Starkregen und Hochwasser in Europa

Aus Klimawandel
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Abb. 1: Historische Brücke in Písek (Tschechische Republik) überflutet im August 2002

Hochwasserereignisse

In Europa hat es in den letzten Jahren zahlreiche Hochwasserereignisse gegeben, so in Ost- und Süddeutschland im Juni 2013 (Abb. 1), in Polen im Frühjahr 2010, in Deutschland und Frankreich im Mai 2008, in der Ukraine und Rumänien im Juli 2008, in Großbritannien im Sommer 2007[1] in der Tschechischen Republik und Deutschland im August 2002. Auch in den 1990er Jahren gab es starke Überschwemmungen, etwa 1993 und 1995 am Rhein, 1996 in Spanien und im Mai 1998 in Süditalien.[2] Insgesamt waren im Zeitraum 1950-2005 Italien und Spanien mit 12 bzw. 10 großen Hochwasserereignissen[3] die am meisten betroffenen Länder in Europa, gefolgt von Frankreich (9 große Ereignisse) und Deutschland (8 große Ereignisse). Zwischen 1970 und 2005 gab es insgesamt 222 Hochwasserereignisse in den EU-Staaten.[2]

Schäden

Die jährlichen Schäden durch Hochwasser liegen in den 27 EU-Staaten gegenwärtig bei 6,4 Mrd. €, und es werden pro Jahr ca. 250 000 Menschen von Hochwasserereignissen betroffen.[4] Im Einzelnen forderten die Überschwemmungen am Rhein 1993 und 1995 Schäden von 600 bzw. 320 Mio. US$. Die extreme Hochwasser 1997 in Polen, der Tschechischen Republik und Deutschland an der Oder hatten 115 Tote und einem Sachschaden von 5,9 Mrd. US$ zur Folge. Und den Überschwemmungen im August 2002 an der Elbe in der Tschechischen Republik und in Deutschland fielen 39 Menschen zum Opfer; die Sachschäden beliefen sich auf 14 Mrd. US$. Besonders viele Menschenleben haben kurzfristige, aber sehr heftige Sturzfluten in Südeuropa gefordert. So waren in Süditalien im Mai 1998 147 Menschen zu beklagen und in Spanien 1996 während eines nur einstündigen Niederschlags 87 Menschen. Von Sturzfluten am meisten betroffen ist Spanien.[2]

Die ökonomisch verlustreichsten Überschwemmungen in Europa der letzten ca. 20 Jahre waren mit über 20 Mrd. € die Hochwasser im August 2002, ein Jahr, in dem es nicht nur an der Elbe zu Überschwemmungen kam, sondern auch an der Donau u.a. Flüssen und neben Deutschland und der Tschechischen Republik auch Länder wie Österreich, die Slowakei, Rumänien und Italien betroffen waren.[5] Inwieweit der Juni 2013 noch höhere Schäden zur Folge haben wird, lässt sich noch nicht abschätzen.

Veränderungen

Eindeutige Entwicklungstrends von Hochwasserereignissen festzustellen ist äußerst schwierig, vor allem, weil zuverlässige Daten fehlen, je weiter man zeitlich zurückgeht. Dennoch lassen sich einige Änderungen feststellen. Zumindest nahmen seit 1970 die Schäden durch Hochwasser merklich zu, und es zeigte sich eine Zunahme der Jahre mit sehr hohen Schäden. Die Jahre 2000 und besonders 2002 gehörten neben 1983 und 1994 zu den Jahren mit den größten Schäden.[2] Auch die Art der Hochwasserereignisse hat sich geändert. Die kurzen Niederschlagsereignisse sind seltener, die längeren Regenfälle dagegen häufiger geworden. Außerdem gibt es weniger Hochwasserereignisse, die durch Schneeschmelze oder Eisblockaden in Flüssen bedingt sind. Für Elbe und Oder wurde entsprechend ein Abwärtstrend bei Überschwemmungen im Winter festgestellt.[5]

Abb. 2: Anzahl großer Hochwasserereignisse (Definition: s. Text) in Europa 1985-2009

