Warmes Klima im Pliozän

Aus Klimawandel
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Abb. 1: Abweichung der globalen Mitteltemperatur im mittleren Pliozän gegenüber dem vorindustriellen Klima

Das Pliozän in der Klimaforschung

Ein Blick zurück in die Zukunft

Das frühe und mittlere Pliozän vor 5-3 Mio. Jahren v.h. ist vor allem deshalb interessant, weil ähnliche Klimaverhältnisse durch die globale Erwärmung in der Zukunft erwartet werden.[1] Es war die letzte warme Klimaperiode vor Beginn des Eiszeitalters. Ozeane und Kontinente lagen schon ungefähr in der heutigen Position, und die Tiefenverteilung der Ozeane war ebenfalls der heutigen ähnlich. Anders als von anderen warmen Perioden der Erdgeschichte gibt es vom mittleren (und frühen) Pliozän relativ viele Proxydaten, die passable Schätzungen von Land- und Ozeantemperaturen erlauben. Die Untersuchung des Klimas des mittleren Pliozäns ist daher ein Blick zurück in die Zukunft.

Zwischen dem Pliozän und dem möglichen Klima im 21. Jahrhundert durch die globale Erwärmung sind viele Parallelen gezogen worden: die höhere globale Mitteltemperatur gegenüber dem vorindustriellen Wert, die polare Verstärkung der höheren Temperatur, Veränderungen der Niederschläge und der Sturmbahnen, die höhere Hurrikan-Intensität und El-Niño-ähnliche Zustände im Pazifik.[2]

Modelluntersuchungen

In den letzten Jahren wurden daher zahlreiche Modelluntersuchungen durchgeführt, um von dem Klimasystem des mittleren Pliozäns ein Gesamtbild zu zeichnen und gleichzeitig die Modelle daraufhin zu testen, wie gut sie in der Lage sind, ein Klimasystem zu simulieren, das von den heutigen Verhältnissen deutlich abweicht.[3] Zugleich sollen solche Modellexperimente dazu dienen, über die Modellierung eines vergangenen warmen Klimas Kenntnisse über das zukünftige Klima zu erhalten.[4]

Um die Reaktion des Klimasystems auf eine Erhöhung des CO2-Gehalts zu testen, werden mit Klimamodellen sog. Sensitivitäts-Experimente durchgeführt. Dabei wird eine Verdoppelung des CO2-Gehalts angenommen und berechnet, wie sich die globale Mitteltemperatur verändert, wenn das Klimasystem ein neues Gleichgewicht erreicht hat. Einbezogen werden wichtige Feedback-Prozesse auf Zeitskalen von Jahren und Jahrzehnten. Nicht berücksichtigt werden langfristige Feedback-Prozesse wie die Veränderung von Eisschilden, von Ozeanströmungen oder der Vegetation, deren Zeitskalen auf Hunderten bis Tausenden von Jahren liegen. Die Reaktion der globalen Mitteltemperatur auf alle relevanten Prozesse des Klimasystems, also auch der langfristigen, wird als Erdsystem-Sensitivität bezeichnet. Erdsystem-Sensitivitäts-Experimente sind gegenwärtig noch nicht möglich, weil die zu berechnenden Zeiträume die aktuellen Computer-Kapazitäten überfordern.[4]

Eine Möglichkeit, die Erdsystem-Sensitivität zu testen, bieten jedoch Perioden der Erdgeschichte, von denen ausreichend Proxydaten existieren, um den damaligen Klimazustand zu bestimmen. Die Auswertung solcher Proxydaten hat ergeben, dass die Erdsystem-Sensitivität doppelt so hoch ist wie die Klimasensititvität. D.h. dass die langfristigen Feedback-Prozesse die Folgen einer Erhöhung bzw. Verringerung des CO2-Gehalts über einen längeren Zeitraum die globale Mitteltemperatur verdoppeln können. Die Ergebnisse durch Proxydaten werden dabei ausgeweitet durch Modellsimulationen, die wiederum mit den Proxydaten abgeglichen werden.[4]

Sensitivitäts-Experimente werden vor allem durchgeführt, um das mögliche Klima der Zukunft zu berechnen. Die jüngste geologische Vergangenheit, d.h. die Warm- und Kaltzeiten des Eiszeitalters, bietet dafür keinen geeigneten Vergleich, da der Kohlendioxid-Gehlt deutlich geringer und die Temperaturen auch in den Warmzeiten niedriger waren, als sie für die nächsten ca. 100 Jahre erwartet werden. Geeigneter erscheint die davor liegende Zeit des mittleren Pliozän um ca. 3 Mio Jahre v.h., das einerseits ein ähnliches Klima besaß, wie es durch die globale Erwärmung bis zum Ende des 21. Jahrhunderts erwartet wird, und von dem andererseits hinreichend Proxydaten existieren.[4]

Das Klima des Pliozän

Verschiedene Proxydaten aus dem Atlantik und Pazifik deuten drauf hin, dass im frühen Pliozän der C02-Gehalt der Atmosphäre ungefähr dem heutigen von knapp 400 ppm entsprach, und der im mittleren Pliozän bei ungefähr 370 ppm lag. Dennoch waren die globalen Mitteltemperaturen deutlich höher als heute, im frühen Pliozän um 4 °C und im mittleren Pliozän um 2,5 °C über den vorindustriellen Werten.

