Schall und Wahn

Aus Weltliteratur

Schall und Wahn, engl. The Sound and the Fury, ist ein Roman von William Faulkner, veröffentlicht 1929. Er gilt heute als wichtiges Werk des "Early Modernism" und als einer der bedeutendsten Romane der amerikanischen Literatur überhaupt.

Der Roman berichtet in komplexer Erzählstruktur, unter anderem in inneren Monologen dreier Erzähler, geprägt von zahlreichen verschlungenen Rückblenden vom Niedergang der einst mächtigen Südstaatenfamilie Compson.

Der Titel verwendet ein Zitat aus Shakespeares Macbeth: "Leben ... ist nichts mehr als eine Fabel, erzählt von einem Idioten, voll mit Schall und Wahn, die nichts bedeutet."


Inhalt

Die Compsons leben in Jefferson (Kreisstadt des fiktiven Yoknapatawpha County) in einem zu groß gewordenen Haus: Der Vater der Familie hat sich zu Tode gesoffen und zur Familie, die früher einmal einen Gouverneur und drei Generäle hervorgebracht hatte, gehören in der erzählten Zeit vor allem die Mutter Caroline Compson, ihr schwachsinniger Sohn Benjamin, sein depressiver jüngerer Bruder Quentin, sein älterer Bruder Jason, seine Schwester Caddy und später ihre Tochter, ebenfalls Quentin genannt. In dem verfallenden Haus leben außerdem die schwarzen Bediensteten, die alte Dilsey, bis zu seinem Tod ihr Mann Roskus, deren Söhne Luster und Versh, sowie ihre Tochter Frony und deren Sohn T.P. In vier Abschnitten erzählt der Roman vor allem von Ereignissen und den Gedanken der Hauptfiguren an drei aufeinander folgenden Tagen im April 1928.

Im ersten Teil des Romans wird der Familienalltag aus der Perspektive des erwachsenen, schwachsinnigen Benjy beschrieben, der sich nur durch Stöhnen, Wimmern und Kreischen mit seiner Familie verständigen kann. Alle seine Sinneseindrücke gehen kaum über ein naives Kurzzeitgedächtnis hinaus – Menschen und Dinge tauchen von irgendwo in sein Gesichtsfeld ein und verschwinden daraus auf eine für ihn ebenso geheimnisvolle Weise.

Der zweite Teil, etwa 18 Jahre vorher datiert, wird von Quentin erzählt, der sich – möglicherweise wegen eines mit seiner Schwester Caddy begangenen Inzests – am Ende jenes von ihm erzählten Tages im Fluss ertränkt. Zuvor aber berichtet er u.a., wie er sich um ein kleines Mädchen kümmert, dass sich sprachlos und staunend verirrt hat – eines der wenigen barmherzigen und dann auch ironischen Ornamente des ganzen Romans.

Den dritten Teil erzählt Jason, der Jüngste, der nach dem Tod seines Vaters die Rolle des Hausherrn übernommen hat. Er arbeitet für ein kleines Einkommen als Verkäufer und investiert glücklos in Aktien. Jasons relativer Wohlstand resultiert vor allem daraus, dass er regelmäßig von dem Geld einiges abzweigt, mit dem seine Mutter seine "gefallene" und aus dem Haus vertriebene Schwester Caddy unterstützt. Jason fühlt sich vom Schicksal und seiner Familie ungerecht behandelt und benachteiligt und zeigt diese Unzufriedenheit deutlich in ausgeprägtem Zynismus und Boshaftigkeit.

Der vierte Teil wird von einem von allen handelnden Figuren gleich weit entfernten, anonymen Erzähler außerhalb der Familie berichtet. Im Mittelpunkt stehen Dilsey, die alte schwarze Bedienstete und gute Seele des Hauses, und Jason, dessen Geldkassette von Caddys Tochter Quentin aufgebrochen worden ist und die mit den ihrer Mutter vorenthaltenen 3000 Dollar flieht. Der betrogene Betrüger, seine gefühlskalte, wehleidige Mutter und sein schwachsinniger Bruder bleiben in dem trostlosen Haus zurück.


Interpretation

Zur Komposition und Bedeutung

Die ersten drei Teile bilden eine Einheit durch das Prinzip der Figurenperspektive, auch wenn sie sich in der erzählten Zeit und im Stil des jeweiligen Erzählers deutlich voneinander unterscheiden. Aber trotz dieses dreifach angewendeten Prinzips entfaltet sich kein zusammenhängender Handlungsfaden, da die Ereignisse in einer nicht-chronologischen Ordnung und in einer stark individuellen Akzentuierung vorgetragen werden.

Fragmentarische Rückblenden innerhalb einer schwach zusammenhängenden, aber doch chronologischen Erzählung innerhalb der Teile verwischen die Kohärenz der Geschichte noch weiter. So wird Quentins Tag in Harvard, sein Spaziergang und seine Begegnung mit dem kleinen Einwanderermädchen immer wieder unterbrochen von Erinnerungen an bewegende Erlebnisse in der Vergangenheit.

In den inneren Monologen der Figuren bzw. ihren Bewusstseinströmen sind die Umrisse der anklingenden, verwirrenden Katastrophen daher kaum auszumachen und die Fragmente der Erinnerung fügen sich nur schwer zu einem Bild der Familiengeschichte. In der Vielzahl der Andeutungen entfaltet sich allmählich ein Klima der emotionalen, ethischen und perspektivischen Hoffnungslosigkeit, aus dem die einzelnen Hauptfiguren sich nicht befreien können: Jede Perspektive steht für sich allein und gegen die der anderen. Die äußere Zersplitterung der Familie Compson durch Tod und Flucht ihrer Kinder folgt den schon vorher deutlich gewordenen vielfältigen seelischen Sprüngen und Rissen.

Die komplexe Zeitstruktur dieses Mosaiks der Erinnerungen, die Disparatheit der Teile – dem Leser teilt sich der experimentelle Charakter dieses ersten großen Romans von Faulkner schnell mit. Der Autor charakterisierte sein Werk im Rückblick als „ein Buch, wie ich es noch nie gelesen habe“ und schätzte es immer als seinen Aufbruch zu großen künstlerischen Wagnissen, die er auch in seinen späteren Werken suchte.

Wichtige Motive und Symbole

  • Zeit - Uhren und die Zeit selbst spielen eine wichtige Rolle im Roman und deuten auf ein fatales Ende hin - sowohl im Einzelschicksal auf Quentins Suizid (ein blutbeschmiertes Uhrglas, abgebrochene Zeiger in der Form einer Möwe) als auch in der Gesamterzählung auf das Ende der Familie und die Überholtheit der Familie Compson (die 3 Stunden nach gehende Küchenuhr).
  • Gerüche - Gerüche spielen eine große Rolle in den Teilerzählungen des Romans, wohl auch bedingt durch die Erzählform (innerer Monolog, Bewusstseinsstrom). Zum Beispiel für Benjy symbolisiert der Geruch Caddies nach Bäumen Normalität und einen völlig geregelten Alltag ("Caddy smelled like trees"). Caddies Geruch ist für ihn eng verbunden mit der Mutterrolle, die sie an Stelle von Mrs. Compson für ihn einnimmt.

Literatur

Weblinks

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