Gullivers Reisen

Aus Weltliteratur
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Gullivers Reisen (engl.: Gulliver’s Travels) ist das bekannteste Werk des englischen Schriftstellers, anglikanischen Priesters und Politikers Jonathan Swift. Es besteht aus vier Teilen und wurde 1726 pseudonym unter dem Titel Travels into Several Remote Nations of the World in Four Parts. By Lemuel Gulliver, first a Surgeon, and then a Captain of Several Ships veröffentlicht.

Inhalt

Das satirische Werk gliedert sich in vier Teile, die den vier Reisen Gullivers entsprechen:

   * Nach Lilliput, ins Land der zwergenhaften Liliputaner
   * Nach Brobdingnag, ins Land der Riesen
   * Nach Laputa, Balnibarbi, Glubbdubdrib, Luggnagg und Japan
   * Ins Land der Houyhnhnms und Yahoos

Der Protagonist, der Schiffsarzt und spätere Kapitän Lemuel Gulliver, schildert seine Erlebnisse auf vier fiktiven Reisen. Zunächst machte er auf der Insel Lilliput die Bekanntschaft der winzigen Einwohner, die zwölfmal kleiner als die Menschen sind. Diesen kann er unter anderem dadurch behilflich sein, dass er eine Feuersbrunst mit seinem Urinstrahl löscht. Auf der Insel Brobdingnag ist das Größenverhältnis umgekehrt, seine Bewohner sind zwölfmal so groß wie die Menschen. Hier ist Gulliver der Zwerg: die Bewohner sind so riesig, dass ihn zum Beispiel eine Prinzessin auf einer ihrer Brustwarzen zu ihrem Vergnügen reiten lassen kann. Diese beiden Teile wurden sehr häufig auch als Kinderbuch bearbeitet und übersetzt.

Er begegnet des weiteren den Bewohnern der schwebenden Insel Laputa, die die darunterliegende Insel Balnibarbi terrorisieren und ihr Leben einer überflüssigen (falschen) Bildung gewidmet haben. Auf der anliegenden Insel der Zauberer tritt er in Kontakt mit Verstorbenen (unter anderem Homer, Aristoteles) und lernt später die Nachteile der Unsterblichkeit (die Vorteile des Todes) kennen.

Schließlich, auf seiner letzten Reise, begegnet Gulliver den Houyhnhnms, rational agierenden Pferden, in deren Land Humanoide leben, die Yahoos, die sich wie Tiere aufführen. Diese Pferde kennen nur die Kunst der Vernunft, kennen weder Not, Krankheit noch Krieg und halten die wilden Yahoos als Haus- und Lasttiere. Als Lemuel Gulliver auftaucht, stellen diese sich die Frage, ob Gulliver zu den Yahoos gehört oder ein Houyhnhnm auf zwei Beinen ist.

Wirkung

Die Intention des als misanthropisch einzustufenden Satirikers – der Autor war immerhin ein Priester, wenn auch ein deutlich politisch engagierter – ist, dem Leser zu zeigen, dass der Mensch als Gattung kein vernünftiges Geschöpf, sondern höchstens ein zur Vernunft fähiges Wesen ist. Gerade die Houyhnhnms der vierten Reise, die eigentlich „nur“ Pferde sind, werden als unendlich viel weiser und friedliebender als der Mensch dargestellt. Daher ist dieses Werk eine unverblümte Satire auf die Gesellschaft zu jener Zeit – vor allem aufgrund der impliziten Kritik an den im frühen 18. Jahrhundert bestehenden Regierungsformen in Europa. Die fliegende Insel ist ein schwach verschleiertes England, das Irland (und Schottland) ausbluten lässt, und das Pinkeln auf das Königshaus des Deutschen (also Ausländers) Georg I. (Großbritannien) durchaus im übertragenen Sinne zu verstehen.

Das Werk ist pure Satire: Viel eher eine Streitschrift als ein frühes unpolitisches Werk der Fantastik, voller Seitenhiebe und Gehässigkeiten. Zum Lesen wird daher eine vollständige und kommentierte Originalausgabe oder gute Übersetzung empfohlen.

Als Gegenreaktion – man konnte dieses bekannte Werk nicht einfach „unterdrücken“ – entstanden daher auch „entschärfte“ Ausgaben, in denen die manchmal derben Episoden und gesellschaftskritischen Passagen ad usum Delphini aufbereitet wurden: es wurde solange zusammengestrichen und vereinfacht, bis aus dem brillanten, scharfzüngigen Werk der Weltliteratur ein Kinderbuch für „einfache Gemüter“ geworden war, wie es auch heute noch oft mit netten und lieblichen Illustrationen aufgelegt wird.

Gullivers Reisen wurden auch im satirischen Genre weiterentwickelt, so beispielsweise als „Gullivers fünfte Reise“: 1. Michail Kozyrew „Die fünfte Reise Lemuel Gullivers“, 1936 entstanden und nach dem Tode des Autors im Gulag (1942) erst 1991 in russischer Sprache veröffentlicht, 2005 erstmals in deutscher Sprache (Persona Verlag, ISBN 3-924652-33-3). 2. Gynter Mödder „Gullivers fünfte Reise“, 2005 Verlag Landpresse, ISBN 3-935221-53-3 .