Gletscher in Südamerika: Unterschied zwischen den Versionen

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== Tropische Anden ==
== Tropische Anden ==
In den tropischen Anden befinden sich mehr als 99 % aller tropischen Gletscher. Davon liegen 71 % in Peru, 20 % in Bolivien, 4 % in Ecuador und 4 % in Kolumbien und Venezuela. Die gesamte Fläche der Gletscher in den tropischen Anden wird auf 1920 km<sup>2</sup> geschätzt.<ref name="Rabatel 2012">Rabatel, A., et al. (2012): [http://www.the-cryosphere-discuss.net/6/2477/2012/tcd-6-2477-2012.html Review article of the current state of glaciers in the tropical Andes: a multi-century perspective on glacier evolution and climate change], The Cryosphere Discussion 6, 2477-2536</ref> Die Erwärmung in den Anden ist von ähnlichem Ausmaß wie in der Arktis, aber die Konsequenzen betreffen eine wesentlich höhere Bevölkerung. Denn wichtige Anden-Länder wie Bolivien und Peru hängen in der trockenen Jahreszeit in hohem Maße vom Wasser der Gletscher ab.<ref name="Vuille 2008">Vuille, M., et al. (2008): Climate change and tropical Andean glaciers: past, present and future, Earth-Science Reviews, 89, 79–96</ref>  
In den tropischen Anden befinden sich mehr als 99 % aller [[Gletscher in den Tropen|tropischen Gletscher]]. Davon liegen 71 % in Peru, 20 % in Bolivien, 4 % in Ecuador und 4 % in Kolumbien und Venezuela. Die gesamte Fläche der Gletscher in den tropischen Anden wird auf 1920 km<sup>2</sup> geschätzt.<ref name="Rabatel 2012">Rabatel, A., et al. (2012): [http://www.the-cryosphere-discuss.net/6/2477/2012/tcd-6-2477-2012.html Review article of the current state of glaciers in the tropical Andes: a multi-century perspective on glacier evolution and climate change], The Cryosphere Discussion 6, 2477-2536</ref> Die Erwärmung in den Anden ist von ähnlichem Ausmaß wie in der [[Klimaänderungen in den Polargebieten|Arktis]], aber die Konsequenzen betreffen eine wesentlich höhere Bevölkerung. Denn wichtige Anden-Länder wie Bolivien und Peru hängen in der trockenen Jahreszeit in hohem Maße vom Wasser der Gletscher ab.<ref name="Vuille 2008">Vuille, M., et al. (2008): Climate change and tropical Andean glaciers: past, present and future, Earth-Science Reviews, 89, 79–96</ref>  


=== Lage ===
=== Lage ===
70 % der Andengletscher liegen in Peru. Sie sind zugleich die am besten untersuchten tropischen Gletscher. Die ausgedehnteste tropische Vergletscherung in der Welt findet sich in der Cordillera Blanca. In Bolivien gibt es Vergletscherungen in der Cordillera Occidental, der Cordillera Oriendental und der Cordillera Real. Die Gletscher in Ecuador liegen zum einen in der Cordillera Occidental und zum anderen in der Cordillera Oriental. <ref name="Vuille 2008" /> In den Kolumbischen Anden finden sich noch sechs Bergregionen mit Gletschern. Davon ist die Sierra Nevada de Santa Marta die nördlichste Region mit tropischen Gletschern in Südamerika. Das größte zusammenhängende Gletschergebiet Kolumbiens befindet sich in der Sierra Nevada del Cocuy im Nordwesten Kolumbiens.<ref name="Jomelli 2009">Jomelli, V., et al. (2009): Fluctuations of glaciers in the tropical Andes over the last millennium and palaeoclimatic implications: A review, Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology 281, 269–282</ref> Ein kleineres Gletschervorkommen findet sich außerdem in dem Pico Bonpland Massif im westlichen Venezuela.
70 % der tropischen Andengletscher liegen in Peru. Sie sind zugleich die am besten untersuchten tropischen Gletscher. Die ausgedehnteste tropische Vergletscherung in der Welt findet sich in der Cordillera Blanca. In Bolivien gibt es Vergletscherungen in der Cordillera Occidental, der Cordillera Oriendental und der Cordillera Real. Die Gletscher in Ecuador liegen zum einen in der Cordillera Occidental und zum anderen in der Cordillera Oriental. <ref name="Vuille 2008" /> In den Kolumbischen Anden finden sich noch sechs Bergregionen mit Gletschern. Davon ist die Sierra Nevada de Santa Marta die nördlichste Region mit tropischen Gletschern in Südamerika. Das größte zusammenhängende Gletschergebiet Kolumbiens befindet sich in der Sierra Nevada del Cocuy im Nordwesten Kolumbiens.<ref name="Jomelli 2009">Jomelli, V., et al. (2009): Fluctuations of glaciers in the tropical Andes over the last millennium and palaeoclimatic implications: A review, Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology 281, 269–282</ref> Ein kleineres Gletschervorkommen findet sich außerdem in dem Pico Bonpland Massif im westlichen Venezuela.