Eine Methode die Stärke von Hochwasserereignissen festzustellen ist die Jährlichkeit der Ereignisse. Damit ist die Wiederkehrwahrscheinlichkeit von Naturereignissen gemeint. So berdeutet z.B. eine 100jährlichkeit bzw. ein ‚Jahrhundertereignis‘, dass das entsprechende Hochwasser statistisch gesehen nur alle 100 Jahre vorkommt. Ein Vergleich der Basis-Periode 1951-1970 mit den beiden letzten Jahrzehnten 1991-2010 zeigt folgende Veränderungen für Wiederkehrperioden von 5 Jahren und mehr: In Nordeuropa nehmen die extremen Niederschlagsereignisse im Winter und Frühling zu. So reduzierte sich die Wiederkehrperiode von 20 Jahren um 58 %. D.h. ein extremes Niederschlagsereignis, das in den fünfziger und sechziger Jahren nur alle 20 Jahre vorkam, kam in den beiden letzten Jahrzehnten in Abständen von weniger als 10 Jahren vor. Im Sommer änderte sich dagegen wenig. So haben sich in Südeuropa die Extremereignisse im Sommer mit einer 20jährigen Wiederkehrperiode mehr oder weniger nicht verändert. Für ganz Europa und über alle Jahreszeiten gemittelt reduzierten sich die Wiederkehrperioden aber immerhin um ca. 21 %.[1]

Nach der Jährlichkeit lässt sich auch die Intensität eines Hochwasserereignisses in einer bestimmten Region bestimmen.[5] So liegen der Abb. 2 drei Intensitätsklassen zugrunde:

  • Klasse 1: Wiederkehrperiode 10-20 Jahre
  • Klasse 1,5: Wiederkehrperiode von mehr als 20 bis weniger als 100 Jahre
  • Klasse 2: Wiederkehrperiode von 100 und mehr Jahren

In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre kamen in Europa kaum Ereignisse mit einer Jährlichkeit von über 20 vor. Seit Mitte der 1990er Jahre gab es in Europa fast in jedem Jahr mehr als vier Hochwasser mit einer Wiederkehrperiode von über 20 Jahren. In den folgenden Ländern haben sich 1985-2009 mehrere große Überschwemmungen (Hochwasserintensität 1,5 oder größer) ereignet: Rumänien, Tschechische Republik, Slowakische Republik, Deutschland und Österreich.[5]

Ursachen

Die Zunahme der Jahre mit sehr hohen Schäden muss nichts mit der Zunahme hoher Niederschläge zu tun haben. Sie ist primär darin begründet, dass in den hochwassergefährdeten Gebieten sich immer mehr Menschen ansiedeln, Infrastrukturanlagen gebaut und Flussläufe eingeengt wurden.[2]

Abb. 3: Großwetterlage während des mitteleuropäischen Hochwassers am 31.5.2013

Großwetterlagen

Dennoch sind Fluss-Hochwasser letztlich das Ergebnis von intensiven und/oder lang anhaltenden Regenfällen über mehrere Tage oder sogar Wochen über einer großen Region. Ob es in einem bestimmten Gebiet viel, wenig oder gar nicht regnet, hängt dabei jedoch nur zu einem geringen Teil von Temperatur und Verdunstung in diesem Gebiet ab. Die Wassermenge bestimmter Niederschlagsereignisse stammt im globalen Mittel zu ca. 90% aus Wasserdampf, der aus mehr oder weniger größerer Entfernung herantransportiert wurde.[6] Das gilt nicht zuletzt für Europa, das keine große Landmasse bildet und vom Atlantischen Ozeanen und großen Randmeere umgeben ist. Für den Wasserdampftransport sind atmosphärische Zirkulationssysteme, in den mittleren und höheren Breiten die durch den Jetstream gesteuerten Zugbahnen der Tiefdruckgebiete, von entscheidender Bedeutung. In Nord- und Westeuropa sind es die nordatlantischen Tiefdrucksysteme, die vor allem im Winter den Niederschlag regulieren und selbst wiederum von der Nordatlantischen Oszillation (NAO) beeinflusst werden. Der NAO-Index hat in den 1980er und 1990er Jahren eine Tendenz zu auffällig hohen Werte gezeigt, die seit Mitte der 1990er Jahren jedoch wieder zurückgehen. Ein stärkerer NAO-Index ist in der Regel im nördlichen Europa mit mehr Niederschlägen und im südlichen Europa mit geringeren Niederschlägen verbunden.

