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[[Bild:Globale Produktion.jpg|thumb|480px|Abb. 1: Globale Produktion der wichtigsten Anbaufrüchte 2000-2022]]
== Grundlagen ==
Die Aufgabe der globalen Nahrungsmittelproduktion besteht darin, eine wachsende Bevölkerung von gegenwärtig 8,2 Mrd. Menschen zu ernähren, die 2050 nach Prognosen der Vereinten Nationen bei 9,7 Mrd. liegen könnte.<ref>Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung (2024): [https://www.berlin-institut.org/was-wir-tun/aktuelles/weltbevoelkerung-erreicht-8-milliarden Weltbevölkerung erreicht 8 Milliarden]</ref> Das gelingt gegenwärtig immer noch nicht zufriedenstellend. 2023 waren 9,1% der Weltbevölkerung bzw. 733 Mio. Menschen von Hunger betroffen, der allergrößte Teil in Afrika (298 Mio.) und Asien (385 Mio.).<ref>FAO, IFAD, UNICEF, WFP and WHO (2024): [https://doi.org/10.4060/cd1254en The State of Food Security and Nutrition in the World 2024 – Financing to end hunger, food insecurity and malnutrition in all its forms], Rome</ref>  Die globale landwirtschaftliche Fläche betrug 2022 4,78 Mrd. ha, wovon ca. 1/3 Anbauland und 2/3 Wiesen und Weiden waren. Sie hat sich in den letzten Jahrzehnten kaum verändert, während die Produktion in den letzten 20 Jahren um 56% gestiegen ist. Grund ist die Intensivierung der landwirtschaftlichen Poduktion. Ein wichtiger Faktor der beobachteten Intensivierung ist die künstliche Bewässerung, die seit 2000 um 22% zugenommen hat und besonders in Indien, China und den USA betrieben wird. Durch die zunehmende Bewässerung, Mechanisierung, Düngemittel- und Pestizidanwendung hat die Beschäftigung in der Landwirtschaft trotz der erhöhten Produktion im Zeitraum 2000-2022 weltweit um 13% abgenommen und lag 2022 bei 26,2% aller Beschäftigten. Sie war im Jahr 2022 mit 5,2% besonders niedrig in Europa und mit 47,8% besonders hoch in Afrika.<ref name="FAO 2024">FAO (2024): [https://doi.org/10.4060/cd2971en World Food and Agriculture – Statistical Yearbook 2024]. Rome</ref>


Die regional unterschiedlichen und teils gegenläufigen Effekte von [[Aktuelle Klimaänderungen|Temperaturerhöhung]], Niederschlagsveränderungen, [[Kohlendioxid-Konzentration|CO<sub>2</sub>-Erhöhung]] und weiterer Faktoren wie [[Wetter- und Klimaextreme|Extremereignissen]], [[Unkräuter, Schädlinge, Krankheiten (Landwirtschaft)|Krankheiten, Schädlingen]] etc. machen es sehr schwierig, zukünftige Wirkungen des Klimawandels auf die globale und [[Regionale Produktion|regionale Nahrungsmittelproduktion]] einzuschätzen. Hinzu kommt, dass alle Entwicklungen von den gesellschaftlichen [[Klimaszenarien|Szenarien]] abhängig sind, die den [[Klimaprojektionen|Klimaprojektionen]] zugrunde liegen.  
Ein wichtiger Einflussfaktor auf die landwirtschaftlichen Produktion ist der anthropogene Klimawandel. Die regional unterschiedlichen und teils gegenläufigen Effekte von [[Aktuelle Klimaänderungen|Temperaturerhöhung]], Niederschlagsveränderungen, [[Kohlendioxid-Konzentration|CO<sub>2</sub>-Erhöhung]] und weiterer Faktoren wie [[Wetter- und Klimaextreme|Extremereignissen]], [[Unkräuter, Schädlinge, Krankheiten (Landwirtschaft)|Krankheiten, Schädlingen]] etc. machen es jedoch sehr schwierig, die gegenwärtigen und zukünftigen Wirkungen des Klimawandels auf die globale und [[Regionale Produktion|regionale Nahrungsmittelproduktion]] einzuschätzen. Hinzu kommt, dass alle Entwicklungen von den gesellschaftlichen [[Klimaszenarien|Szenarien]] abhängig sind, die den [[Klimaprojektionen|Klimaprojektionen]] zugrunde liegen.