=== Klimaänderungen ===
=== Klimaänderungen ===
In den höheren Lagen der tropischen Anden, d.h. in den Höhen, in denen sich die Mehrzahl der Gletscher befinden, ist der Temperaturanstieg über das 20. Jahrhundert auf 1,1 °C geschätzt worden.<ref name="Rabatel 2012" /> Dabei haben sich vor allem die Minimumtemperaturen erhöht. Die kalten Nächte sind wärmer geworden, und die extrem kalten Nächte haben in der Anzahl abgenommen.<ref name="Vuille 2008" /> Das führte dazu, dass die Gleichgewichtslinie  zwischen Zehr- und Nährgebiet in den inneren Tropen um 60 m und in den äußeren Tropen um 160 m angestiegen ist. Neben der allgemeinen Erwärmung spielen El-Niño- und La-Niña-Ereignisse mit beschleunigenden bzw. verzögernden Effekten eine Rolle.<ref name="Rabatel 2012" /> Während El-Niño-Jahren zeigen die tropischen Anden im Mittel im Sommer eine um 0,7-1,3 °C höhere Bodentemperatur als in La-Niña-Jahren.  Analysen des Niño-3-Index zeigen, dass eine Erwärmung der Meeresoberflächentemperatur des östlichen tropischen Pazifik um 1 °C die Frostgrenze um 76 m anhebt.<ref name="Vuille 2008" />
In den höheren Lagen der tropischen Anden, d.h. in den Höhen, in denen sich die Mehrzahl der Gletscher befinden, ist der Temperaturanstieg über das 20. Jahrhundert auf 1,1 °C geschätzt worden.<ref name="Rabatel 2012" /> Dabei haben sich vor allem die Minimumtemperaturen erhöht. Die kalten Nächte sind wärmer geworden, und die extrem kalten Nächte haben in der Anzahl abgenommen.<ref name="Vuille 2008" /> Das führte dazu, dass die Gleichgewichtslinie  zwischen Zehr- und Nährgebiet in den inneren Tropen um 60 m und in den äußeren Tropen um 160 m angestiegen ist. Neben der allgemeinen Erwärmung spielen [[ENSO|El-Niño- und La-Niña-Ereignisse]] mit beschleunigenden bzw. verzögernden Effekten eine Rolle.<ref name="Rabatel 2012" /> Während El-Niño-Jahren zeigen die tropischen Anden im Mittel im Sommer eine um 0,7-1,3 °C höhere Bodentemperatur als in La-Niña-Jahren.  Analysen des [[ENSO und der anthropogene Treibhauseffekt|Niño-3-Index]] zeigen, dass eine Erwärmung der Meeresoberflächentemperatur des östlichen tropischen Pazifik um 1 °C die Frostgrenze um 76 m anhebt.<ref name="Vuille 2008" />


