Hitzewellen Europa

Aus Klimawandel
Hitzewelle in Nordeuropa im Juni 2008

Europa hat in den letzten Jahren mehrere große Hitzewellen erfahren. Besonders herausgeragt haben die "Mega-Hitzewellen"[1] von 2003 und 2010. Der extrem heiße Sommer 2003 in Europa hat nach Einschätzung der World Health Organization (WHO) und anderen Untersuchungen in allen betroffenen Ländern zusammen etwa 70 000 zusätzliche Todesopfer gekostet,[2][3] woran Frankreich und Italien am stärksten beteiligt waren.[4] Auch in den Folgejahren ereigneten sich starke Hitzewellen in Europa, so in Westeuropa 2006, in Nordeuropa 2008 und in Russland 2010. In dem Jahrzehnt 2001-2010 ereigneten sich für mindestens 65 % der Fläche Europas - Osteuropa 2010, Mittel- und Südwesteuropa 2003, den Balkan 2007 und die Türkei 2001 – die wärmsten Sommer der letzten 500 Jahre. Die beiden heißesten Sommer, nämlich 2003 und 2010, betrafen 25 % des Kontinents.[5]

Die Hitzewelle 2003

Höchsttemperaturen

Temperaturabweichung vom Normalwert 1961–1990 für die Hitzewelle im August 2003 in °C

Meteorologisch ist der Sommer 2003 als ein äußerst seltenes Ereignis einzustufen, das statistisch unter den bis in die 1970er Jahre herrschenden Klimabedingungen höchstens alle 10 000 Jahre einmal vorkommen sollte und damit nahezu unwahrscheinlich ist.[6] Die mittleren Sommertemperaturen lagen über großen Gebieten Kontinentaleuropas um 3 °C über dem Mittel der Periode 1961-1990[7] und waren damit bei weitem die höchsten Sommertemperaturen seit 1500.[8] In einzelnen Regionen und an einzelnen Stationen waren die Abweichungen vor allem während der heißesten Periode im August 2003 noch wesentlich höher. So lagen die Temperaturen im August in Zentral-Frankreich um bis zu 14 °C über dem August-Mittel von 1971-2000. In Deutschland lagen die Sommertemperaturen um 3,4 °C über dem Mittel von 1961-1990 und waren damit eindeutig die höchsten seit dem Beginn der Flächenmittel-Abschätzungen, d.h. seit 1761. Die Zahl der extremen Hitzetage mit einer Temperatur von über 36 °C war z.B. an der Station Karlsruhe mit 16 deutlich höher als bei dem bisherigen Spitzenreiter 1952 (10 Tage).[6] An zahlreichen Stationen wurden die bisherigen Höchstwerte überschritten, an einigen sogar die 40 °C-Marke.[9]

Die Großwetterlage und andere Gründe

Die Großwetterlage über Europa zeigte das übliche Muster bei sommerlichen Hitzewellen: einen blockierenden Hochdruckrücken über West- und Mitteleuropa, der die sonst vom Atlantik heranziehenden Tiefdrucksysteme in einem großen Bogen um sich herumlenkte und in dem absteigende Luftmassen für eine längere Periode mit klarem Himmel und hoher Sonneneinstrahlung sorgten. Hinzu kam in den betroffenen Regionen eine längere Trockenperiode seit Februar 2003, die den Boden und die Vegetation ausgetrocknet hatte, so dass während der Hitzewelle im August kaum noch Feuchte zum Verdunsten zur Verfügung stand. In Deutschland war es - im Widerspruch zum langfristigen Trend - die längste Trockenperiode seit 100 Jahren.[10] Die Bodenfeuchtigkeit bestimmt entscheidend den Energiefluss zwischen der Erdoberfläche und der Atmosphäre. Bei einem feuchten Boden ist die latente Wärme der wichtigste Fluss, der die von der Sonne empfangene Energie durch Verdunstung und Kondensation vom Boden in die Atmosphäre leitet. Dabei kühlt sich die Erdoberfläche ab und in der Atmosphäre nimmt der Wasserdampf zu. Das begünstigt in der bodennahen Atmosphäre die Bildung von Wolken, die einen weiteren Abkühlungseffekt haben, da sie die Sonneneinstrahlung verringert. Ist der Boden dagegen durch eine längere Dürre ausgetrocknet, bestimmt die sensible Wärme den Energiefluss zwischen Boden und Atmosphäre. Dadurch wird die untere Atmosphäre wärmer und trockener und die Bildung von Wolken wird behindert. Die Sonne kann ungehindert einstrahlen, was den Erwärmungseffekt verstärkt.[11]