== Produktionsentwicklung ohne Klimawandel ==
== Allgemeine Produktion ==
Die globalen Ernten der Hauptanbaufrüchte haben sich pro Einheit Landfläche seit 1960 um das 2,5-3fache erhöht. Die wichtigsten Gründe waren die Pflanzenzucht, die Düngung, die Bewässerung und eine integrierte Bekämpfung von Schädlingen und Krankheiten.<ref name="IPCC 2022">IPCC AR6, WGII (2022): Food, Fibre, and Other Ecosystem Products, 5.4.1</ref>  In den letzten ca. zwei Jahrzehnten wuchs die Produktion wichtiger Anbaufrüchte um 56%, die Fleischproduktion um 55%. Über 20 Jahre gemittelt war Zuckerrohr mit 21% die nach Gewicht am meisten angebaute Frucht, gefolgt von Mais, Weizen und Reis mit jeweils 10% (Abb. 1). Während Brasilien 2022 der Hauptproduzent von Zuckerrohr war, dominierten Indien und China mit großem Abstand beim Reisanbau und Indonesien bei der Produktion von Palmöl. Die globale Fleischproduktion, überwiegend Hähnchen, Schweine und Rinder, lag 2022 bei 361 Mio. t. Der Anteil von Hähnchenfleisch stieg zwischen 2000 und 2022 von 25% auf 34% am stärksten. Dagegen nahmen die anderen wichtigen Fleischprodukte ab und lagen 2022 bei einem Drittel (Schweine) bzw. einem Fünftel (Rinder) der Gesamtproduktion von Fleisch. Am meisten Hähnchenfleisch wurden 2022 in den USA produziert, knapp vor China, deutlich am meisten Schweinefleisch in China und das meiste Rindfleisch in den USA und Brasilien.<ref name="FAO 2024"/>


Mit großer Wahrscheinlichkeit kann davon ausgegangen werden, dass die weltweite Nahrungsmittelproduktion ohne die Einwirkung des [[Klimawandel]]s wie in den letzten Jahrzehnten auch im 21. Jahrhundert weiter steigen wird.<ref>Hierzu und zum Folgenden s. Parry, M.L., C. Rosenzweig, A. Iglesias, M. Livermore, and G. Fischer (2004): Effects of climate change on global food production under SRES emissions and socio-economic scenarios. Global Environ. Change, 14, 53-67</ref> Nach Berechnungen von Getreidemodellen würde sich die Produktion der wichtigsten Getreidesorten Weizen, Reis, Mais und Sojabohnen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts von heute ca. 2000 Millionen Tonnen pro Jahr auf 4000 Tonnen etwa verdoppeln. Die Zahl der Hungernden würde von gegenwärtig ca. 800 Millionen auf ca. 200 Millionen sinken, außer bei dem [[Klimaszenarien|A2-Szenario]], das von einer ökonomisch orientierten, regional uneinheitlichen Entwicklung der Weltgesellschaft ausgeht.
== Produktionsänderungen durch den Klimawandel ==
=== Rahmenbedingungen ===
Nach Jägermeyer et al. (2021)<ref name="Jägermeyr 2021">Jägermeyr, J., C. Muller, A.C. Ruane et al. (2021): [https://doi.org/10.1038/s43016-021-00400-y Climate Impacts on Global Agriculture Emerge Earlier in New Generation of Climate and Crop Models]. Nat. Food 2021, 2, 873–885</ref> könnten die Auswirkungen des Klimawandels auf die landwirtschaftliche Produktivität früher und deutlicher als bisher erwartet auftreten. Die Studie berücksichtigte im Hinblick auf die Ernten von Reis, Mais, Sojabohnen und Weizen verschiedene Auswirkungen des [[Klimawandel]]s, darunter Temperaturanstieg, veränderte Niederschläge, Dürren und erhöhte [[Kohlendioxid-Konzentration|Kohlendioxidkonzentrationen]] (CO<sub>2</sub>) in der Atmosphäre. Einige Regionen in hohen Breitengraden dürften Ertragssteigerungen verzeichnen, während [[Tropen|tropische Regionen]] in niedrigen Breitengraden wahrscheinlich mit Ertragsrückgängen zu kämpfen haben.