Die Änderungen der Niederschläge sind weniger eindeutig. Nördlich von 11°S gibt es in Ecuador, Nord- und Mittel-Peru eine Niederschlagserhöhung, im südlichen Peru und entlang der peruanisch-bolivianischen Grenze dagegen eine Niederschlagsabnahme. Allgemein lässt sich sagen, dass die inneren Tropen feuchter und die äußeren Tropen (Subtropen) trockener werden. Dieser Trend kann durch eine Intensivierung der Hadley-Zirkulation erklärt werden. Einerseits wird der aufsteigende Ast der  Hadley-Zelle kräftiger, wodurch es zu mehr konvektiven Niederschlägen kommt. Andererseits verstärkt sich der absteigende Ast, wodurch Niederschlag und Wolkenbedeckung abnehmen. Dadurch werden die äquatornahen Tropen  feuchter und die Subtropen wolkenärmer und trockener.  Auch bei den Niederschlägen spielen durch ENSO bedingte Schwankungen eine wichtige Rolle. In El-Niño-Jahren sind nicht nur die Temperaturen höher; auch der Himmel ist klarer, und es fallen weniger Niederschläge.<ref name="Vuille 2008" />
Die Änderungen der Niederschläge sind weniger eindeutig. Nördlich von 11°S gibt es in Ecuador, Nord- und Mittel-Peru eine Niederschlagserhöhung, im südlichen Peru und entlang der peruanisch-bolivianischen Grenze dagegen eine Niederschlagsabnahme. Allgemein lässt sich sagen, dass die inneren [[Tropen]] feuchter und die äußeren Tropen ([[Subtropen]]) trockener werden. Dieser Trend kann durch eine Intensivierung der [[Hadley-Zelle|Hadley-Zirkulation]] erklärt werden. Einerseits wird der aufsteigende Ast der  Hadley-Zelle kräftiger, wodurch es zu mehr [[Konvektion|konvektiven]] Niederschlägen kommt. Andererseits verstärkt sich der absteigende Ast, wodurch Niederschlag und Wolkenbedeckung abnehmen. Dadurch werden die äquatornahen Tropen  feuchter und die Subtropen wolkenärmer und trockener.  Auch bei den Niederschlägen spielen durch [[ENSO]] bedingte Schwankungen eine wichtige Rolle. In El-Niño-Jahren sind nicht nur die Temperaturen höher; auch der Himmel ist klarer, und es fallen weniger Niederschläge.<ref name="Vuille 2008" />


=== Gletscherrückgang ===
=== Gletscherrückgang ===
In den letzten 1000 Jahren zeigten die Gletscher der tropischen Anden ihre größte Ausdehnung während der Kleinen Eiszeit. Die Temperaturen lagen in dieser Zeit in Kolumbien um 3 °C, in den anderen Gletschergebieten um 0,8-1,5 ° C über den heutigen Werten. Wichtiger für das Wachstum der Gletscher in der Kleinen Eiszeit als die höheren Temperaturen waren jedoch die höheren Niederschläge, die 20-30 % über denen der Gegenwart lagen. Mit dem 19. Jahrhundert begann ein stetiger Rückzug der Gletscher, der in den jüngsten Jahrzehnten deutlich an Tempo zunahm. Der Grund lag vor allem in den trockeneren Bedingungen seit etwa 1800, die bis ins 20. Jahrhundert anhielten. Anders als die Gletscher der mittleren und höheren Breiten zeigten die tropischen Anden-Gletscher daher keinen Vorstoß in der Mitte des 19. Jahrhunderts, verhielten sich aber sonst im Großen und Ganzen ähnlich wie jene.<ref name="Rabatel 2012" />
In den letzten 1000 Jahren zeigten die Gletscher der tropischen Anden ihre größte Ausdehnung während der [[Klima_der_letzten_1000_Jahre#Kleine_Eiszeit|Kleinen Eiszeit]]. Die Temperaturen lagen in dieser Zeit in Kolumbien um 3 °C, in den anderen Gletschergebieten um 0,8-1,5 ° C über den heutigen Werten. Wichtiger für das Wachstum der Gletscher in der Kleinen Eiszeit als die höheren Temperaturen waren jedoch die höheren Niederschläge, die 20-30 % über denen der Gegenwart lagen. Mit dem 19. Jahrhundert begann ein stetiger Rückzug der Gletscher, der in den jüngsten Jahrzehnten deutlich an Tempo zunahm. Der Grund lag vor allem in den trockeneren Bedingungen seit etwa 1800, die bis ins 20. Jahrhundert anhielten. Anders als die Gletscher der mittleren und höheren Breiten zeigten die tropischen Anden-Gletscher daher keinen Vorstoß in der Mitte des 19. Jahrhunderts, verhielten sich aber sonst im Großen und Ganzen ähnlich wie jene.<ref name="Rabatel 2012" />


