Klimaänderungen für diesen Zeitraum berechnet. Für so weit zurück liegende Zeiten gibt es nur lückenhafte Proxydaten, d.h. Stellvertreterdaten aus Baumringen oder Eisbohrkernen, aus denen einige Aspekte früherer Klimaverhältnisse durchaus abgeleitet werden können. Eine räumlich vollständige und dynamisch konsistente Darstellung können allerdings nur Computermodelle leisten.[5] [1] Klimamodelle haben sich auch in der Lage gezeigt, wichtige Eigenschaften des vergangenen Klimas wiederzugeben, so des warmen mittleren Holozäns vor ca. 6000 Jahren oder des Letzten Glazialen Maximums vor 21 000 Jahren.[11] Auch die Zyklen zwischen Warm- und Kaltzeiten, die durch die Veränderung der Erdbahnparameter angestoßen werden, sind ein wichtiger Untersuchungsgegenstand. Weitere Anwendungsbereiche sind im Abschnitt über "Modelle mittlerer Komplexität" erwähnt.

Das Klimasystem verstehen

Mit Modellen können z.B. Kenntnisse über Prozesse im Klimasystem gewonnen werden, für die es keine adäquaten Daten gibt. So können Modellrechnungen eine Antwort auf die Frage geben, wie viel Wärme aus den tropischen Breiten über atmosphärische und ozeanische Strömungen Richtung Pole transportiert wird. Klimamodelle lassen sich auch anwenden, um bestimmte Hypothesen zu testen und damit das System besser zu verstehen. Typische Fragen sind etwa: Welches sind die wichtigsten Prozesse, die das Klimasystem bestimmen? Wurde die Kleine Eiszeit am Ende des 17. Jahrhunderts in Europa durch Veränderungen in der Sonneneinstrahlung verursacht? Ist die Thermohaline Zirkulation im Nordatlantik, die Europa sein mildes Klima beschert, stabil?[5]

Auch die Simulation des vergangenen Klimas, z.B. des Letzten Glazialen Maximums vor 21 000 Jahren, des Eem (der letzten Zwischeneiszeit) oder abrupter Klimaänderungen wie z.B. gegen Ende der letzten Eiszeit, dient nicht zuletzt dazu, die Mechanismen des vergangenen Klimas zu verstehen. So sind Modelle ein Schlüssel für den Test von Hypothesen wie der Milankovitch-Theorie. Und sie können die Lücke schließen zwischen lokalen Temperaturdaten, die man z.B. aus antarktischen Eisbohrkernen gewonnen hat, und den global gemischten Treibhausgasen Kohlendioxid und Methan. Das Ziel dabei ist, aus der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen.[12]

Die Zuverlässigkeit der Modelle verbessern

Die Modellierung des vergangenen und vor allem des gegenwärtigen Klimas dient nicht zuletzt dazu, die Qualität der Modelle zu verbessern. Je besser ein Modell die komplexen räumlichen Muster sowie die saisonalen und täglichen Zyklen des gegenwärtigen Klimas simuliert, desto mehr kann man davon ausgehen, dass alle relevanten Prozesse in dem Modell adäquat repräsentiert sind. In der Regel wird zunächst das vorindustrielle Klima als Ausgangsstadium berechnet. Anschließend werden die natürlichen und anthropogenen Antriebe, die als wesentlich für die Klimaänderung seit Beginn der Industrialisierung eingeschätzt werden, hinzugefügt.[13] Nicht alle Aspekte der Klimamodellierung können am gegenwärtigen Klima überprüft werden. So geben nur Daten der Erdgeschichte Auskunft darüber, wie die globale Mitteltemperatur bei einer doppelt so hohen CO2-Konzentration wie heute aussehen könnte. Auch Simulationen des teilweisen Abschmelzens der großen Eisschilde oder einer Abschwächung der Thermohalinen Zirkulation im Nordatlantik lassen sich nur an Beispielen aus der Vergangenheit, z.B. der letzten Warmzeit oder dem Ende der letzten Kaltzeit, bis zu einem gewissen Grade verifizieren.[12]

