François Villon

Aus Weltliteratur
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François Villon (* 1431 in Paris; † nach 1463; sein eigentlicher Name war vermutlich François de Montcorbier oder François des Loges). Er gilt als bedeutendster Dichter des französischen Spätmittelalters.

François Villon

In seinen beiden parodistischen Testamenten und in zahlreichen Balladen verarbeitet er die Erlebnisse seines abenteuerlichen Lebens als Scholar, Vagant und Krimineller. Während für die Zeitgenossen vermutlich vor allem die satirischen Strophen auf zeitgenössische Pariser Honoratioren von Interesse waren, schätzt man ihn seit der Romantik wegen seiner eindringlichen Gestaltung der stets aktuellen Themen Liebe, Hoffnung, Enttäuschung, Hass und Tod, besonders im ersten Teil des Großen Testaments.

Leben und Schaffen

Jugend und Studium

Über seine Kindheit und die Jugendjahre sind wir nur durch seine eigenen spärlichen Angaben in seinem Hauptwerk Le Testament sowie durch zwei zweifelsfrei ihn betreffende Begnadigungsurkunden von 1455 und zwei vermutlich ihn betreffende Eintragungen in Universitätslisten informiert. Hiernach kam er offenbar 1431 als François de Montcorbier oder des Loges in Paris zur Welt, als Sohn mittelloser Eltern. Sein Vater starb anscheinend früh, und er kam jung in die Obhut des Stiftsherrn und Rechtsgelehrten Guillaume de Villon, dessen Namen er um 1455 annahm. Nach propädeutischen Studien an der Artistenfakultät der Pariser Universität erlangte er vermutlich 1449 den Grad eines Bakkalaureus, 1452 den eines Magister Artium. Ein weiterführendes Studium, eher wohl Theologie als Kanonisches Recht oder Medizin, hat er nach eigener Aussage zwar begonnen, aber nicht beendet.

Abgleiten in die Kriminalität

Warum er das Studium abbrach, ist nicht bekannt. Vielleicht spielte der fast einjährige Streik der Pariser Professoren 1453–1454 eine Rolle, den die Studenten mit allerlei Unfug, aber nicht nur harmlosen Aktivitäten überbrückten. Villon glitt jedenfalls in das akademische Proletariat der Stadt ab und schloss sich vermutlich sogar den in ganz Nordfrankreich gefürchteten kriminellen Banden der Coquillards an, die in den Wirren des Hundertjährigen Krieges entstanden waren.

Im Juni 1455 brachte er, vielleicht in Notwehr, einem ebenfalls messerbewaffneten (selbst kriminellen?) Priester im Streit eine tödliche Wunde bei. Er zog es vor, aus Paris zu verschwinden, nachdem er sich unter falschem Namen von einem Barbier die Wunde an den Lippen hatte verbinden lassen, die er selbst beim Kampf davongetragen hatte. Schon Anfang 1456 konnte er zurückkehren dank zweier Begnadigungsurkunden von König Charles VII, die den Tathergang eingehend schildern. Hierbei heißt er übrigens in der ersten „François des Loges, auch Villon genannt“ und in der zweiten „Françoys de Monterbier“. Letzteres gilt als Abschreibfehler für „Montcorbier“, den Namen, unter dem in Pariser Studentenlisten von 1449 und 1452 ein „Franciscus de Moultcorbier“ bzw. „de Montcorbier“ figuriert, der vom Alter her mit ihm identisch sein könnte. Wer ihm die Begnadigungsurkunden verschafft hat, geht nicht aus ihnen hervor. Vielleicht die erste sein Ziehvater Guillaume, dessen Namen „Villon“ François hier womöglich zum ersten Mal benutzt? Und die zweite ein gewisser Fournier, den er im Testament (V. 1030 ff.) als „seinen Anwalt“ bezeichnet, der ihm mehrfach aus der Patsche geholfen habe?

Wahrscheinlich schrieb er in diesem Jahr 1456 sein erstes halbwegs sicher datierbares Werk, die Ballade des Contre-Vérités, die er im Refrain mit dem Akrostichon V-I-L-L-O-N signiert. Dieser parodistische Text, der eine lyrische Lobpreisung der Tugend von Alain Chartier in Ratschläge für Gauner verkehrt, richtete sich offensichtlich an ein Publikum gebildeter Krimineller, d.h. das unmittelbare Umfeld des Autors.