Wesentlich besser als in früheren Zeiten ist die Gletscherveränderung im 20. Jahrhundert untersucht, vor allem in den Anden Perus. So wurden für die letzten drei bis vier Jahrzehnte bei den verschiedenen Massiven der peruanischen Anden (Cordillera Blanca,  Cordillera Vilcanota, Cordillera Ampato) eine Reduktion der Gletscherflächen um 20 % bis über 30 % festgestellt. Im Huandoy-Artesonraju Massif, dem nördlichen Teil der Cordillera Blanca, nahm z.B. die Gletscherfläche von 723 km<sup>2</sup> auf 527 km<sup>2</sup> ab, wobei sich die Verluste besonders seit Ende der 1990er Jahre gesteigert haben. Insgesamt haben die Gletscher der Cordillera Blanca seit Ende der 1970er Jahre um 500-600 m Länge eingebüßt. Neben dem langjährigen Trend gab es z.T. auch stärkere jährliche Schwankungen, die vor allem durch das ENSO-Phänomen bedingt waren. In El-Niño-Jahren hat sich der Gletscherrückzug beschleunigt, in La-Niña-Jahren etwas verlangsamt. In den bolivianischen Anden, die eine Gletscherfläche von 560 km<sup>2</sup> umfassen, verlief die Entwicklung sehr ähnlich wie in Peru. Noch etwas deutlicher fiel der Gletscherverlust in den Ecuadorianischen Anden aus. So schrumpfte das Gletschergebiet um den Chimborazo schon in der Zeit von 1962 bis 1997 von 27,7 auf 11,8 km<sup>2</sup> zusammen, ein Flächenverlust von 57 %. Auch in anderen Gletschergebieten ging die Fläche um über 30 % zurück. In Kolumbien betrug die Gletscherfläche in den 1950er Jahren noch 89,3 km<sup>2</sup>, in der Mitte der 2000er Jahre dagegen nur noch 43,8 %. Die kleine Venezuelanische Gletscherfläche reduzierte sich sogar von 2 auf 0,3 km<sup>2</sup>.<ref name="Rabatel 2012" />
Wesentlich besser als in früheren Zeiten ist die Gletscherveränderung im 20. Jahrhundert untersucht, vor allem in den Anden Perus. So wurden für die letzten drei bis vier Jahrzehnte bei den verschiedenen Massiven der peruanischen Anden (Cordillera Blanca,  Cordillera Vilcanota, Cordillera Ampato) eine Reduktion der Gletscherflächen um 20 % bis über 30 % festgestellt. Im Huandoy-Artesonraju Massif, dem nördlichen Teil der Cordillera Blanca, nahm z.B. die Gletscherfläche von 723 km<sup>2</sup> auf 527 km<sup>2</sup> ab, wobei sich die Verluste besonders seit Ende der 1990er Jahre gesteigert haben. Insgesamt haben die Gletscher der Cordillera Blanca seit Ende der 1970er Jahre um 500-600 m Länge eingebüßt. Neben dem langjährigen Trend gab es z.T. auch stärkere jährliche Schwankungen, die vor allem durch das [[ENSO]]-Phänomen bedingt waren. In El-Niño-Jahren hat sich der Gletscherrückzug beschleunigt, in La-Niña-Jahren etwas verlangsamt. In den bolivianischen Anden, die eine Gletscherfläche von 560 km<sup>2</sup> umfassen, verlief die Entwicklung sehr ähnlich wie in Peru. Noch etwas deutlicher fiel der Gletscherverlust in den Ecuadorianischen Anden aus. So schrumpfte das Gletschergebiet um den Chimborazo schon in der Zeit von 1962 bis 1997 von 27,7 auf 11,8 km<sup>2</sup> zusammen, ein Flächenverlust von 57 %. Auch in anderen Gletschergebieten ging die Fläche um über 30 % zurück. In Kolumbien betrug die Gletscherfläche in den 1950er Jahren noch 89,3 km<sup>2</sup>, in der Mitte der 2000er Jahre dagegen nur noch 43,8 %. Die kleine Venezuelanische Gletscherfläche reduzierte sich sogar von 2 auf 0,3 km<sup>2</sup>.<ref name="Rabatel 2012" />