Abb. 4: Vb-Wetterlage

Für Winter- wie Sommerhochwasser ist entscheidend, dass sich bestimmte Großwetterlagen, die die Niederschläge mit sich bringen, über einen längeren Zeitraum halten. Im Winter ist es die durch eine starke NAO bestimmte Westlage zyklonal, bei der einzelne Tiefdruckgebiete vom Nordatlantik westlich von Irland über Nord- und Ostsee bis nach Osteuropa wandern. Zwischen den Tiefs gibt es kleinere Hochdruckzellen. Die Westlage zyklonal ist mit 15,7 % im Jahresmittel die über Mitteleuropa am häufigsten vorkommende Großwetterlage. Bei einer schwachen NAO wird sie jedoch von einem Hochdruckgebiet, das von Nordosteuropa bis nach Frankreich reichen kann, blockiert (vgl. Kalte Winter in Europa).

Für Sommerhochwasser in Mitteleuropa haben sich in letzter Zeit häufig die sog. Vb- oder damit verwandte Wetterlagen (Abb. 4) als entscheidende Niederschlagsbringer erwiesen. Das war etwa der Fall bei dem Oder-Hochwasser 1997 und dem Elbe-Hochwasser 2002. Und auch die Überschwemmungen an Donau und Elbe im Juni 2013 waren durch eine Vb-ähnliche Wetterlage bedingt (Abb. 3).[7] Bei Vb-Wetterlagen ziehen Tiefdruckgebiete vom Mittelmeer her, wo sie sich mit Wasserdampf aufladen, nach Mitteleuropa, meistens östlich um die Alpen herum. Hier stoßen sie auf Gebirge, z.B. auf das Erzgebirge, und/oder auf Kaltluftmassen und regnen sich aus. Wenn die Vb-Wetterlagen länger anhalten, liegt eine sog. Blockierende Wetterlage vor. Möglicherweise ist es in jüngster Zeit zu einer Häufung von blockierneden Wetterlagen gekommen. Manche Forscher führen das auf das Abschmelzen des arktischen Meereises zurück.[8][9] Dadurch würde der Temperatur- und Luftdruckgegensatz zwischen hohen und mittleren Breiten geschwächt. Die Folge sind schwächere planetare Wellen des Jetstreams mit größeren Amplituden der Wellen und einer langsameren West-Ost-Bewegung. Aus diesem Grund können sich in manchen Regionen Tiefdruck-, in anderen Hochdruckzellen längere Zeit stationär halten. Im Sommer können die Tiefs zu starken Niederschlägen, die Hochs zu Hitzewellen führen. Das war etwa die Konstellation 2010, als Russland von einer verheerenden Hitzewelle heimgesucht wurde und Paskistan von gewaltigen Überschwemmungen.

Feuchte Böden

Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass aus starken Niederschlägen Hochwasser entstehen, liegt oft darin, dass der Boden durch länger andauernden Regen sehr viel Feuchtigkeit aufgenommen hat, irgendwann gesättigt ist und kein weiteres Wasser mehr aufnehmen kann. So war z.B. den Hochwassern in England und Wales im Oktober und November 2000 ein sehr feuchter Sommer vorausgegangen, nach dem die Böden nicht auf das sonst übliche Niveau ausgetrocknet waren. Die starken Regenfälle begannen im September und zogen sich den ganzen Oktober hindurch hin. Hochwasserereignisse im Winter und Frühjahr sind ebenfalls durch großräumige Regenfälle bedingt, die teilweise mit dem Schmelzen von Eis und Schnee zusammenfallen. Auch hier können durchnässte Böden eine Rolle spielen, aber nicht selten auch gefrorene Böden, durch die das Wasser nicht versickern kann. Beispiele waren die Überschwemmungen am Rhein 1993 und 1995. Sturzfluten, die eher in Südeuropa vorkommen, sind das Ergebnis von intensiven Regenfällen über einem kleinen Gebiet in Berg- oder Hügelländern und dauern normalerweise weniger als sechs Stunden.[2]