== Folgen des Klimawandels für die globale Produktion ==
Das entspricht den Ergebnissen einer Zusammenfassung jüngerer Studien über die Produktionsänderungen wichtiger Grundnahrungsmittel aufgrund des Klimawandels.<ref name="Rezaei 2023">Rezaei, E.E., H. Webber, S. Asseng et al. (2023): [https://doi.org/10.1038/s43017-023-00491-0 Climate change impacts on crop yields]. Nat Rev Earth Environ 4, 831–846</ref> Allgemein wird erwartet, dass höhere Temperaturen und der CO<sub>2</sub>-Effekt in den hohen Breiten positive Auswirkungen auf die Ernten wichtiger Anbaufrüchte haben werden, die allerdings durch [[Wetterextreme und Klimawandel|Wetterextreme]] gefährdet sind. In den niederen Breiten wird die Produktion wichtiger Grundnahrungsmittel jedoch ernsthaft unter dem Klimawandel leiden, besonders von C<sub>4</sub>-Pflanzen wie Mais, auf die sich der CO<sub>2</sub>-Effekt deutlich weniger positiv auswirkt als bei C<sub>3</sub>-Pflanzen. Insgesamt wird mit einem Ernterückgang von 4% bei dem hohen [[SSP-Szenarien|Emissionsszenario SSP5-8.5]] bis 2050 gerechnet. Auch eine geringe Abnahme der Ernten liegt weit unter dem Produktionszuwachs, der erforderlich wäre, um den Nahrungsmittelbedarf der wachsenden Bevölkerung mit ihren sich verändernden Ernährungsgewohnheiten zu decken, was die Notwendigkeit rascher und wirksamer Anpassungen unterstreicht.
[[Bild:Klimawandel_ernte_1980-2008.jpg|thumb|480px|Einfluss des Klimawandels und des CO<sub>2</sub>-Anstiegs auf die globale Ernte der vier wichtigsten Anbaufrüchte: Veränderungen in %.]]
===Aktuelle Trends===
Durch den Klimawandel wird diese recht optimistische Perspektive allerdings relativiert, wie Studien ergaben, die den Einfluss des [[Aktuelle Klimaänderungen|bereits erfolgten Klimawandels]] 1980-2008 auf die vier wichtigsten [[Landwirtschaftliche Kulturen|landwirtschaftlichen Anbauprodukte]] Mais, Weizen, Reis und Sojabohnen, die ca. 75 % der Kalorien liefern, die der Mensch direkt oder indirekt weltweit zu sich nimmt, untersucht haben.<ref>Lobell, D.B., W. Schlenker, J. Costa-Roberts (2011): Climate Trends and Global Crop Production Since 1980, Science Express, 5 May 2011 / 10.1126/science.1204531, 1-9</ref> Sie zeigen eine Abnahme der Ernteerträge von 3,8 % bei Mais und 5,5 % bei Weizen im Vergleich zu einer Welt ohne Klimawandel. Bei Sojabohnen sind die Verluste deutlich geringer und bei  Reis gleichen sich Gewinne und Verluste in einzelnen Ländern global aus. Als wichtigster Faktor hat sich die Temperaturzunahme in der Wachstumsphase erwiesen. Nach [[Klimamodelle|Modellrechnungen]] bedeutet ein Anstieg von 1 °C einen Ernteverlust von 10 %. Eine Ausnahme stellen die höheren Breiten dar, wo besonders der Reis von einem Temperaturanstieg profitiert. Die [[Niederschlag|Niederschläge]] haben sich nur geringfügig verändert und spielen im globalen Mittel nur eine leicht negative Rolle für die Ernten. Besonders stark durch den Klimawandel betroffen ist Russland mit einem Verlust bei Weizen von ca. 15 %. Dagegen zeigten sich bei den USA keine Veränderungen, da sich hier die klimatischen Verhältnisse im Mittel kaum geändert haben. Ein positiver Einfluss wurde für die C<sub>3</sub>-Pflanzen Weizen, Reis und Sojabohnen durch den [[Wirkung von Kohlendioxid und Ozon|Anstieg des CO<sub>2</sub>-Gehalts]] errechnet, während Mais als C<sub>4</sub>-Pflanze darauf nicht nennenswert reagierte.