Das Klima des frühen Pliozän

Für das frühe Pliozän (4-5 Mio. Jahre v.h.) liegen vor allem Ozeandaten vor. Danach waren die Meeresoberflächentemperaturen in den Tropen mit 29 °C ähnlich hoch wie im vorindustriellen Klima, wobei der tropische warme Ozean sowohl nach Norden wie nach Süden wesentlich weiter polwärts reichte. Die Unterschiede der Ozeantemperaturen zwischen den verschiedenen Breiten waren im Pliozän deutlich geringer. Auch waren die Temperaturdifferenzen zwischen den beiden Hemisphären geringer als heute.[1]

Anders als in der Gegenwart gab es im frühen Pliozän in den tropischen Ozeanen zwei geschlossene Bänder mit häufigen tropischen Zyklonen nördlich und südlich des Äquators. Die Zahl der tropischen Wirbelstürme war mindestens doppelt so hoch wie heute.[5]

Das Klima des mittleren Pliozän

Besser erforscht als das frühe ist sowohl durch Proxydaen wie durch Modellberechnungen das mittlere Pliozän, das von 3,3 bis 3,0 Mio Jahre v.h. reichte. Es war die letzte warme Klimaperiode vor Beginn der pleistozänen Vereisung. Die Erforschung des mittleren Pliozän ist Gegenstand des internationalen Pliocene Model Intercomparison Project (PlioMIP).[6] Die globale Mitteltemperatur lag etwa um 3 °C über den vorindustriellen Werten. Modellergebnisse zeigen eine 2,0 bis 3,6 °C höhere Temperatur, wobei auf dem Land die Temperaturen mit 2,1-5,1 °C deutlich höher über den vorindustriellen Werten lagen als über dem Ozean mit 1,5-3,2 °C. In den höheren Breiten war es sogar um 15-20 °C wärmer als gegenwärtig,[3] während der Unterschied in den Tropen nur 2 °C betrug.[7] Der hydrologische Zyklus war intensiver als in der Gegenwart. Es gab höhere Niederschläge polwärts von 50° N und S, in den Subtropen dagegen geringere Niederschläge.[8]

Abb. 2: Waldanteil in vorindustrieller Zeit (links) und im mittleren Pliozän (rechts) nach Modellberechnungen

Der ostasiatische Monsun und auch die anderen Monsune waren wahrscheinlich stärker als im modernen Klima. Die Eisschilde Grönlands und der Antarktis waren deutlich kleiner als gegenwärtig. Als Folge lag der Meeresspiegel um ca. 22 m höher als heute.[7] Auf beiden Hemisphären war die Ausdehnung des Meereises nach Modellberechnungen deutlich geringer, im Norden um 23 %, im Süden um ca. 30 %. Auch die Eisdicke war z.B. in der Arktis um 2 m geringer als in der vorindustrieller Zeit.[3] Der Ozean zeichnete sich durch eine höhere Meeresoberflächentemperatur von 1,1-2,2 ° aus, bes. in den hohen Breiten und in den Auftriebsgebieten. Die Tropen besaßen eine größere und die Wüsten der Subtropen eine geringere Ausdehnung. Die ausgedehnten Tundragebieten des heutigen Nordamerikas und Sibiriens waren weitgehend von Wäldern bedeckt.[7]

Das Pliozän und das Klima der Zukunft

Trotz vieler Ähnlichkeiten, die zwischen dem Klima des Pliozän und den Modellprojektionen für zukünftige Klimabedingungen durch die globale Erwärmung bestehen, sind Zweifel an diesen Parallelen angebracht: Die Kontinente hatten möglicherweise noch nicht dieselbe Topographie. So war die Heraushebung der Anden und der Rocky Mountains noch nicht abgeschlossen. Klimamodellsimulationen zeigen, dass eine um 50 % niedrigere Höhe der Rocky Mountains für große Teile der Nordhalbkugel wärmere Temperaturen bedeuten würde.[2] Außerdem zeigten einige ozeanische Passagen (z.B. die Beringstraße, der Grönland-Schottland-Rücken, die Mittelamerikanische Landbrücke) nicht dasselbe Aussehen wie heute. Besonders die Schließung der Mittelamerikanischen Landbrücke, deren genauer Zeitpunkt immer noch Gegenstand der Forschung ist, hatte große Auswirkungen auf das nordatlantische Klima. So ist dadurch erst die atlantische meridionale Umwälzzirkulation (MOC) in ihrer heutigen Form entstanden, und einige Forscher sehen darin sogar einen entscheidenden Faktor für den Beginn des Eiszeitalters.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Fedorov, V., C. M. Brierley, K. T. Lawrence, Z. Liu, P. S. Dekens & A. C. Ravelo (2013): Patterns and mechanisms of early Pliocene warmth, Nature 496, 43-52
  2. 2,0 2,1 Haywood, A.L., et al. (2011): Are there pre-Quaternary geological analogues for a future greenhouse warming?, Philosophical Transactions of the Royal Society 369, 933-956
  3. 3,0 3,1 3,2 Rosenbloom,N.A., B. L. Otto-Bliesner, E. C. Brady, and P. J. Lawrence (2013): Simulating the mid-PlioceneWarm Period with the CCSM4 model, Geoscientific Model Development 6, 549–561, 2013
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 Lunt, D.J., et al. (2010): Earth system sensitivity inferred from Pliocene modelling and data, Nature Geoscience 3, DOI: 10.1038/NGEO706
  5. Fedorov, A.V., C.M. Brierley & K. Emanuel (2010): Tropical cyclones and permanent El Niño in the early Pliocene epoch, Nature 463, 1066-1071
  6. PlioMIP
  7. 7,0 7,1 7,2 Haywood, A.M., et al. (2013): Large-scale features of Pliocene climate: results from the Pliocene Model Intercomparison Project, Climate of the Past, 9, 191–209
  8. Stepanek, C., and G. Lohmann (2012): Modelling mid-Pliocene climate with COSMOS, Geoscientific Model Development, 5, 1221–1243

Weblinks

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