Hitzewelle in Russland 2010

Temperaturabweichung 20.-27. Juli 2010 im Vergleich zum selben Zeitraum 2000-2008

Nach einem sehr kalten Winter erlebte Russland im Sommer 2010 eine extreme Hitzewelle. Im Juli und August lagen die Temperaturen in vielen Städten in Westrussland über eine längere Periode bei 40 °C und damit um 10 °C über dem Mittel der früheren Sommertemperaturen. So waren die Moskauer Juli-Temperaturen die wärmsten seit 130 Jahren und waren vier Mal höher als die üblichen Abweichungen vom Mittel (Standardabweichungen) im Juli. Eine Folge waren großflächige Wald- und Torfbrände auf 25 Millionen ha, die zahlreiche Menschen obdachlos machten, Tote und Verletzte forderten. Zeitweilig wüteten allein in der Region südöstlich von Moskau über 700 Feuer. Die hitzebedingten Todesfälle in Russland werden auf 55 000 geschätzt, nicht wenige davon in Moskau durch Rauch und Luftverschmutzung. Die Ernteverluste beliefen sich auf ca. 25 % der Jahresernte, die wirtschaftlichen Verluste auf 15 Mrd. US$. [12][5]

Als unmittelbare Ursache der russischen Hitzewelle gilt eine ungewöhnlich lange anhaltende Blockierende Wetterlage. Unter einer Blockierenden Wetterlage versteht man eine im Mittel etwa ein bis zwei Wochen dauernde stationäre Lage der planetaren Wellen. Diese bewegen sich normalerweise in den mittleren Breiten vom Jetstream gesteuert von Westen nach Osten rund um den Globus. Bei einer Blockierenden Wetterlage setzen sich größere Hoch- und Tiefdruckgebiete über mehrere Tage fest und können im Sommer Hitzewellen auf der einen und Starkniederschläge auf der anderen Seite bewirken. In Russland dauerte die stationäre Wetterlage von Anfang Juli bis Mitte August, also mindestens drei Mal so lange wie im Durchschnitt. Als Folge entwickelte sich ein ungewöhnlich starkes Hochdruckgebiet. Klarer Himmel mit starker Sonneneinstrahlung und absinkende Luftmassen bewirkten die seit Beginn der Wetteraufzeichnungen nie gemessenen hohen Temperaturen. Hinzu kam, dass es seit Beginn des Sommers kaum geregnet hatte, wodurch Pflanzen und Böden ausgetrocknet waren und eine Abkühlung durch Verdunstung ausblieb.[12][5]

Ein Zusammenhang der ungewöhnlichen Blockierenden Wetterlage mit der globalen Erwärmung ist umstritten. Einerseits wird argumentiert, dass es über Westrussland keinen Trend der Blockierenden Wetterlage seit 1948 gebe und dass in früheren heißen Sommern keine ungewöhnlich lang andauernde Blockierende Wetterlage vorgelegen habe.[12] Andererseits weist etwa der bekannte US-Klimaforscher Trenberth darauf hin, dass die globale Erwärmung den Blocking-Effekt verstärkt und so erst die Entstehung der extremen Hitzewelle möglich gemacht habe.[13]

Projektionen

Simulationen mit mehreren Regionalmodellen für Europa zeigen nach dem Szenario A1B die stärkste Erwärmung im Sommer im Mittelmeerraum, mit bis zu 6 °C bis zum Ende des 21. Jahrhunderts. Gleichzeitig wird von den Modellen eine Reduktion der relativen Feuchtigkeit um 10-15 % projeziert. Als Folge werden sich die Hitzewellen an Anzahl und Dauer deutlich erhöhen. Hatte es gemittelt über den gesamten Mittelmeerraum 1961-1990 einen Hitzetag in 3-5 Sommern gegeben, so wird es 1971-2100 jeden Sommer 2-3 Hitzewellen geben, die zudem zwei- bis fünfmal länger dauern werden.[14]