===Projektionen===
=== Bisherige Änderungen der Produktion ===
Für die Zukunft hängt die Entwicklung unter den Bedingungen der globalen Erwärmung stark von den einzelnen [[Klimaszenarien|Szenarien]] ab, verläuft in den einzelnen Regionen sehr unterschiedlich und zeigt diese Differenzen um so stärker, je mehr sie sich dem Ende des Jahrhunderts nähert.
[[Bild:Wheat climate change-dt.jpg|thumb|480px|Abb. 2: Einfluss des Klimawandels auf die Erträge von Weizen 1974-2013 in t/ha/Jahr]]
[[Bild:Produktion regionen.jpg|thumb|480px|Veränderung der landwirtschaftlichen Produktion bis zu den 2080er Jahren durch Änderungen klimatischer Faktoren (rot) sowie klimatischer Faktoren und des CO<sub>2</sub>-Gehalts der Atmosphäre (grün)]]
Die zukünftigen Folgen des Klimawandels für die landwirtschaftliche Produktion wurden bisher mithilfe von [[Klimamodelle|Modellsimulationen]] gründlicher untersucht als die Änderungen in den letzten Jahrzehnten.<ref name="Ray 2019">Ray, D.K., P.C. West, M. Clark et al. (2019): [https://doi.org/10.1371/journal.pone.0217148 Climate change has likely already affected global food production]. PLoS ONE 14(5): e0217148</ref> Positive Effekte wurden für Reis und Weizen im östlichen Asien und für Weizen in Nordeuropa festgestellt. Eher negativ wirkte sich der Klimawandel in Südsahara-Afrika, Südamerika, Südasien, West- und Südeuropa aus. Dabei waren die klimatischen Faktoren mit der größten negativen Wirkung und die betroffenen Anbaufrüchte in den einzelnen Regionen verschieden. So haben in Westafrika Hitze- und Niederschlagsextreme die Hirseernte um 10-20% reduziert. In Australien haben abnehmende Niederschläge und höhere Temperaturen zu geringeren Weizenerträgen geführt, und in Südeuropa haben sich durch die Klimaerwärmung die Ernten fast aller wichtigen Kulturen reduziert. Ernteverluste durch [[Dürren]] wurden auf 75% der globalen Anbaufläche beobachtet. Gravierend hat sich auch die [[Zusammengesetze Extremereignisse|Kombination von Hitze und Dürren]] ausgewirkt. So haben sich in Europa in den letzten fünf Jahrzehnten die Ernteeinbußen dadurch verdreifacht. Verheerende Folgen haben in manchen Regionen wie z.B. in Pakistan und Myanmar auch Überschwemmungen gehabt.<ref name="IPCC 2022"/>
Im Allgemeinen nehmen die Getreideerträge in Entwicklungsländern ab und in den Industrieländern zu. Insbesondere das [[Klimaszenarien|A1Fl-Szenario]], das von einer ökonomisch orientierten und sich weitgehend einheitlich entwickelnden Welt ausgeht, zeigt Produktionsabnahmen in Afrika und Teilen Asiens von bis zu 30 %. Hier wirkt auch der [[Wirkung von Kohlendioxid und Ozon|CO<sub>2</sub>-"Düngungseffekt"]] nicht hinreichend ausgleichend. In den mittleren und höheren Breiten werden z.T. negative Wirkungen infolge der klimatischen Veränderungen durch den höheren [[Kohlendioxid-Konzentration|CO<sub>2</sub>-Gehalt]] ausgeglichen. So würden in Europa die Erträge ohne den CO<sub>2</sub>-Effekt um mehr als 6 % fallen; durch diesen Effekt steigen sie jedoch auf 8,4 %.<ref>Cline, W. R. 2007. [http://www.cgdev.org/content/publications/detail/14090 Global Warming and Agriculture: Impact Estimates by Country]. Washington D.C., USA: Peterson Institute</ref> Da die Berechnungen der CO<sub>2</sub>-Wirkung noch deutlich größeren Unsicherheiten unterliegt als die der Klimaänderung, sind in der nebenstehenden Abbildung beide Effekte getrennt darstellt.
 