Nicht viel anders sah es bei der Massenbilanz der tropischen Gletscher Südamerikas aus. Zwischen 1976 bis 2010 betrug der Verlust am Eisvolumen im Schnitt 0,76 m Wasseräquivalent pro Jahr. Dabei zeigte sich ein deutlicher Unterschied zwischen den höher gelegenen Gletschern (über 5400 m) und den niedriger gelegenen Gletschern (unter 5400 m) mit fehlendem dauerhaftem Akkumulationsgebiet, die doppelt so schnell an Masse verloren wie jene. Insgesamt scheinen die Gletscher der tropischen Anden eine höhere negative Massenbilanz aufzuweisen als alle anderen Gletscher in der Welt. Und es scheint so, dass die tropischen Gletscher bereits deutlich früher, nämlich in den 1970er Jahren, einen beschleunigten Gletscherschwund zeigten als die Gletscher der mittleren und höheren Breiten, die erst seit den 1990er Jahren stärker abschmolzen.<ref name="Rabatel 2012" />
Nicht viel anders sah es bei der Massenbilanz der tropischen Gletscher Südamerikas aus. Zwischen 1976 bis 2010 betrug der Verlust am Eisvolumen im Schnitt 0,76 m Wasseräquivalent pro Jahr. Dabei zeigte sich ein deutlicher Unterschied zwischen den höher gelegenen Gletschern (über 5400 m) und den niedriger gelegenen Gletschern (unter 5400 m) mit fehlendem dauerhaftem Akkumulationsgebiet, die doppelt so schnell an Masse verloren wie jene. Insgesamt scheinen die Gletscher der tropischen Anden eine höhere negative Massenbilanz aufzuweisen als alle anderen Gletscher in der Welt. Und es scheint so, dass die tropischen Gletscher bereits deutlich früher, nämlich in den 1970er Jahren, einen beschleunigten Gletscherschwund zeigten als die Gletscher der mittleren und höheren Breiten, die erst seit den 1990er Jahren stärker abschmolzen.<ref name="Rabatel 2012" />


[[Bild:Patagonien Gletschergebiete.gif|thumb|380px|Gletschergebiete in Patagonien und auf Feuerland]]
[[Bild:Patagonien Gletschergebiete.gif|thumb|380px|Gletschergebiete in Patagonien und auf Feuerland]]
== Patagonien und Feuerland ==
== Patagonien und Feuerland ==



Version vom 17. Januar 2013, 22:06 Uhr

NASA-Satellitenbild der Anden

Lage und Klima

Die südamerikanischen Gebirgsgletscher liegen alle in den Anden. Dieser Gebirgszug erstreckt sich über 7000 km von Norden nach Süden am Westrand des südamerikanischen Kontinents. Entsprechend liegen die Gletscher in ganz unterschiedlichen klimatischen Zonen. Im nördlichen Teil der Anden (12° N bis 23,5° S) ist das Klima durch die tropischen Zirkulationsmuster bestimmt, mit einem im Norden feuchten und nach Süden hin immer trockenerem Klima. Südlich von 23° S verliert sich der tropische Einfluss, und die Lage zum Pazifik mit kaltem Küstenstrom und extremer Trockenheit dominiert. Das Gebiet südlich von 31° S befindet sich dann unter dem Einfluss der Westwindzone. Entsprechend den klimatischen Bedingungen liegen die Gletscher in der tropischen Zone sehr hoch und erhalten in den immerfeuchten Tropen das ganze Jahr über Niederschläge für die Akkumulation. Weiter südlich nehmen die Niederschläge ab bis hin zu so trockenen Gebieten, dass sich aufgrund der extremen Trockenheit auf einer Länge von 900 km (18°-23° S) keine Gletscher bilden können. Südlich davon nimmt der Einfluss der Westwinde allmählich zu und die Temperaturen ab. Dadurch kommt es wieder zur Gletscherbildung, zunächst in 2000-5000 m Höhe, dann in Patagonien auch deutlich darunter bis hin zu Gletscherzungen in Südpatagonien und auf Feuerland, die teilweise in pazifische Fjorde kalben.[1]

Tropische Anden

In den tropischen Anden befinden sich mehr als 99 % aller tropischen Gletscher. Davon liegen 71 % in Peru, 20 % in Bolivien, 4 % in Ecuador und 4 % in Kolumbien und Venezuela. Die gesamte Fläche der Gletscher in den tropischen Anden wird auf 1920 km2 geschätzt.[2] Die Erwärmung in den Anden ist von ähnlichem Ausmaß wie in der Arktis, aber die Konsequenzen betreffen eine wesentlich höhere Bevölkerung. Denn wichtige Anden-Länder wie Bolivien und Peru hängen in der trockenen Jahreszeit in hohem Maße vom Wasser der Gletscher ab.[3]

Lage

70 % der tropischen Andengletscher liegen in Peru. Sie sind zugleich die am besten untersuchten tropischen Gletscher. Die ausgedehnteste tropische Vergletscherung in der Welt findet sich in der Cordillera Blanca. In Bolivien gibt es Vergletscherungen in der Cordillera Occidental, der Cordillera Oriendental und der Cordillera Real. Die Gletscher in Ecuador liegen zum einen in der Cordillera Occidental und zum anderen in der Cordillera Oriental. [3] In den Kolumbischen Anden finden sich noch sechs Bergregionen mit Gletschern. Davon ist die Sierra Nevada de Santa Marta die nördlichste Region mit tropischen Gletschern in Südamerika. Das größte zusammenhängende Gletschergebiet Kolumbiens befindet sich in der Sierra Nevada del Cocuy im Nordwesten Kolumbiens.[4] Ein kleineres Gletschervorkommen findet sich außerdem in dem Pico Bonpland Massif im westlichen Venezuela.

