Ökonomische Aspekte des Climate Engineering

Aus Klimawandel

Climate Engineering umfasst sowohl Maßnahmen zur Reduktion der atmosphärischen Kohlenstoffkonzentration (Carbon Dioxide Removal, CDR) als auch Maßnahmen zur direkten Beeinflussung der Strahlungsbilanz (Radiation Management).1 Diese Maßnahmen werden als mögliche Ergänzung oder sogar als Ersatz zu bzw. von Maßnahmen zur Emissionskontrolle betrachtet. Wirtschaftswissenschaftliche Forschung zu Climate Engineering beschäftigt sich mit den operativen Kosten, den gesamtwirtschaftlichen Kosten und den stragetischen Implikationen für die Klimapolitik.


Operative Kosten des Climate Engineering

Zu den operationalen Kosten der verschiedenen Maßnahmen liegen bislang noch kaum belastbare Informationen vor. Außerdem berücksichtigen die bisherigen Schätzungen keine Einflüsse wie Preiseffekte oder Skaleneffekte. Bei ersterem kommt es durch entsprechende Auswirkungen auf anderen Märkten zu einer erheblichen Veränderung der Preise für Einsatzgüter für die Maßnahme mit entsprechenden Kostensteigerungen. Auf einigen Rohstoff- und Gütermärkten würde die Nachfrage drastisch ansteigen, so dass entsprechende Preissteigerungen nicht vermeidbar sind. Preiseffekte ergeben sich auch auf der Finanzierungsseite, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass mit zahlreichen Maßnahmen erhebliche Investitionsaufwendungen verbunden sind, die auch bei staatlicher Absicherung des Kreditrisikos die Kapitalkosten signifikant erhöhen können. Diese Marktmechanismen haben also zur Folge, dass die Betriebskosten der CE-Technologien bisher unterschätzt werden.

Die Bedeutung der ignorierten Preiseffekte lässt sich beispielsweise anhand der chemischen Verfahren zur marinen Kohlenstoffaufnahme im Ozean illustrieren. Für signifikante Reduktionen der atmosphärischen Kohlenstoffkonzentration würde bei direkter Ausbringung des Kalksteins in pulverisierter Form die zu bewegende Menge etwa 2/3 der jährlichen globalen Steinkohleförderung entsprechen. Die Realisierung dieser Technologien würde also eine massive Ausweitung der Produktionskapazitäten von Ausrüstungsgütern für den Bergbau und der Werften erfordern. Diese Expansion wird erwartungsgemäß von deutlichen Preissteigerungen auf diesen Märkten begleitet.

Bei der Aufforstung und der Produktion von Biokohle ergeben sich ähnliche Verteilungseffekte durch Landnutzungskonflikte. Kostengünstige Aufforstungsmaßnahmen werden über kurz oder lang in Konkurrenz zur Nutzung von fruchtbarem Ackerland für die Nahrungsmittelproduktion treten. Die damit einhergehende Steigerung der Nahrungsmittelpreise würde auch eine Gefahr für die Ernährungssicherheit vieler Regionen darstellen. Preiseffekte ergeben sich natürlich auch auf den Märkten für CO2-Zertifikate, wenn CDR-Maßnahmen über dezentrale Anreizmechanismen wie die Vergabe eben dieser Zertifikate realisiert werden.

Neben den nachfrageinduzierten Preissteigerungen können aber auch Skaleneffekte bei den verschiedenen Technologien auftreten. Während bei bewährten technischen Komponenten wie Schiffen oder Flugzeugen erwartet wird, dass die Preiseffekte dominieren, können bei neueren Technologiekomponenten auch die Skaleneffekte dominieren, so dass diese im Zeitablauf zu geringeren Kosten produziert werden können als zu Beginn der Entwicklungsphase. So schätzt z.B. Lackner (2010), dass bei einer großskaligen Anwendung von Air Capture die Betriebskosten von 200 USD auf bis zu 30 USD pro Tonne CO2 sinken können. Allerdings beschränkt sich diese Einschätzung bei Air Capture auf die Adsorptionstechnologie und berücksichtigt nicht die möglicherweise steigenden Lagerkosten bei einer großskaligen Anwendung.

Solche Überlegungen zeigen, dass die Abschätzungen über die Kosten verschiedener Maßnahmen des Climate Engineering noch mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sind. Daher werden in zahlreichen Untersuchen relativ grobe Annahmen über die Kosten von Climate Engineering getroffen.