Eine Untersuchung für den Zeitraum 1974-2013 über den Einfluss des Klimawandels auf die global 10 wichtigsten Anbaufrüchte Gerste, Cassava, Mais, Ölpalmen, Raps, Reis, Sojabohnen, Zuckerrohr und Weizen (zu Weizen Abb. 2) kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass sich die Produktion je nach Anbaufrucht sehr unterschiedlich verändert hat. Die Veränderungen der Erntemengen durch die globale Erwärmung reichen von -13,4% bei Ölpalmen bis +3,5% bei Sojabohnen. Die Maisernten sind nahezu gleich geblieben, Reis- und Weizenernten haben leicht um 0,3% bzw. 0,9% abgenommen.<ref name="Ray 2019"/>


Am stärksten unterscheiden sich die Wirkungen zwischen entwickelten und sich entwickelnden Ländern in der ökonomisch orientierten, heterogenen Welt des [[Klimaszenarien|A2-Szenarios]]. In den entwickelten Ländern steigen die Erträge vor allem durch die zunehmenden Niederschläge und durch die direkten Effekte einer höheren CO<sub>2</sub>-Konzentration. In den Entwicklungsländern nehmen die Getreideerträge wegen sinkender Niederschläge und steigender Temperaturen dramatisch ab .
=== Zukünftige Produktionsänderungen ===
 
[[Bild:Mais-Produktion 2080-dt.jpg|thumb|480px|Abb. 3: Veränderung der globalen Mais-Ernte nach dem Szenario RCP8.5 bei extremem Hitzestress bis 2080 im Vergleich zu 1980]]
Die negativen Auswirkungen durch den Klimawandel schwächen die erwarteten Produktionssteigerungen in diesem Jahrhundert allerdings nur ab, sie kehren sie bei weitem nicht um, was bei der anzunehmenden Bevölkerungszunahme allerdings auch einer Katastrophe gleichkäme. Die Reduktion reicht von 20-30 Millionen Tonnen pro Jahr bis 2020 bis zu 70-80 Millionen Tonnen um 2080. Die Konsequenz wären etwa 40-70 Millionen unterernährte Menschen bis 2100 mehr als ohne den Klimawandel.<ref> IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group II: Impacts, Adaptation and Vulnerability, 5.8.1</ref>
Je nach [[Klimaszenarien|Klimaszenario]] und ohne Anpassung liegen die Simulationen der zukünftigen Ernteverluste durch den Klimawandel global bei 7-23%. Je nach globaler Temperaturzunahme von <2°C, 2-4°C und über 4°C werden die Erträge bei Weizen, Mais, Reis und Hirse in den tropischen und gemäßigten Breiten um 6,2% bis 18,3% abnehmen. Dabei sind Anpassungsmaßnahmen nicht berücksichtigt. In den Tropen sind die Verluste im Allgemeinen höher, da die tropischen Kulturen hier bereits unter optimalen Temperaturbedingungen wachsen und jede zusätzliche Temperaturerhöhung die negativen Folgen für die Ernten verstärkt. Außerdem profitieren die hier dominierenden C<sub>4</sub>-Pflanzen im Vergleich zu C<sub>3</sub>-Pflanzen nur minimal vom CO<sub>2</sub>-Düngungseffekt, der sich in tropischen Breiten positiv hauptsächlich bei Dürren auswirkt.<ref name="Rezaei 2023"/>
 
Einzelne Untersuchungen zeigen etwa starke Zunahmen der Weizenernte in Australien und China um 25%, in anderen Regionen um 8-13%. Dagegen fallen die Projektionen von Mais für die Hauptanbaugebiete wie die USA mit Abnahmen von 0,3-8% für das niedrige Szenario SSP1-2.6 und von 10-35% für das hohe Szenario SSP5-8.5 deutlich negativ aus. Für die EU wird mit einer Zunahme der Weizenernte um 14% und einer Abnahme der Maisernte um 6% gerechnet. Die projizierten Folgen für die Reisernte in China, Indien, Bangladesch und Indonesien reichen bei den erwähnten Szenarien von 0% bis 10% Zunahme. Am stärksten von Ernterückgängen werden Subsahara-Afrika, der Nahe Osten und Nordafrika betroffen sein.<ref name="Rezaei 2023"/> Die in Abb. 3 dargestellten globalen Maisernten bei demselben Szenario, jedoch mit dem Fokus auf extremen Hitzestress, zeigen teilweise andere Ergebnisse, mit deutlichen Zunahmen vor allem in den mittleren Breiten Eurasiens, besonders auch in Mitteleuropa, und starken Abnahmen in den Tropen.<ref>Deryng, D., D. Conway, N. Ramankutty et al. (2014): [https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/9/3/034011 Global crop yield response to extreme heat stress under multiple climate change futures], Environmental Research Letters 9, 3</ref>