Dass er in dieser Phase seines Lebens oder auch später in Pariser Kneipen oder anderswo selbst gedichtete Lieder vorgetragen habe, ist weder durch entsprechende Aussagen Villons, noch durch entsprechende erhaltene Texte, noch durch sonstige Zeugnisse belegt. Die rd. 25 Balladen, die von ihm bekannt sind, eignen sich vom Inhalt her nicht für eine Vertonung und folgen hierin der Entwicklung dieser lyrischen Gattung, die sich gegen 1400 von der Musik gelöst hatte.

Immerhin könnten einige der später (1461/62) ins Testament eingestreuten Balladen schon in diesen Jahren um 1455 entstanden sein.

Flucht und Wanderjahre

Kaum ein Jahr zurück in Paris, wurde Villon erneut straffällig: In der Nacht vor Weihnachten 1456 knackte er mit vier Komplizen einen 500 Goldkronen enthaltenden Tresor in der Sakristei der Kapelle des Collège de Navarre. Wenig später, wohl noch im Winter, entfernte er sich aus der Stadt, nicht ohne den Kumpanen zur Belustigung sein erstes längeres Werk, das Lais (=Legat) oder Kleine Testament, zu hinterlassen.

Im Lais hatte Villon (bzw. das dort sprechende Ich) behauptet, er „gehe fort nach Angers“ (V. 43). Diese Angabe wird gestützt durch die erhaltene Aussage eines Komplizen vom Einbruch, wonach Villon dorthin aufgebrochen sei, um für die Bande einen Raub an einem reichen Mönch auszukundschaften. Ob der Coup je versucht wurde, ist unbekannt. Ebenfalls unbekannt ist, ob Villon, wie manche Biographen vermutet haben und fast als Faktum hinstellen, in Angers den dichtenden Herzog René d'Anjou als Mäzen gewinnen wollte.

Im Herbst 1457 muss er aus unbekanntem Grund in Blois im Kerker gesessen haben, doch im letzten Moment vor der Hinrichtung gerettet worden sein durch eine Amnestie, die der Herzog und große Dichter Charles d'Orléans anlässlich der Geburt seiner Tochter Marie am 19. Dezember erließ. Villon bedankte sich mit einem Lobgedicht auf die Neugeborene, das ihm Zutritt zum herzoglichen Hof verschaffte. Hierfür wiederum bedankte er sich mit einer Doppelballade, die er anschließend in das Lobegedicht einfügte, als er dieses persönlich in ein Sammelmanuskript des Herzogs eintragen durfte.

Als er nach der Teilnahme an einem höfischen Dichterwettstreit seinen Beitrag, die Ballade des contradictions (Ballade der Widersprüche), wiederum selbst in das genannte Sammelmanuskript eintrug, konnte er es nicht unterlassen, noch ein lateinisch-französisches Spottgedicht auf einen gelegentlich dichtenden Günstling des Herzogs hinzuzufügen, der wohl ebenfalls anwesend war. Daraufhin wurde er seinerseits vom Herzog und einem seiner Pagen in zwei Gedichten getadelt, d.h. vor die Tür gewiesen.

Dass er von Blois aus oder auch später nach Moulins gegangen und dort Gast des Herzogs von Bourbon gewesen sei, wie der apokryphe Titel einer Bettelballade von 1461 (s.u.) suggeriert, ist unbewiesen und eher unwahrscheinlich. Die betreffende Ballade jedenfalls war aller Wahrscheinlichkeit nach an Charles d'Orléans gerichtet.

Sicherer ist, dass Villon Anfang Oktober 1458 in Vendôme mit zwei Balladen versucht hat, Herzog Charles, der wegen eines Prozesses dort weilte, versöhnlich zu stimmen. Nachdem die erste, die Ballade des proverbes („Sprichwörterballade“), durch eine ähnliche Ballade eines Höflings harsch zurückgewiesen worden war, scheint ihm die zweite, die Ballade des menus-propos (Banalitätenballade), ein Geldgeschenk eingebracht zu haben.

Die von manchen Biographen fast als Faktum dargestellte Vermutung, Villon habe im Sommer 1460 in der Stadt Orléans in Haft gesessen, beruht auf einer Fehldeutung des o.g. Lobgedichts.