Nichtsdestotrotz lassen sich in ökonomischen Modellen die unterschiedlichen Anreizwirkungen des Climate Engineerings untersuchen, da sich die verschiedenen Maßnahmen in zwei Gruppen aufteilen lassen mit jeweils sehr unterschiedlichen Charakteristiken. Die sogenannten CDR (Carbon Dioxide Removal) Maßnahmen wirken ursächlich auf den Klimawandel in dem sie der Atmosphäre Kohlenstoff entziehen. Da für deutliche Veränderungen der Temperatur aber sehr großen Mengen Kohlenstoff entzogen werden müssen, sind die operationalen Kosten dieser Maßnahmen relativ hoch und vergleichbar mit denen der Emissionskontrolle. Im Gegensatz dazu wirken die sogenannten RM (Radiation Management) Maßnahmen symptomatisch auf den Klimawandel in dem sie den positiven Strahlungsantrieb der Treibhausgasse durch andere negative Strahlungsantriebe ausgleichen. Da diese Maßnahmen daher nicht darauf angewiesen sind großen Mengen an Kohlenstoff zu bewegen um einen Einfluss auf die Strahlungsbilanz zu haben, sind ihre operationalen Kosten deutlich geringer. In einigen ökonomischen Studien wird angenommen, dass die direkten Kosten, das heißt Kosten die mit dem Material und der Ausbringung verbunden sind, praktisch gegen null gehen. Das bedeutet natürlich nicht, dass mit diesen Maßnahmen keine Kosten verbunden, sondern nur, dass ihre Kosten so gering sind, dass ihre Nichtberücksichtigung kaum Auswirkungen auf das optimale Ergebnis hat. Vereinfacht gesagt, werden die gesamtwirtschaftlichen Kosten der RM Maßnahmen durch deren externe Effekte dominiert, so dass man einen relativ geringen Fehler macht, wenn man die direkten Kosten nicht berücksichtigt und nur grob abschätzt.

Bei den Kosten externer Effekte handelt sich es um Nebenwirkungen von CE-Technologie, die nicht intendiert sind, die aber trotzdem mit wirtschaftlichen oder ökologischen Konsequenzen verbunden sind. Dies können sowohl positive als auch negative Nebenwirkungen sein. Werden die externen Effekte nicht in der Kostenberechnung einer CE-Technologie berücksichtigt, dann werden die gesamtwirtschaftlichen Kosten über- oder unterschätzt, je nachdem ob negative oder positive externe Effekte vorliegen.

Bei den externen Effekten kann man zwischen direkten und indirekten externen Effekten unterscheiden. Die direkten externen Effekte beziehen sich zum Beispiel auf die Schäden, die sich durch die Ausbringung eines Materials auf die Umwelt ergeben. Unter den indirekten externen Effekten werden Wirkungen verstanden, die sich durch Rückkopplungseffekte des Klimasystems ergeben und regional unterschiedlich ausfallen können. Diese indirekten klimatischen externen Effekte treten bei den RM-Technologien auf. Es wird davon ausgegangen, dass ins besondere mit diesen indirekten klimatischen externen Effekten erhebliche gesamtwirtschaftliche Kosten verbunden sind, so dass wie oben angesprochen die gesamtwirtschaftlichen Kosten bei den RM-Maßnahmen vor allem durch diese Einflussgröße bestimmt wird.

Bei den SRM-Technologien wird der langwellige treibhausgasinduzierte Strahlungsantrieb durch eine Veränderung der kurzwelligen Strahlung ausgeglichen. Dadurch lässt sich im Hinblick auf die gesamte Strahlungsbilanz zwar ein Nettoeffekt von null herbeiführen, allerdings werden andere Klimavariablen wie zum Beispiel der Niederschlag unterschiedlich kompensiert. Die Modifikation von Zirruswolken (TRM) zielt zwar darauf ab, die langwellige Strahlung zu beeinflussen, hat aber auch Einfluss auf die kurzwellige Strahlung. Zwar liegen hierzu noch keine Studien vor, allerdings sind Veränderungen des regionalen Klimas und des Wasserkreislaufs mit entsprechenden Auswirkungen auf Niederschlagsmenge und -variabilität zu erwarten. Obwohl noch wenig über die unterschiedlichen Auswirkungen von RM-Maßnahmen auf das regionale Klima bekannt ist, muss man davon ausgehen, dass auch die wirtschaftlichen Effekte regional sehr unterschiedlich ausfallen können. Derzeit gibt es noch keine Studien über die Quantifizierung dieser Effekte.

Nichtsdestotrotz lassen sich die Anreize von RM-Maßnahmen in theoretischen Modellen untersuchen. Dabei werden in der Regel mikroökonomische Partialmodelle angewandt, in denen die Summe aus Vermeidungs- und Schadenskosten minimiert wird. Die Vermeidungskosten werden durch herkömmliche Emissionskontrolle und durch CE-Maßnahmen bestimmt, die Schadenskosten durch den Klimawandel und die Nebeneffekte aus dem Einsatz der CE-Maßnahmeng bestimmt. Je nach Detailgrad der Modelle werden die durch Klimawandel verursachten wirtschaftlichen Konsequenzen aus der Temperaturveränderung, dem Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration oder einer Kombination beider abgeleitet. Dabei können positive Effekte wie die CO2-Düngung und negative Effekte wie Ozeanversauerung auftreten.