== Einzelnachweise ==
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Aktuelle Version vom 19. Mai 2025, 07:49 Uhr

Abb. 1: Globale Produktion der wichtigsten Anbaufrüchte 2000-2022

Grundlagen

Die Aufgabe der globalen Nahrungsmittelproduktion besteht darin, eine wachsende Bevölkerung von gegenwärtig 8,2 Mrd. Menschen zu ernähren, die 2050 nach Prognosen der Vereinten Nationen bei 9,7 Mrd. liegen könnte.[1] Das gelingt gegenwärtig immer noch nicht zufriedenstellend. 2023 waren 9,1% der Weltbevölkerung bzw. 733 Mio. Menschen von Hunger betroffen, der allergrößte Teil in Afrika (298 Mio.) und Asien (385 Mio.).[2] Die globale landwirtschaftliche Fläche betrug 2022 4,78 Mrd. ha, wovon ca. 1/3 Anbauland und 2/3 Wiesen und Weiden waren. Sie hat sich in den letzten Jahrzehnten kaum verändert, während die Produktion in den letzten 20 Jahren um 56% gestiegen ist. Grund ist die Intensivierung der landwirtschaftlichen Poduktion. Ein wichtiger Faktor der beobachteten Intensivierung ist die künstliche Bewässerung, die seit 2000 um 22% zugenommen hat und besonders in Indien, China und den USA betrieben wird. Durch die zunehmende Bewässerung, Mechanisierung, Düngemittel- und Pestizidanwendung hat die Beschäftigung in der Landwirtschaft trotz der erhöhten Produktion im Zeitraum 2000-2022 weltweit um 13% abgenommen und lag 2022 bei 26,2% aller Beschäftigten. Sie war im Jahr 2022 mit 5,2% besonders niedrig in Europa und mit 47,8% besonders hoch in Afrika.[3]

Ein wichtiger Einflussfaktor auf die landwirtschaftlichen Produktion ist der anthropogene Klimawandel. Die regional unterschiedlichen und teils gegenläufigen Effekte von Temperaturerhöhung, Niederschlagsveränderungen, CO2-Erhöhung und weiterer Faktoren wie Extremereignissen, Krankheiten, Schädlingen etc. machen es jedoch sehr schwierig, die gegenwärtigen und zukünftigen Wirkungen des Klimawandels auf die globale und regionale Nahrungsmittelproduktion einzuschätzen. Hinzu kommt, dass alle Entwicklungen von den gesellschaftlichen Szenarien abhängig sind, die den Klimaprojektionen zugrunde liegen.

Allgemeine Produktion

Die globalen Ernten der Hauptanbaufrüchte haben sich pro Einheit Landfläche seit 1960 um das 2,5-3fache erhöht. Die wichtigsten Gründe waren die Pflanzenzucht, die Düngung, die Bewässerung und eine integrierte Bekämpfung von Schädlingen und Krankheiten.[4] In den letzten ca. zwei Jahrzehnten wuchs die Produktion wichtiger Anbaufrüchte um 56%, die Fleischproduktion um 55%. Über 20 Jahre gemittelt war Zuckerrohr mit 21% die nach Gewicht am meisten angebaute Frucht, gefolgt von Mais, Weizen und Reis mit jeweils 10% (Abb. 1). Während Brasilien 2022 der Hauptproduzent von Zuckerrohr war, dominierten Indien und China mit großem Abstand beim Reisanbau und Indonesien bei der Produktion von Palmöl. Die globale Fleischproduktion, überwiegend Hähnchen, Schweine und Rinder, lag 2022 bei 361 Mio. t. Der Anteil von Hähnchenfleisch stieg zwischen 2000 und 2022 von 25% auf 34% am stärksten. Dagegen nahmen die anderen wichtigen Fleischprodukte ab und lagen 2022 bei einem Drittel (Schweine) bzw. einem Fünftel (Rinder) der Gesamtproduktion von Fleisch. Am meisten Hähnchenfleisch wurden 2022 in den USA produziert, knapp vor China, deutlich am meisten Schweinefleisch in China und das meiste Rindfleisch in den USA und Brasilien.[3]