Villon wird erst wieder greifbar im Sommer 1461. Diesen verbrachte er, wie er zu Beginn des Testament angibt, ohne jedoch den Grund zu nennen, in Meung-sur-Loire im Kerker des Bischofs von Orléans, Thibaut d'Aussigny. Seine Versuche, den Bischof mit der Épître aux amis (Ballade an seine Freunde) und dem Dialoggedicht Débat du cœur et du corps de Villon (Zwiegespräch Villons mit seinem Herzen) gnädig zu stimmen, schlugen fehl. Er kam erst frei durch den Zufall, dass am 2. Oktober 1461 der neugekrönte König Louis XI auf einer Reise in Meung Station machte und ihn, vielleicht auf Fürbitte des mitreisenden Herzogs Charles, begnadigte.

Er kehrte zurück nach Paris bzw., da ihm die Stadt selbst wegen der noch ungesühnten Einbruchsaffäre verschlossen war, in die nähere Umgebung. Von hier aus versuchte er wohl schriftlich, wieder Anschluss an seinen Ziehvater Guillaume und dessen Kreise zu finden. Ein solcher Versuch ist offenbar die scheinbar an junge Kriminelle gerichtete Ballade de bon conseil (Ballade vom guten Rat) oder die scheinbar an die Schicksalsgöttin gerichtete zerknirschte Ballade de Fortune (Fortuna-Ballade), in der das Autor-Ich sich als von harter Arbeit „verschlissener“ Gipsbrenner präsentiert. Als diese Annäherungsversuche misslangen, begann Villon mit der Niederschrift des Testament (Das große Testament), seines Hauptwerks, das er offenbar schon im Laufe des Sommerhalbjahres 1462 beendete und in das er etliche wohl schon vorher verfasste Balladen einfügte.

Rückkehr in die Stadt Paris und erneute Verurteilung

Nach dem Scheitern seines Versuchs, ein neues Leben zu beginnen, scheint er sich aus Enttäuschung und Not wieder dem Kriminellenmilieu angeschlossen und mehr oder weniger im Pariser Untergrund gelebt zu haben. Vermutlich stammen aus dieser Zeit, d.h. 1462, seine schwer verständlichen Balladen im Gaunerjargon, in denen er in der Rolle eines Gauners zu den Pariser Gaunern spricht, vielleicht um sich so endgültig mit dem Kriminellenmilieu zu identifizieren.

Gemäß einer erhaltenen Aktennotiz saß er Anfang November 1462 wegen eines offenbar harmlosen Diebstahls im Pariser Stadtgefängnis und sollte schon freigelassen werden, als die Geschädigten des Einbruchs von 1456 im Collège de Navarre von seiner Verhaftung erfuhren. Villon musste sich vor der Freilassung verpflichten, 120 Taler, d.h. seinen Anteil von der Beute, zurückzuerstatten. Zweifellos hatte Guillaume de Villon für ihn gebürgt, denn dieser nahm ihn wieder bei sich auf.

Schon eines Abends im November oder Dezember jedoch wurde Villon von Kumpanen in ein Handgemenge mit den Angestellten eines Notars und diesem selbst verwickelt, am nächsten Tag erneut inhaftiert und anschließend, wohl nicht ohne gefoltert zu werden, zum Tode verurteilt. Offenbar in der Todeszelle schrieb er buchstäblich mit Galgenhumor den berühmt gewordenen Vierzeiler:

Quatrain
Je suis Françoys, dont il me poise,
Né de Paris emprès Pontoise,
Et de la corde d'une toise
Sçaura mon col que mon cul poise.

Auf deutsch: „Ich bin François, was mir Kummer macht,/ geboren in Paris bei Pontoise./ Und von einem eine Elle langen Strick/ wird mein Hals erfahren, was mein Hintern wiegt.“

Vermutlich in derselben Zeit und Situation entstand die zu Recht berühmte Ballade des pendus (Ballade der Gehenkten).

Allerdings hatte Villon beim obersten Gerichtshof, dem Parlement von Paris, Berufung eingelegt. Dieses kassierte in der Tat das überharte Urteil am 5. Januar 1463, wandelte es aber „wegen des schlimmen Lebenswandels besagten Villons“ um in zehn Jahre Verbannung aus der Stadt und der Grafschaft Paris. Villon musste, mitten im Winter und praktisch vogelfrei, die Stadt verlassen. Ein bombastisches, die Grenzen der Parodie streifendes Dankgedicht an den Gerichtshof und eine spöttische Ballade an den Gefängnisschreiber Garnier, der ihn wohl gerne hätte hängen sehen, sind sein letztes Lebenszeichen. Hiernach sind keine verlässlichen Zeugnisse von ihm oder über ihn mehr bekannt.