Ein wichtiges Ergebnis der theoretischen Analysen ist die Substitutionalität von CE-Maßnahmen und Emissionskontrolle. Sind CE-Maßnahmen (gesamtwirtschaftlich) kostengünstig, dann kommen sie zum Einsatz und gleichzeitig werden die Anstrengungen zu einer Verringerung der Emissionen reduziert. In dynamischen Modellen kann gezeigt werden, dass es unter gewissen Annahmen sinnvoll sein könnte, Emissionskontrolle durch RM zu ersetzen, wenn das Klimasystem schnell beeinflusst werden muss. Wie bereits diskutiert, müssen bei RM-Maßnahmen nur relativ geringe Mengen bewegt werden um einen signifikanten und damit dann auch schnellen Einfluss auf die Temperatur zu haben. In dieser Hinsicht ist RM praktisch alternativlos, da die Kontrolle von Emissionen und CDR nicht über ein hinreichend großes kurzfristiges Potential verfügen, um schnell starke Änderungen der Temperatur herbeizuführen. Moreno-Cruz und Keith (2012) untersuchen diese Frage mit Hilfe eines intertemporalen Modells, bei dem zu einem späteren Zeitpunkt die Unsicherheit über die Klimasensitivität aufgehoben wird und entsprechend mit einem Einsatz von RM reagiert werden kann. Ohne RM sind deutlich größere Emissionsreduktionen notwendig als bei der Verfügbarkeit dieser Technologien. Sie zeigen, dass die Verfügbarkeit von RM-Technologien als eine Form der Versicherung gegen unsicheren, beziehungsweise abrupten, also unerwarteten Klimawandel angesehen werden kann.

Dabei ist der optimale Umfang der RM-Maßnahmen umso höher (und entsprechend das Ausmaß der Vermeidung umso niedriger), je geringer der Schaden der RM-Maßnahmen ist, und je höher ihre Effektivität ist. Aber auch wenn die Effektivität der gewählten RM-Technologie gering ist und die direkt damit verbundenen Schäden durch Nebeneffekte hoch sind, bleibt es optimal, RM bei hoher Klimasensitivität einzusetzen, wenn die Schäden durch den Klimawandel konvex zunehmen (Moreno-Cruz und Keith 2012). Trotzdem verliert der Versicherungscharakter von RM an Bedeutung, wenn die Unsicherheit über dessen Effektivität und Schäden zunimmt. Dementsprechend werden die Emissionen wieder stärker reduziert. Es entsteht also ein Trade-off zwischen dem Risiko eines möglicherweise katastrophalen Klimawandels und dem Risiko möglicherweise weitreichender Nebeneffekte durch den RM-Einsatz. Im Hinblick auf die Kombination aus Politiken der Kontrolle von Emissionen und von RM, argumentieren Moreno-Cruz und Keith (2012), dass es sich bei den beiden Maßnahmen um Risikokomplemente handelt.

Das Risiko eines Einsatzes von RM bezieht sich aber nicht nur auf deren Effektivität oder mögliche Nebenwirkungen, sondern auch auf die Möglichkeit einer Unterbrechung der Maßnahmen. Der Abbruch von CDR-Maßnahmen würde zwar wegen des möglicherweise hohen Kapitaleinsatzes wirtschaftliche Verluste verursachen, hätte aber keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Klima. Im Gegensatz dazu führt ein Abbruch von RM zu einem relativ schnellen und drastischen Klimawandel. Mit der Absicherung gegen Klimarisiken entstehen entsprechende neue Abhängigkeiten; denn die RM-Maßnahmen müssen, wenn sie einmal begonnen wurden, über lange Zeit aufrechterhalten werden (lock-in-Effekt). Dieses Ergebnis wird durch die Arbeit von Brovkin et al. (2009) unterstützt. In ihrer naturwissenschaftlichen Studie bestätigen sie grundsätzlich, dass RM-Maßnahmen gegen Klimarisiken absichern können und dass durch das Absenken der Temperatur bei gleichzeitigem CO2-Düngungseffekt die atmosphärische CO2-Konzentration niedriger ist als im BAU-Szenario ohne RM. Allerdings zeigen sie auch, dass der Einsatz von RM für mehrere tausend Jahre fortgesetzt werden muss, wenn nicht gleichzeitig ein anderer Emissionspfad eingeschlagen wird oder andere Wege gefunden werden, die atmosphärische CO2-Konzentration zu reduzieren.

Diese Überlegungen zeigen, dass RM-Maßnahmen eine Option zur Auseinandersetzung mit dem anthropogenen Klimawandel darstellt, die in ihren Wirkungen und Anreizen sehr deutlich von der Emissionskontrolle abweicht. Dabei gilt es zusätzlich zu Berücksichtigen, dass bei den obigen Überlegungen noch überhaupt nicht auf internationale Verteilungswirkungen und die damit verbundenen strategischen Anreize eingegangen wurde. Die quantitative Bewertung dieser Aspekte bedarf aber umso mehr die Entwicklung sogenannter Integrated Assessment Modelle für regionale Klimaveränderungen, die erste Abschätzung basierend auf Simulationen naturwissenschaftlicher Ergebnisse zulassen. Natürlich existieren bereits sowohl Integrated Assessment Modelle als auch empirische Untersuchungen zu Abschätzungen der regionalen Kosten des Klimawandels, allerdings wird bei den RM-Maßnahmen ein künstliches Klima geschaffen, so dass viele der zugrundeliegenden Wechselbeziehungen in den existierenden Studien nicht mehr gelten.