Klimaänderungen

In den höheren Lagen der tropischen Anden, d.h. in den Höhen, in denen sich die Mehrzahl der Gletscher befinden, ist der Temperaturanstieg über das 20. Jahrhundert auf 1,1 °C geschätzt worden.[2] Dabei haben sich vor allem die Minimumtemperaturen erhöht. Die kalten Nächte sind wärmer geworden, und die extrem kalten Nächte haben in der Anzahl abgenommen.[3] Das führte dazu, dass die Gleichgewichtslinie zwischen Zehr- und Nährgebiet in den inneren Tropen um 60 m und in den äußeren Tropen um 160 m angestiegen ist. Neben der allgemeinen Erwärmung spielen El-Niño- und La-Niña-Ereignisse mit beschleunigenden bzw. verzögernden Effekten eine Rolle.[2] Während El-Niño-Jahren zeigen die tropischen Anden im Mittel im Sommer eine um 0,7-1,3 °C höhere Bodentemperatur als in La-Niña-Jahren. Analysen des Niño-3-Index zeigen, dass eine Erwärmung der Meeresoberflächentemperatur des östlichen tropischen Pazifik um 1 °C die Frostgrenze um 76 m anhebt.[3]

Die Änderungen der Niederschläge sind weniger eindeutig. Nördlich von 11°S gibt es in Ecuador, Nord- und Mittel-Peru eine Niederschlagserhöhung, im südlichen Peru und entlang der peruanisch-bolivianischen Grenze dagegen eine Niederschlagsabnahme. Allgemein lässt sich sagen, dass die inneren Tropen feuchter und die äußeren Tropen (Subtropen) trockener werden. Dieser Trend kann durch eine Intensivierung der Hadley-Zirkulation erklärt werden. Einerseits wird der aufsteigende Ast der Hadley-Zelle kräftiger, wodurch es zu mehr konvektiven Niederschlägen kommt. Andererseits verstärkt sich der absteigende Ast, wodurch Niederschlag und Wolkenbedeckung abnehmen. Dadurch werden die äquatornahen Tropen feuchter und die Subtropen wolkenärmer und trockener. Auch bei den Niederschlägen spielen durch ENSO bedingte Schwankungen eine wichtige Rolle. In El-Niño-Jahren sind nicht nur die Temperaturen höher; auch der Himmel ist klarer, und es fallen weniger Niederschläge.[3]

Gletscherrückgang

In den letzten 1000 Jahren zeigten die Gletscher der tropischen Anden ihre größte Ausdehnung während der Kleinen Eiszeit. Die Temperaturen lagen in dieser Zeit in Kolumbien um 3 °C, in den anderen Gletschergebieten um 0,8-1,5 ° C über den heutigen Werten. Wichtiger für das Wachstum der Gletscher in der Kleinen Eiszeit als die höheren Temperaturen waren jedoch die höheren Niederschläge, die 20-30 % über denen der Gegenwart lagen. Mit dem 19. Jahrhundert begann ein stetiger Rückzug der Gletscher, der in den jüngsten Jahrzehnten deutlich an Tempo zunahm. Der Grund lag vor allem in den trockeneren Bedingungen seit etwa 1800, die bis ins 20. Jahrhundert anhielten. Anders als die Gletscher der mittleren und höheren Breiten zeigten die tropischen Anden-Gletscher daher keinen Vorstoß in der Mitte des 19. Jahrhunderts, verhielten sich aber sonst im Großen und Ganzen ähnlich wie jene.[2]