Bedeutung und Wirkung

In den ersten Jahrzehnten nach Villons Verschwinden wurden seine Werke dadurch erhalten und verbreitet, dass reiche Literaturliebhaber sie in die Sammelhandschriften aufnehmen ließen, die sie bei Kalligraphen in Auftrag gaben. 1489 wurde Villon zum ersten Mal gedruckt. Offensichtlich hatte der Pariser Drucker Pierre Levet Werke von ihm, und zwar gut 90 Prozent der heute bekannten Textmenge, aus verschiedenen Sammelhandschriften zusammengetragen. Diese Ausgabe wurde im Verlauf der folgenden Jahrzehnte häufig und von verschiedenen Werkstätten nachgedruckt. 1533 gab der Dichter Clément Marot eine Art kritische Villon-Edition heraus, die bis 1542 mehrfach aufgelegt wurde. Nach ca. 1550 geriet Villon weitgehend, aber niemals völlig in Vergessenheit. Der Autor und Literaturtheoretiker Boileau z.B. erwähnt ihn lobend um 1670. 1723 und 1742 erschien je eine Werkausgabe. Als Autor von Bedeutung wiederentdeckt wurde Villon zur Zeit der Romantik. 1832 erschien die erste Werkausgabe nach modernen Kriterien, 1834 widmete ihm der Dichter Théophile Gautier eine vielbeachtete Studie in La France littéraire. Später beeinflusste er Lyriker wie Paul Verlaine und Arthur Rimbaud, die sich als „poètes maudits“ (fluchbeladene Dichter) mit ihm identifizierten.

In Deutschland wurde er erst gegen 1890 entdeckt (sehr viel später als in England), und zwar von Richard Dehmel, der 1892 zwei Balladen von ihm übertrug und vermutlich durch deren Titel Lied der Gehenkten und Lied des vogelfreien Dichters das Bild Villons als eines Liedermachers kreierte. Später hatte die Villon-Übertragung von K. L. Ammer (1907, Neuauflage 1918) großen Einfluss auf die Autoren des Expressionismus, etwa Georg Heym, Klabund oder Bert Brecht, der mehrere Balladen aus Ammers Villon leicht verändert in seine Dreigroschenoper übernahm.

Zu einer Art deutschem Villon sogar wurde der expressionistische Lyriker, Erzähler und Dramatiker Paul Zech. Dieser veröffentlichte 1931 eine äußerst freie Nachdichtung der beiden Testamente und zahlreicher Balladen, die er um ebenso viele selbst erfundene Balladen im Stil Villons (oder was er dafür hielt) vermehrte. Kurz vor seinem Tod (1946) überarbeitete er seine „Nachdichtung“ grundlegend und versah sie mit einer fantasievollen „Biografie über François Villon“. Die überarbeitete Version samt Biografie erschien postum 1962 als Taschenbuch, das inzwischen (2006) 27 Auflagen mit weit über 300.000 Exemplaren erreicht hat und das Bild Villons im deutschen Sprachraum bestimmt. Einer der eindrucksvollsten Interpreten der Zech’schen Villon-Texte (in der Version von 1931) war der Schauspieler Klaus Kinski, der auch Lesungen auf Schallplatte einspielte. Der dank ihm bekannte Vers „Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund“ aus Eine verliebte Ballade für ein Mädchen namens Yssabeau hat übrigens, so wie die ganze Ballade, kein Vorbild bei Villon, sondern ist Originalton Paul Zech.

Auch Bands aus dem Bereich der Musik der Mittelalterszene, wie Subway to Sally und In Extremo, halten sich bei ihren Villon-Vertonungen in der Regel an die Texte von Zech.

Zu erwähnen ist des Weiteren dass die schweizer Musiker Bardet, Valentini und Andreas Vollenweider 1977 eine wunderschöne und sehr poetische Vertonung Zechscher Villon-Texte unter dem Tiel „Poesie und Musik“ veröffentlicht haben.

Werke

  • Das große Testament (Le Testament, 1461/62)

Literatur

Weblinks

François Villon Linksammlung auf dem Hamburger Bildungsserver


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