Gesundheitlich besonders belastend sind heiße Tage (Maximumtemperaturen >35 °C) in Kombination mit tropischen Nächten (Minimumtemperaturen >20 °C), da die Nächte dann eine Erholung von der Tageshitze unmöglich machen. Gebiete mit solchen Konstellationen sind auch gegenwärtig schon in den europäischen Flusstälern und an der Mittelmeerküste zu finden. Nach Modellprojektionen werden sie sich weiter nach Norden ausdehnen. Gegenwärtig kommen solche Tage im Mittelmeerraum etwa zehn Mal im Sommer vor. Gegen Ende des 21. Jahrhunderts ist hier nach dem A1B-Szenario mit 40 solcher Tage in jedem Sommer zu rechnen. In Mitteleuropa finden sich heiße Tage in Kombination mit tropischen Nächsten im Mittel nur alle zwei Jahre einmal, was sich nach Modellprojektionen bis 2100 allerdings auf fünf Mal pro Sommer steigern wird. Gesundheitlich noch belastender kann eine sehr hohe gefühlte Temperatur sein, die in Kombination mit hoher Schwüle auftritt. Eine gefühlte Temperatur von über 40 °C kommt im Mittelmeerraum heute 1,6 Mal und in Mitteleuropa 0,5 Mal pro Sommer vor. Diese Werte werden möglicherweise auf 16 und 3,2 Mal pro Sommer zunehmen. Betroffen werden vor allem die großen Ballungszentren am Mittelmeer sein wie Athen, Marseille, Neapel und Rom, da hier der verstärkende Effekt der städtischen Wärmeinsel noch hinzukommt.[14]

Einzelnachweise

  1. Miralles, D.G., et al. (2014): Mega-heatwave temperatures due to combined soil desiccation and atmospheric heat accumulation, Nature Geoscience, DOI: 10.1038/NGEO2141
  2. Robine, J.M., et al. (2007): Report on excess mortalitiy in Europe during summer 2003 (EU Community Action Programme for Public Health)
  3. Robine, J.-M., et al. (2008): Death toll exceeded 70,000 in Europe during the summer of 2003, C. R. Biologies 331, 171–178
  4. nach Trigo, R.M., R. García-Herrera, J. Díaz, I.F. Trigo, and M.A. Valente (2005): How exceptional was the early August 2003 heatwave in France?, Geophys. Res. Lett., 32, L10701, doi:10.1029/2005GL022410
  5. 5,0 5,1 5,2 Barriopedro, D., et al.(2012): The Hot Summer of 2010: Redrawing the Temperature Record Map of Europe, Science 332, 220-224
  6. 6,0 6,1 Schönwiese, C.-D. , T. Staeger, S. Trömel, M. Jonas (2003): Statistisch- klimatologische Analyse des Hitzesommers 2003 in Deutschland, in: Deutscher Wetterdienst: Klimastatusbericht 2003, 123-132
  7. Schär, C., P.L. Vidale, D. Lüthi, C. Frei, C. Häberli, M.A. Liniger, and C. Appenzeller (2004): The role of increasing temperature variability in European summer heatwaves, Nature 427, 332-336
  8. Luterbacher, J., Dietrich, D., Xoplaki, E., Grosjean, M. & Wanner, H. (2004): European Seasonal and Annual Temperature Variability, Trends, and Extremes Since 1500, Science 303, 1499-1503
  9. Deutscher Wetterdienst (2012): Absolute Höchsttemperaturen in Deutschland
  10. Beck, , J. Grieser, S. Trömel (2003): Die Trockenperiode des Jahres 2003 in Deutschland im Kontext langzeitlicher Niederschlagsvariabilität, in: Deutscher Wetterdienst: Klimastatusbericht 2003, 142-151
  11. Alexander, L. (2011): Extreme heat rooted in dry soils, Nature Geoscience 4, 12-13
  12. 12,0 12,1 12,2 M. Hoerling (2010): The Russian Heat Wave of 2010
  13. Does "atmospheric blocking" Explain the Moscow Heat Wave?
  14. 14,0 14,1 Fischer, E.M., and C. Schär (2010): Consistent geographical patterns of changes in high-impact European heatwaves, Nature Geoscience 3, 398-403

Weblinks


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