Wesentlich besser als in früheren Zeiten ist die Gletscherveränderung im 20. Jahrhundert untersucht, vor allem in den Anden Perus. So wurden für die letzten drei bis vier Jahrzehnte bei den verschiedenen Massiven der peruanischen Anden (Cordillera Blanca, Cordillera Vilcanota, Cordillera Ampato) eine Reduktion der Gletscherflächen um 20 % bis über 30 % festgestellt. Im Huandoy-Artesonraju Massif, dem nördlichen Teil der Cordillera Blanca, nahm z.B. die Gletscherfläche von 723 km2 auf 527 km2 ab, wobei sich die Verluste besonders seit Ende der 1990er Jahre gesteigert haben. Insgesamt haben die Gletscher der Cordillera Blanca seit Ende der 1970er Jahre um 500-600 m Länge eingebüßt. Neben dem langjährigen Trend gab es z.T. auch stärkere jährliche Schwankungen, die vor allem durch das ENSO-Phänomen bedingt waren. In El-Niño-Jahren hat sich der Gletscherrückzug beschleunigt, in La-Niña-Jahren etwas verlangsamt. In den bolivianischen Anden, die eine Gletscherfläche von 560 km2 umfassen, verlief die Entwicklung sehr ähnlich wie in Peru. Noch etwas deutlicher fiel der Gletscherverlust in den Ecuadorianischen Anden aus. So schrumpfte das Gletschergebiet um den Chimborazo schon in der Zeit von 1962 bis 1997 von 27,7 auf 11,8 km2 zusammen, ein Flächenverlust von 57 %. Auch in anderen Gletschergebieten ging die Fläche um über 30 % zurück. In Kolumbien betrug die Gletscherfläche in den 1950er Jahren noch 89,3 km2, in der Mitte der 2000er Jahre dagegen nur noch 43,8 %. Die kleine Venezuelanische Gletscherfläche reduzierte sich sogar von 2 auf 0,3 km2.[2]

Nicht viel anders sah es bei der Massenbilanz der tropischen Gletscher Südamerikas aus. Zwischen 1976 bis 2010 betrug der Verlust am Eisvolumen im Schnitt 0,76 m Wasseräquivalent pro Jahr. Dabei zeigte sich ein deutlicher Unterschied zwischen den höher gelegenen Gletschern (über 5400 m) und den niedriger gelegenen Gletschern (unter 5400 m) mit fehlendem dauerhaftem Akkumulationsgebiet, die doppelt so schnell an Masse verloren wie jene. Insgesamt scheinen die Gletscher der tropischen Anden eine höhere negative Massenbilanz aufzuweisen als alle anderen Gletscher in der Welt. Und es scheint so, dass die tropischen Gletscher bereits deutlich früher, nämlich in den 1970er Jahren, einen beschleunigten Gletscherschwund zeigten als die Gletscher der mittleren und höheren Breiten, die erst seit den 1990er Jahren stärker abschmolzen.[2]

Gletschergebiete in Patagonien und auf Feuerland

Patagonien und Feuerland

Lage und Klima

Die größten Gletschergebiete Südamerikas finden sich in den südlichen Anden, und zwar in Patagonien und auf Feuerland. Das Nordpatagonische Eisfeld bedeckt eine Fläche von 4197 km2, das Südpatagonische Eisfeld erstreckt sich über 13000 km2 und das Eisfeld der Cordillera Darwin über 2300 km2. Das Gebiet ist insgesamt durch starke Westwinde bestimmt, die auch den Hauptniederschlag bringen. Die Andenkette variiert das Klima und sorgt für einen starken Niederschlagsabfall von West nach Ost und Trockenheit und hohe Temperaturren auf der Ostseite der Eisfelder. Während auf der Westseite der marine Einfluss und starke Westwinde für Niederschläge bis zu 7000 mm pro Jahr sorgen, fallen auf der Ostseite teilweise nur 300 mm/Jahr. Die Temperaturen sind im 20. Jahrhundert um etwa 1 °C gestiegen. Die Niederschläge haben in den letzten Jahrzehnten im mittleren Patagonien etwas zugenommen, sich auf Feuerland aber kaum verändert.[5]

Das Nordpatagonische Eisfeld

Das Nordpatagonische Eisfeld liegt im Bereich der Westwinddrift mit reichlichen Niederschlägen, die jedoch von Westen nach Osten abnehmen. Die höheren Niederschläge im Westen haben zur Folge, dass hier die größeren Gletscherlängen zu finden sind. Die meisten Gletscher kalben in Süßwasserseen. In den letzten 60 Jahren wurde hier ein allgemeiner Gletscherrückzug beobachtet, wobei die Gletscher auf der Westseite stärker abschmolzen als auf der Ostseite. Nach 1990 hat die Gletscherschmelze noch zugenommen. Einzelne Gletscher wie Sa Rafael und Cachet haben zwischen 1945 und 2005 mehr als 5 km an Länge verloren. Es wurde kein Gletscher beobachtet, der gewachsen ist oder stagniert hat.[5] In den Jahren 2000 bis 2012 belief sich der Massenverlust auf 4,4 Gt pro Jahr.[6]