Bei der Simulation des gegenwärtigen und vergangenen Klimas hat sich gezeigt, dass das Mittel einer Vielzahl von Modellergebnissen meistens mit der Beobachtung besser übereinstimmt als das Ergebnis einzelner Modelle. Die Abweichungen zwischen einzelnen Modellläufen kommen oft dadurch zustande, dass die klimatischen Anfangsbedingungen, von denen aus die Rechnungen starten, geringfügig voneinander abweichen. Da sich jedoch auch kleinste Abweichungen in der Modellierung beträchtlich auswirken können, werden, um diesem Problem zu begegnen, sog. Enmsemble-Rechnungen durchgeführt. Dabei werden mehrere Modellläufe ein und desselben Modells mit leicht unterschiedlichen Anfangsbedingungen (beispielsweise geringen Temperaturabweichungen) gerechnet und die Ergebnisse anschließend gemittelt.[1]

Allerdings beruhen in diesem Fall alle Rechnungen auf derselben zugrunde liegenden Struktur des benutzten Modells, dessen Mängel dann auch allen Ergebnissen mitgeteilt werden. Die Alternative sind sog. Multi-Modell-Ensemble-Läufe. Dabei werden mehrere Modelle verglichen und daraus ein Ergebnis abgeleitet und die Unsicherheiten eingeschätzt, um die grundlegenden Probleme von Klimamodellen zu bestimmen und gezielt an ihrer Verbesserung zu arbeiten. Solche Modellvergleiche von in letzter Zeit ca. 25 Allgemeinen Zirkulationsmodellen werden institutionell koordiniert.[14] Die Mittelung über mehrere Modelle kann dazu führen, dass sich viele Fehler gegenseitig aufheben. Es hat sich jedenfalls gezeigt, dass Multi-Modell-Ensemble-Läufe das Klima besser beschreiben als die Läufe einzelner Modelle.[15]

Kann man Klimamodellen vertrauen?

Die wichtigste Botschaft der Klimamodellrechnungen für die Öffentlichkeit sind die Projektionen des zukünftigen Klimas. Gerade hier setzen aber auch die Zweifel an. Die Ergebnisse der Modellrechnungen lassen sich schlechterdings nicht verifizieren. Anders als bei Wettervorhersagen liegen sie in einer fernen Zukunft, in der nur vermutlich noch Wissenschaftshistoriker danach fragen werden, wie gut diese von Klimamodellen vor vielen Jahrzehnten vorausberechnet worden ist. Dennoch gibt es einige gute Gründe für die Glaubwürdigkeit von Modellprojektionen. Der letzte Bericht des Weltklimarates IPCC führt dazu fünf Argumente an:[11]; vgl. auch[5]

  1. Klimamodelle basieren auf anerkannten physikalischen Gesetzen und Beobachtungen.
  2. Klimamodelle sind in der Lage, wichtige Aspekte des gegenwärtigen Klimas zu reproduzieren.
  3. Klimamodelle sind in der Lage, wichtige Aspekte des vergangenen Klimas und vergangener Klimaänderungen zu reproduzieren, z.B. des Letzten Glazialen Maximums, der Kleinen Eiszeit und den Temperaturanstieg der letzten Jahrzehnte als Folge der zunehmenden Konzentration von Treibhausgasen.
  4. Den Klimamodellen ähnliche Wettermodelle machen erfolgreich Wettervorhersagen und saisonale Vorhersagen. Die Projektionen von früheren Klimamodellrechnungen für die letzten beiden Jahrzehnte stimmen im großen und ganzen mit den darauf folgenden Beobachtungen überein.
  5. Die von verschiedenen Forschergruppen entwickelten Klimamodelle zeigen im wesentlichen dasselbe Verhalten.