Produktionsänderungen durch den Klimawandel

Rahmenbedingungen

Nach Jägermeyer et al. (2021)[5] könnten die Auswirkungen des Klimawandels auf die landwirtschaftliche Produktivität früher und deutlicher als bisher erwartet auftreten. Die Studie berücksichtigte im Hinblick auf die Ernten von Reis, Mais, Sojabohnen und Weizen verschiedene Auswirkungen des Klimawandels, darunter Temperaturanstieg, veränderte Niederschläge, Dürren und erhöhte Kohlendioxidkonzentrationen (CO2) in der Atmosphäre. Einige Regionen in hohen Breitengraden dürften Ertragssteigerungen verzeichnen, während tropische Regionen in niedrigen Breitengraden wahrscheinlich mit Ertragsrückgängen zu kämpfen haben.

Das entspricht den Ergebnissen einer Zusammenfassung jüngerer Studien über die Produktionsänderungen wichtiger Grundnahrungsmittel aufgrund des Klimawandels.[6] Allgemein wird erwartet, dass höhere Temperaturen und der CO2-Effekt in den hohen Breiten positive Auswirkungen auf die Ernten wichtiger Anbaufrüchte haben werden, die allerdings durch Wetterextreme gefährdet sind. In den niederen Breiten wird die Produktion wichtiger Grundnahrungsmittel jedoch ernsthaft unter dem Klimawandel leiden, besonders von C4-Pflanzen wie Mais, auf die sich der CO2-Effekt deutlich weniger positiv auswirkt als bei C3-Pflanzen. Insgesamt wird mit einem Ernterückgang von 4% bei dem hohen Emissionsszenario SSP5-8.5 bis 2050 gerechnet. Auch eine geringe Abnahme der Ernten liegt weit unter dem Produktionszuwachs, der erforderlich wäre, um den Nahrungsmittelbedarf der wachsenden Bevölkerung mit ihren sich verändernden Ernährungsgewohnheiten zu decken, was die Notwendigkeit rascher und wirksamer Anpassungen unterstreicht.

Bisherige Änderungen der Produktion

Abb. 2: Einfluss des Klimawandels auf die Erträge von Weizen 1974-2013 in t/ha/Jahr

Die zukünftigen Folgen des Klimawandels für die landwirtschaftliche Produktion wurden bisher mithilfe von Modellsimulationen gründlicher untersucht als die Änderungen in den letzten Jahrzehnten.[7] Positive Effekte wurden für Reis und Weizen im östlichen Asien und für Weizen in Nordeuropa festgestellt. Eher negativ wirkte sich der Klimawandel in Südsahara-Afrika, Südamerika, Südasien, West- und Südeuropa aus. Dabei waren die klimatischen Faktoren mit der größten negativen Wirkung und die betroffenen Anbaufrüchte in den einzelnen Regionen verschieden. So haben in Westafrika Hitze- und Niederschlagsextreme die Hirseernte um 10-20% reduziert. In Australien haben abnehmende Niederschläge und höhere Temperaturen zu geringeren Weizenerträgen geführt, und in Südeuropa haben sich durch die Klimaerwärmung die Ernten fast aller wichtigen Kulturen reduziert. Ernteverluste durch Dürren wurden auf 75% der globalen Anbaufläche beobachtet. Gravierend hat sich auch die Kombination von Hitze und Dürren ausgewirkt. So haben sich in Europa in den letzten fünf Jahrzehnten die Ernteeinbußen dadurch verdreifacht. Verheerende Folgen haben in manchen Regionen wie z.B. in Pakistan und Myanmar auch Überschwemmungen gehabt.[4]