Das Südpatagonischen Eisfeld

Im Südpatagonischen Eisfeld findet sich mit dem 1265 km2 großen Brüggen-Gletscher (auch Pio-XI-Gletscher) der größte Gletscher Südamerikas und außerhalb der Antarktis sogar der Südhalbkugel. Die meisten der auf der Ostseite der Anden liegenden Gletscher kalben in Süßwasserseen, die auf der Westseite dagegen in Fjorde. Auch die Gletscher im Südpatagonischen Eisfeld zogen sich insgesamt zurück. So verringerte sich die Eisfläche zwischen 1945 und 1986 um 220 km2.[5] In jüngster Zeit hat sich die Abschmelrate noch deutlich beschleunigt. Zwischen 2000 und 2012 betrug der Massenverlust für die beiden patagonsihen Eisfelder 24,4 Gt/Jahr, zwischen ca. 1970 und 2000 waren es nur 15 Gt/Jahr.[6] Einzelne Gletscher verloren dabei deutlich an Länge, so der Upsala-Gletscher um 6 km zwischen 1979 und 2000.[5] Bei diesem 834 km2 großen Gletscher wurde zwischen 2000 und 2012 auch ein erheblich höherer Massenverlus festgestellt. Während der Verlust 1975-2000 0,6 km3 betrug, belief er sich 2000-2012 auf 3,1 km3 und stand damit für 15 % des gesamten Massenverlustes des Südpatagonischen Eisfeldes in dieser Zeit.[6] Andere Gletscher wie der O’Higgins und der Jorge Montt verkürzten sich 1945-2005 um 11,6 km bzw. 10,5 km. Eine Ausnahme stellt jedoch der Brüggen-Gletscher dar. Er ist zwischen den 1945 und den 1976 um 8 km vorgestoßen, hat sich seitdem aber kaum verändert.[5] Der Grund könnte die Mündung in einen See sein, auf dem sich das schwimmende Gletschereis leichter ausbreiten konnte.[7]

Das Eisfeld der Cordillera Darwin

Auch das Eisfeld der Cordillera Darwin liegt im Westwind-Bereich und weist eine Niederschlagsabnahme in West-Ost-Richtung auf. Das vergletscherte Gebiet erstreckt sich von 2500 m Höhe bis hinunter auf Meeresniveau, wo mehrere Gletscherzungen in Fjorde kalben. Hier zeigen die Gletscher auf der Südseite der Kordillere entweder Stillstand oder leichtes Vorrücken, während sie auf der Nordseite kontinuierlich zurückgewichen sind. Von insgesamt 25 Gletschern zogen zwischen 1945 und 2005 sich 20 zurück, während 5 unverändert geblieben sind. Den größten Rückzug zeigte der Marinelli-Gletscher mit 12,2 km, der damit 38 % seiner Fläche verlor.[5]

Zusammenfassung

Patagonien weist weltweit den höchsten spezifischen Massenverlust von Gletschereis pro m2 auf. Die kumulierten Verluste seit 1960 belaufen sich auf eine Eisdicke von 40 m über alle Gletscher gemittelt.[8]

Als Grund für den insgesamt starken Gletscherrückgang in Patagonien und auf Feuerland wird die Erwärmung der Atmosphäre um ca. 1 °C in den letzten 100 Jahren angenommen. Einzelne Gletscher reagieren jedoch unterschiedlich auf die klimatischen Veränderungen. So zeigen Gletscher, die auf Land münden, ein weitgehend lineares Abschmelzen. Die meisten der in Süßwasserseen oder Fjorde kalbenden Gletscher weisen dagegen Phasen mit abruptem Abschmelzen und solche mit anschließender Stagnation auf. Dabei spielt auch die Geometrie der Fjorde eine Rolle. Bei flacheren Fjorden erfolgt das Abschmelzen eher allmählich. Bei einem tief nach unten abfallendem Fjordboden wird das Kalben der Gletscher beschleunigt. Letzteres trifft etwa für den Marinelli-Gletscher im Eisfeld der Cordillera Darwin zu.[5]

Einzelnachweise

  1. E.A. Sagredo, and T.V. Lowell (2012): Climatology of Andean glaciers: A framework to understand glacier response to climate change, Global and Planetary Change 86–87, 101–109
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 Rabatel, A., et al. (2012): Review article of the current state of glaciers in the tropical Andes: a multi-century perspective on glacier evolution and climate change, The Cryosphere Discussion 6, 2477-2536
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