Allerdings sind alle fünf Argumente mit gewissen Einschränkungen zu betrachten:[5]

Zu 1. Modelle sind nicht in der Lage, Wolken und die Feedbacks der Kryosphäre hinreichend abzubilden. Herausforderungen stellen immer noch die Simulationen von Extremereignissen, außertropischen Stürmen und zu einem geringeren Teil des El-Niño-Phänomens dar.
Zu 2. Die Simulation des gegenwärtigen Klimas kommt in einigen Aspekten dadurch zustande, dass Modelle an die Datenlage angepasst (kalibriert) werden.
Zu 3. Die Kalibrierung gilt auch für die Vergangenheit. Gerade hier sind Daten und Modelle nicht unabhängig voneinander. Klimamodelle werden benutzt, um die Proxydaten zu interpretieren, und erzeugen auf diese Weise ein "beobachtetes" Paläoklima.
Zu 4. Erfolgreiche Vorhersagen über Tage, Monate oder auch einige Jahre sind keine Garantie, dass auf diese Weise auch die relevanten Prozesse erfasst wurden, die langfristige Klimaänderungen bestimmen.
Zu 5. Die verschiedenen Modellierergruppen arbeiten keineswegs unabhängig voneinander. Die Kommunikation in der Community der Modellierer ist als relativ intensiv einzuschätzen.

Klimamodelle sind niemals in dem Sinne perfekt, dass sie die Wirklichkeit ohne Einschränkung wiedergeben können. Sie beschreiben das wirkliche Klima immer nur in Annäherung. Sie sind jedoch ein brauchbares Instrument, das Klimasystem und seine Veränderungen zu verstehen. In der Kombination von Globalen und Regionalen Klimamodellen sind Forscher in der Lage, innerhalb einer gewissen Bandbreite Entwicklungen zu prognostizieren. Durch die Unsicherheiten bei den Emissionen wie bei den Modellen werden Bandbreiten allerdings auch in Zukunft unvermeidlich sein. Modellsimulationen haben nachgewiesen, dass die globale Erwärmung der letzten Jahrzehnte eindeutig durch anthropogene Treibhausgase bedingt ist. Und sie haben übereinstimmend gezeigt, dass sich bei einem weiteren Anstieg der Treibhausgaskonzentration die globale Erwärmung beschleunigen wird. Bei allen Abweichungen im Einzelnen sind Klimamodelle für solche grundlegenden Erkenntnisse eine verlässliche Quelle.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Stocker, T. (2008): Einführung in die Klimamodellierung (PDF-Datei; 150 Seiten, Universität Bern, Vorlesung 2008
  2. Vgl. Hauser, W. , Hg., (2002): Klima. Das Experiment mit dem Planeten Erde, München - Begleitband des Deutschen Museums in München zu seiner Klimaausstellung 2002/03
  3. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 8.8.2
  4. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 1.5.3.
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 Müller, P. (2010): Constructing climate knowledge with computer models, WIREs Climate Change 1, 565-580
  6. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 1.5.2.
  7. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 1.5.
  8. Levis, S. (2010): Modeling vegetation and land use in models of the Earth System, WIREs Climate Change 1, 840-856
  9. S.L. Weber (2010): The utility of Earth system Models of Intermediate Complexity (EMICs), WIREs Climate Change 1, 243-252
  10. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 8.8.
  11. 11,0 11,1 IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, FAQ 8.1. (Seite 600 ff. bzw. Seite 12 ff. von 74 der PDF-Datei)
  12. 12,0 12,1 IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 6.2.2.
  13. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 8.3.
  14. Knutti, R. (2010): The end of model democracy?, Climatic Change 102, 395–404
  15. Knutti R (2008) Should we believe model predictions of future climate change? Philosophical Transactions of the Royal Society A 366, 4647–4664

Siehe auch

Unterricht

  • Daten zum Klimawandel: Auf dieser Seite hat man die Möglichkeit, wissenschaftliche Daten zum Klimawandel selbständig aufzuarbeiten und auszuwerten.

Weblinks


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