Die Kreutzersonate

Aus Weltliteratur

Die Kreutzersonate ist eine Novelle von Lew Tolstoi, geschrieben 1889.

Interpretationsansatz

Tolstoi verwendet für seine Kritik an der russischen Gesellschaft und der Ehe im Besonderen zwei Wege: Zuerst lässt er die Passagiere in einem Eisenbahnwaggon über die russische Gesellschaft in Bezug auf Ehe und Liebe diskutieren. Dabei plädieren einige Figuren für den Erhalt der "alten Gebräuche", dass die Frau sich dem Mann unterzuordnen hat und sich dieser sozialen Stellung bewusst werden muss. Andere votieren für eine Gleichberechtigung und die verbesserte Bildung der Frauen bzw. Mädchen. Vor allem zu Beginn der Erzählung schweift die Hauptfigur Posdnyschow von der eigentlichen Schilderung seiner Entwicklung und seines Ehelebens zu traktatartigen Monologen über den Verfall der Sitten, der „Versklavung der Frau“ (Posdnyschow spricht immerhin vom Körper seiner Frau, welcher ihm als Eigentum zustehen könnte) in der Ehe und der Abkehr von christlichen Werten. Mit fortschreitender Erzählung wird Posdnyschow immer mehr von seiner Beschreibung der eigenen Ehe mit einer Frau, die er nicht liebt und nur auf Grund einer zeitweiligen Verliebtheit geheiratet hat, gefangen genommen, wobei deutlich wird, dass seine Eifersucht, scheinbar der Grund für das Scheitern der Ehe und den Mord, nur eine wahnhafte Einbildung ist. Posdnyschow sieht sich selbst als von der Gesellschaft in einem Maß verdorben an, dass eine glückliche Ehe, die frei von sexueller Ausschweifung im gegenseitigen Unverständnis in der damaligen russischen Gesellschaft mit ihm nicht möglich ist.

Mit dieser Novelle ist Tolstoi ein tiefgreifendes Psychogramm einer zerrütteten Ehe gelungen. Die Hauptfigur hat gelernt, sich bei ihren Handlungen zu beobachten und jede noch so kleine Tat bewusst wahrzunehmen. Außerdem ist die ethische Dimension eines Ehebruchs mit eingeflochten. Daraus ergeben sich weiterführende Fragen:

  • Gehören sich Ehegatten gegenseitig bedingungslos?
  • Darf die Sexualität nur der Kinderzeugung dienen? (ergibt sich aus Kap. XIII)
  • Inwieweit hat der Ehebrecher Truchatschewskij eine moralische Verfehlung begangen?

Letztlich bleiben die Fragen unbeantwortet. Die Theorie der sich gegenseitig gehörenden Ehegatten wird praktisch sofort in Frage gestellt, denn Posdnyschow erkennt, dass er gar keine Gewalt über den Körper seiner Frau hat bzw. haben kann (XXV). Das christliche Problem des lustlosen Kinderzeugens wird ebenfalls nicht eindeutig gelöst, das Problem taucht in Kapitel XIII auf und wird als "Affentätigkeit", welche als Liebe deklariert wird, dargestellt. Als "Vorwort" wird von Tolstoj Matth. 5,28 angeführt; sinngemäß: "wer eine Frau begehrlich ansieht hat schon die Ehe gebrochen." Die Absicht dazu wäre das entscheidende Moment. Diese Ansicht wird von vielen Theologen und Philosophen geteilt. Wichtig für eine genauere Beurteilung wäre die Frage, ob Truchatschewskij in die Absicht des Ehebruches eingewilligt hat. Dies bleibt jedoch ein bisschen verschwommen. Hat er nicht eingewilligt, so hätte er nach Peter Abaelard auch nicht moralisch falsch gehandelt. Für Abaelard ist entscheidend, ob derjenige in die böse Handlung einwilligt, oder ob es bei einem bloßen Begehren bleibt.

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