Hochwasser und Klimawandel

Die Häufung von ‚Jahrhundertereignissen‘ in den letzten Jahren (z.B. in Deutschland 2002 und 2013) hat immer wieder die Frage aufkommen lassen, inwieweit der vom Menschen verursachte Klimawandel dafür verantwortlich ist. Allgemein ist es jedoch sehr schwierig, in den Hochwasserereignissen der letzten Jahrzehnte den Klimawandel als Ursache nachzuweisen, da die natürlichen Schwankungen der Niederschläge von Jahr zu Jahr und von Jahrzehnt zu Jahrzehnt sehr hoch sind. Daher wird man auch, wenn die Änderungen im Sinne des Klimawandels tatsächlich vorliegen, sie statistisch für die nächsten Jahrzehnte kaum nachweisen können. Klimamodellrechnungen zeigen dagegen eine hohe Wahrscheinlichkeit von stärkeren Niederschlagsereignissen in einer wärmeren Welt. Nicht zuletzt sprechen dafür physikalische Gesetzmäßigkeiten (vgl. den Artikel Starkniederschläge und Hochwasser).[5]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 van den Besselaar, E.J.M., A.M.G. Klein Tank and T.A. Buishand (2012): Trends in European precipitation extremes over 1951–2010, International Journal of Climatology, DOI: 10.1002/joc.3619
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 Barredo, J.I.(2007): Major flood disasters in Europe: 1950–2005, Natural Hazards 42, 125-148
  3. Überschwemmungen werden hier als großes Hochwasserereignis eingestuft, wenn die Opferzahl 70 übersteigt und/oder die Schäden mehr als 0,005 % des EU-Bruttosozialprodukts im Jahr des Hochwassers betragen, vgl. J.I. Barredo (2007): Major flood disasters in Europe: 1950–2005, Natural Hazards 42, 125-148
  4. Feyen, L., R. Dankers, K. Bódis, P. Salamon and J.I. Barredo (2011): Fluvial flood risk in Europe in present and future climates, Climatic Change, DOI 10.1007/s10584-011-0339-7
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 Kundzewicz, Z.W., I.Pinskwar and G.R.Brakenridge (2012): Large floods in Europe, 1985-2009, Hydrological Sciences Journal, DOI:10.1080/02626667.2012.745082
  6. Trenberth, K.E., A. Dai, R.M. Rasmussen and D.B. Parsons (2003): The Changing Character of Precipitation, Bulletin of the American Meteorological Society 84, 1205-1217
  7. DWD-Pressemitteilung vom 06.06.2013: Juni-Hochwasser im Süden und Osten Deutschlands
  8. Cohen, J.L., et al. (2012): Arctic warming, increasing snow cover and widespread boreal winter cooling, Environmental Research Letters 7, doi:10.1088/1748-9326/7/1/014007
  9. Francis, J.A., and S.J. Vavrus (2012): Evidence linking Arctic amplification to extreme weather in mid-latitudes, Geophysical Research Letters 39, doi:10.1029/2012GL051000

Weblinks

  • Undine Informationsplattform zu Hochwasserereignissen an den großen Strömen in Deutschland von der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG)
  • Tiefgraber, M. (Deutscher Wetterdienst, 2016): Typische Zugbahnen der Zyklonen


Klimadaten zum Thema

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Schülerarbeiten zum Thema

Schülerarbeiten zum Thema des Artikels aus dem Schulprojekt Klimawandel:

  • Extremereignisse und ihre Folgen im Zuge des Klimawandels am Fallbeispiel des Elbhochwassers 2002 (Gymnasium Athenaeum Stade, Stade),
  • Alle Jahre eine Jahrhundertflut? Muss man in Zukunft mit vermehrten Hochwasserereignissen an der Elbe rechnen? Und in welcher Weise nimmt der Klimawandel Einfluss darauf? (Stadtteilschule Walddörfer, Hamburg)


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