Eine Untersuchung für den Zeitraum 1974-2013 über den Einfluss des Klimawandels auf die global 10 wichtigsten Anbaufrüchte Gerste, Cassava, Mais, Ölpalmen, Raps, Reis, Sojabohnen, Zuckerrohr und Weizen (zu Weizen Abb. 2) kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass sich die Produktion je nach Anbaufrucht sehr unterschiedlich verändert hat. Die Veränderungen der Erntemengen durch die globale Erwärmung reichen von -13,4% bei Ölpalmen bis +3,5% bei Sojabohnen. Die Maisernten sind nahezu gleich geblieben, Reis- und Weizenernten haben leicht um 0,3% bzw. 0,9% abgenommen.[7]

Zukünftige Produktionsänderungen

Abb. 3: Veränderung der globalen Mais-Ernte nach dem Szenario RCP8.5 bei extremem Hitzestress bis 2080 im Vergleich zu 1980

Je nach Klimaszenario und ohne Anpassung liegen die Simulationen der zukünftigen Ernteverluste durch den Klimawandel global bei 7-23%. Je nach globaler Temperaturzunahme von <2°C, 2-4°C und über 4°C werden die Erträge bei Weizen, Mais, Reis und Hirse in den tropischen und gemäßigten Breiten um 6,2% bis 18,3% abnehmen. Dabei sind Anpassungsmaßnahmen nicht berücksichtigt. In den Tropen sind die Verluste im Allgemeinen höher, da die tropischen Kulturen hier bereits unter optimalen Temperaturbedingungen wachsen und jede zusätzliche Temperaturerhöhung die negativen Folgen für die Ernten verstärkt. Außerdem profitieren die hier dominierenden C4-Pflanzen im Vergleich zu C3-Pflanzen nur minimal vom CO2-Düngungseffekt, der sich in tropischen Breiten positiv hauptsächlich bei Dürren auswirkt.[6]

Einzelne Untersuchungen zeigen etwa starke Zunahmen der Weizenernte in Australien und China um 25%, in anderen Regionen um 8-13%. Dagegen fallen die Projektionen von Mais für die Hauptanbaugebiete wie die USA mit Abnahmen von 0,3-8% für das niedrige Szenario SSP1-2.6 und von 10-35% für das hohe Szenario SSP5-8.5 deutlich negativ aus. Für die EU wird mit einer Zunahme der Weizenernte um 14% und einer Abnahme der Maisernte um 6% gerechnet. Die projizierten Folgen für die Reisernte in China, Indien, Bangladesch und Indonesien reichen bei den erwähnten Szenarien von 0% bis 10% Zunahme. Am stärksten von Ernterückgängen werden Subsahara-Afrika, der Nahe Osten und Nordafrika betroffen sein.[6] Die in Abb. 3 dargestellten globalen Maisernten bei demselben Szenario, jedoch mit dem Fokus auf extremen Hitzestress, zeigen teilweise andere Ergebnisse, mit deutlichen Zunahmen vor allem in den mittleren Breiten Eurasiens, besonders auch in Mitteleuropa, und starken Abnahmen in den Tropen.[8]

Einzelnachweise

  1. Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung (2024): Weltbevölkerung erreicht 8 Milliarden
  2. FAO, IFAD, UNICEF, WFP and WHO (2024): The State of Food Security and Nutrition in the World 2024 – Financing to end hunger, food insecurity and malnutrition in all its forms, Rome
  3. Hochspringen nach: 3,0 3,1 FAO (2024): World Food and Agriculture – Statistical Yearbook 2024. Rome
  4. Hochspringen nach: 4,0 4,1 IPCC AR6, WGII (2022): Food, Fibre, and Other Ecosystem Products, 5.4.1
  5. Jägermeyr, J., C. Muller, A.C. Ruane et al. (2021): Climate Impacts on Global Agriculture Emerge Earlier in New Generation of Climate and Crop Models. Nat. Food 2021, 2, 873–885
  6. Hochspringen nach: 6,0 6,1 6,2 Rezaei, E.E., H. Webber, S. Asseng et al. (2023): Climate change impacts on crop yields. Nat Rev Earth Environ 4, 831–846
  7. Hochspringen nach: 7,0 7,1 Ray, D.K., P.C. West, M. Clark et al. (2019): Climate change has likely already affected global food production. PLoS ONE 14(5): e0217148
  8. Deryng, D., D. Conway, N. Ramankutty et al. (2014): Global crop yield response to extreme heat stress under multiple climate change futures, Environmental Research Letters 9, 3


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